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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010604022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901060402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901060402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-04
- Monat1901-06
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Polizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen «PretS die 0 gespaltene Petitzeile 2S H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (rxcl. Porto). Ertra - Beilagen (gesalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 00.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 289. Dienstag den 4. Juni 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Nochmals die Schlacht bet Blakfontciu. Das Brüsseler „Petit Bleu" veröffentlicht ein« ihm von der Gesandtschaft von Transvaal zugegangene Miltheilung üb«r eine in der N ä h e v o n P r et o r ia stattgahabte Schlacht, in der Beyers und Breitenbach die Engländer schlugen, 600 Gefangene machten und 6 Kanonen erbeuteten. In der Mit- theilung der Gesandtschaft hcfißt es: Der 2. Mai ist das Datum des Berichts, nicht der Schlacht. Die betreffende Schlacht muß zwischen dem 25. April und 2. Mai stattgefunden haben. In diesen Tagen muß heftig gekämpft worden sein. Man hörte deutlich Kanonenschüsse in Pretoria, besonders westlich von Pre toria in Zwartruggen auf dem Wege von Nustenbuvg nach Watervaal und in Kalkhoewel, östlich von Pretoria. Der Bericht enthält nur Näheres über einen Kampf bei Kalkhoewel. Uebcr die dortigen Vorgänge wird berichtet: Der Kommandant Breiten bach mit 150 Mann wurde von einer großen englischen Truppen- abtheilung angegriffen und war schon fast besiegt, als General Beyers hinzukam. Die Engländer wurden dann unter den be kannten Umständen geschlagen. Ueber die anderen Kämpfe haben wir noch keine näheren Mittheilungen; wir wissen nur, daß ein Gefecht bei Zwartruggen stattgesunden hat, wo die Engländer von den Boeren vom Waierderg in die Flucht geschlagen wurden. * London, 4. Juni. (Telegramm.) Ein Telegramm aus Capstadt bezeichnet als Ort, wo das Gefecht am 3l. Mai stattsand, Neksontein in der Nähe von Krügersdorp, nicht Nekfontein an der Bahn von Johannisburg nach Natal. (Nach dem Wortlaut der betreffenden Meldungen und nach dem, was über die Stellung Delarey's bekannt war, konnte letzteres überhaupt nicht in Betracht kommen. Die Red.) Kämpfe in der Capcolonie. * Capstadt, 3. Juni. Die Stadt Weilomore (Willowmore? im Süden des Caplandes südlich von Aberdeen) wurde gestern von einem 700 Mann starken Boerencommando unter Scheepen angegriffen. Der Feind wurde schließlich mit einem Verluste von zwei Todten und drei Verwundeten zurückgeworfen. Ein anderes Boerencommando unter Fouchü bedrohte gestern James town (im Norden der Colonie, District Oliwal North). Aus London, 3. Juni, wird uns berichtet: Die Commission zur Prüfung der EntschädiguagSforderungei» der aus Südafrika auszewiesenen Personen trat heute wieder zusammen. Der niederländische Vertreter Bishop erklärte, daß er keine Reclamanten vorzuführen habe. Der österreichisch ungarische Vertreter Lusada erklärte im Allgemeinen im Namen «der fremden Vertreter, die Arbeiten der Commission schritten nicht schnell vorwärts, möglicher Weise wegen wechselseitiger Mißverständnisse. Die fremden Ver treter seien der Ansicht, daß die Arbeiten durch einen Gedanken austausch gefördert würden. Sie erkennen an, daß die britische Regierung die Rechte der Neutralen mehr geachtet hatte, als dies je geschehen sei. In Würdigung dessen hätten die fremden Re gierungen ihre Vertreter angewiesen, die günstige Stimmung zu erhalten zu suchen, welche durch das Vorgehen der britischen Re gierung hervorgerufcn worden sei. Es wären fast zwet- tausendAn spräche erhoben worden. Das persönliche Er scheinen aller Reclamanten sei absolut unmöglich. Er (Lusada) schlage daher vor, eine Liste der Reclamanten zu unterbreiten, auf welcher di« Ansprüche der Einzelnen angegeben werden unter Hinzufügen einer Begründung derselben. Der Vertreter des Kriegsamtes, Ardagh, erklärte sich im Allgemeinen mit den Vor schlägen der fremden Vertreter einverstanden. Der Vorsitzende fügte hinzu, die Commission wolle Allen Gerechtigkeit zu Theil werden lassen. Di« großmüthige Handlungsweise der britischen Negierung stehe einzig in der Geschichte da. * London, 4. Juni. (Telegramm.) „Daily Mail" meldet aus Pretoria, es sei eine militärische Commission ernannt worden, um alle Ersatzansprüche wegen der durch die britischen Truppen in Südafrika angerichtcten Schäden zu erwägen. Es seien bereits 3000 Anforderungen auf Schadenersatz erhoben worden, deren Betrag eine Million Pfund übersteige. Die Wirren in China. Ter Abschied Waldcrsec's. Feldmarschall Graf Waldersee gab am Sonnabend Abend im Kaiserpalast zu Peking ein Abschiedsdiner zu Ehren des deutschen Gesandten l)r. Mumm von Schwartzenstein. Den ersten Toast brachte der Feldmarschall auf den Kaiser Wilhelm und die Souveraine der verbündeten Mächte aus. In seiner Rede dankte er Or. von Mumm für den uner müdlichen Eifer, mit dem er ihn stets unterstützt hatte und betonte ausdrücklich, daß ihre beiderseitigen Beziehungen, sowohl die persönlichen, wie die amt lichen, nie auch nur einen Augenblick getrübt gewesen wären. Der Feldmarschall schloß mit dem Wunsche, daß Deutschland in ähnlichen kritischen Lagen stets ebenso ausgezeichnet diplomatisch vertreten wäre, wie jetzt in Peking. Hierauf rief Graf Waldersee den Major Förster zu sich und gratulirte ihm zu dessen großer freudiger Ueberraschung zur Ver leihung des Ordens pour Io morito. In seiner Er widerungsausprache pries vr. von Mumm den Ober- commandirenden als Soldat und als Diplomaten und ge dachte auch des tragischen Todes der Generale Aorck und Schwartzhoff. Später toastete General Gayl aus die ver bündeten Generale. General von Trotha dankte dem Feld marschall Namens des deutschen ExpeditionScorps, dessen Officiercorps beschloß, den 17. October eines jeden Jahres als Jahrestag der Ankunft Waldersee's in Peking festlich zu begehen. * Peking, 3. Juni. Generalfeldmarschall Graf Waldersee ist heute früh nach Abnahme einer Parade über die deutsche Garnison mit Extrazug von hier nach Tientsin abgereist, um sich morgen in Taku nach Kobe einzuschisfen. Ehrencompagnien ver schiedener Contingente und das diplomatische Corps waren am Bahn hof. Eine japanische Batterie feuerte Salut. Gesterik Abend war Abschiedsdiner beim deutschen Gesandten unter Theilnahme der fremden Vertreter. (Wiederholt.) EntschädignugSfrage. Die „Times" melden aus Shanghai: Wie verlautet hat der Gouverneur der Provinz von Singanfu die Mittheilung erhalten, daß der auf seine Provinz entfallende Beitrag zur Zahlung der Kriegskostenentschädigung 3 Mill. Taöls betrage. Es bleibt ihm überlassen, zu sehen, wie er das Geld beschaffe. Das Blatt bemerkt, wenn eine solche Be stimmung erlassen worden sei, dann könne mit Sicherheit auf eine bedeutende Erhöhung der Einfuhrzölle für die nach dem chinesischen Binnenlande bestimmten Waareu gerechnet werden, und das würde zu einer wahren Zerrüttung des Handels führen. Ein Zwischenfall. * Tientsin, 2. Juni. Letzte Nacht kam es in hiesiger etwas berüchtigter Takustraße zu einem Zusammenstoß zwischen englischen Polizeisoldaten und französischen Soldaten. Letztere griffen mit dem Bajonett und Steinwürfen die Engländer an, von welchem darauf Feuer gegeben wurde. Die Engländer er hielten pflichtmäßige Unterstützung von der deutschen Polizei. Nachdem den Franzosen japanische und, wie es heißt, auch ein zelne deutsche Soldaten zu Hilfe gekommen waren, entwickelte sich ein Krawall, wobei angeblich ein Franzose todt blieb, während etwa 10 Soldaten verwundet wurden. Einzelheiten fehlen vor läufig. Auch die japanische Polizeistation wurde angegriffen. * Shanghai, 4. Juni. (Telegramm.) Eine ottomanische Mission an die Moha medaner in China ist hier eingetroffen. Es ist unbekannt, wohin sie sich von hier zu wenden gedenkt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. Juni. Die „Kreuzzeitung" hatte, wie erinnerlich sein wird, kürzlich zugestanden, daß die Verleihung des Schwarzen ASler- ordcnS an LorV Roberts bei ihr keine freudige Erregung ge weckt hätte, aber hinzugesügt, sie könnte es nicht billigen, daß dem Reichstage die nochmalige Verhandlung der An gelegenheit nahegclegt würde. Denn der Schwarze Adler orden sei ein preußischer Orden und seine Verleihung eine RegierungShandlung des Königs von Preußen, nicht des deutschen Kaisers; die staatsrechtliche Verantwortung trage also nicht der Reichskanzler, sondern der preußische Ministerpräsident, und zwar nicht gegenüber dem Reichstage, sondern gegenüber dem preußischen Landtage. Wir hatten darauf entgegnet, Graf Bülow scheine etwas anderer Ansicht zu sein, denn er habe im Reichstag schon einmal die An gelegenheit berührt. Zwar habe er damals die Verleihung als einen rein privaten Act des Kaisers bezeichnet, nachdem aber der „Neichsanzeiger" die Auszeichnung veröffentlicht, könne von einem Privatacte nicht mehr die Rede sein, nunmehr habe er die Verantwortung übernommen. Auch würde es zu ganz seltsamen Zuständen führen, wenn anerkannt würde, der Reichstag dürfe mit Regierungshandlungen deS Königs von Preußen sich auch dann nicht beschäftigen, wenn nach Ansicht der deutschen Volksvertretung diese Regierungs handlungen die Beziehungen deS Reiches zum Auslande beeinflussen. Darauf entgegnet nun die „Kreuzztg.": „Wir haben bereits zugegeben (?), daß, wenn eingestan- dener maßen beabsichtigt gewesen wäre, der Ordensauszeich nung eine politische Bedeutung zu geben, die Handhabe für ihre Besprechung im Reichstage geliefert wäre. Aber in der Bemerkung des Grafen Bülow, Laß sie keine politische Be deutung habe, liegt eben die Zurückweisung der Zumuthung, über sie dem Reichstage Rede und Antwort zu stehen. Wenn sich das „Leipziger Tageblatt" die Mühe geben wollte, die betreffenden Ausführungen des Grafen Bülow in dem steno graphischen Berichte über die 61. Sitzung Les Reichstags nachzulesen, so würde es erkennen, Laß auch der Reichskanzler die Auszeichnung des englischen Generals als eine lediglich Seine Majestät den König von Preußen angehende persönliche Angelegenheit betrachtet hat. Bon einer geradezu verblüffenden Einfalt aber zeugt die Auffassung des genannten Blattes, daß durch die Bekanntmachung der Ordens verleihung im „Neichsanzeiger, die Verantwortlichkeit deS Reichskanzlers gegenüber dem Reichstage begründet sei. DaS „Leipziger Tageblatt" scheint noch nie ein Exemplar des „Reichsanzeigers" in den Händen gehabt zu haben, denn sonst müßte ihm ausgefallen sein, daß dieses amtliche Organ auf seinem Kopfe mit fettgedruckten Buchstaben als „Deutscher Reichsanzeiger und Köni glich Preußischer Staats-Anzeiger" bezeichnet ist. Zum Ueberfluß bemerken wir noch, daß hier die auf Lord Roberts bezügliche Bekanntmachung mit den Worten beginnt: „Seine Majestät der König haben Avergnädigst geruht". Damit ist die Ordensverleihung in unzweifelhafter Weise als eine preußische Angelegenheit gekennzeichnet." Da wir und unser Leserkreis an Ausdrücken wie „ver blüffende Einfalt" weniger Geschmack finden, als die „Kreuzztg." und nach ihrer Annahme ihre Leser, so verzichten wir darauf, uns ähnlicher Wendungen zu bedienen, und stellen einfach fest, daß wir die beiden Titel deS „ReichS- anzeigerS" sehr gut kennen und nie den Schwarzen Adler- Orden für etwas Anderes als einen preußischen Orden gehalten haben, den der König von Preußen verleiht. Wir wissen aber auch ferner, daß eS keinem Menschen einfallen würde, die etwaige Verleihung eines badischen Ordens an Lord Roberts für eine hochpolitische, daS Reich berührende Angelegenheit zu halten, die im Reichstage zur Sprache gebracht werden könnte oder sollte. Daß eS aber mit dem höchsten preußischen Orden ein anderes Bewenden hat, sollte doch gerade die „Kreuzztg." nicht bezweifeln, der eS unsrer Ansicht nach am übelsten ansteht, ihrem Könige zu unterstellen, er fühle und wisse nicht in jedem Augenblicke, daß er zugleich als Kaiser handelt. Ihm selbst fällt eS sicherlich am wenigsten bei, in Abrede zu stellen, daß die Verleihung des Schwarzen Adler-Orden- eine Handlung nicht nur des Königs, sondern auch deS Kaisers war. Auch dem Grafen Bülow wird eS nicht beikommen, zu behaupten, waS der König von Preußen thue, brauche der Kaiser nicht zu wissen und zu vertreten. Und wenn er selbst in der 61. Sitzung des Reichstages jene Ordens verleihung als einen Privatacl bezeichnete, auf den er nicht weiter einzugehen brauche, so wird er bei einer etwaigen neuen Anfrage nicht vergessen, daß seitdem die Veröffentlichung der Auszeichnung im „Preußischen Staatsanzeiger" erfolgte, der zugleich „Reichsanzeiger" ist, und daß durch diese Veröffent lichung die Theorie vom Privatacte ihre ohnehin zweifelhafte Haltbarkeit völlig verloren hat. Ueber die Abreise des französischen Generals vonnal von Berlin bringen dort erscheinende Blätter eingehende Schilderungen, in denen mit peinlicher Genauigkeit aufgeführt wird, wer den General begleitet, wem er die Hand gedrückt, wie die Farbe seines Gesichts und seines Ueberziehers war u. s. w. u. s. w. Auch die „Berl. Börs.-Ztg." druckt diesen Bericht ab, aber nur um zu beweisen, daß auch sie gegen Gäste deS Kaisers ausnehmend höflich zu sein weiß, und um folgende Bemerkung daran zu knüpfen: „Die Art, wie man in einem Theil der Berliner Presse Genug- thuung darüber aussprach, daß General Bonnal einen tiefen Ein druck von der Person unseres Kaisers empfing, wie man davon sprach, daß unsere militärischen Einrichtungen seinen Beifall fanden, ist recht würdelos zu nennen. Spricht doch noch gestern früh Feuilleton. 22s Cin Engel -er Finsterniß. Roman von Gertrude Warden. Autorisirte deutsche Uebersetzung von A. BraunS. Nachdruck verdetni. „In erster Linie ist er gar nicht Dein Bruder!" „Obgleich nur mein Stiefbruder, so ist er mir doch theurer, als irgend Jemand auf der Welt; und ich werde nicht dabei stehen und mit ansehen, daß eine Frau zur Befriedigung ihrer Eitelkeit ihn zum Narren hält!" „Dudley, Dudley", rief Francesca in einem Tone, der wie ein Weheschrei klang, „warum bist Du nur immer so fürchter lich hart? Kannst Du denn nicht einsehen, daß ich nur dankbar bin für mir bewiesene Zuneigung, und aus diesem Grunde den armen Viktor nicht zurückweise, wie es Wohl meine Pflicht wäre. Er ist ein Knabe — in meinen Augen wenigstens erscheint er als ein solcher! Ich fühle mich nach dem herben, schweren Da sein, das mir bcschicden gewesen, um so viele Jahre älter, als mein eigentliches Alter ist. Dann ist der arme Bursche auch so sehr schwächlich — auszehrend, nicht wahr? — und ich fürchte, Wenn ich unfreundlich gegen ihn wäre, er möchte es sich zu Herzen nehmen und sich wirklich krank grämen." „Viktor auszehrend!?" griff Dudley aus ihrer Rede heraus. „E: ist nicht besonders muskelstark, aber es hat ihm nie im Leben etwas gefehlt. Jetzt gerade hat er sich so sehr verliebt, daß er weder essen, noch schlafen kann, und keine Frau, wenn sie nur einen Funken von Gemüth besitzt, würde einen Mann ermuthigen, über sie in solchen Zustand zu gerathen!" „Ich ermuthige ihn ja aber nicht!" protestirte Francesca. „Dich ermuthige ich", setzte sie mit gedämpfter Stimme hinzu, weil ich Dich liebe, Dudley!" Ihre Stimme klang wie die süßeste Musik. Dudley traute sich nicht, sie anzusehen, da er ihre Augen auf sich geheftet fühlte, und trabte daher rasch weiter, den Blick die Kastanienallee, die sich vor ihnen ausdehnte, hinabschickend, und seitwärts auf die äsenden Rehe. „Ich bin nicht eitel, wie Du denkst", warf Francesca jetzt ein. „Die Bewunderung der Männer hat für mich wenig Bedeutung — habe ich sie doch stets besessen! Vermuthlich würde ich sie vermissen, wenn sie jäh aufhörte, daß ist Alles. Aber ich, schmachte danach, geliebt zu werden, wie ich zu lieben fähig bin. und wenn es auch nur auf eine wonnevolle Woche — selbst nur auf einen Tag wäre! Du bist so viel kälter und härter als ich, daß ich Dir solches Gefühl wohl nicht begreiflich machen kann. Ich weiß aber, daß Du mich trotz Deiner Kälte und Härte liebst. Und — und warum willst Du mir dies nicht gestehen, Dudley?" Dieser drehte sich um und schaute sie an, auf ihr liebeglühen des Angesicht und in die schimmernden Augen, meisterte aber seine Gefühlserregung und zwang sich zu erkünstelter Gleich giltigkeit. „Ich sagte Dir", erklärte er dann mit verletzender Offenheit, „daß ich nie, so es dem Herrn gefalle, eine Frau heirathen würde, der ich nicht traute. Und Dir kann ich nicht trauen!" „Warum denn nicht?" „Der Instinkt, vermuthlich — der Instinkt der Selbsterhal tung warnt mich." „Ich dachte, die Männer glaubten nicht an dergleichen — sie ließen sich von der Vernunft leiten!" „Erfahrung und meine Vernunft lehren mich, meinen In stinkt zu respectiren." „Und Dein Instinkt lehrt Dich, vor mir Dich zu hüten? O Dudley!" „Ja", erwiderte er erbarmungslos — „mein Instinkt warnt mich vor einer geriebenen und ausgelernten Koketten." „Bin ich das Alles? Was aber ist es dann, das Dich trotz Deiner Vernunft so mächtig zu mir zieht?" „Deine Schönheit vermuthlich", erklärte er eisig, „aber ein Gernhaben, das blos auf physische Schönheit basirt ist, ist nicht viel Werth." „Jetzt redest Du Unsinn — jugendlichen, aller Erfahrung ent behrenden Unsinn!" rief sie. „Jene physischen Zuneigungen und Abneigungen sind cs, die ohne Achtung vor dem Alter, dem Range oder Verstände, «inen fortreißen, die die Welt bewegen und die Geschichte machen — Liebe, in der That — jähe, leiden schaftliche Liebe — Liebe ohne einen Gedanken an Vernunft — Liebe, die Krieg führt gegen die eigenen Interessen, gegen dre eigenen Pläne! Ich will nicht wieder heirathen — vor allen Dingen keinen Cousin im ersten Grade! Ich will durch keine Gcmüthserregungen, leine Liebesangelegenheiten beunruhigt wer den, bis die Revelsworth'sche Erbschaftssache geordnet und die Zukunft meiner Mutter gesichert ist. Und doch liebe ich Dich trotz alledem!" „Was willst Du denn mit Alledem sagen?" fragte er und blieb Plötzlich, sie anschauend, stehen. Bist Du mit Dir einig, mich zu heirathen?" Schaudernd fuhr Francesca zurück. „Heirath ist cin Wort von schlimmer Vorbedeutung für mich", behauptete sie wiederholt, „und überdies würde Tante Margaret niemals vergeben —" „Wenn ich mich entschlossen hätte, Dich zu heirathen", fiel er ihr ins Wort, „würde die Tante Margaret nicht in meine Be rechnungen treten. Wenn ich Dir traute, an Dich glaubte, würde ich, Dich am Arme führend, direct zu ihr ins Haus gehen uno ihr sagen, Du wolltest meine'Gattin werden!" „Deine Gattin!" hauchte sie im Tone undenkbarer Zärtlichkeit und ihm beide Hände hinstreckend. Aber erst sah sie sich — echt nach Weiberart — vorsichtig um, sich zu vergewissern, daß das zärtliche Zwischenspiel von Nie mand bemerkt wurde, während Dudley — echt nach Männcrari — seine Gewissensbedenken und die Umgebung einen Moment vergessend, sie in seine Arme schloß und fest an sein pochendes Herz gepreßt hielt. Mit einem bebenden Athcmzuge hob Francesca ihre Lippen zu den seinizen; bei Dudley machte jedoch, ehe er sie berührte, die Vernunft ihre Herrschaft wieder geltend und erinnerte ihn, was dieser Kuß für eine Bedeutung haben würde. „Wisse", sagte er in einem Tone, der wider seinen Willen vor Erregung vibrirte — „daß, wenn ich Dich küsse, ich Dich zur Tante führe und unsere Verlobung bekannt gebe und Dich heirathe!" Francesca fuhr abweisend zurück. „Nein, nein", rief sie, „eine öffentliche Verlobung darf nicht stattfinden zwischen uns, wenigstens nicht unter einem Jahre!" „Unsinn! Wenn Du die Absicht hast, Dich mit mir zu ver- heirathen, dann muß es sogleich geschehen, und Heimlichkeit über die Angelegenheit darf nicht obwalten." „Und angenommen, ich wiese Dich unter diesen Be dingungen ab?" „DaS kannst Du halten, wie Du willst", erklärte Dudley in «cht Revelsworth'scher Dickköpfigkeit und löste ihre liebkosenden Hände von seinem Halse, sie rauh von sich schleudernd. Dann jagte er ohne «in weiteres Wort, ohne einen Blick zurllckzuwerfen, eine Dolksmrlodie mit gelungenster Gleichgiltigkeit pfeifend, die Hände dabei tief in die Tischen gesteckt, in einer Gangart nach Hause, in welcher eine Dame ihm nicht zu folgen vermochte. Francesca blieb auf der Stelle, an der er sie verlassen, im Schatten der Kastanienbäume stechen, ihm in gedankenvollem Sehnen nachblickend. Ein tiefer Seufzer hob ihre Brust, als sie ihn aus dem Parkthore hinausschreiten sah, und unwillkürlich streckte sie beide Hände aus, als wolle sie ihn aufhalten, ehe sie selbst ihm langsam nach Hause folgte. „Wie hart er ist!" murmelte sie. „Und ich — ich fange an, meinen Kopf um ihn zu verlieren." So versunken war sie in ihr Sinnen, daß sie heftig zusan« menfuhr, als sie von Jemand am Aermel gezupft wurde. . Joseph Welldon, blassen, mürrischen Aussehens, war es. „Ich bin auf der Ausschau nach Ihnen allenthalben hin seit fast einer Stunde gewesen", sagte er grollend; „ich dachte, Sie würden wahrscheinlich mit dem Omnibus kommen, habe aber auch wie Parkthore im Auge gehabt, und dort sah ich Sie unter den Bäumen mit Herrn Dudley charmiren." „Keine Unverschämtheit, wenn ich bitten darf! Vergiß nicht Deine Stellung!" „Oh, ich vergesse sie nicht! Meine Aufgabe ist, Jhben als Spion zu dienen und Briefe, die mit italienischer Postmarke einlaufen, zu unterschlagen. Aber Fräulein Mannington war zu flink für mich! Vor ungefähr einer Stunde trieb ich mich am Thore herum, den Postboten anzuhalten, als sie auf dem Garten pfade heruntergeflitzt kam mit dem Befehle von Frau ReoelS- worth, daß die Briefe nie außerhalb des Hauses, und dann über haupt auch nur an sie — "Fräulein Betty — abgegeben werden sollten. Hierauf händigte ihr der Postbote drei Briefe «in, einer war an die Köchin, einer kam aus Frankreich an Herrn Viktor und einer war an die gnädige Frau mit dem Poststempel „Rom." „Rom! Bist Du dessen sicher?" „Ganz sicher! Und Fräulein Betty gab die beiden anderen Briefe ab und mit dem von Rom rannte sie die Treppe hinauf. Ich würde sie aufgehalten haben, wenn's möglich gewesen wäre, und hätte ihn ihr abgeschwindelt. Was konnte ich aber machen?" „Wenn Du der Junge, für den ich Dich gehalten, und nicht ein plumper Schafskopf gewesen wärest, dann würdest Du den Brief schon auf irgend eine Weise erlangt haben!" zürnte Fran cesca und drehte sich in jäher Wuth nach ihm um. „Du hättest wie in einem epileptischen Anfall in der Halle Umstürzen können oder sonst etwas fingircn: es giebt ja die Menge von Vorwänden, zu denen Du hättest Zuflucht nehmen können — aber Du hast nicht ein bischen Verstand! Verlaß mich jetzt! Ich Wünsch nicht, mit Dir plaudernd, vom Hause gesehen zu werden!" Zehn Minuten später stand Francesca in Frau Harold's Zimmer, vor dem Spiegel ihren Hut abnehmend, während di; alt- Frau ihr mit bewundernden Blicken zusah. „Nichts wird aus dem Briefe aus Rom entstehen, wirst Du Dich überzeugen, oarissima", sagte die Mutter tröstend. „Wie sollte denn der alte Mann Alles wissen, was vor acht oder neun Jahren Passirt ist, nur weil er zufällig in Rom wohnt? Dir Begegnung mit Devereux ist di« wirkliche Gefahr! Du weißt, meine Klein«, daß ich Dich warnt«, nicht —"
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