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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000801012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900080101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900080101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-08
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Reklamen unter dem Redactiontstrich («ge spalten) 50^, vor den Familieunachrichten (6 gespalten) 40 Gröbere Schriften laut unserem Preis» verzetchaiß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. bptra-veilaaeu (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuag ^lt SO.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Junahmeschluß für Anzeigern Abeud-AuSgabe: Vormittag« 10 Uh«. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» «Uhr. Bet den Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stund« früher. Anzeige« find stet« an di« Expedttto» zu richte». Druck und Verlag vo» E. Polz tu Leipzig» 38k. Mittwoch den 1. August 1900. 9t. Jahrgang. Anlage und Betriebskosten von Unterseekabeln. Ll. 0. Noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts konnte von einer telegraphischen Verbindung von zwei Orten, die durch ein größeres Meerbecken von einander getrennt waren, nicht die Rede sein. Erst das Jahr 1851 brachte den ersten derartigen Versuch einer Kabellinie zwischen Dover und Calais, dem sieben Jahre später ein Unterseekabel zwischen Amerika und Europa folgte. Jndeß konnte diese Linie nach Auswechselung einiger weniger Begrüßungstelegramme nicht dauernd dem Betriebe übergeben werden, und besteht eine sichere Verbindung durch den Atlantischen Ocean erst seit dem 26. Juni 1866. Aber aus tastenden Anfängen heraus hat sich das Untersee kabelwesen im letzten Menschenalter in einer Weise entwickelt, die dem Privatcapital ein glänzendes Zeugniß für seine Leistungsfähigkeit und seinen wirthschaftlich-geschäftlichen Wage- muth ausstellt. Der weitaus größte Theil der heute bestehenden Kabellinien befindet sich nämlich im Besitz und Betrieb von Privatgesellschaften, denen höchstens eine staatliche Zinsgarantie oder Änlagesubvention gewährleistet wurde. Einschließlich der zur Zeit im Bau befindlichen Kabel, unter denen das der Deutsch-Atlantischen Telegraphen-Gesellschaft zwischen Borkum und Nordamerika mit einer Länge von 8086 Kilometer in erster Linie hervorzuheben ist, dürfte die Gcsammtlänge dieser im Privatbcsitz befindlichen Unterseekabel gegenwärtig schon mehr als 300 000 Kilometer betragen, denen höchstens 40 000 Kilo meter staatlicher Linien gegenüberstehen. Es liegt auf der Hand, daß das Privatcapital an diese Unter nehmen, die ganz gewaltige Summen beanspruchen, nicht heran gegangen wäre, wenn der pecuniäre und wirthschaftliche Erfolg den Anlage- und Betriebskosten nicht die Waagschale hielte. Die Anlagekosten lassen sich bei den großen Verschiedenheiten, die durch die Entfernungen, die Gestaltung des Meeresbodens, die wechselnde Meerestiefe, den jeweiligen Abstand von der Küste u. s. w. gegeben sind, zwar nicht mit einer einheitlichen Summe für das Kilometer berechnen, doch darf man als Durchschnitts satz den Betrag von 1600 annehmen, was beispielsweise für die Strecke von der Ballinskelligsbai an der Westküste Irlands über Halifax in Neu-Schottland bis an die Küste der Graf schaft Newhampshire, die atlantische Linie der Direct United States Cable Company, bei einer Gcsammtlänge von 5740 Kilo meter 9184 000 ausmacht, wobei man eine Verzinsung des Gesammtanlagecapitals von 4 Procent in Anrechnung bringen müßte. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Anlage von Kllstenkabeln bedeutend geringere Kosten verursacht, so er forderte die Linie Penam-Medang und Penam-Singapore der Eastern Extension Company nur 767 und 721 pro Kilo meter. Andererseits hat die französische Linie von Bona nach Madagaskar 3213 pro Kilometer gekostet. Ob in Zukunft der Durchschnittspreis von 1600 -F für das Kilometer ausreichen wird, hängt wesentlich von dem Umstande ab, ob die in den letzten Monaten eingetretene Preissteigerung für Guttapercha auf längere Zeit ein ähnliches Tempo bei behält. Für diesen Fall würden sich die Kosten allerdings wesentlich höher stellen. Es ist daher kein Wunder, wenn in jüngster Zeit bei den interessirten Finanzkreisen des In- und Auslandes allenthalben das Bestreben hervortritt, sich die er forderliche Guttapercha durch Gründung eigener Plantagen sicherzustellen. Genauere Angaben, als über die Anlagekosten, können auf Grund der Geschäftsberichte der großen englischen und amerika nischen Kabelgesellschaften hinsichtlich der Betriebskosten gemacht werden. Dieselben betragen durchschnittlich während der letzten zehn Jahre für die Eastern Co. jährlich pro Kilometer 90 <^. Für die Eastern Extension Company 82 für die West afrikanische Telegraph-Company nur 71 c4k, und wird man im Großen und Ganzen nicht fehl gehen, wenn man die jähr lichen Betriebskosten im Durchschnitt mit 80 pro Kilometer in Anschlag bringt. Rechnet man zu dieser Summe noch etwa 60 für die nothwendigen Ausbesserungen und Erneuerungen hinzu, so darf man die laufenden Unkosten für das Kilometer jährlich auf rund 140 <-^ schätzen. Das bedeutet für die ge summten dem Privatbesitz gehörigen 300000 Kilometer einen jährlichen Betriebsaufwand von 42 Millionen Mark. Aber trotz dieser Summe, zu der selbstverständlich die Verzinsung des An lagekapitals noch hinzutritt, arbeiten fast alle großen Kabel gesellschaften mit einem erklecklichen Reingewinn und sind in der Lage, neben der Zahlung einer hohen Dividende ihreReservefonds in ausgezeichneter Weise zu stärken und zu ergänzen. Es kann bei diesem vorzüglichen Ergebnisse gar nicht Wunder nehmen, daß die Papiere der großen Kabelacsellschaften ln England und Amerika zu den begehrtesten Anlagewerthen gehören, und daß in diesen beiden Staaten auch der kleine Mann schon aus mate riellem Interesse dem Kabelwesen alle Sympathie entgegenbringt. Die Thatsachcn zeigen, daß es sich bei der Anlage von Unter seekabeln keineswegs um „unproductive" Ausgaben handelt, die ihre Rechtfertigung nur durch dräuende Kriegsgefahren erhalten, sondern um geschäftliche Unternehmungen, die hinsichtlich Verzinsung und Rentabilität kaum ihre« Gleichen haben! Der Königsmord in Italien. —p. Auf die Nachricht von dem Tode seine- BaterS ist Röntg Victor Emannel gestern in Brindisi gelandet und sofort nach Monza weiter gereist. — Au« Rom wird unterm 30. Juli gemeldet: Nachdem der Tag hier in ruhig ernster Stimmung verlaufen war, kamen gegen Abend einige unangenehme Zwischenfälle vor, unter Anderem gegen Geistliche, die der Nationaltrauer nicht die gebührende Rücksicht zuwenden wollten, und vor Allem bei der Redaction de« Socialistenblatte« „Avanti", wo monarchistische Studenten mit «iner Fahne eine Kund gebung versuchte», die zu einem heftigen Zusammenstoß führte. Es soll dabei eine Person schwer verletzt worden sein. Gegenwärtig, 8'/, Uhr Abend«, ist die Umgebung der Redaction de« „Avanti* mit starker Polizeimacht abgesperrt; die Morgenausgabe oer „Avanti" war wegen eine« Leitartikel«, der da« vorig« Ministerium al« schuldig an der gestrigen Greuelthat bezeichnete, beschlagnahmt worden. Rundgebungen im Auslande. * Rom, 31. Juli. (Telegramm.) Kaiser Wilhelm hat an den König Victor Emanuel IH. und die Königin Margherita nach Empfang der Trauerkunde in wärmsten und herzlichsten AuS- drücken abgefaßte Beileidskundgebungen gerichtet. * München, 31. Juli. (Telegramm.) Der Prinz-Regent sandte an die Königin von Italien ein Telegramm, in dem er sein tiefste« Beileid über die Ermordung de« Königs Humbert ausgedrückt hat. Der Ministerpräsident v. Crailsheim sprach gestern Nachmittag dem italienischen Geschäftsträger im Namen der bayerischen Staatsregierung die innigste Theilnahme aus. — In der heutigen Wagistral-sitzung gab der Bürgermeister v. Brunner den Gefühlen der Münchener Bürgerschaft über das fluchwürdige Attentat in einer Ansprache Ausdruck. Eine Deputation der städtischen Collegien begiebt sich zu der italienischen Gesandtschaft, um ihre Theilnahme zu bekunden. * Erlangen, 31. Juli. (Telegramm.) Ta König Humbert der Inhaber des hiesigen 19. Infanterie-Regiments war, beabsichtigt eine Osficiers-Deputation des Regiments, sich zur Bei. setzung nach Rom zu begeben. * Petersburg, 3l. Juli. (Telegramm.) Tie Ermordung des Königs Humbert ries in der gesammten Presse einen Sturm der Entrüstung und des Abscheues hervor. Alle Blätter widmen den auf so entsetzliche Weise ums Leben gekommenen Könige Worte der wärmsten Anerkennung, sie erklären, durch das furchtbare Verbrechen werde nicht nur Italien, sondern die ganze civilisirtr Welt betroffen. Allgemein wird die Ansicht ausgesprochen, daß es sich um ein neues anarchistisches Verbrechen handelt. * Paris, 3l. Juli. (Telegramm.) Alle Blätter geben ihrer Entrüstung über die Ermordung des Königs Humbert Ausdruck. — „Figaro" glaubt, daß der ueue König dieselbe aus wärtige Politik befolgen werde, wie sein Vater. — „Matin" sagt: Alle Franzosen wünschen dem neuen König eine glückliche Regierung; die Interessen der beiden Schwesternationeu seien solidariich. — „Soleil" meint, der neue König übernehme die Herrschaft unter besonder« schwierigen Umständen. — „RSpublique Franyaise" hofft, daß die zwischen Frankreich und Italien bestehenden Bande sich noch befestigen werden. — „Eclair" sagt, wenn der neue König weise sei, werde er zu den Traditionen von Freiheit und Fortschritt zurückkehren, die früher seinem Lande die Erfolge verschafft hätten. — „Petit Journal" spricht den Wunsch aus, daß das an König Humbert begangene Verbrechen Italien nicht in seiner friedlichen Entwickelung in der fortschrittlichen Richtung aushalten möge. — „Rappel" räth dem neuen Könige zur Güte und Gerechtigkeit gegen über den Arbeitern und Landleuten. — „Siscle" sagt, von der Weisheit der italienischen Demokraten und Liberalen werde es ab- hängen, daß die Ermordung des Königs Humbert nicht zum Signal für eine rückschrittliche Bewegung werde. — „Petite Rßpublique" sieht voraus, daß die Politik Italien- keine Veränderung er- leiden werde. 8nr Charakterisirung König Humbert'S. Die Herzensgute des Königs, ii cncrro clel Ke, ist in Italien sprüchwörtlich geworden. Wo Nolb zu lindern war, ist Humbert stets mit fürstlicher Freigebigkeit voran gegangen; was er an Bedürftige und für wohl- tbälige Zwecke geschenkt hat, zählt nach Millionen. Bon seiner vornehmen Selbstlosigkeit und feinfühligen Rücksicht in Geldfragen gab er, wie die „Köln. Ztg/ in Erinnerung bringt, wenige Tage nach seiner Thron' besteigung einen gewichtigen Beweis, indem er darauf ver zichtete, für die Deckung der von seinem Vater hinterlassenen bedeutenden Schuldenlast das Parlament anzugeben, und dieselbe auf seine Civilliste übernahm. Ebenso bat er die von Victor Emanuel dem Consorzio Nazionale versprochene Zuwendung von einer Million nachträglich aus seiner Schatulle gezahlt, und als durch die Vermählung seines Sohnes, des jetzigen Königs, mit Prinzessin Helene von Montenegro die verfassungsmäßig vorgesehene Fest setzung einer Civilliste für den Kronprinzen unvermeidlich wurde, hat er doch wieder unter Wahrung der gesetzlichen Form die neue Last auf sich genommen und eine Belastung des Staatsbudget« zu vermeiden gewußt. Aber nicht in der Freigebigkeit allein hat sich König Humbert'S rdleS Herz brthätigt, er war auch stets bereit, mit seiner Person einzutreten, wenn cs galt, im Unglück zu rathrn und zu helfen. Seine Besuche in dem UeberschwemmungSgcbiet von Verona 1882, in dem durch Erdbeben zerstörten Casa- micciola 1883, in Neapel während der fürchterlichen Cholera- epidemie 1884 sind dem italienischen Volke unvergeßliche Zeugnisse der muthigen Selbstverleugnung und barmherzigen Hilfsbereitschaft König Humbert'S. Als die Feier seiner silbernen Hochzeit 1893 bevorstand, verbat er sich ausdrücklich Geschenke seitens der Nation und forderte statt dessen zurStistungeines Asyls für die Kinder verunglückterArbeiter auf, wozu« selbst eine halbe Million beitrug. Es lag wahrlich nicht an König Humbert, wenn die sociale Gesetzgebung in Italien heute noch hinter derjenigen anderer Staaten erheblich zurück bleibt, und wenn so mancher offenkundige Noth-und Uebelstand au« dem öffentlichen Leben noch nicht verschwunden ist. Wenn er aufReisen in seinemKönigreich zwischen den officiellen Empfängen und Festlichkeiten, die ihm be- reitet wurden, auch einen Blick in das Elend werfen konnte, daS man gewöhnlich seinem Auge zu entziehen wußte, so ver säumte er nie, seine verantwortlichen Rathgeber zu einem reformatorischen Eingreifen auszufordern. Eine gewisse Berühmtheit hat in dieser Beziebung seine Reise durch die al« Herd der radikalen und republikanischen Partei berüchtigte Romagna erlangt, wo er gelegentlich der Manöver 1888 von der Bevölkerung mit überraschender Herzlichkeit ausgenommen wurde, und von wo er dann an den Ministerpräsidenten CriSpi die telegraphische Aufforderung richtete, die mancherlei Klagen jener Bevölkerung einer wohl wollenden Prüfung zu unterzieben. Wie viele solcher könig lichen Aoregungen, die meist wohl gar nicht öffentlich bekannt wurden, mögen in dem kleinlichen parlamentarischen Partei getriebe und der Selbsterhaltungspolitik der Ministerien un erfüllt geblieben seinl Ter Anarchismus. Empörung muß, so schreiben die „Berl. Pol. Nachr.", die ganze Menschheit erfüllen gegen die Bande, welche unter einer politischen Flagge dem Mörderhandwerk fröhnt. Italien hat leider schon manchen anarchistischen Atlentäter bervor- gebracht, man wird aber nickt verkennen dürfen, daß der Anarchismus gerade in letzter Zeit eine starke Er munterung durch die belgischen Vorgänge erhielt. Wenn der Versuch eines Attentates auf den englischen Thronfolger, der doch klar erwiesen ist, mit einer Milde angesehen wird, als handele es sich um einen Dummejungenstreich, dann muß ja dem anarchistischen Gesindel der Kamm schwellen, es muß ja zu erneuter Bethätigung seiner verbrecherischen Gesinnung heransgefordert werden. Als ein großer Theil auch der deutschen Presse darauf hinwies, daß der AuSgang de« Processes in Sacken des Attentates auf den Prinzen von Wales böse Folgen haben werde, wurde von der radicalen Presse darüber gehöhnt. Jetzt sieht man, wer Recht hatte, nicht die Ver fechter der Anwendung von Milde, sondern die des Gebrauch rücksichtslosester Strenge gegen alle anarchistischen Verbrecher. Milde bedeutet hier nichts weiter als die Aufforderung zur Be gebung neuer Attentate. Wenn die Mächte auch noch so ein gehende Vereinbarungen über Maßnahmen zum Schutze ihrer Staatsoberhäupter treffen, sie werden dadurch nicht den Anarchismus und demgemäß auch nicht die Gier nach dem Königsinorve anS der Welt schaffen. Die Gerichte der einzelnen Staaten aber haben die heilige Pflicht, solche Atten tate mit den schärfstcnStrafcn, die ihre Gesetze kennen,zu ahnden. Nur dadurch wird Liese Gier möglichst zurückgehallen. Und sind die Gesetze selbst nicht so beschaffen, daß von ihrer An wendung Lurch die Gerichte ein solcher Erfolg zu erwarten ist, so müssen sie entsprechend geändert werden. DaS ist eine Forderung, der sich kein Staat entziehen darf, wenn er nickt zur Untergrabung der Grundlagen der Gesittung bei tragen will. Die Wirren in China. —p. Zu den übrigen Zeugnissen über die Rettung der Fremden In Peking bis zum 2l. Juli gesellt fick nun auch noch das im gestrigen Abendblatt mitgetheilte Telegramm des englischen Gesandten Macdonald, welches gleichzeitig bestätigt, daß seit dem 16. Juli bis zum Abgang der Botschaft Waffenstillstand geherrscht hat. Immer näher rückt inzwischen der Zcitpunct, an dem der Marsch nach Peking angetreteu werden soll, und es ist anzuerkennen, daß auch die Vereinigten Staaten die Anregung der chinesischen Regierung, die Operationen gegen Peking einzustclle», falls die Gesandten in Tientsin ausgeliefert würden, angeblich abgelehnt haben. Ueber die Frage de- Oberbefehls aber scheint noch keine Einigung erzielt zu sein. Aus Shanghai wird der Londoner „Daily Mail" tele- graphirt: „Berichte aus Tientsin bestätigen die Notbwendig- eit, einen Führer zu ernennen, der von allen Mächten an genommen wird, und die Einrichtung eines Generalhaupt- quartiers mit einem Nackricht-namt. Kostbare Zeit geht verloren, und es treten dauernd Verzögerungen ein, da eS nothwendig ist, von einem Hauplgnartier mit dem anderen in Verbindung zu treten. Ein geringer Patrouillendienst wird aufrecht erhalten, und Führer sind nickt in genügender An zahl zur Verfügung. Die Verbündeten wissen nichts über die Stellung und die Stärke deS Feindes. Bei dem Angriff auf die Eingeborenenfladt zu Tientsin that jeder Commandant sein Bestes, aber er wußte nichts von der Stellung und den Absichten der anderen Befehlshaber, und viele Mißver ständnisse, die eintraten, verursachten einen unnöthigen Verlust an Menschenleben. Dadurch, daß die Kräfte und Fähigkeiten der Chinesen unterschätzt wurden, sind nicht ge nügend Acrzte vorhanden und die Versorgung mit Heil mitteln ist ebenfalls unzureichend. Viele Klagen werden auch laut über den Mangel an Nahrungsmitteln, obgleich die Truppen nur drei Tage märsche von unbegrenzter und billiger Versorgung mit Vor- räthen liegen, für die aber keine Transportmittel vorhanden sind. Viele Kaufleute versuchen hier Dampfer zu mietben, um Lebensmittel auf eigene Faust nach Tientsin zu schaffen, und wenn ihre Bemühungen Erfolg haben, so werden viele unnöthige Mühsale beseitigt werden. Es ist nicht genügend, daß die Mächte Truppen senden, sie müssen sich auch Uber einen Plan zu gemeinsamem Handeln einigen." England und die chinesischen Mittelprovinzen. I. 6. London, 29. Juli. Nack Mittheilungen von unter richteter Seite ist man im Auswärtigen Amt ziemlich erregt über die Haltung der Viceköaige in den Dangtse-Provinzen. Sowohl der chinesische Gesandte in London, wie auch Li- Hung-Tschang hatten versprochen, sie würden die Entsendung kleinerer britischer Truppenabtheilungen nach den Mittel provinzen empfehlen, damit diese dort gemeinsam mit den chinesischen Truppen die Ordnung aufrecht erhalten sollten. Die Vicekönige dieser Provinzen haben jedoch, trotz ihrer bisherigen englandfreundlichen Haltung, jede freiwillige Zu lassung britischer Truppen zurückgewiesen. Selbst der Wce- könig von Nanking, der sich stets englischen Einflüssen und wobl auch dem englischen Golde zugänglich zeigte, ist in diesem Falle „unerbittlich* geblieben. Ausfuhr von Waffen und Munition nach China ISO» Ll. 6. ES ist für die Unterdrückung de« chinesischen Aufstandes al« wichtig bezeichnet worden, daß die Waffcn- niid namentlich die Munitioi,«liefrrung nach dem ostasiatischen Reich so schnell als möglich und allgemein aufzuhören habe, da daS Cbinesenreich beim Versagen der Zufuhr, auf welche sie angewiesen sei, den Kampf von selbst einstellen müßte. Wir können nun erfreulicher Weis« au« der deutschen Handelsstatistik feststellen, daß in den letzten Monaten keine Waffen- und Munitionslieferung nach China mehr stattge- fuildeu hat, und sind wohl zu der Annahme berechtigt, daß dasjenige Kriegsmaterial, welches bei Ausdruck der Wirren erst unterwegs nach China war, nickt den Bestand deS chinesischen ÄZaffen- und MunitionSmaterialS hat vergrößern helfen. Im Juni sind nach China nur 36 D.-C. Zünd- waaren exportirt, sonst von Waffen und Munition nichts; im Juli aller Voraussicht nach nichts oder doch nur für die deutschen Truppen bestimmtes. Die Ziffern- unseres Waffen- und MunitionSversandtS nach China stellen sich für das erste Semester 1900 gegen 1899 auf: Jan./Juni Jan./Juni 1899 1900 1899 überhaupt D.-Ctr. D.-Ctr. D.-Ctr. Gewehre . . , . a » » 332 217 3085 Schießpulver . . . M M M 950 804 2840 Artilleriezündungen, Patronen 1796 3376 8429 Zündwaaren . . . 17L 114 264 Gerade in der Lieferung von Kriegsgewehren War im klebrigen im Jahre 1900 eine besonders hohe Exporisumme (3611 gegen 1354 D.-Ctr. im I. Halbjahr 1899) erreicht worden, aber die HauptbezugSländer waren Schweden und Serbien; in Patronen, Schießpulver und Zündwaaren hatte die Ausfuhr nicht unbedeutend nachgelassen, namentlich in Patronen, von welcher Waare 1900 I. nur 8112 D.-Ctr. ins Ausland gingen gegen 12 430 D.-Ctr. im ersten Halb» jahr 1899. Letzte Berichte de« holländischen Miuiftcrresidenten in Peking. * Amsterdam, 26. Juli. Der Minister des Aenßern hat dem Handelsblatt die letzten Berichte deS Minister residenten Knobel in Peking zur Verfügung gestellt, denen folgende Daten entnommen werden mögen: Vom 15. Mai liegt ein ausführlicher Bericht über die Unruhen in Nordchina vor. Die Gesellschaft der Boxer (der eigentliche Name ist: Gesellschaft der vereinigten Patrioten Tbo t'ouan, durch ein Wortspiel in Ch'ouan, d. h. Faust verwandelt), welche nach der Niederschlagung des Toivina-Aufstandes errichtet und von der Regierung zuerst unterstützt und ermuntert wurde, um sich in den Waffen zu üben, hat erst in der letzten Zeit die Ver treibung der Fremden in ihr Programm ausgenommen. Die auf ständische Bewegung bcgam Ende deS vorigen JabreS in Sckantung und war hauptsächlich gegen bekehrte Chinesen ge richtet; im Anfang dieses Jahres verbreitete sie sich nach der Provinz Tschili und bedrohte Tientsin. Der Vicekönig ließ die Boxer gewähren. Als vor Taku fremde Kriegsschiffe erschienen, erlaubte die Regierung, daß etwa 10 000 Boxer nach Peking kamen und öffentliche Waffen übungen veranstalteten. Prinz Tuan, der Vater deS präsum tiven Thronfolgers, nahm sie unter seinen besonderen Schutz. Wiederholte Vorstellungen der Gesandten waren umsonst und konnten nickt verhindern, daß in Maueranschlägen in Peking zum Kampf gegen die Fremden anfgefordert wurde. Ein Brief des apostolischen Vicar« Favier an Knobel, vom 19. Mai, sagt: „Der Zustand wird von Tag zu Tag drohender. Zahlreiche Kirchen in der Umgebung Pekings sind verbrannt und viele chinesische Christen ermordet worden. Peking ist von allen Seiten umzingelt. Die religiöse Ver folgung wird zur Ausrottung aller Europäer führen, was auch da« letzte, offen eingestandene Ziel der Boxer ist. Ihre Bundesgenossen in Peking warten nur auf sie; zu erst kommen die Kirchen an die Reihe, dann gebt es an die Gesandtschaften." Daraus geht also hervor, daß man bereits Ende Mai wußte, waS den Europäern bevorstand. Am 20. Mai rief Pichon, der Vertreter Frank reichs, die Gesandten zu einer Berathung zusammen; mau beschloß, eine gemeinsame Note an die chinesische Regierung zu senden und sie zu ersuchen, die Boxer aufzulösen und strenge Maßregeln zu ergreifen. In seinem letzten Briefe vom 7. Juni meldet Knobel, daß die Boxer ungehindert in ihrem Treiben fortfahren und den Bahnhof, sowie daS Material der Bahn von Peking nach Tientsin zerstören; der Eisenbahntelegraph war durchschnitten, der Verkehr auf der Bahn batte ausgehört, und die Post konnte nach Tientsin nur noch durch Boten befördert werden. Die europäischen Beamten der Seezollverwaltung hatten Befehl, bewaffnet innerhalb der Tatarenstadt zu bleiben. Das Hotel re Peking wurde in VertheidigungSzustand gesetzt; die Officiere der Gesandtschaftswachen berathen über den VertheidigungS- plan; die österreichische Gesandtschaft hat einen Theil ihrer Schutzwache an die weiter entfernte belgische Gesandt schaft abgegeben; der spanische Gesandte, der Doyen deS diplomatischen Corps, wohnt bei dem französischen Gesandten. Man sprach über die Möglichkeit eines gemein samen Abzugs nach Taku und Verlegung der Gesandt schaften nach Shanghai; der britische Gesandte schlug vor, in einer gemeinschaftlichen Audienz bei dem Kaiser und der Kaiserin darauf zu dringen, und den Prinzen Tsching und deü Damen gegen Vie Boxer zu unterstützen. Der Damen rieth den Gesandten ab, diesen Schritt zu thun, versprach aber, für Herstellung der Ordnung zu sorgen, und man be schloß deshalb, die Anfrage um eine gemeinsame Audienz noch aufzuschieben. Der Damen benachrichtigte dann die Gesandten, daß ein kaiserliches Edict erlassen werden solle, um die Rebellen zur Ordnung zu rufen. Die niederländische Gesandtschaft hatte keine Schutzwache, der Ministerresident Knobel ließ deshalb da- Archiv in die russische Gesandt schaft bringen, der niederländische Dolmetsch-Lehrling van Duysberg wohnte imGesandtschaft-gebäude der Bereinigten Staaten, zwei andere Niederländer halten sich im Hotel de Peking verborgen. Man vermuthet, daß die Borer ihren Angriff auf die Europäer durch nächtliche Brandstiftungen eröffnen werden. Wenn die Lage am 7. Juni also schon derartig war und den Gesandten in ihrem vollen Ernst be kannt war, dann müssen sich in den folgenden Tagen die Ereignisse derart überstürzt haben, daß di« Gesandten Peking nicht mehr verlassen konnten. Wa« au« diesem Bericht aber noch weiter hervorgeht, ist, daß die chinesisch« Regierung, be sonder« der Tsung li Damen, mit den Gesandten ein unerhörte« falsche« und verrätherische« Spiel getrieben hat. (Köln. Ztg.)
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