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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190106096
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010609
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010609
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-09
- Monat1901-06
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1901
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Anzeigen-Preis Vie 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactton»strich , (»gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 28S. -»7» Sonntag den 9. Juni 1901. 95. Jahrgang. Aus der Woche. „Die süddeutschen Regierungen scheinen den Bauern nicht» gewähren zu wollen." So ein Berliner Leiter de» Bundes der Lanvwirthe auf der Versammlung zu Köln. Natürlich gründet sich diese düstere Brrmuthung auf Informationen, die den Bündlern al» den einzigen existirenden Patrioten, wie Herr vr. Hahn sie kürzlich nannte, zur Beloh nung ihrer guten Gesinnung au» derConferenz der mittelstaatlichen Minister zugeflossen sind. Freiherr von Riedel sprach dort wie Barth spricht, die württembergischen Herren priesen den puren Industriestaat rc. Und da» Alles Herrn vr. Hahn zu Liebe, der ein« grau same Behandlung der Bauern in der Tbat auch nöthig hat, wenn da» Agitationsgeschäft nicht zurückgehen soll. Wegen der Bereitwilligkeit der Regierung, dem drohenden landwirtbschaftlichen Nothstande nach Kräften zu begegnen, eine tiefer gehende Erbitterung zu erzeugen, würde doch wohl zu schwierig sein. Dennoch, so unglaublich e» klingt, an Versuchen dazu fehlt es nicht: die Bundespresse beginnt die zugesagte Hilfe als „Almosen" verächtlich und verhaßt zu machen. An dem Verbrechen dieser Hilfsbereit schaft participiren — und hoffentlich läßt sich Herr Hahn den Umstand nicht entgehen — auch die Nationalliberaleu. Der Centralvorstand dieser Partei bat den ungünstigen Ernte- auSsichten einen beträchtlichen Theil seiner Berathung ge widmet, wobei, wie schon gemeldet, die Lage von Sachkennern noch bedrohlicher ^schildert wurde, als sie nach früheren Schilderungen erschien. Und schon diese batte allein in Preußen einen Ernteausfall von über 280 Millionen Mark be rechnet, also so viel und möglicherweise noch mehr als dem ganzen Reiche die chinesisch« Expedition zu stehen kommen wird. Angesichts dieser Calamität wird sich wahrscheinlich das barte Herz der süddeutschen Negierungen noch mehr ver härten, sie werden den Bauern im Zolltarif nun erst recht nichts gewähren. Vielleicht aber doch. Freilich nicht einen Minim altarif von 7l/, für Getreide, nach dem Vie Bauernfreunde in Köln ihrern Zuhörern den Mund wässerig machten, was, beiläufig gesagt, keine Kunst ist. Maximal oder Minimal, 5»/, oder 7>/r eS ist ein Mundaufmachen. Das Gefühl vollkommener Verantwortungslosigkeit, in dem die Bundesführer handeln, erlaubt ihnen. Alles zu sagen und den entscheidenden Parteien — in Köln insbesondere dem Centrum — Vorwürfe zu machen, weil sie mit ihren Zoll- Positionssätzen „nicht herauSrücken". Aber die ernsthaft arbeitenden Parteien und Politiker sind gar nicht in der Lage, ihre Meinung anders zu bekunden, als in der Form einer Beurtheilung der Regierungsvorlage, und bei der Gestaltung dieser wiederum ist die Berücksichtigung deS Willens einer großen ReichStagSmehrheit, zu neuen Handelsverträgen zu gelangen, das Bestimmende. Wer in dieser Sache etwas zu leisten gedenkt, muß vorerst Stillschweigen beobachten. Ist es doch sogar möglich, daß der Festsetzung des Zolltarifs nicht nur Verhandlungen, sondern — der Natur der Sache nach freilich nur provisorische — Abmachungen mit fremden Regierungen vor aus gehen. - Die größeren deutschen Regierungen unter sich scheinen über die Grenzen der Getreidezollsätze, die man dem ein beimischen Ackerbau bewilligen kann, bereits einig zu sein. Wir zweifeln nicht, die Positionen werden derart sem, daß sie einerseits selbst die Hansestädte, andererseits die Landwirthe, die ihr Interesse zu Rathe ziehen und die Zollschutzfragr nicht als politischen Sport oder melkende Kuh betrachten, befriedigen werden. Lärm wird eS ja in beiden Lagern Heben, denn der Schlot der Agitation will rauchen. Zur Zeit katzbalgen sich die Extremen von rechts und links und bei der Frage, ob der wegen deS barten Winters und schlechten Frühjahrs drohende landwirthschaftliche Nothstand für oder gegen Zoll- erböhung spreche. Selbstverständlich thut er weder daS Eine noch daS Andere. Die neuen Handelsverträge oder die neuen autonomen Tarife werden nicht vor dem 1. Januar 1904 in Kraft treten; bis dahin können die Spuren der vorauS- zusehenden schlechten deutschen Ernte von 1901 vollkommen getilgt sein. Man hat übrigens mit vollem Rechte hervorgehoben, daß die so außerordentlich ungünstigen einheimischen SaatrustandSberichte die Getreidepreise fast gar nicht beeinfiußt haben, während sie doch eigentlich ein rapide» Hinaufgehen der Notirunarn hätten bewirken müssen. Auf der anderen Seite ist kein Tarif und kein Handelsvertrag denkbar, der den Landwirth gegen die Folgen von Mißernten ofsecurirt. Ob die Frage deS Doppeltarifs wirklich, wie versichert wird, auSgeschirden ist, muß und kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist die Darstellung unrichtig, die ein Organ, da» Herrn v. Miquel, als erS ministerielle Licht noch sah, nahe stand, dieser Tage gab; die Darstellung nämlich, der gewesene Diceprästdent deS preußischen StaatSministerium» sei der Vater und eifrigste Verfechter deS Doppeltarifgedanken» gewesen. Am lebhaftesten ist vielmehr in den Kreisen der Widerstrebenden von dem nunmehrigen HandrlSminister Möller die Aufstellung landwirthschaftlicher Maximal- und Minimalsätze empfohlen worden. Die» allerdmg», wall Herr Möller nie verhehlte und wa» er kurz vor seiner Berufung in» Ministerium, wie erinnerlich, nochmal» stark betonte, nicht aus Ueberzrugung von der Zweckmäßigkeit eine» Doppeltarif« herau«, sondern um im Interesse einer Fortsetzung der Handelsvertragspolitik den Wünschen der Landwlrtbschaft ein besondere« Entgegenkommen zu bezeigen. Wie die Dinge sich aber entwickelt zu haben scheinen, sind dir Parteien, die landwirthschaftliche Interessen mit Nachdruck, aber auch mit verstand vertreten, sicher, die besonnenen Elemente im Ackerbauerstand« auch ohne Doppeltarif befriedigen zu können. Di« Leitrr de» Bunde» der Landwirth« und wa« sich ibrrr zu politischen Zwecken bedient, natürlich nicht. Wie die Con» servativrn sich stellen, kann um so ruhiger abgewartet werden, al« man sie zur Feststellung eine« Zolltarife» und von Han» delSverträqen im Reichstage nicht nothwendig gebraucht. Link« von den Nationalliberalen befinden sich in einer für ein« Mehr» heit-bildung genügenden Anzahl Abgeordnete, die, um Verträge zu Stande zu bringen, für di« Erhöhung de» Getreideeolle > von S»/, Mark stimmen werden, wie ste feiner Zeit durch die lnnahme dieses Satze» sich den „Drodwucherern" beigesellt haben. Also anspruchsvoll aufzutreten haben die Conservativen einen Anlaß. Dennoch hat sich die „Kreuzzritung" herauS- genommen, von der nationalliberalen Parteileitung eine Miß- »illiguugSerklärung zu einer Rede zu fordern, die ein Mit glied dieser Partei kürzlich am Rheine gehalten und die der „Kreuzztg." nicht gefiel. Auch wir haben mit der Ansicht nicht i^urückgehaltrn, daß Herr vr. Sattler di« rechte Gruppe des ehemaligen CartellS zu hart beurtheilt habe; wir be zweifeln keinen Augenblick, daß diese Auffassung unter unseren Freunde» im ganzen Reiche weitaus vorherrschend sei, und es sollte uns nicht wundern, zu vernehmen, daß in der nationalliberalen Centralvorstandssitzung vom letzten Sonntag die von der deS Herrn vr. Sattler ab weichenden Meinungen deutlich bekundet worden seien. Aber das unter Androhung de» „Kriegszustandes" für den Fall der Weigerung erhobene Verlangen nach einer Partei- officiellen kritisirenden Kundgebung ist eine so starke Zu- muthung, daß wir sie auch in Sachsen, wo das alte Ver- häliniß ver Nationalliberalen zur conservativen Partei nicht gelöst ist, entschieden zurückweisen müssen. Die „Kreuz- eituug" kann lange warten, bis die nationalliberale Parteileitung unterwürfig ist, wenn dieses Blatt von ihr „eine runde Antwort" verlangt. Den conservativen Führern würbe eS gewiß nicht einfallen, auf den Befehl eines national- iberalen Blatte» den Abgeordneten Kropatscheck wegen einer diesem Blatte mißfälligen allzu schroffen Auslassung öffentlich zu rectificiren. UebrigenS sind die Führer der nationalen Mittelpartei doch keine preußischen Minister, die aller dings nach wie vor — gehorchen, wenn die Conservativen ordern. Der vorletzte der gemaßregelten canaloppositionellen Beamten ist befördert worden und die „Kreuzztg." macht die Regierung sehr deutlich darauf aufmerksam, daß sie nun auch dem letzten gegenüber ihre Schuldigkeit zu thun habe. Dieser Tage ist freilich gemeldet worden, die Regierung wolle einmal Ernst zeigen insofern, als sie den Grafen Dönhoff, der, weil er für den russischen Handelsvertrag gestimmt, von den Conservativen gemaßregelt worden ist, zum Oberpräsidente» in seiner Heimathprovmz Ostpreußen zu ernennen gedenke. Nun wird aber mit großer Be- timmibeit die Vermuthung ausgesprochen, jene Nachricht sei unter Mißbrauch eine» nichtconservativen Organ« zu dem Zwecke ancirt worden, um eine Ernennung Donhoff» aus dem Bereich der Möglichkeit ausscheiden zu lassen. Richtig ist, daß man unter dem neuen Kurs eine Entschließung nicht sicherer Hintertreiben kann, als indem man sie als erfolgt oder bevorstehend meldet. Ver Krieg in Südafrika. Au» dem Lager der Boeren. (Fortsetzung deS Interviews der „Daily News" mit dem holländischen Arzte vr. Poutmar, welcher seit Mai 1900 an den meisten Operationen De Wet's und Delarcy'S thrilge- nommen hat.) „Vr^Poutmar äußerte sich auf Befragen über den Präsi denten Skefn wie folgt: „Steijn ist längst nicht so unerbittlich, wie Christian De Wet, und verschiedene Verräther und Spione, welche zum Lode durch Pulver und Blei verurtheilt waren, sind auf seine Intervention doch noch mit dem Leben davonge kommen. Er spricht immer für Gnade und Nachsicht, und ist immer dagegen, daß irgend Jemand zu Tode kommen soll. Aber er ist andererseits natürlich auch nicht ein so großer und präch tiger Soldat, wie Christian De Wet; im Vergleich mit diesem ist er wirklich nur «in Mann des Frieden», obwohl er bei jeder Gelegenheit und in jeder Gefahr an Muth und Ausdauer, sowie an Begeisterung von Niemandem übertroffen werden kann." Auf die Frage, ob di« jetzt noch kämpfenden Boeren eine be stimmte Idee und ein feste» Ziel in der Fortsetzung diese? Ver- zwelflungSkrieges hätten, antwortet« der Doctor Folgendes: „Der Boer hat die Absicht, so lange zu fechten, al» er überhaupt kann, immer in der Hoffnung, daß vielleicht irgend ein günstige» Er- eigniß helfend eintreffen kann, obwohl Niemand recht weiß, wa» die» eigentlich sein soll. Aber jedenfalls ist sein« Entschlossen heit, weiter zu kämpfen, ganz riesig gestärkt und gefestigt worden dadurch, daß di« Engländer die Farmen niederbrennen, und jeder einzelne Boer sagt sich heute: „Jetzt werde ich niemals die Waffen strecken und mich niemals einer solchen Herrschaft unter werfen." Nicht einmal der Gedanke an die Frauen und Kinder kann ihn von diesem Vorsatz« abbringen. Er betrachtet sie schon al» geopfert und weiß ja auch meisten» nicht einmal, ob sie überhaupt noch am Leben sind, zumal er die fürchterlichsten Er zählungen über ihre Behandlung durch di« Engländer hört. So beißt er einfach di« Zähne zusammen und schwört, den Kamp bi» auf» Messer fortzusetzen, sei eS auch nur, um sein Weib und sein« Kinder zu rächen. „Sie fragen, wa» Louis Botha mit Bezug auf den Frieden und auf die U«brrgabe denkt. DaS kann ich Ihnen gan- genau sagen, denn ich hatte am 9. October 1900 aus einer glasieren Versammlung bon Commandankn bei Steinbockfontein ein Interview mit ihm, und fragte ihn im Lause der Unterhal tung, ob er jemals capituliren würde, worauf er ruhig und energisch antwortete: „Nein, ganz gewiß nicht nach der Be handlung, die wir von den Engländern erfahren haben, — nach dem Niederörennen unserer Farmen und der Deportation unserer Frauen und Kinder. Lieber lasse ich mich todtschirßrn, und so lang« ich noch 50 Boeren hinter mir habe, wird weiter gefochten. Vorhkr — vielleicht! — Aber seit der Mordbrennerei, — nie» mal»!" — Da» ist der Seist, mit welchtm da« Vorgehen der Engländer die Boeren inspirirt hat." — Betreffs des Verhaltens der britischen Truppen erklärte vr. Poutmar, daß im Allgemeinen di« von England herüber- gekommenen Soldaten sich anständig verhielten und auch den Boeren nicht verhaßt seien. Ander» sei e» mit den Colonial truppen, besonders mit d«n bitter gehaßten Freiwilligen aul der Capcoloni«, deren Reputation, wa» Mordbrenner«!, Plünde rung und Schlimmeres anbeträfe, geradezu fürchterlich sei." — Ich bin viermal in die Hände englischer Truppen gefallen, und wurde jedeimal durch dir General« Knor, Baden - Powell au da» Höflichste und Freundlichste behandelt und sofort wieder in Freiheit gesetzt; ober her coloniale Ofsicier, der mich zuletzt mi meiner Ambulanz m der Capcolonie aufhob, behandelte mich einfach schändlich. Er ließ mein Tagebuch, meine Instrumente und mein sonstiges Eigenthum geflissentlich zerstören und weigerte sich rundweg, trotz meines Hinweises auf das inter nationale Völkerrecht, mich zu meiner ärztlichen Pflicht bei den Boeren zuruckkehren zu lassen. Ich calculire, daß die Boeren jetzt noch etwa 15 000 Mann rm Felde stehen haben, worunter etwa 2000 Capholländer sind -Lann der Krieg enden wird, weiß kein Mensch, dieBoeren onnen nicht gewinnen, weil si« zu schwach ind, und di« Engländer nicht, weil das Land >u groß und die Verbindungslinien zu lang rnd. Wahrscheinlich wird schließlich doch noch ein Com- »romitz zu Stande kommen, wenn vielleicht zwei vernünftige Manner, zum Beispiel Botha und Kitchener, sich über die Be dingungen einig werden, die für Seide Theist annehmbar sind. Das mag in 6 oder in 12 Monaten oder auch noch viel später «ntreffen. Als ich den Kriegsschauplatz verließ, war bei den Boeren von Ucbrrgabe noch keine Rede. Keine Parsti kann ge winnen, — es ist aber ein folgenständiger Stillstand eingetreten und eine stagmrende Situation geschaffen." — Tie Unterdrückung und Berurthctlung der Afrtkanderprefie. Aus Capstadt, 18. Mai, schreibt man uns: einiger Zeit sind die Herausgeber mehrerer nationaler (Afrikander-) Zeitungen wegen einiger den Engländern miß liebiger Artikel zu harten Freiheitsstrafen (6—12 Monate Ge- ängniß) verurtheilt worden. Für den Laien blieb so Manches in der Procedur dieser Gerichtsverhandlungen unverständlich. Einige Facta dieser Strafverfolgung sind von allgemeinem Interesse. Herr Cartwright, der Herausgeber der „South Afri- can News", hatte einen Artikel, der in den Hauptzeitungen Eng lands ungestraft publizirt war, übernommen, in welchem ein britischer Ofsicier den Lord Kitchener beschuldigt, ven ge heimen Befehl gegeben zu haben, falls De Wet gezwungen würoe, ich zu ergeben, 1 e i n e n P ar d o n zu geben. Man hätte nun erwartet, falls das ehrenrührig für Kitchener wäre, so hätte das britische Cabinet ihn zur Verantwortung gezogen. Kitchener cheint aber in den Augen Englands dadurch nicht gelitten zu haben, und konnte es also noch weniger hier bei seinen Soldaten, denen «s nicht erlaubt ist, die capländischeirZeitungen zu lesen, wohl aber die ihnen etwa zugesandten englischen Zeitungen. Kitchener clbst erscheint auch hier gar nicht vor Gericht. Nein, der Staats- anwaltsJones kommt mit einer neucnLehre, indem er sagst: „Was in den Hauptzeitungen Englands publizirt wird, darf hier noch lange nicht gedruckt werden". Im Falle Herrn Malans von „Ons Land" war ein Brief einer vertrauenswürdigen Dame aus den Republiken zum Ab druck gekommen, in welchem sie unter Anderem berichtet, General French hätte bei einer gewissen Gelegenheit aufFrauenund Kinderschießen lassen. Sie wie andere Damen waren bereit, dies vor Gericht zu bezeugen. Da aber diese Damen von den Engländern gefangen gehalten wurden, und unter martial larv alle ihre Briefe censorirt wurden, und es überhaupt Schwie rigkeiten gab, daß sie rechtzeitig hier vor Gericht erscheinen konnten, bat Herr Malan, die Verhandlung seiner Angelegenheit doch um einige Tage zu verschieben. Davon wollte aber der Staatsanwalt nichts wissen, er hatte es überaus eilig, daß diese Angelegenheit verhandelt wurde; und der Richter äußerte sich selbst dahin, daß es von gar keinem Nutzen sei, ob die Zeugen diese Aussagen vor Gericht bekräftigten, ob die Sache wahr over un wahr sei, sondern nur, ob der gedruckte Brief die Ehre French's angriffe, und falls die Jury so dächte, müßte sie Herrn Malan schuldig finden. Die Jury verstand denn auch Viesen Wink des Richters, der dann auch nicht zögerte, das harte Urtheil: ein Jahr Gefängniß, auszusprechen. Das Urtheil war aber noch keine 24 Stunden alt, als das Schiff von Natal mit den Damen als Zeugen am Bord in Capstadt ankam. — Zu spät, die Sache war abgethan und an eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nicht zu denken. Auch die Herausgeber kleinerer Zeitungen wurden bestraft. Einer der Letzteren erhielt noch eine Extrastrafe von zwei Monat und 100 Pfund Sterling Geldbuße. Er hatte einen Brief ver öffentlicht über das abscheuliche Betragen britischer Truppen gegen Frauen und Kinder, und zum Schluß die Frage auf geworfen, ob die Afrikander zu solchem Betragen der Truppen still schwiegen, und Niemand den Muth hätte, feinen Mund zu öffnen, um zu versuchen, ob es nicht möglich sei, eine Acnderung in dem Betragen der Truppen herbeizuführen. Der Staats- anwalt betrachtete diesen Passus als aufrührerischen Inhalts gegen den Staat und die Person des Königs. Und da er im Zweifel -war, ob das englische Gesetz zur Berurtheilung aus- reichte, stützte er seine Anklage mit auf ein altes Placat (Ver ordnung), daS 1750 für Holland und West-Friesland Giltigkeit hatte. Dem Richter war in feiner langjährigen Praxis dieses alte Placat noch gar nicht zu Gesicht gekommen und er hatte Be denken, ohne Rücksprache mit seinen Amtsgenossen, daraufhin gleich seine Derurthrilung gründen zu können. Die Jury aber machte dieser Verlegenheit «in Ende, indem sie das englische Gesetz als für genügend erachtete, ihr „schuldig" auszusprechen. Di« „collegialische" Jingoprefle ist noch gar nicht zufrieden mit der Berurtheilung der Redacteure der Nationalpresse; sie verlangt, daß das Urtheil noch dahin verschärft werde, daß den Gefangenen keine Bequemlichkeit von ihren Freunden zu Theil werden darf, auch keine Bücher. Papier und Tinte ihnen zu gestanden werden. Dann findet sie es auch für angezeigt, daß man nun allen Ernste» an der A u s r o t t u n g d c r h o l l ä n- dischen Sprache arbeiten soll, damit Südafrika wieder «ine Sprache hätte, — nämlich die englische. Sie hat auch die letzten Wochen die Hände voll zu thun, soweit ihr Einfluß reichte, die im Caplande zerstreuten Vereine der South African League und der Vigilance Comittees anzutreibrn, hierauf bezüglich« Resolutionen abzufassen, und auch solche die «» für nothwendig «rächten, daß Sir Ä. Milner als unentbehr lich, das Fri«den»wert in Südafrika zu vollenden, bald möglichst wieder zuriickg«sandt werden möge. Diese Resolutionen werden alle nach England gesandt, damit man dort glauben soll, daß diese Gesellschaften, die an vielen Orten kaum «in Dutzend Mitglieder besitzen, dir Stimmung der Mehrheit in der Colonie auSdriicken. * Pretsrt«, 8. Juni. („Reuter'« Bureau".) Sestern früh ereignete sich i« d«r RSHe von Pretoria aus der PiestrSburg-Linie ein Eisenbahnunsalk. Sin mit Truppen gefüllter Zug stieß mit einem au» entgegengesetzter Richtung kommenden Zuge zusammen. Reu« Soldaten siod getödtet, mehrere verwundet wordea. London, 8. Juni. (Prtdattelegramm.) Aus 'Pretoria wird vom 7. Juni gemeldet: Botha schlug ittcheuer ein nochmaliges persönliches Zusammen treffen in Standerton vor. Botha hat die britische Zustimmung, behufs Förderung der Verhandlungen in direkte telegraphische Verbindung mit Präsident Kruger treten zu können. (Wiederholt.) " Southampton, 8. Juni. Frau Botha traf heute Morgen mit dem Dampfer „Dunwegan Castle" hier ein. Sie lehnte ein Interview ab. Ein Sohn de» früheren Staatssekretär» des Oranje- Freistaates Fischer theilte einem Vertreter deS „Rrutrr'schen BureauS" mit, Frau Botha gehe direkt nach London und von dort nach Holland und Belgien; der Termin ihrer Abreise nach dem Continent sei noch unbestimmt. Er, Fischer, könne die Nachricht, daß Frau Botha in einer Friedensmission nach Europa gekommen sei, weder bestätigen, noch dementiren. Er sei auf Ehren, wort von den Engländern freizelassen worden, um Frau Botha nach Europa zu begleite» und seinen Vater Abram Fischer in Brüssel zu besuchen. Die Wirren in China. Berlin, 8. Juni. Nach einer Mittheilung deS Kriegs. Ministeriums hat die ostasiatische Munitionscolonnen-Ab- theilung in Stärke von 10 Officieren und 599 Mann die Heim reise nach Deutschland auf dem ReichSpostdampfer „Hamburg" am 8. Juni in Shanghai augetreten. Die fahrplanmäßige Ankunft in Bremerhaven erfolgt am 23. Juli. * Berlin, 8. Juni. Die Kreuzer „Gefion" und „Irene" treten Anfang Juli die gemeinsame Heimreise auS Ostasien an. * Tientsin, 7. Juni. („Reuter'S Bureau".) Die zur Bewachung der Eisenbahn in China bleibenden ständigen Truppen werden so verlheilt werden, daß die Sektion Peking den deutschen Truppen zufällt, die Sektion Taku den Franzosen und di» Sektion Schanhaikwan den Engländern. Deutsches Reich. Berlin, 8. Juni. (Stimmungen in der fraa « zösischen Marine.) Auf Grund eines Preisausschreibens der ,.vigus wuritimo trnn^niZs" ist jüngst die Arbeit des ranzösischen Schiffsleutnants Olli vier „Ltnt miUtuire- maritimv nec68snirv ü la ürnnos" preisgekrönt worden. Als Preisrichter fungirten außer d-m Generalsekretär der genannten Liga Viceabmiral Bienaimo und Capitän z. S. Davin, L«hrer der Seetaktik und Strategie an der Marineakademie. Die Arbeit hat, weil von so gewichtiger Seite preisgekrönt, Aufsehen ge bracht und vielfach die Anschauung hervorgerufon, baß Ollrvrer's Untersuchungen mit dem Gedanken der französischen Marine leitung nbereinstimmen. In Deutschland wird man unter diesem Gesichtspunkte mit Interesse davon Kenntniß nehmen, daß für Ollivier der Dreibund eine Nebenrolle spielt und nur England als zukünftiger Feind in Frage kommt. Die „Marine-Rundschau", die dem Aufsatz Ollivier's wieder- giebt, macht mit Recht hierauf aufmerksam, läßt aber dahin gestellt sein, ob Ollivier's Ansichten thatsächlich die der französi- chen Marineleitung sind. 6. v. Berlin, 8. Juni. (Aus dem anarchistischen Lager.) Die Aufforderung der anarchistischen ComitLs, für die Familien der in Barcelona verhafteten Anarchisten Gelder zu sammeln, scheint bis jetzt wenig Erfolg gehabt zu haben. Wenigstens erläßt die Berliner Agitationscommission einen neuen Aufruf: „Genossen, gedenket der in den Folterkammern von Barcelona aufs Neue eingekerkerten spanischen Brüder." Wahr scheinlich brauchen die „Genossen" ihr Geld zu neuen Club bildungen; soll doch für den Norden Berlins am nächsten Donnerstag in der Stralsunder Straße ein neuer anarchistischer Discutir-Club gegründet werden. Am selben Tage wird in dem anarchistischen Lese- und Discutir-Club „Hüne" in Rixdorf der bekannt« Agitator Dempwolf über Michaeli Kohlhaas sprechen. In Südoeutschland geht jetzt die Polizei mit lobcnstverther Energie namentlich gegen die außerdeutschen Anarchisten vor; so ist der bekannt« Agitator Moritz Likier, der bekanntlich auS Preußen und Württemberg ausgewiesen ist, unter der Androhung zwangs weiser Abschiebung aufgefordert «worden, sofort das hessische Staatsgebiet (Mainz) zu verlassen. Likiev ist Oesterreicher. Neben den anarchistischen Broschüren werden jetzt zu Agitations zwecken die Porträts bekannter Anarchisten in großen Mengen verbreitet, so namentlich das von Peter Kropotkin. Trotz des chronischen Geldmangels entwickeln auch in Oesterreich, Rußland, Spanien, Frankreich und Belgien di« Anarchisten eine außer- ordentlick^ Rührigkeit; die Hauptagitatoren sind unausgesetzt in Bewegung und spielen eine immer größere Rolle auf den Gewerkschaftscongrcssen (Pawlowitsch und Wtesmthal auf dem der Metallarbeiter). Daß unter viesen Umständen di« anar chistische Bewegung die größte Aufmerksamkeit verdient, ist selbst verständlich und mit Freuden ist die Nachricht zu begrüßen, daß die internationale polizeiliche Uebevtvachung der Anarchisten jetzt allgemein durchgefiihrt sei. Berlin, 8. Juni. (ZurKrisiSimGesammtver« band evangelischer Arbeiterverein«.) Bekannt lich ist der Reichstagsabgeordnete Frankenbei der Wahl zum Ausschuß des Gesammtverbandes evangelischer Arbeitervereine, die auf der Speyerer Delegirtenversammlung deS Gesammtver- banves oorgenommen wurde, unterlegen: er erhielt von 80 Stimmen 36, während auf Stöcker 75, auf Naumann 46, auf Fischer 45 fielen. An diesem Wahlcrgebniß ist nicht zum Wenig sten die ungerechte Stimmenveriheilung schuld, auf die der „Evangelische Arbeiterboie" mit Recht die Aufmerk samkeit lenkt. Der Rheinisch Westfälische Verband ist mit seinen ca. 36 000 Mitgliedern im Gesammtverbande nur durch 5 Aus- schußmitgliedrr vertreten, während der klein« Mittelrheinischc Verband mit ca. 2400 Mitgliedern durch 2 AuSschußmitglieder vertreten ist; auch der «inem Provinzial- oder LanVeSverbawde nicht angeschloffene sociale Arbeiterverein in Berlin mit 80 Mit gliedern ist durch ein Ausschussmitglied vertreten. Demnach ent sendet der Rheinisch-Westfälische Verband einen Vertret«! aus je 7000 Mitglieder, der Mittelrhcinische einen Vertret«! auf
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