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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.06.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010614017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901061401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901061401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-14
- Monat1901-06
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Wenn man die rheinische EenlrumSpresse bramarbasiren hört, muß man glauben, daß der Wahlkreis de« Freiherr» von Stumm am Mittwoch nicht für die Nationalliberalen ge- wonuen, sondern mit großer Mehrheit dem Zentrum avSgeliefert worden sei. Mit derselben Sicherheit rechnen die rbeinischen Klerikalen auf das Duisburger Mandat, und daß sie im Neuwieder Kreis gegen jede Anfechtung gefeit sind, gilt ihnen als selbstverständlich. Ehe noch diese verschiedenen Bären erlegt sind, berechnet man schon den Werth der Beute. Namentlich wird nicht« verabsäumt, was den regierenden Stelle» in Berlin und anderen OrteS zu Geniüthe führen könnte, wie da« Centrum diejenige feste Organisation ist, ohne die im Reiche — wir hätten beinahe gesagt: nicht regiert werden kann. Auch den Schützlingen de« CentrninS schwillt der Kamm. AuS Hannover kommt eine Nachricht um die andere, die den wachsenden Uebermuth deS Wels ent humS erkennbar macht. Wenn der volksfeindliche welfische Adel sich natürlich nicht rinbildet, an der Ausübung der politischen Macht, welche daS Centrum sich erobert hat, theilnehmen zu können, so gefällt er sich um so mehr in einer herausfordernden Haltung, als ob er Jedermann vor Augen führen wollte, wie ihm kein Haar gekrümmt werden darf, so lange Centrum im Reiche Trumpf ist. Wagt es Jemand, diesen Schützlingen der klerikalen Organisation iu Osnabrück und Hildesheim ernstlich zu Leibe zu gehen, so wird der „dreiste Friedens störer" auf daS Giftigste angefeindet. Man erdreistet sich, den Preußenadler auf eine Fahne mit den Farben des ehe maligen Königreich« Hannover zu malen; mau will eine solche Fahne durch einen Beterauenverein eiuweihen lassen — an demselben Tage, an welchem in Berlin daS BiSmarckdenkmal eingeweiht werben sollte; und mau wagt eS, sich in Berlin zu beschweren, weil eia Gendarm Entschlossenheit genug besaß, da« Entrollen dieser Fahne im Namen des Gesetze« zu verbieten! In den Ostmarken sicht eS womöglich noch schlimmer aus. Die Sprache der polnischen Agitatoren und der polnischen Presse ist nachgerade rin allgemeiner Skandal geworben, und wenn Graf Ballest rem noch im Jahre 1893 da- drastische Wort sprechen konnte: „Die polnischen Agitatoren in Ober schlesien soll man auf« Maul schlagen", so kann die national polnische Hetzgesellschaft heute mit dem Hohn antworten, daß „daS treue, gute polnische katholische Volk" bei der nächsten Wahl auch Len letzten der beiden Klerikalen, die nicht da« Werk zeug deS umschmeichelten „polnischen" BolkcS sein mögen, den Stuhl vor die Thüre setzen wird. DaS Centruin in Ober schlesien wird bedingungslos der Sachwalter de« Polenthum« sein oder eS wird nicht mehr sein. Und diese CentrumSpartei, die im Laufe deS letzten Jahr zehnte« e« auch verstanden hat, jede freie wissenschaft liche Richtung im deutschen KatholiciSmuS zu ächten und zu unterdrücken und jede selbstständige Einwirkung de« Vatikans auf die Verhältnisse der römischen Kirche in Deutschland, insbesondere jedes Einvernehmen de« Vatikan« mit den Regierungen in Deutschland zu Hintertreiben, — sie steht jetzt dem neuen Regiment Bülow als Fordernde gegenüber. Mit kleinen Geschenken, di« sonst wohl di« Freundschaft erhalten, oder mit höfischen Aufmerksamkeit«»», die zu gar nicht« ver pflichten, will sie nicht länger abgespeist sein. Wenn in Bonn bei festlicher Gelegenheit der Name Luther'« i» Ver bindung mit Bonifaciu«, Walther von der Vogel weide, Schiller und Goethe zwar genannt, aber nach her in der Veröffentlichung der festlichen Ansprache unter drückt worden ist; wenn da- eine und andere Regierungs präsidium im Westen mit katholischen Persönlichkeiten besetzt wird; wenn den Benediktinern besondere Huldbeweise zu Theil werden, so ist da- Alles ja recht schön und gut vom Stand punkt Derer au«, die hierbei mit au-gesuchtrr Rücksicht be achtet werden, aber schließlich sind alle diese Rücksichten im Grunde derart, daß sie später einmal nur al« — „vorübergehende Erscheinungen" gewürdigt werden könnten. DaS neue Re giment soll durch Thatrn von bleibender Bedeutung beweisen, daß es die gebietende Stellung de« Eentrum« anerkenn«» will. Nur um den Preis solcher Thaten kann der neueste Cur« darauf rechnen, bei der Erledigung der parlamenta rischen Geschäfte weiter vom Centrum unterstützt zu werden. Unter den Forderungen, die in dieser Hinsicht erhoben werden, steht der „Toleranzantrag" obenan. Ihn noch näher zu kennzeichnen, ist wohl entbehrlich. Wir möchten die Aufmerksamkeit auf die ander« Forderung richten, über die zur Zeit verhandelt wird, zumal sie offenbar noch laug, vor dem Toleranzantrag entschieden werden soll, also zunächst der Prüfstein für die Fähigkeit de« neuesten Curse« und für seinen Wille» »um Widerstand« gegen di« Ueberhebungen de« KlerikaliSmuS sein wird. Es handelt sich um die Errichtung der katholischen Facultät in Straßburg. Wiederum sehen wir hierbei da« Centrum in der Rolle d»« Schutzpatron antideutscher Bestrebungen. Entstanden ist der Gedanke an «ine solche Fakultät au« der Erkenntniß, d«ß di« wiedergewdnneneu Reichslar.de dim Reich« innerlich erst dann im vollen Umfang wiedergewonnen sein können, wen» der reich-ländisch« Klerus au» der Abgeschlossenheit de« bischöflichen Prirsterseminar« heraus und in die freie Luft der Universität herübergetreten sein wird, und au« dem Wunsch», diese lebendige Berührung mit de« geistigen Strömungen der freien Miss,»schäft dem nächst gesichert zu sehen. Nur im Seminar läßt sich die französisch« Gesinnung consirvirrn. In der unmittelbaren Gemeinschaft der Heranwachsenden Klerikir mit der welt lichen studirende« Jugend Alldeutscklanb« wären die Reste von franzäsischer Gesinnung bald genug erstor-r». Da« Ziel, da« di« Rrichsregierung sich hier gesteckt b«t. ist also de« Schweiße« der Edle» Werth. Aber diese« Zstl ist e« gerade, dem der Klerikalismn« auf all,» «rtzenflich»» Wegen und Umwegen widerstrebt, da« er uns »icht erreichen lassen will. Und wenn er sch«i»var geneigt ist, sich mit de« Gedanken der kathalischen Fakultät zu befreund«», f, stellt er — Bedingungen, sowohl für die Errichtung der Farultßt, Wie für den bischöflichen Einfluß auf die Tbiitigreit derselben, d»t Mgn »Utz sa-«n mag; untrtz dicht, L»dintzt»v-e« liehttz gar nicht«, als eine neue Einrichtung, die ihren letzten Zweck sicher verfehlen müßt«. Ja, wir theilen auch die Sorge Der- leuigen, welch» i» der verfehlten, dem klerikalen Begehren augepaßten Einrichtung eine direkte Gefahr für die anderen preußischen theologischen Fakultäten erblicken. Dieselbe Einfluß nahme der Kirche, welche dem Bischof in Straßburg gewährt würde, dürfte sich bald iu der Praxi« allgemein ausbilden, nnd dagegen Widerstand zu leisten, ist nicht etwa eine liberale oder konservative, sondern eine staatliche und nationale Pflicht. Je nachdem die Entscheidung unter dem neuesten CuvS getroffen wird, beantwortet sich von selbst die Frage: Ist Crnlrum Trumpf? Der Krieg i» Südafrika. Englische Lügen. Die Zahl der südafrikanischen Lügen und Schwindeleien ist bereits Legion und wächst noch unaufhörlich mit jedem Tage, da c« nun einmal der Fluch der britischen Lügenwirthschaft ist, daß sie fortzeugend immer nur wieder Lugen gebären kann. Es ist jetzt geradezu an der Tagesordnung, daß die wunderbarsten Schauermären und sonderbarsten Schlachtcnberichte officiell oder officiöS dementirt werden, und einige liberale englische Blätter haben es sich geradezu zum Sport gemacht, mit den immer frecher werdenden Schwindeleien und Entstellungen der zahl losen Herren KriegScorrespondenten u. s. w. scharf und schonungslos ins Gericht zu gehen. Vor Kurzem erschien in dem famosen „Daily Expreß" eine ganz tolle Geschichte über das Vorgehen einer Abtheilung deS canadischen Corps „Strathcona's Horse" gegen einige „Boeren- Banditen". Die letzteren sollten irgendwo in Transvaal vier Leute von der genannten Truppe gefangen genommen und ihnen nachher den HalS durchgeschmtten haben. Als das Regiment diese vier „ermordeten" Kameraden fand, leistete eS angesichts der Opfer einen feierlichen Schwur, in Zukunft im Kampfe mit den Boeren weder Pardon zu geben noch zu nehmen. Kurz darauf wurde von einer Farm, welche die weiße Flagge zeigte, auf eine starke Patrouille der Stratheona-Reiter gefeuert und zwei Boeren in einem Schuppen versteckt vorgefunden und ge fangen genommen. Die beiden Banditen waren natürlich eines ehrlichen Soldatentodes durch Pulver und Blei nicht ^viirdig und wurden deshalb kurzer Hand am nächsten Baume auf- aehängt. AlS sie dort noch zappelnd hingen, kam ein britischer StabSofficier deS Wege« geritten, der von dem Sergeanten der Patrouille dienstlich Aufklärung über diese Hinrichtung ver langte und den Befehl gab, die beiden Boeren sofort wieder obzuschneiden und zum Leben zurückzurufen. Aber kein Mann rührte sich, und wüthend ritt der Major unter den improvisirten Galgen und versuchte mit seinem Säbel die beiden Stricte zu durchschneiden, worauf ihm aus der Mitte der rauhen Canadier zugerufen wurde: Da ist noch Platz für einen dritten Mann an dem Baum, Sir, also überlegen Sie sich das Abschneiden dieser Schufte vorher lieber noch einmal gründlich. — Der StabSofficier sah die finstere Entschlossenheit in den Gesichtern der Reiter, steckte sein Schwert wieder ein und ritt, ohne umzu sehen, davon. Jetzt macht der Oberst Steel, der Commandeur der genannten Regiments, bekannt, daß an der Geschichte kein wahres Wort ist, und daß er mit seinem Regimente auch nicht bis auf 250 Meilen an den Ort herangekommen sei, bei welchem sich daS Obige zugetragen haben sollte. — Commentar überflüssig. Kurze Recapitulatiou der Ereignisse des chinesischen Krieges unter ve»»ckstchtt«u»s -r- deutschen Autheil« an demsel-cu (Schluß.) 3) Die Beruhigung China». n. Die Kämpf« in der Mandschurei. Veranlaßt wurden dj« Kämpfe in der Mandschurei durch dir von den Boxern dorthin verpflanzten und später von der Re gierung unterstützten Wirren, die Anfang Juli zur Zerstörung der tran-mandschurischrn Bahn und zur Vertreibung der russi schen Beamten und Schutzmannschaftcn führten. Demgegen über leitet« Rußland eine concentrische Action fünf verschiedener Armeecorp» ein, die zur völligen Inbesitznahme Der Mandschurei führte. Di« ersten Vorstöße, welche General Fleischer gegen Niutschwang unternimmt, führen nur zur Eroberung dieses Platzes am 4. August, weitere Unternehmungen scheitern an der Uebermacht der Chinesen, dagegen gelingt es einer Colonne aus RikolSkoje, sich schon am 3. August des Eisenbahnknotenpunktes Chardin zu bemächtigen. Um dieselbe Zeit überschreitet General Orlow bei Abagaitni die Grenze, wirft die Chinesen am 8. August bei Chailar zurück und erzwingt sich am 14. den Weg durch das Tschingan-Gebirge, daS ihm den Weg nach Tsttsikar versperrte. Am 3. August geht General Rennensampf bei Bla- gowjeftschenok über den Amur, nimmt die Stadt Aigun und dringt am 18. August ebenfalls durch den Lschingan-Paß. Am nächsten Laa» nimmt er durch kühne Ueberrumpelung Mergrn und ver einigt sich gleich darauf mit Orlvlv in Tsttstkar. Inzwischen hat Grneral Sacharow, der fchon am 30. Juli den Amur an der Mündung de« Sungart üvrrschrttt, nach heftigen Kämpfen hei Sanft» am 17. August «scheh» besetzt und sich dann ebenfalls mit den Truppen de« Gener-l« Reynenkampf derrinigt, der nun mehr auf Kirin vorgeht, da« am 24. September genommen wird. Auch da« Mykolsker Detach«m«nt unter General Krischanowsfi, da« Mitt« August von Wladiwostok aufbrach und am 30, August Ringuta nahm, schließt sich Rrnnenkampf an. Am 24. September find di« russischen Mrertkräst« in Riutschwqng endlich so stark, daß General Oubbotitsch auch Lier den Vormarsch ausnebmen kann, Rach blutigen Kämpfen »ei Alt-Riuffchrvang und Liao- j-Ng nimmt er am 1. vrtyber Mulden, die Hauptstadt der Mandschurei, und reicht von hier Rennenkampf d» Hand, Da mit ist die Mandschurei in russischen Händen, Er bleiben nur noch stellenweise pnruhen zu unterdrücken. d. Waltz.rsee sn Petschjli, Li« Verzögerung»» und sonstige» Unzuträglichtritan, welch, di« -tzpeditisn zum E»ff«ß« bn in Peking Sinaeschlsssen«» «r» fahr,», ließe» eß den Mächte» von dem Augenblick an, wo sie sich entschloffe». dü'ch «in «räß,re« Truppr»auf«bot de» Unruh,» schnell,,-cktz, zu Vchm, rM,m ttschem«», «t» pßstz- commando für China zu schaffen. So wurde denn, während schon Schiff auf Schiff Truppenmassen nach dem fernen Osten schaffte, am 7. August der deulsche Generalfrldmarschall Graf Waloersee mit dem Oberkommando betraut. Seine Auf gabe war keine beneidcnswerthe. Große kriegerisch« Erfolge konnte er nicht mehr erringen, denn die entscheidenden Schläge waren bereits geführt, seine Thätigkeit mußte daher eine im Wesentlichen verwaltungstechnisch« sein. Sein Hauptverdienst beruht aber unstreitig darin, daß er cs verstanden hat, die Eifer süchteleien unter den Streitkräften, namentlich Engländern und Russen, sowie Engländern und Franzosen, im Keim zu ersticken. Das erste größere Gefecht, in dem deutsche Truppen mitwirkten, war der Sturm der beiden Seebataillone auf Lianghsiang am 11. September, dann folgte noch die Einnahme der Peitang- FortS, welche den Russen den Weg nach Schanhaitwan versperr ten, und endlich die Einnahme von Schanhattwan selbst, die am 29. September erfolgt«. Inzwischen war das deutsche Expe ditionscorps zum größten Theil gelandet und Graf Walders« am 23. September eingetroffen. Seine Maßnahmen «rstrecken sich zunächst auf die Aufhebung der letzten Boxerherde in Petschili und die Vertreibung des regulären chinesischen Militärs aus der Provinz. Zu diesen Actionen gehört, von kleineren Streifereien abgesehen, in erster Linie oie Expedition nach dem Centrum der Boxerbewegung Paotingfu, die am 11. October in drei Colonnen von Peking, Nangtsun und Tientsin aufbricht und am 17. Oc lober in Paotingfu eintrifft. Di« Hauptschuldigen Beamten wer den verhaftet und nach kriegsgerichtlicher Aburthcilung erschossen Auf dem Rückmärsche d«r einzelnen Colonnen wird das Dreieck Peking-Tientsin-Paotingfu von Boxern gesäubert, die Engländer zerstören die Boxerstadt Wemongan am 5. November und Major o. Förster erstürmt mit Theilen des zweiten ostasiatischen In fanterie-Regiments am gleichen Tage den Gebirgspaß von Tou- kungwan. Am 11. November geht eine Colonne unter dem Grafen Aork von Wartenburg nach Kalgan ab, -welch« die chine sische Garde am 18. November vor Kalgan zersprengt, aber auf dem Rückwege nach Peking ihren Commandeur durch Rauchvergif tung verliert. Es folgt eine zroßeZahl kleinererExpevitionen, welche der Zerstreuung von Räuberbanden gelten. Ernstere Actionen giebt es nur noch für die Garnison von Paotingfu, -wo die Bri gade Kettler (3. und 4. Ostasiatisches Infanterie-Regiment) nicht zur Ruh« kommt. In den umliegenden Bergen sitzen die Boxer fest und die Kämpfe von Jungtsing am 15. Dccembrr, von Man- tschcng am 24. Decomber und am Antsulinq-Paß am 20. Fe bruar wissen davon zu berichten. Erst der Monat April bringt hier die Entscheidung und damit die letzten Gefecht« im ganzen Kriege, nämlich di« siegreichen Kämpfe der Deutschen am 23. und 24. April gegen den General Liu. Damit sind die kriegerischen Actionen in China beendet. o. Die Friedensverhandlungen. Der kaiserliche Hof war am 20. August in Taijüenfu (Schansi) eingetroffen, hatte sich aber auch dort noch nicht sicher gefühlt und war nach Smzanfu weitcrgeflohen. Die steten Miß erfolge der Chinesen, vor Allem aber die Unbequemlichkeiten, welche di« plötzliche Flucht dem Hofe auferlcgten, ließen ihn bald die Eröffnung von Friedensverhandlungen anstreben, nachdem die Vermittelungsgesuchc an einzelne Mächte von diesen ablehnend beantwortet waren. So -wurden denn Prinz Tsching und 2i- Hung-Tschang mit der Einleitung der Verhandlungen beauftragt. Am 3. September lheilte Prinz Tsching dies den Gesandten mit unv am 15. September traf auch Li-Hung-Tschang ein. Mitte September erließ der Kaiser ein Entschulbigungsdecret, welches -das Bedauern über die Ermordung des deutschen Ge sandten aussprach und die Abhaltung von Trauergottesdiensten für ihn anordncte. Gleichzeitig wurde bekannt gegeben, daß die Schuldigen, Prinz Tuan, Herzog Tsailan, der Boxerführer Tschwang, Jingkien, Kangji und Tschaoschutschiao bestraft wer den sollten. Der Gouverneur Jühsien von Schansi, der hinter listiger Weise 50 Missionare in seinen Palast gelockt und dort ermordet hatt«, wurde seines Postens entsetzt. Das tonnte aber den Mächten nicht genügen. Graf Bülow richtete am 18. Sep tember eine Note an di« Mächte, in der er als Vorbedingung für die Eröffnung der Friedensverhandlungen die Auslieferung der Rädelsführer zur Bestrafung verlangte, und Delcasso stellte tn einer vom 5. October datirten Note bestimmte Forderungen, welche sich die Gesandten bei der Abfassung ihrer „cköeislon irrovoosklv" zur Richtschnur nahmen, welche am 12. November fertiggestellt war und wider Erwarten bereits am 30. December von China angenommen wurde. Di« Bitte Chinas, die Feind seligkeiten einzustellen, wurde von der Raschheit abhängig ge macht, mit der China den Forderungen der Mächte wegen Ver hängung der Todesstrafe gegen die Rädelsführer und Zahlung der Entschädigung nachkomme. Unter der Drohung, «ine Ex pedition nach Singanfu zu senden, erklärt sich China mit allen Forderungen einverstanden. Jühsien -wird in Lantschou ent hauptet, Tschihsien und Houtschenafu in Peking öffentlich hin gerichtet, Tschaoschutschiao und Jmghien begehen Selbstmord, dagegen entziehen sich Tuan, Tschwang und Tungfuhsiang der Bestrafung durch die Flucht. China erklärt sich zur Zahlung von 450 Millionen TaölS bereit und damit einverstanden, daß di« Fort« am Meere geschleift, di« Gesandtschaften in Peking befestigt und neben ständigen Garnisonen in Peking, Tientsin und Schanhaitwan längs der Eisenbahnen noch besonder« Posten er« richtet werden. Am 28. Mai stimmt China d«n Forderungen rückhaltlos zu und am 29. Mai beginnt der Abmarsch der deut schen Truppen, deren Aufgabe erfüllt ist. Die anderen Con- tingente folgen. Graf Wakderse« verläßt Peking am 2. Juni und legt am 4. Juni seine Functionen in Tientsin nieder. Da mit ist der Krieg beendet, denn die Verhandlungen über die Mo dalität der Krieglentschädigunglzahlung sind lediglich Sache der Diplomatie. * London, 13. Juni. (Telegramm.) ,,Standard" berichtet au« Shanghai: Die Mission de« Prinzen Tschun, die n«ch Deutschland entsandt «erden wird, um da« Bedauern de- Kalsnr« von Etzin» über di» Ermord»»g d«s deutschen Ge- sa»dt»n ««»»spreche», wird Peking wahrscheinlich Ende Juli welafte». Tschangkenmao wird hierbei al« oberster Sekretär su»gtre». (Vieberholt.) * Port-, 13. Juni. (Telegramm.) Ein Telegramm de« Gmeral« «otzron vom 12. Juni meldet: Di, französischen Tr«PP«n haben Hualu und Tscheyglingfu geräumt. Die chinesischen Truppen erwiesen h«r französischen Fahne feierlich in Eeg««w»rt aller Mandarinen Ehrenbezeugungen, Di» Haltung der Bevölkerung wm: «ine outgezeichnete. Die Behörden dankten für die Ruhe und Ordnung, die durch di« Franzosen im Laude gesichert worden ist. * London, 18. Juni. (Telegramm.) „Daily Chronicle" räumt nach einem Hinweis auf das deutsch-englische Abkommen vom October 1900 ein, daß das Uangtsrthal keine britische Eiuslußsphäre ist. „Wir müssen", jo heißt »S in dem radikalen Lrgau, „einfach anerkennen, daß dies ein schöner Traum ist, der unvereinbar ist mit unseren Zielen iu China, und daß wir nirgends in China leine andere Priorität besitzen, als diejenigen, welch« uusere Kaufleute durch ihre Energie auf dem Markte für un« ge- wiaueu könneu." (Voss. Ztg.) Deutsches Reich. -2- Vertin, 13. Juni. Für die Führer deS Bunde« de r L a n d w i r t h e ist eS überaus bezeichnend, daß ihr Organ, die „Deutsch- Tageszeitung", die doch sonst sehr schnell Worte zu finden weiß, sowohl zu der Anschuldigung deS „Vorwärts", daß der Bund Reichstagsabgeordn-ete sub- ventionire, als -auch zu den mehr wie kräftigen Abwehr artikeln der Centrumspreffe, insbesondere der „Germania", wegen des Einbruchsversuches des Bundes in die Rheinprovinz, sich völlig ausschweigt. Daznit wird das Blatt nicht weit kommen, denn Jedermann wird in diesem Falle keine Antwort für ein« sehr berrdte Antwort halten. -i- Vcrltn, 13. Juni. (Soll die Gewerbegericht«- Novelle Gesetz werden?) Die vom Reichstage be schlossenen Vorschriften über die Zusammensetzung deS EinigungsamteS sollen nach der Ansicht Or. Jastrow'S jede ersprießliche Thätigkeit der Einigungsämter in so hohem Grave verhindern, daß eS wünsckenSwerth sei, wenn der Entwurf in seiner vorliegenden Fassung nicht Gesetz werde. Auch der Berliner Gewerberichter vr. Schalhorn erkennt in der „Socialen Praxis" an, baß namentlich die Bestimmung de« ß 63: „DaS Gewerbegericht, wrlche« als EiuigungSamt thätig wird, besteht neben dem Vorsitzenden aus Vertrauensmännern der Arbeitgeber und der Arbeiter in gleicher Zahl", — besser noch die weiteren Worte ent- halten hätte: „welche auS dem Kreise der Gewerbe gericht« beisitz er zu entnehmen sind". Trotzdem folgert Scbathorn auS diesem Mangel nicht die Lahmlegung der Thätigkeit der Einigungsämtcr. Denn bat auch da« alte Gesetz die Benennung der Beisitzer de« EinigunzSamte« dem Vorsitzenden übertragen, während die Novelle dies den be- theiligte» Arbeitgebern und Arbeitern überträgt, so war e« doch schon bisher zulässig, durch OrtSstatut über die Art der Zuziehung der Beisitzer anderweit zu bestimmen (tz 63 G.). Dementsprechend bat da» Berliner OrtSstatut die Bezeichnung der Beisitzer den Parteien überlassen, so daß der Vorsitzende nur bann selbst auswählt, wenn die Parteien ihrerseits keine Beisitzer nanihasl macken (tz 72 Abs. 5 unv 4 deS Statuts). Es galt also in der Besetzungsfrage im Wesentlichen derselbe Grundsatz, der jetzt allgemein eingeführt werden soll. Hierbei baden sich in Berlin Mißstände nickt herausgestellt. Freilich konnten bisher nur Beisitzer des Gewerbegerichts als solche zu EinigungSamtS-Beisitzern genommen werden, während nach der Novelle jeder beliebige Unparteiische dazu bestimmt werden kann. Aber regelmäßig wird sich auch in Zukunft die Wahl auf GewerbegerichtSbeisitzrr lenken, weil diese bereit» erprobt und den Parteien bekannt sind. Und auch bei der Be- nennung anderer Beisitzer erscheint die Gefahr nickt groß. Denn nur Unbetheiligle dürfen benannt werden. Al« un- betheiligt kann aber, wie Schalborn auSsübrt, Derjenige nicht gelten, der, ohne unmittelbar von der Lohnbewegung berührt zu sein, sich zum Sprecher oder Anführer einer Partei her- giebt: denn hierdurch macht er die Sache seiner Genossen zu seiner eigenen und somit sich zum Betheiligten. Will man den Begriff de« Bcthciligtsein« enger fassen, so folgt doch die Unzulässigkeit der Wahl „unbetheiligter" Führer rc. au» dem allgemeinen RechlSgruubsatze, daß nur unparteiische Männer richten und schlichten dürfen. Die Befürchtung also, baß „Führer und Schürer" in daS EinigungSamt geschickt werden könnten, dürfte nicht zutreffen. — Schalhorn gelangt von diesem Standpuncte dahin, die Sauctionirung der GewerbegerichtSnvvclle zu wünschen. Berlin, 13. Juni. (Eine zwecklose Minister reise.) Ein jenem pomphaften Stil, in dem di« Officiösen die Thaten des deutschen Reichskanzlers und preußischen Minister präsidenten preisen, wurde vor etwa acht Tagen bekannt gegeben, Graf Bülow hätte die Herren College» des Innern, der Finanzen und der Landwirthschaft „ersucht", eine gemeinsame Bereisung der Bezirke der Ost Provinzen an-zutreten, welche nach den Saatenstanvs- be richt en gefährdet sind. Dieses „ersucht" hat zu einer amüsanten staatsrechtlichen Kontroverse Anlaß gegeben. Während man von d«r einen Seit« meinte, der Ministerpräsident als primus inter paros hätte den Herren Ressortministern Aufträge nicht zu ertheilen, kam in der „Köln. Ztg." die oberofficiöse Belehrung zu Platze, daß untrrgevrdnrte Behörden die oberen zu „bitten", die oberen die ihnen unter stellten zu „veranlassen", zu „beauftragen" oder „anzuordnen" hätten, während gerade für coordinirt« Amtsstellen da« „Ersuchen" der allein zutreffend« Modus wäre. War schon der tief« Ernst, mit dem der Berliner Erleucht» deS rcheinischep Blatte« diese» StaatSvechtsproblem höchst gewissenhaft tractirte, des Heiter- keitberfolgeS sicher, so dürfte dieser den Neid einer Berliner Freiwillig-Officiösen geweckt haben, der di« „Kölnische" über trumpfte, indem er haarklein bewies, da« „ersucht", welche» Graf Bülow gegenüber den Reffortministern in Anwendung brachte, gäbe die'volle Geivähr dafür, daß nunmehr der leitend« Staats mann die Zügel der Regierung mit jener „starken Hand" führe, nach w«lch»r so vielfach gerufen worden s«i. Also wijve der „starke Mann^ endlich da, wenigstens auf dem Zeitung-Papier. Während nun aber das „Ersuchen" zu einer Gesellschaft-reife an die Herren Minister vielfach höchst beifällig kommentirt worden ist, müssen wir leider gestehen, daß wir dies« Reise im gegenwärtigen Augenblicke für ziemlich zwecklos halten. AuS den SaatensiandSbcrichten ist bekannt, daß vom Wintepwrizen etwa die Hälfte in den Ostprodenzin umgepklügt werden mußte und daß der Rest nur -ine gelinge, hinter dem mittkren Ertrag« weis zurückblribende Ernt; verspricht. öS ist srrnrr bekannt,
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