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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.06.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010617027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901061702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901061702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-17
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304 .. BezugS.Prrl» ßl^ßer Hauptexpedition oder den k» Stadt- bezirk und den Vororten errichtete» Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ^l 5.50. Durch dir Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egupten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di« Expedition diese» Blatte» möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, di« Abend-AuSgabe Wochentag» um 5 Uhr. Ne-aclion und Expedition: Jvhannisgaffe 8. Filialen: Alsted Hahn vorm. O. Klemm'» SortiM. Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Kathariuepstr. Part, und KönigSplatz 7. Abend-Ausgabe. MMer TaMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60—, mit Postbeförderung 7V.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz iu Leipzig Jahrgang. Montag den 17. Juni 1901. Der Krieg in Südafrika. »p. Nach Kitchener S Meldung ist De Wet am 6. Juni in der Nähe von Reitz, im nörvlichen Oranjesreistaat, öst lich von Kronstad, geschlagen worden, Privatmeldungen wissen dagegen nicht von einer Niederlage, sondern von zwei neuen vocrcnsiegen zu berichten. Unsere Depesche lautet: r. London, 17.Juni. (Privattelegramm.) Ans Ttanderton wird vom 15. Juni gemeldet: De Wet schlng am -Juni die Brigade 81 Not zwischen Lind letz und Reit». Die englischen Verluste betragen 4 Lifi- ciere und 26 Man» todt, 5 Ossiciere und 53 Mann ver wundet und einige Gefangene, sowie TranSporlwagc«. Die britische Siegesmeldung bcrnht mithin auf Eut- stellnng. Kitchener zieht selbst 20 Todte (darunter 3 Ossiciere) und 24 Verwundete auf englischer Seite zu, während er den Beeren nur 17 Todte und 3 Verwundete und dann aller dings noch 45 Gefangene zuschreibt. Daö siebt dock nickt aus wie ein englischer Sieg, zumal Kitchener hiuzusetzt: Elliot'S Colonne erreichte Kronstad. Sie hat sich also gezwungen ge sehen, sich ans die Bahnlinie zurückzuziehen, während sie, wenn sie De Wet so empfindlich geschlagen bätte, zweifellos das „Kesseltreiben" weiter in östlicher Richtung fortgesetzt haben würde. Ueber den zweiten Boerensieg meldet man uns: k. London, 17. Juni. (Prtvattelegramm.) A»S Pretoria wird vom 15. Anni gemeldet: D e britische Colonne unter General Bcatson, südlich von Middelburg, wurde im Lager von den voercn überrascht »nd tu die Flucht geschlagen. Tie englischen Verluste betragen 3 Kanonen, » Ossiciere und 20 Man» todt, 6 Ossiciere und 45 Mann vrrwnndet und circa 200 Mann, darunter 5 Ossiciere, gefangen. Die ganze Lagrrausrüftnug. alle Vorrathe, sowie Zug- itziere und viele Pferde wurde» von den voercn er beutet. Etwa» verspätet trifft unS die amtliche Bestätigung dieser sehr bedeutenden Schlappe in folgender Meldung: * London, 16. Juni. Lord Kitchener meldet auS Pretoria unter dem 15. Juni: In der Nähe von Wilmansrust, 20 Meilen südlich von Middelburg im Transvaal, wurden 250 berittene Victoria-Schützen, die getrennt von Beatson's Abtheilung marschirten, in ihrem Lager bei SteenhaLspruit von einer überlegenen Streitmacht der Boeren am 12. Juni überrascht. Der Feind war bis aus kurze Schußweite herangekrochen und überschüttete das Lager mit einem mörderischen Feuer. 2 Ossiciere und 16 Mann wurden getödtet, 4 Ossiciere und 38 Mann ver wundet. 2 Ossiciere und 50 Mann entkamen nach Beatson's Lager, die übrigen wurden gefangen genommen, ober später wieder freigelassen. 2 Maximgefchütze fielen in die Hände deS Feinde». Man erinnert sich de» vor Kurzem von den Boeren bei Harlebestfontein errungenen Sieges. Nach einem Londoner Telegramm der „Münchrkcr Allz. Ztg." stellt eS sich jetzt heraus, daß damals die Engländer 15 Geschütze verloren und daß dieser große Boerensieg für jene den Verlust deS ganzen südwestlichen Gebietes von Transvaal bedeute. Nur die Stadt Zeerust sei in den Händen der Engländer ge blieben. Nach den letzten SiegeSmelvungen hat e>' den An schein, daß auch das siidöstliche Transvaal den „Eroberern" wieder verloren geben solle. Uebcrhaupt ist eS den Engländern die ganze letzte Zeit schleckt gegangen. Die gestern veröffentlichte Verlustliste deS Londoner KriegsamteS rapportirt wenigstens wieder eine ganze Reihe von Gefechten, von denen Lord Kitchener nichts berichtet hat, welche aber in Anbetracht der schweren englischen Verluste durchaus nicht unbedeutend gewesen sein tonnen. Seit dem 9. Juni baben die folgenden Engagements statt gefunden und sind durchweg zu Ungunsten der Engländer ausgefallen. Am 9. Juni bei VillerStorp, wo ein Leutnant, 4 Soldaten geiödtet, 1t verwundet und 2 gefangen genommen wurden, am 12. Juni bei Lissabon 1 Officier, 2 Mann todt, 8 verwundet, bei Rhenosterkop 1 Osficicr, 3 Unterofsiciere, 5 Mann todt, 1 Officier, 7 Mann verwundet (viele Abtheilung australischer Reiter wurde von den Boeren beim BÄVen über- raschl),am 9.Juni bei Koffyfontein 1 Unterosficier, 3 Mann todt, 2 Unterofsiciere, 5 Mann gefangen, am II. Juni bei Win- burg 1 Sergeant, II Mann gefangen, 3 Mann verwundet, am 11. Juni bei Loubkop 1 Wachtmeister, 5 Eonstabler vom südafrikanischen PvlizeicorpS verwundet, 4 Conslablcr ge fangen , am 7. Juni bei Kroonspruit 4 Mann von der Ueomanry gefangen und 5 verwundet, sowie noch eine ganze Reihe von kleineren Scharmützeln mit entsprechender Anzahl von Tobten, Verwundeten und Gefangenen. Das ist wieder eine böse Kostenrechnung für die Eng länder, und diese steht im grellen Gegensatz zu den fort währenden kleineren Siegesmeldungen der englischen Zeitungs- correspondenten. Wenn mitten in diese Meldungen von Siegen der Boeren mit Bestimmtheit auftretende Nachrichten über neue Frie-ensverhandlnngen fallen, die aus Grund der Ueberzeugung eines TheileS der Boercnführer, eine Besiegung Englands habe sich als un möglich herausgestellt, bereits eingelcitet worden sein sollen, so gewinnt eS den Anschein, daß im Gegentheil wieder Eng land es ist, daS einen erneuten Versuch macht, durch weitere Zugeständnisse den seine Kräfte erschöpfenden Krieg zu beendigen. Man schreibt uns darüber aus London, 15. Juni: Die Friedensschalmeien erklingen auch hier in England immer lauter, aber die Disionanzen lassen die reineren Flötentöne noch nicht recht zum Durchbruch kommen. Aalsour hat aller dings im Parlament officiell erklärt, daß „absolut keine Begründung für die vielen Gerüchte von schwebenden Friedensverhandlungcn vorliegt", aber daS glaubt ihm schon längst kein Mensch mehr, nicht einmal hier in London. Er bat natürlich insofern Recht, als augenblicklich directe FriedenSvorschlägc noch von keiner Seile gemacht worden sind, aber er hätte etwas weniger vag« und diplomatisch sein können und wenigstens darauf Bezug nehmen dürfen, daß Lord Kitchener natürlich im Einver- ständniß mit seiner Regierung seit beinahe 14 Tagen die Erlaubniß gegeben hat, daß durch die Vermittelung des niederländischen Generalkonsuls sür Pretoria die Vertreter der Transvaalregierung, die fick zur Zeit in Standerton auf- balten,in directer telegraphischer Verbindung mit bemPräsidenien Krüger stehen und sogar die amtliche Chiffre deS Consuls für ihre Depeschen verwenden dürfen. Balfour hätte also wenigstens ruhig zugestehen können, daß von englischer Seite bereits so viel Entgegenkommen gezeigt wird, daß man die Notbwendigkeit zugiebt, mit dem „Ex-Präsidenten" Krüger bezüglich des eventuellen Friedensschlusses doch noch zu rechnen und zu diesem Zwecke den Verkehr zwischen ihm und seinen Stellvertretern im Transvaal nach Möglichkeit zu erleichtern. In parlamentarischen Kreisen behauptet sich die Ansicht in hartnäckigster Weise, daß die britische Negierung jetzt nur noch ein angeblich nahe bevorstehendes Manifest des Prä sidenten Krüger an seine Boeren und vielleicht an ganz Europa abwarlet, in welchem die Gründe für eine eventuelle Einstellung der Feindseligkeiten in Südafrika klar gelegt werden sollen, um dann ihrerseits mit überraschend weit gebenden entgegenkommenden Vorschlägen betreffs der zu künftigen Selbstregierung in den Boerenstaaten(ohne staatliche Selbstständigkeit?? T. Red.), Amnestie für die Rebellen in der Eapcolonie, Entschädigung für niedergeb rannte Farmen rc. bervorzutreten. Es ist nur zu natürlich, daß man in Downing-Street bis zum alleräußersten Termin mit allen Bekanntgebungen zurück-* hält, welche die öffentliche Meinung in England vorzeitig und unnöthig beunruhigen könnte. Man will sich eben unter allen Umständen den Rücken sreibalten, zumal da man sich,wie die ganze Welt weiß, mit Bezug auf „bedingungslose Uebergabe", „keine Verhandlungen" und ähnliche stolze Worte und Phrasen so außerordentlich stark compromittirt hat. Aber — der Frieden liegt jedenfalls in ter Lust und England präparirt sich lang sam und heimlich, einige seiner stolzen und zuversichtlichen Hoffnungen und Wünsche als Preis sür denselben zu zahlen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. Juni. Am Sonnabend meldeten Berliner Blätter, zum Schutze kaiserlicher Reden und Aeußerungen seien nunmehr ein gehende Bestimmungen getroffen, deren eine bei der Ent hüllung dcS VtSmarckVenkmalS zum ersten Male in die Er scheinung treten werte. An den Seiten der Zuschauer tribünen seien nämlich Pulte errichtet worden, die für die vfsicicllen Berichterstatter bestimmt seien. Die Rede des Kaiser» werde also der Presse zugehen^ allerdings erst, nachdem sie an amtlicher Stelle redigirff worden sei. In dem von dem Wolsi'schen Tclegr.-Bureau erstatteten, in unserem heutigen Morgenblatte mitgetheilten Berichte über die Enlhüllungsfeier ist aber mit keiner Silbe angedeulet, daß auch der Kaiser eine Ansprache an die Versammelten gerichtet habe. In dem Festprogramme war unseres Wissens eine solche Ansprache auch nicht vorgesehen. Die Berliner Blätter, die die Meldung von einer besonderen Veranstaltung zur stenographischen Aufnahme einer Kaiserrede verbreiteten, müssen also angenommen haben, eS sei noch in letzter Stunde eine solche Rede in daS Programm ausgenommen worden. Worauf eine solche Annahme sich gegründet hat, entzieht sich unserer Kennt» iß; jedenfalls bat sie sich als unbegründet erwiesen. Wir glauben auch nicht, daß jemals die Absicht bestanden habe, das ursprüngliche Programm durch eine Kaiserreke zu erweitern, und daß diese Absicht dann plötzlich wieder aufgegeben worden sei. Und sicherlich hat man auch nur an ganz vereinzelten Stellen im Reiche erwartet, daß der Kaffer bei der Enthüllung deS Denkmals sür den ersten Kanzler persönlich das Wort ergreifen werde. Da von vornherein dem jetzigen Reichskanzler die Aus gabe zucrtbeilt war, die Bedeutung seines großen Vorgängers für daS Reich zu würdigen, so wäre dem ReickSoberbaupte zu sagen wenig übrig geblieben. Und wäre dieses Wenige eine Umschreibung der Inschrift auf der Schleife deS vom Kaiser am Denkmal niedergelegten KranzeS: „DeS großen Kaisers großem Diener" gewesen, so würde zwischen der Rede des Kaisers und der seines Kanzlers insofern ein Gegensatz sich bemerkbar gemacht baben, als Gras Bülow den Diener im Fürsten Bismarck zurücklreten ließ hinter den gigantischen Schöpfer und Bahnbrecher, den Herrscher auf politischem Gebiete und im Reiche der That. Es ist gut, daß dieser Gegensatz nicht schärfer bervorgetreten, ja sogar ge wissermaßen ausgeglichen worden ist. Es kann nämlich keinem Zweifel unterliegen, daß der Kaiser die Rede des Grafen Bülow gekannt, bevor sie gebalten wurde, daß er sie also gebilligt und als eine Kundgebung angesehen bat, wie sie der Nachfolger des Schmiedes der deutschen Kaiserkrone als Repräsentant deS deutschen Volkes am Standbilte deS Un vergleichlichen zu geben verpflichtet war. Nach dieser Bil ligung konnte sich der Kaiser Darauf beschränken, seinen Dank für die seinem Hause von dessen bestem Diener ge leisteten Dienste durch den niedergelegten Kranz und seine Inschrift auszudrücken. Die bayerischen Blätter veröffentlichen jetzt die Acten zu dem jüngsten Ktrchenstreit in Bayern. Das Eentrum batte bekanntlich scharfen Protest erhoben, als der katholische Volksschullebrer Kerschensteiner in München, der in ge mischter Ebe lebt und seine Kinder protestantisch erziehen läßt, zum Oberlehrer und Schulleiter gemacht werden sollte. Dabei hatte Kerschensteiner tbatsäcklich schon lange Zeit Religionsunterricht zur vollen Zufriedenheit der katholischen kirchlichen Obern ertbeilt. Schließlich erfolgte, nach einem ähnlichen Fall in der Pfalz, eine Immediateingabe der bayerischen Bischöfe an den Prinz-Regenten. Des langathmigen Schriftstückes kurzer Sinn ist, daß Lebrer, welche Mischehen eingehen, nicht zum Unterricht an katholischen Volks schulen zugelaffen werden sollen. Der Wortlaut wird jetzt ver öffentlicht, zugleich mit der Antwort des Cultuö- ministeriumS, die vom 17. Mai 1901 datirt ist. Die Antwort stützt sich auf die Verfassung und erklärt, dem Ge suche nickt entsprechen zu können. Die Verfassung stellt die christlichen Confessionen gleich und garantirt die Freibeit ge mischter Ehen. „Die königliche StaalSrrgierung", so schließt die Antwort, „hat bisher allenthalben hieran festgehalten und ist daher nicht in der Lage, hinsichtlich der Anstellung und Belassung von katholischen Volksschullehrern, welche eine ge mischte Ehe mit protestantischer Kindererziehung eingeben, Anordnungen zu treffen, welche mit dem bisherigen Stand- puncte nicht in Einklang zu bringen wären." Die „Germania" ist wegen dieser Antwort außer sich; sie schreibt: Eine solche Antwort des „katholischen Ministers eines katholischen Souveräns" hätten wir nicht erwartet. Das ist doch rin starkes Stück! ... Bei einem solchen Standpuncte kann nur die Selbsthilfe den Katholiken die Befreiung von der staat- lichen Bevormundung bringen. Wenn in jedem einzelnen Falle der betreffende Bischof einen so pflichtvergessenen Lehrer von der Kirche ausschlvsse und die Eltern ihren Kindern verböten, dem Unterrichte eines solchen „Lehrers" beizuwohnen, dann wäre dir Frage ohne die Staatsregierung praktisch gelöst. Das bayerische Centrum wird sich aber Wohl hüten, diesen Rath zu befolgen, denn eS weiß sehr genau, daß Katholisch in München noch kein Trumpf ist, der alles sticht. Ueber den Trctbund und Italic» hat sich, wie wir aus- führlich meldeten, in der letzten Sitzung der italienischen Feuilleton. „3hr Narr". Novelle von Johannes Proelß. Nachdruck errieten. In die Herrengasse der alten Stadt zu Füßen des auf einem Hügel gelegenen Herzogs-Schlosses drangen die Sonnenstrahlen ziemlich spät am Tage. Wenn ihr Licht in den Erter sich ergoß, auf dessen erhöhtem Sitz die junge Buchdruckersfrau Margrethe CrusiuS dann gewöhnlich vor dem Nähtisch an der Arbeit saß, war die Mittagsstunde längst vorüber. Als kurz nach Begründung des neuen Hausstandes in dem alten GrschäftShause der Druckherr Gerhard Crusius sein ge liebtes Weib zum ersten Male auf dem Erierplatze so licht umflossen hatte sitzen sehen, während auf ihrem Haupte die zum Nest aufgrsteckten blonden Zöpfe wie Gold erstrahlten, war er plötzlich zu ihr hingeeilt, hatte sie umarmt und geküßt und in heißer Aufwallung seines Herzens ihr zugeflüstert: „Du Sonnenliebling!" Und in der That: die blühende Gestalt in dem lichtblauen Kleid, die frisch gerötheten Wangen, die tief blauen Augen mit den großen, schwarzen Pupillen unter den dunklen Brauen, der ganze Ausdruck des fröhlichen Gesichts seiner Grrthl waren von sonnigem Wesen. Doch heute saß zwischen den Brauen der jungen Frau ein Ärgerliche» Fältchen, das sich noch vertiefte, als der muntere Zeksig im Bauer über ihr seine Freude an dem durchs Fenster fluthenden Sonnenschein mit immer lauterem Geschmetter äußerte. Ja, ein fast rauher Ton trübte ihre sonst so Helle Stimme, als sie nun zum Bogel emporrief: „Wrrst Du wohl still sein, Matz'!" Aber der Schlingel ließ sich nicht stören in seinem Lobgesang. Und al» alle Mahnungen nicht» halfen, ergriff Frau Margrethe da» vor ihr liegende Leintuch, da» sie eben fertig gesäumt hatte, und hing e» dem Vogel über den Bauer. „Willst auch Du mir noch widersprechen?" sagte sie streng. Da endlich schwieg er. Da» stark betonte „auch Du" war bezeichnend für ihre Seelenstimmuna. Der Andere, über dessen Widerspruchsgeist sie sich mit diesen Worten beschwerte, war natürlich ihr Mann. „Der dumme Zeisig!' murrte sie vor sich hin, während sie wieder an die Arbeit ging, „al» ob in unserem Hause solcher Jub«1 noch angebracht wäre! Wer da» gedacht hätte vor zwei Jahren, al» wir unser Hochzeit»fest feierten und mein guter Vater noch lebte!" Frau Margrethe fühlte sich mit Recht vernachlässigt. Schon Wochen waren vergangen, seit ihr Mann soviel Zeit für sie übrig gehabt hatte, um ihr hier am Nachmittag wieder einmal ein Plauderstündchen zu gönnen, wie es früher seine Gewohn heit war. Die Gründe kannte sie wohl: sein Herz hing mehr an seiner schwarzen Kunst, als an ihr! Je mehr ihn die Ge schäfte unten in der Druckerei in Anspruch nahmen, um so schweigsamer, zurückhaltender, ja herrischer war er im Verkehr mit ihr geworden. Es war ein gewisser feierlicher Ton geistiger Ueberlegenhcit in sein Wesen gekommen, der sie verdroß, und der dem frischen, kecken Mann in der Tracht des Gelehrten sremd ge wesen war, als er um sie, die vielumworbene Tochter des Tuch händlers und Rathsherrn Aloys Wohlrab, mit offenbar viel j zu schnellem Erfolge gefreit hatte. Wie lustig war er gewesen, als er beim Mai-Willkommen im Stadtwald zum ersten Male mit ihr im Reigen getanzt hatte! Wohl gab ihm schon damals sein langer schwarzer Bart eine gewisse Würde, die ihn von den gleichalterigen Herrensöhnen unterschied, und er liebte es auch damals schon, von der hohen Bedeutung seiner Kunst mit großen Worten zu sprechen. Aber das gefiel ihr in jener Zeit gerade an ihm, denn zugleich hatte er etwas Natürliches, Zuversichtliches in seinem Wesen, das seiner ritterlichen Höflichkeit gar gut stand. Das war ein andere» Auftreten, als die verlegen heimliche Zudringlichkeit, mit welcher ihr der allerdings im Rang viel höher stehende Ober- I Justitiarius Karstropp den Hof gemacht hatte! Daß der Herzog den Magister hierher berufen, damit er als sein Hof buchdrucker die neue Kirchenordnung für Jedermann lesbar herstelle, gab ihm einen weiteren Nimbus, der ihre Auffassung vom Charakter seines Berufs sehr günstig beeinflußt hatte. Gehört« er nicht auch al» Buchdrucker zur vornehmsten Zunft, der der Goldschmiede, und war er nicht gleichzeitig ein ange sehener Gelehrter? Wie war eS gekommen, daß jetzt die segenkreiche Kunst ihre» Mannes ihr beinahe verhaßt worden war? Magister Gerhard Crusius hatte, ehe er in der Lother'schen Officin zu Wittenberg die Druckkunst erlernte, den humanistischen Wissenschaften obgelegen und war dann, al» Anhänger Luther », Verfasser verschiedener Schriften lateinischen und deutschen Inhalt» im Dienste der Reformation geworden. Da hatte ihn der Drang gepackt, selbst ein Jünger Gutenberg'» zu werden, um später «n der Hauptstadt seine» kleinen norddeutschen Heimathlande» eine Druckerei zu errichten. Jetzt war der wackere Humanist dabei, den Druck einer deutschen Bibel in» Werk zu setzen in welcher der Wortlaut von Luther'» herrlicher, unübertrefflicher Uebersetzung dem Bedürf nisse d?» plattdeutsch redenden Volke» einigermaßen angrpatzt war. Die Bearbeitung hatte er selbst unternommen. Das große Vorhaben nahm seit geraumer Zeit seinen Geist Tag und Nacht in Anspruch. Etwas von dem Hochgefühl, mit welchem einst Gutenberg den ersten Bogen seines ersten Druckes, noch feucht von der Druckerschwärze, entgegennahm, mit welchem dann Luther das gleiche zu Wittenberg an seiner deutschen Bibel erlebte, beseelte auch Meister Gerhard, als er daran ging, den ersten Bogen feiner Bibel zu „setzen". Dieses stolze Hochgefühl hatte der heitere Weltsinn Frau Margrethens durch die von ihr zur Schau getragene Abneigung gegen die edle Druckkunst verletzt. Und dies empfand er um so schwerer, als er im tiefsten Herzensgründe sein frohsinniges Weib mit zärtlicher Innigkeit, ja mit noch heißerer Leidenschaft, als in der Zeit seiner Freierschaft, liebte, in der sie sich mit Stolz die Braut eines Druckherrn genannt hatte. Aber gerade diese Liebe, wie sie auch Margrethe zu Gerhard empfand, machte die Beiden so empfindlich und unduldsam gegen einander, sobald sich in ihrem Verkehr die Verschiedenheit in Denken und Fühlen hervorkehrte, die nun einmal die Naturanlage der braven, tüchtigen Menschen bedingte. Das verwöhnte Rathsherrn-Töchterlein, das mit vierzehn Jahren schon die Mutter verloren hatte und noch vor der Hoch zeit mit Meister Gerhard des Vaters beraubt worden war, hatte als Kind sich frei und kräftig entwickeln dürfen, wozu ein schöner großer Garten vor dem Gallusthor reiche Gelegenheit bot. Die Nachgiebigkeit ihres Vaters aber hatte dahin geführt, daß schon früh ihr Wille im Hause regierte. Da das ansehnliche Familienhaus ihr dann als Erbe zugefallen war, betrachtete sie sich, wenn sie eS auch ihrem Manne gegenüber bis gestern nie geltend machte, als Herrin desselben. Dabei hatte sie eine Tugend, die gewiß jeder Hausfrau unbedingt zur Zierde gereicht, und in einem Hauswesen, da» eine Druckerei-Werkstätte um schließt, vollend» nicht genug geschätzt werden kann, wo sie aber auch genöthigt ist, in ihren Ansprüchen nicht zu weit zu geben. Das saubere Wesen Frau Margrethens äußerte sich in ernem sehr fein entwickelten Reinlichkeits-Sinn, und die Druckkunst ist nun einmal eine „schwarze" Kunst, die mit einer Farbe hantirt, deren Hauptbestandtheile damals, als die Drucker ihre Schwärze noch selbst zu bereiten hatten, Kienruß und alte», abgelagertes Lein- Oel waren. Im ersten Jahre der Ehe war dieser Zwiespalt kaum hervor getreten. Gerhard Crusiu» hatte es mit Freuden begrüßt, als seine Grethl zum ersten Male mit Staubwedel und Wischtuch in der Werkstatt erschienen war, die er sich in den Geschäftsräumen seine» Schwiegervaters eingerichtet hatte. Wenn sie in ihrer geräuschlos heiteren Art flink wie eine Elf« zwischen den Setz kästen und der Druckerpresse an sein Pult geschlichen kam, wo er die Correcturbogen der im Satz befindlichen Bücher prüfte, da war ihm stets gewesen, als gleite Sonnenglanz durch den ernsten, schmucklosen Raum. Bald war ihm auch die Lust ge kommen, sein fleißiges, anstelliges Weibchen in die Geheimnisse seiner Kunst einzuweihen, und er hatte sie unterwiesen, wie man die kleinen blanken Lettern aus den Alphabet-Fächern des Setzerkastens im Winkelhaken zu Worten und Zeilen zusammen fügt. Das sinnreiche Spiel mit den schlanken, flinken Metall stäbchen hatte ihr gefallen, und sie hatte beim „Setzen" auch viel Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit bezeigt. Aber vor der Be rührung mit der schmierig-feuchten Druckerschwärze war sie zurückgeschrcckt, und nachdem sie sich trotzdem einmal ein Helles Sommerkleid mit dem häßlichen Farbstoff beschmutzt hatte, so daß die Flecke sich nur schwer wieder auswaschen ließen, war eine jähe Explosion ihres Temperaments erfolgt, und sie hatte sich verschworen, nie mehr in die Nähe der Druckmaschine zu kommen. Meister Gerhard hatte dazu gelächelt, die kleinen runden Hände der geliebten Frau in seine großen kräftigen genommen und auf jede einen herzhaften Kuß gedrückt: „Hast recht, Schatz! Ueber- lasse das Reinmachen in diesen Räumen fernerhin den Lehr lingen, denen cs zukommt! Frauenhände sind ja auch viel zu zart und zu schön für diese Geschäfte!" Im Stillen aber dachte er weiter: „Es war ein Jrrthum von mir, ihr zuzutrauen, sie könne mir ein Kamerad bei meiner Be rufsarbeit werden! Auch sie, die Begabte, kann nicht über die ihrem Geschlecht gezogenen Grenzen hinaus!" Von da an hatte er es aufgegeben, sie für seine Geschäfte zu interessiren, was ihm durch daS schnelle Wachsthum derselben er leichtert wurde. Im ersten Jahre stand bei ihm nur eine Presse in Thätigkeit, jetzt hatte er in Erwartung des Bibeldrucks zwei weitere ausgestellt. Für jede Presse mußten zwei Setzer ar beiten, um sie ununterbrochen im Gang zu erhalten. Die Auf stellung der Maschinen hatte viel Schmutzerei im Hausflur und Vorplatz gegeben. Die alte Kathrin, die von früher her als Schaffnerin im Hause waltete und ihrer zärtlich geliebten Herrin jeden Wunsch von den Augen ablaS, war darüber schon mit den neuen Gesellen in Händel gerathen. Gestern aber war eS auch zwischen beiden Gatten zu einer Katastrophe gekommen. Den Anlaß dazu gab eine Procedur, welche dem SauberkeitS- sinu Frau Margrethe'» ganz besonders ärgerlich war. Ihr NäSchen war nicht minder empfindlich, al» ihre Augen. Die Zubereitung einer neuen Druckerschwärze, wie sie gestern wieder einmal aus dem geräumigen, mit Gartenanlagen geschmückten Hofe stattgefunden hatte, verbreitete dort nicht nur Wolken von Rauch und Ruß, sondern auch mephitischr Dünste. Wegen der
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