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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.06.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010618015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901061801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901061801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-18
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DaS Blatt ließ am gestrigen Tage unter der Auf schrift „Junker BiSmarck" eine Fluth von Bischimpfungen de« großen Kanzlers sich ergießen und zwar zu dem unverkennbaren Zweck, den nickt ganz taktfesten „Genossen" — und die bilden auch in Berlin die Mehrheit —, sowie den Mit läufern noch einmal eine äußerst geringschätzige Meinung von dem Schöpfer deS deutschen Reiches beizubringen. DaS „Proletariat", dem, auf daß es am gestrigen Tage der Partei leitung zu Willen sei, die Sckmeickelei gesagt wurde, es sei der „weltgeschichtliche Richter" BiSmarck'S, daS Prole tariat schien die Bedeutung des ManneS bock nicht erschöpft zu sehen in dem grotesken bypothetischen Urtbcile deS „Vor wärts", welches besagte: wäre Bismarck, wi» er geartet war, Minister im Fürstenthum Liechtenstein gewesen, die Hof historiographen von Vaduz hätten ihm nur ein bescheidenes und vermutblich nicht allzu freundliches Blättlein in der Specialgeschichte ihres FürslenthumS eingeräumt. DaS hatte der „brutale Junker"! vermutblich rorauSgeseben und sich deshalb zuerst daS etwas größere Preußen zum Schauplatze seiner Thätigkeit — „eine Kette von Tborheiten" nennt sie das „wissenschaftliche" Organ der Socialdemokratie, die „Neue Zeit" — auSerwäblt, und um zeitlebens gegen die Hofhistoriograpben von Vaduz ge schützt zu sein, schuf er sich sogar daS deutsche Reich, also ein noch weiteres Terrain zur Bewährung feiner grenzenlosen Unfähigkeit. Wir glauben, selbst mancher „Zielbewußte" schämt sich der Albernheiten seine» EentralorganS. Zeden- falls haben diese nickt gehindert, daß bis in die späte Nackt stunde ungeheuere Menschenmassen trotz ungünstiger Witte rung vor dem Denkmal vorbei wogten, und darunter waren auch „Proletarier". Daß die Berliner nationale Presse, ausgenommen die „Kreuzztg.", die die Entbüllungsfeier zum Aus gangspunkt eines Angriffs auf die Handelsverträge zu nehmen den guten Geschmack hatte, würdige und be geisterte Töne anschlug, versteht sich von selbst. Erfreulicher' weste kam dabei auch die ernste Bedeutung der Feier unter Vergleichen zwischen der BiSmarck'schen Aera und der gegen wärtigen zu ihrem Rechte. Wir haben auch in link-freisinnigen Blättern wenigsten- anständige Artikel gelesen. Nickt» zu sagen über den Begründer des Reiches — eS begnügte sich mit der Aufwärmung einiger aus Bismarck Bezug habender localer Notizen — batte daS „Berliner Tageblatt" (Mosse und Levisohn). Ferner schwiegen sich au- die „VolkSztg." (Colm) und die „Germania" (Centrmn). Ueber die Feier hat der officiöse Telegraph bereit» aus führlich berichtet. Ihr Inhalt bestand in der Hauptsache in der Rede deS Reichskanzlers. Mit Spannung lauschte ihr die Menge, mit besonderer die politische Corona, die nicht nur eine schöne, sondern auch eine Art Programm-Rede erwartete. Und sie war schön, wenn auch vielleicht weniger fließend, als so manche improvisirte NeichStagSrede des jetzigen Kanzlers. Sie ließ die gigantische Persönlichkeit de» SckmiedeS der deutschen Kaiserkrone scharf und mackt- voll hervortreten und ries durch glückliche Wendungen einen bei solchen Gelegenheiten nicht üblichen Beifall hervor. Und sie war auch eine sehr kluge Rede, die trotz aller Anerkennung der unvergleichlichen Leistungen Bismarck'» dem Redner da» Recht tpahrte, nicht io allen Stücken in die Fußstapfen de» Gewaltigen zu treten. Aber eben deshalb war die Rede keine rechte Programm-Rede, weil sie an keiner Stelle andeutete, wo der Redner von dem Rechte der Abweichung Gebrauch zu machen gedenkt. Nur ein mal schien e», al» solle klar ein Weg bezeichnet wer den, von dem der vierte Kanzler so wenig weiche» wolle, wie der erste: bei dem Bekenntniß de» Grafen zu Goethe, der für die geistige Cultur Deutschland» gewesen sei, wa» Bismarck für da» politische Leben der Nation war. Bedenkt man, wie Goethe beim Centrum und einem Theil« der Conscrvativen angeschriebe» ist, so mußte diese» Bekenntniß de» Grafen nicht nur überraschen, sondern bei allen freier gerichteten Hörern auch erfreuen. Gar mancher freilich mag sich dann de» Consistorialrath» vr. Reicke erinnert haben, der eben erst „im Interesse de» Dienstes" strafversetzt worden ist, weil er Anstoß auf der selben Seite erregt hat, die Anstoß an Goethe nimmt. Der Fall mahnt jedenfalls daran, da» persönliche „Programm" de» Grafen Bülow nicht mit seinem RegierungSprogramm zu verwechseln. Herr v. L ev etzow, der Vorsitzende deS DenkmalSau-schussr», hielt sich knapp und war insofern nicht glücklich, als er seine Ansprache bei dieser Enthüllung eine» Nationaldenk- malS für Bismarck damit endete, Bi-marck al- einen brandenburgischen Mann zu feiern. Die Erwähnung der Stammeszugehörigkeit hatte wohl emsließeu können, aber paffender würde mit ihr ein« in Stendal gehalte»« Bismarck-Rede ausgeklungen haben. Was da» Denkmal selbst betrifft, so hat e» Viele um so mehr enttäuscht, al- bereit» vorher in einigen Moraenblättern Bega»-Officiöse und rin Bega» - Officieller, nämlich der Künstler selbst, auf Große» vorbereitet hatten. Einer der Herren schreibt, in Bewährung eine» anerkennen»« werthen Muthe» sogar mit NamroSuuterschrift, in der Bild säule de» Kanzler» „wird jeder Deutsche seinen Bi»marck und sein eigene» Empfinden wieder erkennen." Da» ist, mit Ver laub, der vorherrschende Eindruck nicht. Im Gegeatbeil kann leider nicht einmal da» vorgestern an dieser Stelle gefällte Urtheil völlig aufrecht erhalten werden, die Ab sicht einer gewissen Minderung der Große de» Dar gestellten sei durchaus nicht zu erkennen. Da» Stand bild wirkt auf hohem Gockel, wie selbstverständlich, ander» al» auf ebener Erde, wo e» Biel« im Atelier de» Bildhauer» gesehen. Der kleine Kopf und in»besonder« die Nackenparti« verrathen, wie auch da» Bild der Reichstags eröffnung vom 25. Juni 1888, da» Bestreben, Bismarck sehr alt erscheinen zu lassen. Dieser BiSmarck, den die WivmungS- insckrift deu ersten Kanzler benennt, ist ein BiSmarck im Ruhestand und auck ihm wird die Bildsäule nicht gerecht. Man hat fast den Eindruck, als ob dem Beschauer der Ge danke nahegelegt werden sollte: e« war Zeit, daß der Mann au» seinen Aemtern entfernt wurde. Immerhin, etwa» Ge bietende» hat die Gestalt, daS ist nicht zu bestreiten, und wenn sie für sich allein vor unS stünde, würde man sich zufrieden geben können. Aber daS Beiwerk, da- sick als Hauptsache verdrängt! Herr Prof. BegaS batte am Morgen des EntbüllungStageS sein Werk publizistisch also eingeführt: „Ich hatte, wie ich glaube, gute Begleitungsmotive für das BiSmarck- venkmal, und so entschloß ich mich, mit zu concurrireu." Be- glcitungSmotive al« Mctive zur Darstellung eine« unvergleichlich von Aeußerlichem unabhängigen, beispiellos in sich geschlossenen großen ManneS! Und Herr BegaS bat seinen urspriinlichen Beweggrund nicht vergessen. Daß seine BegleirungSmotive jedoch, wie er noch glaubt, gute waren, wird hart bestritten werden. Jedenfalls ist daS plastische Zeug, daS sich »äber und ferner vom Standbilde wicktig macht, unklar, undeutsck, nn- biSmarckisch — bis in die Knochen, möchte man sagen. Wer da- — sonst beute aber gar nicht sonderlich geschätzte — Gymnasium durchgemacht hat, versteht, was die anspruchs vollen Nebengruppen besagen wollen — wenn man ihm erklärt hat, wa« sie vorstellen. Dem Volke, von dem und für oaS daS Denkmal ist, wird diese Sibylle, diese Sphinx, dieser AtlaS, von dem man nur Muskulatur und die Himmelskugel, nicht aber das Haupt siebt, werden alle diese Allegorien, auch wenn man sie ihm erläutert, etwas Unver ständliches und AnfröstelndeS bleiben. Daß die ausgeklügelten Dinge technisch meist trefflich berauSgearveitet sink, braucht nicht gesagt zu werden, denn Begas i st ein Bildhauer. Aber sie paffen zu dem urdeutschen Helden Bismarck, der sein Volk erst wieder recht verdeutscht hat, wie etwa in Florenz zum Bildniß eines Medici ein germanisches Trink born und eine germanische Bärenhaut gepaßt haben würden. Fürst BiSmarck'S Wesen wird durch diese Umgebung feines Standbildes in noch höherem Grave entstellt, als der schlichte, Helle Sinn Wilhelm'S I. durch da» fremdartige Gewimmel, daS BegaS um dessen Reiterbild hat entstehen lassen. Der Lrieg in Südafrika. Der Middel-ur-er Ueberfall. Der Bericht Kitchener'S über die Niederlage der Australier unweit Middelburg verursacht in London tiefe Ver stimmung. „Morning Post" sagt, eS scheine, daß die Boerrn taktisch den Briten überlegen seien. „Times" schreiben: „Wir müssen nötbigenfallS unsere Anstrengungen, diesen hart näckigen Feind zur bedingungslosen Uebergabe zu zwingen, verdoppeln". „Daily Telrgr." bezeichnet die Kriegführung der Boeren al» brigantenmaßig (!) und behauptet, daß keine civilisirte Macht diese dulden würde. (?) Krüger und die Friedensangebote. Einer Brüsseler Drahtmeldung der „Daily Mail" zufolge erklärte Frau Botha, ihre lange Unterredung mit Krüger bestätige die unerschütterliche Haltung des Präsi denten, der alle FriedenSanträge, die nicht von der Ver bürgung völliger Unabhängigkeit der Doerrnstaalen begleitet sind, energisch zurückweise. Die Pest. * Eapstadt, 17. Juni. Innerhalb der letzten 48 Stunden sind 3 neue Pestfälle aus Port Elizabeth, 2 au» Maitland und einer aus SimonStown gemeldet worden. Im Ganzen sind bisher 714 Pestfälle gemeldet worden, von denen 338 tödtlich verliefen. Südafrika al» Manöverfeld. Winston Churchill, erst Officier, dann ein hervorragender Kriegsberichterstatter und jetzt Mitglied deS UnterbhuseS, äußerte vor Kurzem in einem in der Royal United Service Institution gehaltenen Vortrage, die AuSbilduag des eng lischen Soldaten sei hauptsächlich dr-halb unzureichend, weil e» dem Heere an einem brauchbare» Uebungsplatze fehle. Daran anknüpfend, wie» der Oberst Sir John Hery Macdonald in den „Time-" darauf hin, daß Südafrika einen traimng grounä darstelle, wie ihn keine westliche Macht be sitze. In Südafrika ließen sich alljährlich frische Manöver gelände von weitester Ausdehnung finden und außerdem werde durch die Abhaltung von Manövers dort noch ei» doppelter Vortheil erreicht: dir Landeseinwohner erhielten eine Vorstellung von den militärischen Machtmitteln de» britisckrn Reiche-, und zu gleicher Zeit fließe für Lieferung von BerpflegunqSmitteln und Fourage baare- Geld in ibre Taschen. Endlich sprächen strategische Gesichtspunkte dafür, Reserven stelle man zweckmäßig in die „Mitte" und ein große- Truppenübung-lager in Südafrika liege in der Mitte zwischen dem vereinigten Königreiche und Indien. Die „Army and Navy Gazette" erklärte erst dies« — auch von anderer Seit« bei ihr angeregte — Idee für lgesund, lehnte sie dann aber unter der Bezeichnung „unerreichbare Ideale" ab, und zwar au- zwei Gründen: da- mit solchem System ungeheuerliche Anschwellen der so wie so schon sehr beträchtlichen Kosten für Truppen- tran-porte über See und der unzulängliche Rekrutenersatz in normalen Zeiten. Ein ständiges südafrikanische» UebungS- corp- müsse au- Einheiten auf voller Sollstärke bestehen, und um da- zu erreichen, sei nicht- übrig, al- die daheim ver bleibenden Truppentheile bi- zu Skeletten au-zuplüudern. Aber den Hauptgrund, der jenen Vorschlag al- eine Thorbeit kennzeichnrt, haben wir, schreibt der militärische Mitarbeiter der „Köln. Ztg.', in der englische» Militärpressr nicht ausgesprochen gefunden. Gerade au- taktischen Gründen ist Süd afrika al- Truppenübungsplatz gänzlich ungeeignet. Die Eigen art de- in Frage komm«kd«u Geländes läßt bi« Engländer dort weder da- finden, wa- sie in einem europäischen, noch wa» sie in einens aegen afrikanische uiid astatische Wilde ge sühnt» Kriege tzrvrauche». Ja Bezug auf ersteren Punct giebt mau sich in England einer unkrr Umständen verhängnis vollen Selbsttäuschung bin. In einem Festlandkriege dürfte das unter blutigen Opfern auf dem südafrikanischen Kriegs schauplätze Gelernte nicht nur völlig versagen, sondern zu einer Ouelle neuen UnbeilS werden. Die Lebren, die wir ans dem Boercnkriege für europäische Kriegführung ziehen können, sind bekanntlick außerordcntlicv dünn gesät. — UebrigenS ist auch die schöne Theorie von den Reserven am Cap sür da- Mutterland wie für Indien überaus anfechtbar. Namentlich in ersterer Beziehung. Sollten die Küsten Groß britanniens einmal ernstlich bedrängt werden, so würden Reserven, die annähernd drei Wochen allein sür die lieber- fahrt brauchen, sicherlich zu spät kommen. Das englische System, welches auf ungefähr die Hälfte deS regulären HeereS für die Zwecke der heimischen LankeSvertbeidizung rechnet, kann die dauernde Entsendung etwa eines ArmeecorpS zu UebungSzwecken gar nicht vertragen. Die Wirren in China. Aus dem Hiiitcrlandc von Kiautscha». Aus Kiau tschau berichtet der „Ostasiatische Lloyd": „Von der Ruhe und Ordnung, die im Lande herrschen, und dem Wohlwollen, das nach den Ereignissen des letzten Jahres von den Chinesen den Europäern entgegengebracht wird, macht einer der am Eisenbahnbau beschäftigten deutschen Ingenieure eine charakteristische Schilderung. Er schreibt: Längs der ganzen projectirten Eisenbahnlinie wimmelt es von chinesischen Sol daten. Wenn man aber meint, daß man hier sicher ist, so irrt man sich gewaltig. Die Ingenieure müssen sich stets von mindestens vier Reitern begleiten lassen. General Wu, der in Nanlin steht, hat dit Beamten der Bahn auf das Dringendste gebeten, wohin sie auch gingen, sich von einer Patrouille begleiten zu lassen; er sei für die Sicherheit und das Leben der Ingenieure verantwortlich, könne aber eine Sicherheit nur übernehmen, wenn sich die Ingenieure unter militärischer Bedeckung bewegen. Wenn keine weitere Unterbrechung eintritt, heißt es in dem Briefe weiter, hofft man, die Strecke von Kiautschau dis Weihsien (185 Kilometer) in einem Jahre fcrtigstellen zu können, was um so wichtiger wäre, als erst dann auf ein wirkliches Aufblühen der deutschen Colonie Tsingtau gerechnet werden kann. Die Strecke Kiautschau-Weihsien soll bekanntlich durch ein Kohlen feld führen, wo sich nach den neuesten Nachrichten abbaufähige Kohlenflötze finden. Man wird mit dem Briefschreiber hoffen müssen, daß keine neue Unterbrechungen «intreten; wie leicht aber eine Störung alle Berechnungen über den Haufen werfen kann, geht aus seiner Schilderung leider nur zu deutlich hervor. Wenn Zustände, wie er sie ausmalt, schon unmittelbar unter den Augen der deutschen Garnisonen angetroffen werden, was soll man da von der Sicherheit weiter im Westen halten, wo die Europäer völlig von jeglicher Berührung mit der Küste und ihren Wächtern abgeschnitten sind " Deutsches Reich -7- Berlin, 17. Juni. (Klerikaler Mannesmut h.) DaS bayerische Centrum thut sich im Allgemeinen viel auf seine bajuvarischen Stammeseigenthümlichkeiten zu Gute. Von jenem Löwenmuth aber, den erst soeben wieder die wackeren bayerischen Truppen im fernen China entwickelt haben, besitzen die bayerischen Centrumsleute wenig. In diesen Tagen hatte ein Berliner Blatt darauf hingewiesen, daß Fürst Philipp Eulenburg, der deutsche Botschafter in Wien, sich am Sitze seines Amtes wenig sehen lasse, sondern den größten Theil des Jahres anderwärts zubringe. Das officielle Blatt deS bayerischen Centrums hat natürlich mit dem größten Vergnügen diesem Angriffe auf den Fürsten Eulenburg Raum gegeben und hinzugefügt: „Es wird wohl nicht ausbleiben, daß die merkwürdige Erscheinung schließ lich zu einer Erörterung im Reichstage führt." Aha, denkt man, also das bayerische Centrum wird die Angelegenheit im Reichstage anschneiden und Herr vr. Pichler oder vr. Schädler oder ein anderer bayerischer Centrumsfllhrer wird seinem Herzen freien Lauflassen. Abernein! Das officielle bayerische Centrumsblatt kährt fort, daß eine Erörterung im Reichstage um so wahrscheinlicher sei, als Fürst Philipp Eulenburg sich bei den Socialdemokraten besonderer Aufmerksamkeit erfreue. Also eine frische, fröhliche Hatz gegen den Fürsten Eulenburg wäre dem bayerischen Centrum schon ganz recht, um so mehr, als dabei voraussichtlich einige Seitenhiebc auf den Kaiser, der mit dem Fürsten besonders befreundet ist, abfallen würden, aber die Ehre de- Angriffs überläßt man doch lieber der Soctaldemokratie. * Berlin. 17. Juni. (Im Interesse des Dienstes.) Der Consistorialrath vr. Reicke, seit fünf Jahren Justitiar deS ConsistoriumS der Provinz Brandenburg, ist, wie bereit- ge meldet, „im Interesse de» Dienstes" gegen seinen Willen nach Königsberg i. Pr. versetzt worden. Die „Vossische Zeitung" er läutert diesen Vorgang also: Seit Jahr und Tag hat die Orthodoxie, Allen voran Herr Stöcker, gegen ihn geeifert in Wort und Schrift. Immer lauter und dringender verlangte sie die Absetzung eine» ManneS, der ek wagte, als Mitglied des Kirchenregiments Theaterstücke »u schreiben, und sogar aufführen zu lassen. Schickt «S sich denn für einen Consistorialrath, Dichter zu sein? Vor Menschenaltern vielleicht, und allenfalls in Wei mar, wo ein Herder Oberconsistorialrath und General superintendent sein und ein „decidirter Nichtchrist", wieGoethe sich nannte, Excellenz werden konnte. Aber in dem Preußen von heute, wo die Hofpredigerpartei daS Heft in Händen hat und Herr Stöcker noch immer ibre Serke ist, da hat ein Conststorial- rath, wenn ihn der Geist treibt, höchstens die Befuaniß, ungr- ftraft schlechte Kirchenlieder und seichte Tractätlem zu ver öffentlichen. Lange bevor man von dem Dichter Reicke wußte, hatte der Consistorialrath Reicke dar Mißfallen der Religions eiferer auf sich gezogen. Er stammt aus der „Stadt der reinen Vernunft , wo sein greiser Date: noch heute al» Oberbibliothekar lebt, hochverdient um die Sammlung und Herausgabe der Briefe Kant'». Im Triste deS Weltweisen ist auch der Sohn erzogen und aufgewachsen, und er hatte den Muth, offen fiir die Be stätigung eine» liberalen Stettiner Geistlichen einzutreten, den eine Berliner Gemeinde gewählt hatte. Er war einer gegen fünfundzwanzig. Und diese Ketzerei haben ihm die Stöcker und Genossen weidlich nachgetragen. Ihrer gedachten sie, als im März 1900 Reicke's Schauspiel „Freilicht" im Berliner Theater aufgeführt wurde. Der Kaiser hat in Bonn noch jüngst gesagt, ganze Männer brauche die Zeit, die Entwickelung der Persönlichkeit thue noth. Die Entwickelung der Persönlichkeit, daS etwa ist der Stoff, den Reicke in „Freilicht" behandelt. Und alsbald entluden der „Reichsbote" und ähnliche Blätter ihren Ingrimm. Aber das Maß war noch nicht voll. Da wurde et mit der lex Heinze plötzlich Ernst. Centrum und Rechte hatten dem Entwürfe eine Form gegeben, die das ganze gebildete, frei heitlich gerichtete Bürgerthum erregte. Es galt schnelle und scharfe Abwehr; auch Männer, die sonst den politischen Kämpfen fernbleiben, schaarten sich zusammen, um die Freiheit der Kunst und Wissenschaft zu schützen. Zu den Menzel, Mommsen, Begas, den zahlreichen Führern deutscher Nation auf allen geistigen Gebieten, gesellte sich auch ein Consistorialrath. Keinem Beamten ist der Proceß gemacht worden, aber gegen Reicke wurde abermals der ganze Heerbann Derer um Stöcker loSgelassen; wieder wurde einmal über das andere gefordert, daß er aus dem Kirchenregiment entfernt werde. Auf Synoden und in der Presse wurde seine Maßregelung verlangt, auch nachdem daS „Aergerniß" beseitigt worden war, daß ein Consistorialrath als dritter Schriftführer dem Vorstande des GoethebundeS angehörte. Die Orthodoxie mußte versöhnt, ein Sündenbock mußte geopfert werden, gegen den Stachel läßt sich nicht löken. Wen Herr Stöcker beharrlich angreift, den ermag in Preußen keine Be hörde zu „halten", und somit ist Consistorialrath Reicke „im Interesse des Dienstes" seiner Stellung als Justitiar de» bran denburgischen ConsistoriumS enthoben und nach Königsberg ver setzt worden, obwohl er keinen Zweifel darüber gelassen hatte, daß er diese Versetzung als unverdiente Strafe und Kränkung be trachte, die ihn zwinge, zwischen Amt und Freiheit zu Wahlen. Eben geht durch die Blätter ein Schreiben, worin Graf Bülow sich bereit erklärt, dem Comits für Errichtung eines Fichte- Denkmals beizutreten. Wer war doch Fichte? Als die Stöcker von damals den Philosophen des Atheismus be schuldigten und dem Könige Vorstellungen machten, daß er ihm kein Obdach und Amt geben dürfe, da erwiderte Friedrich Wil helm III.: „Ist es wahr, daß Fichte mit dem lieben Gott in Feindseligkeit begriffen ist, so mag daS der liebe Gott mit ihm abmachen, mir thut das nichts." Damals waren die Religions eiferer noch nicht allmächtig im Lande. Stöcker's Einfluß hat gesiegt und hat erreicht, daß ein tüchtiger, erprobter Beamter, der an der Schwelle des Amtes nicht Talent und Ueberzeugung zurückließ, auS dem Dienste scheidet. (-) Berlin, 17. Juni. (Telegramm.) Wie die „Rordv. Allgem. Ztg." berichte», veranstaltete gestern au» Anlaß der Enthüllung des Bismarck-Denkmal- der Reichs kanzler eine größere Tafel, zu der unter Anderen die Präsidien der Parlamente und die Mitglieder de» Central- comitös für das Denkmal eingeladen waren. Fürst Herbert BiSmarck und Herr v. Levetzow waren wegen Familien trauer behindert. (-) Verli«, 17. Juni. (Telegramm.) Der Grotzherz«« von Lachsen-Weimar bat, wie die „Norddeutsche Allg. Ztg." berichtet, dem Staatssekretär de» Auswärtigen Freiherrn v. Rtchlhofen daS Großkreu; de» HauSorden» de» Weißen Falken verliehen. — Unter den zahllosen Kranzspenden, die gestern an den Stufen des BiSmarck-Dcnkmal» niedergelegt wurden, fick der große Lorbeerkranz der Universität Göttingen auf, an der BiSmarck studirt hatte. Die goldgestickte Inschrift auf den Schleifen lautet: „Terror walorum, riäuoi» donoruw, .4rx et ckecus Oerwsniae. Dir Georgia Augusta dem Ge- dächtniß ihres größten Sohnes 16. Juni 1901." DaS Corps Hannovers in Göttingen, dem BiSmarck einst anzehort hat, ließ durch eine Abordnung einen mächtige» Kranz mit roth- blau-rotber Schleife und der Inschrift: „Seinem größte« X. U. (alten Herr») daS Corp» Hannovers zu Göttingen, ^uoguom retrorsum." niederlegen. Die vereinigten Berliner Hochschulen und Akademien widmeten „dem großen Kanz ler" einen Kranz mit weißseidenen, goldgestickten Atla»- schleifen. Schwarzaelb war die Schleife, welche die Stadt Göttingen „ihrem Ebrenbürger" darbrachte. Ein mit Palmen, Kornblumen und Rosen gezierter Lorberrkranz trägt die Widmung: „Die national-liberale Partei Baden» dem Andenken de» großen Kanzler»." Auf einer blauen Schleife las mau: „Centralvorstand der national-liberalen Partei Deutschland»." Viele Kränze kamen von Akademien und BildungSanstalten. Besonder» fiel ein mit Lenbach'» BiSmarck- Bildniß au-gefüllter Naturkranz, der „den Manen de» größten deutschen ManneS" galt, auf. Sehr groß waren auch die Zeichen der Anhänglichkeit au» mil»t arisch en Kreisen. An dem Kranz« deS Verein» ehemaliger Kameraden der bayrischen Armee laS man: „Iu Treue fest". In einer mächtigen Spende mit vergolvrten Lorber- und Eichenblättrr» hatten Commandant und Officirre S. M. S. „Fürst Bis marck" de» großen Kanzler» gedacht. Ein mächtiger, wunder voller Orchideenkranz erregte besonder« Aufmerksamkeit; er war vom Bankhaus Bleichröder gestiftet. Au» weiter Ferne kam ein herrlicher Kornblumenkranz mit schwarz-wriß- rother Schleif», die Widmung der Reichsdeutschen in Odessa „dem Andenken unsere- größten Deutschen". — Die CentrumSwölfe verfolgen bekanntlich zur Irreführung naiver Gemüther stet» die erprobte Taktik, die Rolle de« armen verfolgten Schafe- zu spielen, lasse» sich aber dabei nicht von Gehässigkeiten gegen Ander-denkende ab kalten. So legte jüngst in Aachen der Centrum-abgeordnete Lehrer Sittart feurigen Protest gegen di« Angriff« ein, die der Ultramontani-mu- erdulden muff», und dann fuhr er seelenruhig fort, seine, de» Redner» Freunde, vom Arbeiter stande wüßt»n e» genau, daß rin katholischer Arbeitgeber in dem Arbeiter ein Ebenbild Gotte» erblicke, daß er ihn danach behandle, während der nationalliberal gesinnte Arbeitgeber in dem Untergebenen lediglich eine Arbe»t»kraft ,u besitzen glaube, die nach Gebühr au-genutzt werden müsse. Und die Veranstalter derartiger nichtsnutziger Hetzreden, die dem Andersdenkenden schlankweg da» menschliche Mitgefühl absprechen, beklagen sick auck noch darüber, daß Späne fliegen, wenn Holz gehackt wird. * An» Tchle-Wi-, 16. Juni. Daß die dänische Agitation nicht mit einem Male die Segel streichen würde,
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