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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.06.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010619025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901061902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901061902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-19
- Monat1901-06
- Jahr1901
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UmversitätSstraße 3 (Paulinum), LouiS Lösche, Kathariaevstr. Part. und König-Platz 7. 3«8. Abend-Ausgabe. MMtr TagMM Anzeiger. NrntsbMt des Königkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nokizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen «Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen unk Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördrrung VO—, mit Postbrsörderung 70.—. Annahmeschluk sür Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr Bei den Filialen und Annahmestellen je rin» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen! geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz iu Leipzig. Mittwoch den 19. Juni 1901. 85. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die Voeren in der Lapcolonie; Pferdemangcl. Aus Molteno, 17. Juni, wird uns berichtet: Den letzten Meldungen zufolge sind in der Capcolonie 1800 Boeren unter Waffen, welche in der Mitte des Landes acht verschiedene Kommandos in der Stärke von 60 bis 300 Mann bilden. In den westlichen Provinzen stehen im. Ganzen etwa 300 Mann. Kruitzinger und Fouche lassen Proklamationen anschlagen, in welchen sie, kraft der Machtvollkommenheit, die ihnen durch die vor ca. 20 Monaten erfolgte Angliederung der nördlichen Provinzen der Capcolonie an den Oranje-Freistaat gegeben sei, erklären, daß Jedermann, der über den Aufenthalt irgend eines Kommandos etwas melde, um 60 Pfund gestraft werden solle, oder im Unvermögens salle gezwungen wurde, das Kommando drei Monate lang zu Fuß zu begleiten. In militärischen Kreisen herrscht die Ansicht vor, daß die Einfuhr von Pferden nicht Nachlassen dürfe, da der Zuzug von colonialem Pferdeersatz rapid abnehme. HutschiidigungSforderungcn. * London, 18. Juni. In der heutigen Sitzung der Commission zur Prüfung der Entschädigungssorderungcn dec aus Südafrika aus gewiesenen Personen verlangte eiu Däne Namens Andersen Ent schädigung, da er durch das dänische Auswärtige Amt erfahren habe, er sei deportirt worden, weil er in Verdacht gewesen sei, an einem Complott zur Ermordung Lord Roberts theilgenommen zu haben. Er sagt, er habe nicht gewußt, daß ein solches Complott bestanden habe. Sir John Ardagh verlas hierauf einen Brief von Lord Kitchener, in welchem mitgetheilt wird, der dänische Consul ver bürge sich persönlich sür den Angeklagten. Ardagh sagte hierauf, im Falle Andersen sei, wie es scheine, ein Fehler gemacht worden, er könne die Negierung in diesem Fall nicht vertheidigen. Die Wirren in China. Deutschland im Vangtse-Thale. In der gestrigen Sitzung des englischen Unterhauses fragte Joseph Walton an, ob durch das deutsch-englische Abkommen Deutschland von der englischen Regierung die Zusicherung erhalten habe, daß es im Jangtse-Gebiete auf dieselben Rechte und Privilegien Anspruch haben solle, wie England, soweit nicht Eisenbahnunternehmungen in Betracht kämen. Parlamentsuntersekretär des Auswärtigen Cran- born« erwiderte, in dem englisch-deutschen Abkommen sei fest gesetzt worden, daß in den an Flüssen und an der Küste Chinas liegenden Häfen der Handel und jede sonstige erlaubte wirthschaftliche Thätigkeit frei und offen bleiben solle, wo immer die beiden Regierungen ihren Einfluß avsüben können. — In Betreff der fremden Garnisonen in Shang hai wird mitgetheilt, daß England eine Besatzung von 2500 Mann, Deutschland eine solche von 800 Mann dorthin ver legt; außerdem befinden sich in Shanghai eine französische und eine japanische Garnison, über deren Stärke jedoch nichts be kannt ist. SntschädignngSfragc. In der gestrigen Sitzung des Washingtoner Cabinetsrathes schlug der Staatssekretär Hay vor, den Betrag der von den chine sischen Provinzialbehörden freiwillig an die amerikanischen Missionare bezahlten Entschädigungssummen von dem Gesammtbetrage der amerikanischen Entschädigung von 26 Mill. Dollars abzuziehen. Unruhe» auf Korea. * Aokohama, 18. Juni. („Reuter's Bureau.") Der japanische Consul in Mokpho auf Korea meldet, die jüngsten Unruhen in Quelpart seien durch eingeborene Christen verursacht worden, welche später von erbitterten Eingeborenen umringt wur den, wobei fünfhundert derselben getödtet wurden. Ein japanischer und ein französischer Kreuzer sind noch in Quelpart. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. Juni. Unserem Berliner LZ -Corresponventen ist !n seinem, an der Spitze unseres gestrigen Morzenblattes veröffentlichten Artikel „Zur Enthüllung des Bismarck-Denkmals in Berlin" ein Jrrthum insofern untergelaufen, als er schrieb: „Nichts zu sagen über den Begründer des Reiches — es begnügte sich mit der Auswärmung einiger auf Bismarck Bezug habender localer Notizen — hatte das „Berliner Tageblatt"." Das ist, wie gesagt, «in Jrrthum, ven wir zu berichten nicht säumen. Das „Berl. Tagebl." hat bereits in seiner Abend-Aus gabe vom Sonnckbend, den 16. Juni, an erster Stelle einen po- litrschen Leitartikel über sie Enthüllung des Bismarck-Denkmals veröffentlicht. Die rohe Art, in der die sociald emokr a tische Presse die Enthüllung des BiSmarck-Tcnkmals in Berlin zu plumpen Angriffen gegen den über daS Grab hinaus gehaßten Mann benutzt hat, ist nach Gebühr gewür digt worden. Aber man fühlt sich fast versucht, Len Socialdemokraten Abbitte zu leisten, denn ihre KampfeS- weise ist geradezu edel und ritterlich im Bergleiche zu derjenigen des führenden Centrumsblattes. Die „Köln. Volks zig." macht es nämlich so: sie führt die Grund gedanken — wenn das Wort „Gedanken" nicht zu ha»t klingt — des BiSmarck-LeitartikelS des „Vorwärts" an und sagt jedeSmal extra: eigentlich bat ja der „Vorwärts" ganz Recht, aber Bismarck war doch ein bedeutender Mann. Sie citirt zunächst mit Behagen die Behauptung des socialdemo- kratischen Organs, daß Bismarck das Slreberthuni groß gezogen und dadurch oie Seele der Bourgeoisie vergiftet habe, und fügt hinzu: „Neben Len maßlosen Lobpreisungen Lurch die „nationale" Presse hat diese Kritik auch ein gewißes Recht auf Beachtung, aber der „Vorwärts" kann dadurch doch die staatsmännische Größe des Fürsten nicht Hinwegwischen." Wie freundlich! Der „Vorwärts" hat dann, wie schon erwähnt, weiter die sublime Entdeckung gemacht, daß, wenn Bismarck im Fürstenthum Liechtenstein Minister gewesen wäre, er keine welthistorische Persönlichkeit geworden wäre. Auch dieser unbeschreiblichen Banalität stimmt die „Köln. Volksztg." eifrig zu, indem sie sagt: „Es ist wahr, um rin großer Mann zu werden, muß man nicht nur Genie, sondern auch Glück haben. Wenn ein Minister von Neuß auch die gleiche staatsmännische Begabung wie Bismarck hätte, würde er nicht Gelegenheit haben, sie anzuwendcn, und sehr leicht bliebe ihm Las Glück versagt, auf einen seinen Gcistesgaben mehr entsprechenden Platz zu kommen." Man fühlt aus diesen Zeilen den Schmerz dcS rheinischen Blattes heraus, daß dem Fürsten Bismarck jenes Glück nicht versagt geblieben ist. Der „Vorwärts" hat dann weiter die Mittel angegriffen, mit denen Bi-marck sein Ziel erreicht hat, und die „Köln. Volksztg." entschuldigt sich schnell, daß sie dem Alt-Reichskanzler die Ehre angethan hat, ihn den ge waltigsten Staatsmann zu nennen. „Allerdings, die Mittel vertheidigeu wir nicht, wir sagen ja auch keineswegs, er sei der beste Staatsmann gewesen, sondern der gewaltigste in dem Sinne, daß er am meisten geleistet hat." Die Kunst, den großen Staatsmann zu loben und ihm zugleich einen Hieb zu versetzen, ist zur höchsten Blüthe in dem nachfolgenden Satze entwickelt: „Die Deutschen waren früher viel zu sehr dem phantasievollcn Idealismus ergeben, und es ist gut, daß Bismarck dieser Neigung durch stete Empfehlung der Realpolitik ein Gegengewicht ent gegengesetzt hat; die Frage ist nur, ob wir auf diesem Wege nicht zu weit fortgeschritten sind. Die krasseste Entwickelung nach dieser Richtung scheint uns Nietzsches Philosophie. Wenn Bismarck zweifellos ein „Uebermensch" war, so hat Nietzsche in jedem Philister die Neigung wachgerusen, in gleicher Weise nach der Sonne zu streben, und was sollte werden, wenn sie Alle begännen, der „Herrenmoral" zu huldigen und ihrem Nachbar den Fnß in Len Nacken zu setzen? Wir würden ja eine Nation von Raubthieren werden, die sich gegen seitig zerfleischen. Heute würde Napoleon I. gewiß nicht mehr über die deutschen „Ideologen" spotten. Der Deutsche hat Bismarck's stete Mahnungen, Realpolitik zu treiben, viel leicht zu sehr beherzigt, und in mancher Beziehung finden wir, daß er geradezu unheimlich praktisch geworden sei." Diese Ausführungen bedeuten doch nichts Anderes als: Der „Uebermensch" Bismarck zeugte die Nictzsche'sche Philosophie, Nietzsche zeugte die „Herrenmoral", die „Herrenmoral" zeugt das Raublhierthum im Menschen, also sind wir Deutschen aus dem besten Wege, Lurch den Einfluß von Bis marcks Persönlichkeit zu Raubthieren zu werden. Sollte die „Köln. Volkszeitung" diese Schlußfolgerung ablehnen, so möchten wir sie fragen, zu welchem Zwecke sie denn Nietzsche in viese Betrachtung über die Bisuiarck'sche Realpolitik bineingezogen hat. Schließlich sucht daS rheinische Blatt die Freude der deutschnationalen Kreise an Bismarck noch dadurch herabzudrücken, daß sie aussührt, die Einigung Deutschlands sei erkauft worden durch die Unterdrückung des Dentschtbums in Oesterreich. Denn da Oesterreich ausgehört habe, die deutsche Vormacht zu sein, und da die slawischen Stämme nunmehr in dem aus der deutschen Gemeinschaft ausgeschlossenen Oesterreich den Deutschen an Zahl überlegen seien, so hätte dadurch das Slamentlmur den Muth zu seinem Anstürme gegen daS Deutschthum in Böhmen, Mähren, Krain u. s. w. gewonnen. Dazu möchten wir nur kurz daraus Hinweisen, daß dieser Kampf des Slawenthums gegen das Deutschthum in Oesterreich schon längst begonnen batte, als Oesterreich noch nicht auS dem deutschen Bunde ausgetreten war; vergl. den Slawencongreß zu Prag im Zuni 1848. „Mit Befremden und Bedauern" stellt die „Köln. Ztg." fest, daß die am 17. d. M. im Reichsamtc dcS Innern vom Staatssekretär I)r. Grafen v. PosadowSky eröffnete Con- fercnz sür die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung nach der jetzt amtlich veröffentlichten Mitgliederliste so ein- eilig bureaukratisch zusammengesetzt ist, „daß ein ge deihlicher AuSgang dieser Berathungen kaum noch zu er warten ist". Das rheinische Blatt begründet dieses Urtheil olgendermaßen: „Bon Le» 28 Mitgliedern der Conferenz sind zwar zwei Ver treter Les Buchhandels, der überaus erfolgreich gerade aus diesem Gebiete wirkende allgemeine deutsche Sprachverein ist jedoch nicht vertreten, obwohl fein verdienstvoller Vorsitzender Geh. Oberregierungsrath O. Sarrazin ein hoher preußischer Ministerialbeamter ist. Bon wirklichen Sachverständigen auf diesem Gebiete — in erster Linie wäre hier an die berufenen Lehrer der deutschen Sprache an un seren Universitäten und höheren Schulen zu denken — sind nur sehr wenige zugezogen. Um so zahlreicher ist das Beamtentbum vertreten, von dem man im Allgemeinen nicht sagen kann, daß es sich durch eine Beherrschung der Feinheiten der deutschen Sprache und der deutschen Rechtschreibung auszeichnet! Unverständlich ist auch, daß man zu dieser Conferenz auch nicht einen einzigen Ver- treter der deutschen Presse zugezogen hat, obschon diese als eine der Meistbetheiligten bei dieser wichtigen nationalen Frage ganz be sonders hätten berücksichtigt werden müssen. Wenn wir diese Unter lassungssünde hier feslstellen, so denken wir dabei selbstverständlich nicht an die Unterlassung irgend einer Auszeichnung, die man vielleicht aus der Berufung einiger Journalisten in die Eonserenz hätte herleiten können. Die deutsche Presse ist nicht gewöhnt, nach äußeren Auszeichnungen zu blicken. Als noch jüngst aus der Ver ordnung über die VertheilungderChina-Medaille hervorging,daß von allen Theilnehmern an der ostosiatischen Expedition gerade nur das Dutzend Zeitungsberichterstatter, die wahrlich gerade bei dieser Expedition mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen und die härtesten Strapazen zu ertragen hatten, von der Verleihung dieser Denkmünze ausgeschlossen sein sollen, da hat sich in der deutschen Presse auch nicht eine einzige Stimme darüber beschwert. Höchstens dachte man im Stillen daran, daß selbst in Rußland den aus ländischen Zeitungsberichterstattern, die zur Krönungsseier nach Moskau gekommen waren, ausnahmslos die Krönungsmedaille über- wiesen worden ist. Man erkannte daraus nur aufs Neue, welcher Wind in gewissen oberen Regionen gegen die Arbeit der Presse weht, und man wunderte sich höchstens, daß man in diesen Kreisen auch jetzt noch nicht erkannt hat, daß der grobe Unfug der Hunnen- briese nicht den bedauerlichen Umsang angenommen und sich auch nicht auf der Rednerbiihne des Reichstages breitgemacht hätte, wenn gewisse Befehlshaber in China es verstanden hätten, rechtzeitig engere Fühlung mit den amtlich zugelasjenen Zeitungsberichterstattern zu nehmen und ihnen mit Ver trauen entgegenzukommen; die amtliche Dementirmaschine kann eben niemals den Werth einer selbstständigen und un abhängigen Schilderung berufsmäßiger und sedergewandter Bericht erstatter ersetzen. Doch dies nur nebenbei. Wenn wir unser Befremden darüber aussprechen, daß zu seiner Berathung über die Einheitlichkeit dec Rechtschreibung die Presse nicht zugezogen wird, so wurzelt, wie gesagt, dieses Befremden nicht in dem Gefühl der Verweigerung einer Auszeichnung sür die Presse und damit in dem Gefühl einer gewissen Kränkung, sondern vielmehr ausschließlich in dem Gedanken, daß der Bureaukratismus im Reiche es unternehmen will, diese wichtige Frage ohne Zuziehung der deutschen Gelehrten und der Presse, deren Beruf es ist, die Sprache zu handhaben, q „Ähr Narr". Novelle von Johannes Proelß. Nachdruck vcrbotrn. Als sie vor ihrem Hause anlangte, öffnet« sich gerade das Hausthor weit, und heraus trat, mit Ketten gefesselt, von zwei Schergen geführt, vom Frohnvogte geleitet, ihr Mann. Stolz trug er sein bleiches, von dunlelm Barte umschattetes Haupt, seine Haltung war fest unv aufrecht; doch als er sein Weib sah, das auf ihn zugestürzt kam, da zuckte cr zusammen. „Was ist das? Wie kann man —" stammelte sie mit beben den Lippen und glitt, ihn umfassend, an ihm nieder. Er hob sie auf. „Fasse Dich, Margrethe. Die Censur-Com- mifsion beschuldigt mich einer Blasphemie!" „Was ist das?" „Einer Gotteslästerung, begangen durch eines der von mir gedruckten Bücher. Doch beruhig« Dich! Es muß ein Mißver- siändniß sein." Er umarmte zärtlich sein Weib und küßte es auf die Stirn. „Aber die Fesseln, di« Schmach! Man entehrt Dich wie einen Verbrecher! Dürft Ihr denn das?" wandte sie sich in auf flammendem Zorne an den Vogt und die Büttel. „Wir thun, was uns befohlen ist", murrten diese, während der Vogt höhnisch lächelte. Dann rief er kurz: „Vorwärts!" Und die Büttel packten den Magister an den Armen und stießen sein Weib bei Seite. „Vorwärts!" wiederholten sie sklavisch den Be fehl drS Vogte». An der Thür wurde die gequälte Frau von dem Factor PeterS empfangen, des Magisters ältestem Gehilfen, der während CrusiuS' Krankheit vorm Jahre daS ganze Druckgeschäft geleitet hatte. Auch er wußte nicht viel mehr über den Anlaß der Ver haftung zu sagen, als CrusiuS selbst. Der Frohnvogt habe dem Herrn den schriftlichen Befehl vorgewiesen, daß er zu verhaften soi auf Requisition der Crnsur-Behörde, um sich vor dieser wegen eine» verbrechens der Blasphemie zu verantworten. Er selbst hab« den Zettel gelesen; eS stehe nichts Näheres darauf, als nur der Satz: „— begangen in dem Neudruck der Uebersetzung de» Alten Testaments, dessen Verkauf von Amtswegen zu in- hibiren ist." „Laßt mich den Zett»! sehen!" bat Frau Margrethe. „Er wird noch auf dem Schreibpulte des Herrn Magisters lieg«». Ich hole ihn." „Wartet, ich gehe gleich mit. Sagt nur, ich bitte Euch, Peters, wie kann in dem Buche eine Gotteslästerung enthalten sein? Es ist doch di« Bibel?" „Und Gott weiß, wie gewissenhaft der Herr Magister und wir Alle gearbeitet haben, damit der Druck in Ehren als fehlerlos vor jeder Prüfung bestehen kann! Es wird ein Schreckschuß sein, Frau Magister. Eine Chicane! Der Herr hat Feinde, und sein ärgster ist wohl der Oberjustitiarius Karstropp. Aber es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn ein Druckfehler —" Die Frau war neben dem Factor in den Druckraum ge treten, seit Langem ihr eine fremde Welt. „Ein Druckfehler?" stieß sie erschreckt hervor und blieb wie gelähmt stehen. Ihre Augen starrten dabei ins Leere, als erhöbe sich vor ihr im Schattendunkel ein drohendes Gespenst. „Ich meine nur", fuhr der Factor beruhigend fort, „selbst wenn uns irgend ein Druckfehler entschlüpft sein sollte, so wird der Justitiarius doch niemals daraus ein Verbrechen der Blas phemie construiren können." „Das gebe Gott!" kam es fast unhörbar von Margrethens Lippen. Wie von Fieberfrost geschüttelt, tappte sic sich im Halbdunkel wach ihres Mannes Schreibpult. „Hier liegt der Zettel?" fragte sie, ihre Stimm« zum Sprechen zwingend, den Factor. „Ich bringe gleich Licht", rief dieser, „cs ist zu dunkel zum Lesen. Gleich bin ich wieder da!" „Nein, laßt! Ich nehme das Blatt mit hinauf. — Doch, Peters, kann ich ein Exemplar des fertigen Bibeldrucks haben? Ich — sah — ihn — noch — gar nicht!" Mit letzter Kraft hielt sie sich aufrecht; ihre Hände hielten den Rand des Pultes umkrampft. „Der Frohnvogt hat die Bücherstube unter Eisen und Siegel gelegt. Aber hier", — er tastet« im Dunkel nach einem schweren Folio-Band auf dem Regal über dem Pult«, — „hier ist das Hand Exemplar des Herrn Magisters! Darf ich'S hinauftragen?" „Nein, laßt nur, — ich trage eS selbst. Geht jetzt, geht! DaS Abendbrot» wird auf Euch warten. Ich will nur einen Moment niedersihen. — Der Schrecken liegt mir so schwer in den Gliedern." Kaum aber war sie allein, da brach sie fassungslos zusammen. Sie hob die Hände gegen daS Antlitz, daS heiße Thränen über strömten und ließ ihr Haupt gegen die Kante drS Pultes sinken: „Nein, nein, nein!" schluchzte sie in sich hinein. „Er kann nicht sein! ES darf nicht sein! Herr Gott im Himmel droben, hilf mir — hilf!" Wie Schuppen war es von ihren Augen gefallen, als sie vor hin in die Arbeitsstätte ihres Mannes getreten war, zum ersten Male wieder seit jenem Abend vor'm Jahre, da sie ihr Mllthchen an ihm hatte kühlen wollen, indem sie das herausfordernde „Er soll Dein Herr sein" im ersten Druckbogen der Bibel in das kecke „Er soll Dein Narr sein" umänderte. Der Hinweis des Factors auf die Möglichkeit, daß ein Druck fehler in der Bibel den Anlaß zur Verbaftung ihres Mannes bilden könne, war wie «ine furchtbare Anklage auf sie nieder geschmettert. Wie hatte sie nur damals den tollen Streich ausführen können? Sie konnte gar nicht mehr begreifen, wie sie so leicht sinnig sich an den Worten der Bibel hatte vergreifen können. Nur eins wußte sie noch: ein harmloser Spaß war es in ihrem Glauben geworfen. Sie hatte bestimmt darauf gerechnet, daß der dumme Witz sofort von ihrem Manne bemerkt 'werden, daß der zwischen ihnen ausgebrochene Streit durch diesen Scherz eine lustige Lösung finden würde! Doch dann war Gerchard halbtodt nach Hause gekommen, war Wochen lang durch das Gehirnfieber von seiner Arbeit ferngehalten worden! Und sie hatte ihn ge pflegt, immer nur an ihn, sein Wohl, seine Wiedergenesung denkend, und nie mehr an den Streit, an den Scherz, — an den Druckfehler, den sie hinter seinem Rücken damals in den Text der Bibel eingeschmuggelt hatte. „Herr Gott im Himmel! Nein, es darf nicht sein!" Sie raffte sich auf, faßte mit beiden Händen das schwere Buch, stieg mühsam die Treppe zur Wohnung empor, forderte von der alten Kathrin, die ibr mit der Meldung entgegenkam, daß das Kind ruhig schlafe, sie solle Licht anziinden, — „schnell, schnell!" —, schleppt« sich mit dem Buch in ihr Zimmer nach dem nächsten Tisch, schlug die Bibel bei dem nun brennenden Lichte krampfhaft auf, blätterte, las: „Und er soll Dein Narr seyn"; in großer, schwarzer Schrift, grell, klar, unverwischbar, starrte ihr der Satz entgegen! Wieder stürzten die Thränen in heißer Fluth aus ihren Augen, wieder sank sic nieder, und ihr Haupt schlug schwer auf das geöffnete Buch. „O, ich armer, dummer, eitler, vergeßlicher Narr! Wird er mir das je ver geben können?" Ihr fiebernder Sinn aber sucht« wieder und wieder nach Trost, nach einem Hoffnungsstern. „Das müssen die Richter doch einsehen, daß eS nur ein Spaß von mir war, «in thörichter, alberner, ja, aber doch nur «in Spaß! Ich kann es ja nach weisen, wie Alles kam! Dort in der Schublade meine- Schreib tisches muß sich der Bogen noch finden, in welchem der Spruch richtig sicht, richtig, wie ihn mein Gerhard gesetzt hat!" In Hast fuhr sie »mpor, lief zum Schreibtisch, den si« nur selten benutzte, riß die unterste Schublade auf und durchkramte mit zitternden Händen den Inhalt. Da! Gerade, als sie den Bogen gefunden hatte, schrillte der Ton der Hausglocke herauf. Sic ließ das Papier fallen. Die Hoff nung durchzuckte sie: „Da kommt er schon 'wieder, — sie haben ihn freigelassen! Nun kann noch Alles gut werden!" Während sie die Schublade einschob, hörte sie, wie unten das Thor geöffnet wurde. Sie schnellte empor und eilte zur Thür. An ihrem Hals, ihren Schläfen pochte das Blut. „Ger hard, bist Du's?" rief sie, indem sie weit öffnete und hinaustrat. An der gegenüber liegenden Wand, auf di: aus dem Zimmer Heller Lichtschein fiel, stieg gespenstig ein langer, hagerer, schwarzer Schatten empor. Leisen, schlürfenden Schrittes kam es herauf, — das war nicht der Tritt ihres Mannes. Noch hatte sich das Auge des erregten Weibes nicht an das Zwielicht draußen gewöhnt, da stand eine Gestalt vor ihr, lang, hager, gespenstig, vor der sie entsetzt in das Zimmer zurllckwich. „Ich mußte noch zu Euch! Mein Mitleid ließ mir koine Ruhe!" sagte im Tone aufrichtiger Theilnahme Karstropp, als er ihr über die Schwelle folgte. „Thränen im Auge?" fuhr er, seinen Triumph mühsam verhehlend, fort, „und heute Nach' mitbag hatte man für den treumeinenden Warner nur Hohn und Verachtung!" Die entsetzt« Frau hatte sich hinter den Tisch in der Mitte des Zimmers geflüchtet, aus welchem die geöffnete Bibel lag. Unfähig zu sprechen, starrte sie auf den Eindringling, als sei er der leibhaftige Gottseibeiuirs, gekommen, ihre ihm verfallene Seele zu holen. „Euer Mann ist im Kerker", fuhr Karstropp fort, „wie er eS verdient! Ein unbegreiflicher Wahnwitz hat ihn verleitet, den Wortlaut de: Bibel zu fälschen und Gott den Herrn durch die Verdrehung eines seiner Gebote vor Volk und Welt lächerlich zu machen." „Er hat das nicht gethan!" stieß außer sich das geängstigte Weib hervor. „Was Ihr an ihm strafen wollt, — ich habe es begangen!" „Wie?" rief der Justitiarius, von wirklichem Erstaunen be wegt. „Ihr wißt, um was es sich handelt? Ihr selber fälschtet den Text?" Seine Blicke erfaßten die Bibel auf dem Tisch; er trat heran und beugte sich über die offenen Seiten. „Wirklich?! Ihr, — Ihr habt Euch den seltsamen Scherz erlaubt und die Wort« des Herrn aus dem Strafgericht über die Eva zum Hohne des Männergeschlechts corrigirt? — Ei, — ei, — ei! — DaS ändert ja viel!" „Nicht wahr?" rief Margrethe, und «in lichte» Noth
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