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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.06.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190106234
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010623
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010623
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-23
- Monat1901-06
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.06.1901
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Bezug-»Preis In der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS 5.K0. Durch die Post bezogen sür Deutschland u. Oesterreich: viertrljährl. 6. Man abonnirt seiner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaatrn, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blattes möglich. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentag- um b Uhr. Nedaction und Erve-ition: Johannisgaffe 8. Filialen: Alfred Lahn vorm. O. Klemm'- Sortim. Unwersitätsstraße 3 (Paulinum), LouiS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KchugSplatz 7. WpMer TaMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen »Preis die 6gespaltene Petitzcile 25 Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 7b H, vor den Familiennach richten («gespalten) bO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra - Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung ./r 60.—, mit Postbeförderung .M 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den FUialen und Annahmestelle» je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig» 313. Sonntag den 23. Juni 1901. S3. Jahrgang. Ans -er Woche. An der Enthüllung des Berliner BiSmarck- DenkmalS bat ganz Deutschland geistigen Antheil genommen, auch die Preffe deS Auslandes zeigt Interesse und zwar durchaus nickt ausschließlich aus Schadenfreude an dem künstlerischen Mißlingen, daS sich leider für immer an die monumentale nationale Ehrung de» größten Deutschen geheftet. Ein Denkmal ist das Standbild, aber nicht ein Denkmal BiSmarck'S, sondern ein solches der nach- biSmärckischen Epigonenzeit mit ihrer Unfähigkeit zum Conceutriren, ihrer Flachheit und Sucht Nach leerem Prunk, und in der Kunst — ihrer Abneigung Hegen daS Einfach-Schöne, lieber Wallot'S ReichStagSgebaude, vor dem das BegaS'sche Werk sich breit macht, sind die Ansichten noch getbeilt und die große Mehrheit ist wohl bereit, diesem Bau große künstlerische Vorzüge zuzu erkennen, aber über daS BiSmarck-Denkmal sind die Un befangenen einig: eS bezeichnet den Tiefpunkt des Geschmacks. Obwohl Reinhold Begas der Künstler der gegenwärtigen Aera ist und sogar zu „unserem Michelangelo" gestempelt worden ist, stimmt selbst der „NeichSanzeiger", wenn auch unter einigen schwachen Vorbehalten, in das ästhetische VerdammungSurtheil ein. Die Kunstkritik im Amtsblatt hat aber nicht deshalb Beachtung gesunden, sondern weil sie die „historische" Bemerkung einfließen läßt, Bismarck babe „unter und mit" Wilhelm dem Großen das Reich geschaffen. Darüber haben sich die „Berl. Reuest. Nachr." erregt, ein Blatt, dem, wie unsere Leser wissen, die Vorgänge bei der DenkmalSentbüllung auch sonst viel zu wünschen übrig gelassen haben. Wir machen uns die Bemängelungen nicht zu eigen, weil solche Aeußer- lichkeiten doch bald vergessen werden. Und geradezu unsre Verwunderung hat eS erwirkt, daß Zeitungen, die Bismarck nahe standen, eine kaiserliche Ansprache bei der Veranstaltung vermißten. Derartige Bedürfnisse sollten monarchische Blätter überhaupt nicht verralhen, und waS diese besondere Gelegenheit angeht, so wird mit aller Bestimmtheit ver sichert, daß in der WidmungSschrist des pom ReichSober- baupt am Denkmal niedergelegten Kranze-: „DeS großen Kaisers großem Diener" daü Wort „Diener" durch größere Schristzeicken hervorgehoben sei. Wäre daS, WaS wir noch bezweifeln, richtig, so würde diese typographische Eigenthüm- lickkeit das Concept zu der ungehaltenen Kaiserrede enthalten. Wenige Tage spater hat Wilhelm II. inCuxbaven eine längere Ansprache gehalten, die ungewöhnliches Aufsehen erregt und neben stürmischer Zustimmung leise aber ent schiedene Verwahrung hervorgerusen hat. Natürlich nicht die Stelle, an der der Kaiser sagt, er erblicke in den Ereignissen, die sich in China abgespielt, eine Gewähr dafür, daß der europäische Frieden auf lange Jahre gesichert sei. Aber selbst die Bedeutung dieser Worte glaubt neben anderen Preß organen ein Blatt wie die „Germania", die auS naheliegenden Gründen das persönliche Auftreten deSKaisers nur mit schmeichel haften Ausdrücken zu begleiten pflegt, abschwächea zu sollen. Und in der Tbat darf man sagen: hat die chinesische An gelegenheit, WaS sich noch zu zeigen haben wird, das eine oder andere europäisch-politische Räthsel gelöst, so hat sie vielleicht auch manche- geknüpft. China au sich ist heute gewiß noch für Europa daS Problem, daS eS vor Jahresfrist gewesen, und ob eS nicht den Keim für neue Fragen über das gegenseitige Verhältnis der au der Expedition be- theiligten Mächte gelegt, da« bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall hat das genannte klerikale Blatt, daS schon wegen der Missionen für den Zug nach China begeistert gewesen ist, ein Recht zu dem Urlheile: „Je größer und zahlreicher die Reibungsflachen mit anderen Nationen werden, desto leichter entstehen auch Differenzen, die unter Umständen zu ernsten Verwickelungen führen können." Diese unbestreitbare Wahrheit darf für ein auf Expansion angewiesenes Volk kein Grund sein, hinter dem'Ofen zu hocken. Aber sie muß einer Nation, die in Europa zwischen drei großen Staaten eingekeilt ist, als Mahnung zu großer Vorsicht bei überseeischen Unternehmungen dienen. DaS ist die reinpolitische Seite der Fragen, die die Cuxhavener Kaiserrede zwar nickt neu aufgeworfen, aber noch mehr in den Vordergrund gerückt hat. Viel mehr noch bewegt aber die Gemüther das handelspolitische Moment, das in jener Ansprache gefunden wird. Nickt nur die „Agrarier", auch die Landwirthe zeigen sich betroffen. Das rührt in erster Reihe gewiß daher, daß die freihändlerische Preffe die kaiserlichen Worte in ungebührlicher Weise für ihre Zwecke auSgebeutet bat. Es wurde thatsächlich so dargestellt, al» ob Kaiser Wilhelm II. sich den Herren Barth und Rickert verschrieben gezeigt hätte. Aber auch ohne diese mißbräuchliche AuSnützung ist eine gewisse Beängstigung bei der Landwirtbschaft begreiflich. In der Zeitschrift deS königlich preußischen Statistischen BureauS treibt soeben ein königlich preußischer Beamter den Gegnern jeder Getreidttollerhöhunj; insofern Wasser auf die Mühlen, als er die Wirkung von Kornzöllen nach freihändlcrischem Muster darlegt: dre Be lastung treffe vornehmlich die ärmeren Claffen und den Vor- theil habe im Wesentlichen nur der große Grundbesitz. Dazu die kaiserliche Rede, die die Befürchtung erweckte, sie könnte von den Räthen deS Monarchen und von den deutschen Unter händlern bei künftigen Handelsvertragsverhandlungen im guten Glauben in derselben Weise mißverstanden werden, wie sie die freisinnigen Blatter in weniger gutem Glauben um- commentirt haben. Wir theilen diese Befürchtung noch nicht. Aber wir glauben, daß mit der Cuxhavener Rede den Herren vr. Hahn und vr. Rösicke mehr gedient sei, als denjenigen Handel-Politikern, die da» Zustandekommen von Handel-Verträgen dringend wünschen, aber nicht vergessen, .daß ohne die Mitwirkung von Vertretern der Landwirthschaft — man braucht dabei nicht au die Conser- vative« zu denke» — weder in diesem noch in einem etwa neu zu wählenden Reichstage die Erneuerung von Ver trägen möglich ist. Die Berliner BundeSprefl« giebt vor- läusig noch keinen Aufschluß darüber, ob sie neue» Agitations material gefunden zu haben glaubt. Aber die Preffe ist nicht da- einzige Agitation-mittel, und wie uoter den Arbeitern, so änn heutzutage auch unter den Bauern von Mund zu Mund erfolgreich und nachhaltig Stimmung gemacht werden. Die Rede ist vor Hanseaten und für Hanseaten ge halten worden. Hanseatische Blätter und zwar auch solche, die ihren Senaten nabe stehen, haben aber anläßlich der Be rufung der mittelstaatlicken Minister zu einer Zollconferenz eine wilde und beinahe drohende Sprache geführt. Das ist dem Kaiser wahrscheinlich verborgen geblieben, aber die Land- wirthe tonnten um so weniger annehmen, daß der Monarch eine Kenntniß erlangt hätte, als die freihändlerische Presse geradezu einen Zusammenhang zwischen der Kaiserrede und jenem Verhalten der hanseatischen Presse construirte. Kein Wunder, daß der Jrrthum auf getaucht ist, die Ansprache bedeute ein Entgegenkommen, wie eS anders als auf Kosten der Landwirthschast nicht bezeigt werden könne. Es kommt hinzu, daß die Cuxhavener Darlegungey un verkennbar dem Außen-Haudel eine übermächtige Bedeutung zuweisen. Ein nationalliberaler Landwirth, der überdies auch Fabrikbesitzer ist, sagte uns, er babe sich an daS Wort erinnert gefühlt, das Grillparzer im Jahre 1849 dem Feldmarschall Radetzky zuzerufen: In deinem Lager ist Oesterreich — Wir Andern sind nur Trümmer. DaS ist übertreibend, aber den Eindruck, daß daS Land gegenüber dem Wasser zu kurz gekommen sei, haben auch wir. Deutschland ist ein Reich mit 56 Millionen Menschen und ehr geringer Küstenentwickelung. Wie politisch, so liegt auch wirthschaftlich unser Schwerpunct zu Hause; der innere Markt ist und bleibt daS Wichtigste für das Vater land, und wie sehr der innere Markt, aber auch daS nationale Gedeihen überhaupt, einer existenzfähigen Landwirtbschaft be darf, lehren die Verhältnisse unseres Landes, des industriellsten deutschen Bundesstaates. Wir in Sachsen wären „aus geschrieben", wenn der innere Markt und insbesondere die Kauffähigkeit der Landwirtbschaft stark zurückginge. Da wird eS anderwärts nicht anders sein. Aber eS bandelt sich keineswegs ausschließlich um die landwirthschaft. Man thut zwar jetzt gerne so, als ob nur Ackerbau und Viehzucht schutzbedürftig seien, dem ist aber richt o und weniger als je in dieser schntzzvllstarrendeu <üelt. Es sei nur an Amerika erinnert, das unsere Industrie erzeugnisse mehr und mehr ausschließt, und an die Ansätze einer Schutzzollpolitik im britischen Riesenreicke. Die Lehre, daß man daS schutzzöllnerische Ausland durch freihändlerisches Entgegenkommen entwaffnen könne, wagt doch kaum mehr ein nationalökonomiscker Doktrinär vorzutragen. Um aber noch einmal auf die Landwirtbschaft zurückzukommrn, so ist die Entwicklung unserer nordöstlichen Prvvinzen ein Menetekel, wie die Zustände in Irland, das, zn dem reichsten Staate der Welt gehörig, ein armseliges und auch nach dem Aufbören der politischen Bedeutung mehr und mehr an Einwohnerzahl verlierendes Gebiet ist. Ob wirklich, wie man gesagt hat, nur eine „agrar politische Jntrigue", oder begründet: die Ankündigung einer Militärvorlage erheischt Beachtung. Denn lange kann eine Heeresverstärkung nicht auf sich warten lassen. Wir haben schon daran erinnert, daß der Reichstag noch 7000 Rekruten „schuldet". In dem geltenden Quinquennatsgesetz ist eine allmälige Vermehrung der Präsenzstärke vorgesehen. DaS Gesetz ist fast erfüllt, nur eine geringe Mehreinstellung steht auS, und dann werden wenigstens die gestrichenen 7000 Mann herangezogen werden müssen. AuS Frankreich kommen wieder einmal Klagen über einen nahezu vollständigen Stillstand der Bevölkerungsvermehrung. Dieser nationale Uebelstand ist den Franzosen hauptsächlich und vielleicht ausschließlich deshalb schmerzlich, weil er eine mili tärisch-numerische Concurrenzunfähigkeit gegenüber Deutsch land aufdeckt. Diese Erkenntniß bildet die höchste Schranke gegen das Ausflammen der Revanchegelüste. Um diese unsere Ueberlegenheit aber wirksam zu erhallen, müssen wir sie auch in die Erscheinung treten lassen. Es darf jenseits der Vogesen nicht heißen: „Deutschland hat zwar mehr Waffenfähige als wir, aber es hat kein Geld, sie einzureihen." Wir wären Thoren, würden wir aus Sparsamkeit den ungeheuren mora lischen Vortheil, den Vie Steigerung der Volkszahl bietet, nicht völlig auSnützen. Um so größere Thoren, als der Still stand in Frankreich auch bei unserem östlichen Nachbar seinen Eindruck nicht verfehlen kann. Der Krieg in Südafrika, vom Kriegsschauplätze. k. Pretoria, 21. Juni. (Privattelegramm.) Eine große combiuirte Boerenaction wird erwartet. Botha beabsichtigt die Bereinigung mit Delorey östlich von Standerton. Dewet marschirt nördlich von Kronstad nach dem Vaalfluß vor. — Der Gesundheitszustand der englische »Truppen hat sich unter dem Einfluß deS Winters rapide in bedrohlicher Weise verschlimmert. Ans -en Lagern -er gefangenen voerenfrauen. (Schluß.) Von mehreren Berichten über die persönlichen Schick sale und Erlebnisse von „Reconcentrados", die Fräulein Hobhouse ausgezeichnet hat, geben wir nur das folgende sehr typische Beispiel wieder: „Gatte beim Kommando. Feldcornei, Engländer von Geblüt, Sohn englischer Eltern. Ein englischer Officier, Major E., der bei Magersfontein gegen ihn kämpfte, war sein Vetter. Nach dem Kampf, am 25. October, verbrannten die Engländer unter Oberst I. ihr Haus. Sie wollten ihr nicht glauben, daß keine Boeren im Hause seien, darum verbrannten sie es und fanden dann keine. Sie vertrieben sie aus ihrem Hause und wollten ihren Vorstellungen kein Gehör schenken. Am 29. kamen die Boeren zurück. Sie sah ihren Gatten und er sah sein geschwärztes Heim. Erst schwieg er, dann aber erhob er seine Hand und sagte: „Der Herr wird be schließen, aber ich werde nie, nie, niemals nachgeben." Sie hat ihn seitdem nicht mehr gesehen. Am 7. November kamen die Engländer zurück. Sie wurde mehrere Tage in das Schul gebäude eingesperrt, erhielt keine Nahrung und nichts zu trinken. Anfang Februar fragte man Frau E., ob sie Kitchener's Pro klamation zu ihrem Gatten tragen wolle. Sie antwortete: „Und wennSie mir 2000 Mann Truppen und 100 Pfund Sterling geben würden — und ich habe nichts — so würde ich es doch nicht thun.» Sie wurde noch ein zweites Mal ersucht, und es wurde ihr gesagt, wenn sie es nicht thue, werde sie in das Lager von Kimberley geschickt werden. „Nun gut", sagte sie, „ich muß in das Lager." Vier andere namhafte Frauen wurden darum angegangen, daß sie ihre Gatten um Uebergabe ersuchten, aber vergebens". Sehr lehrreich sind die folgenden beiden Gesuche um Freilassung aus dem Lager, welche am 25. und 26. April dieses Jahres von zwei Bewohnerinnen des Lagers bei Bloemfontein an die dortigen Militärbehörden ge richtet sind: 1) „Ich lebe hier seit fünf Monaten. Ich möchte Sie bitten, mir gütigst zu erlauben, daß ich in die Colonie (nach Piquetberg) reise, um dort bei meinem Vater zu wohnen. Mein Gatte, I. M. Brink, ist kein Combattant, sondern war während der letzten 15 Monate bei einer Ambulanz. Ob er am Leben ist oder nicht, kann ich nicht sagen. Ich habe drei Kinder — das vierte habe ich im Lager verloren — und ich habe keine Mittel, um für sie zu sorgen. Könnten Sie mir einen Freipaß gewähren, so würde ich sehr erfreut sein, sollte dies aber den Regeln zuwider sein, so ist mein Vater bereit, die Eisenbahnfahrt zu bezahlen. Sowohl meine Eltern wie ich sind britische llnterthanen und in der Colonie geboren. Das Leben im Lager hat meine Gesundheit in der letzten Zeit sehr ange griffen, und ich würde darum sehr dankbar sein, wenn Sie mein Gesuch gewährten." 2) „Ich hoffe, Sie werden gütigst entschuldigen, wenn ich mir die Freiheit nehme, mich an Sie zu wenden. Ich bitte Sie hier mit demüthig, mir und meinen beiden Mädchen zu gestatten, daß wir nach Worcester in der Cap- colonie zu meinem Schwager N. I. vanBiljoen reisen, der sich erboten hat, sofort alle meine Unkosten zu bezahlen. Ich beabsichtige für immer abzureisen. Mein Gatte ergab sich im Juli und wurde nach Ceylon geschickt, wo er nun seit September Kriegsgefangener ist. Im November wurde ich in das Lager geschickt zusammen mit meinen vier Kindern, von denen ich zwei verlor, da sie zu zart waren, um die Hitze in Siefen Zelten anshalten zu können. Eine dritte Tochter liegt jetzt zum zweiten Male im Hospital am typhösen Fieber darnieder, und ich fürchte, sie auch zu verlieren, da der Winter naht. Ein Ortswechsel würde meinen beiden Kleinen wahrhaft gut thun und ihnen ihre Gesundheit wieder stärken. Obwohl die Behörden hier im Lager sehr freundlich sind und uns gut be handeln, können doch die Kinder hier die Pflege nicht haben, wie bei meinen Verwandten in Worcester. Ich hoffe, bald eine günstige Antwort zu erhalten, durch welche Sie mich verpflichten würden." Fräulein Hobhouse fügt zum Schluß die folgende von 40 Frauen unterzeichnete Petition an den Commandanten Major Wright bei: „Wir Unterzeichnete wünschen respektvoll folgendes Gesuch an Sie zu richten: 1) Da wir von unseren Gatten getrennt und somit ohne Hilfe sind, ist es uns unmöglich, unter den Umständen, in die man uns gebracht hat, zu leben. 2) In Folge von Nachlässigkeit, schlechter Leitung und schlechter Behandlung sind wir jetzt zum zweiten Male ganz und gar vom Regen durchnäßt, was zur Folge hat, daß unsere Kinder, welche schon an Masern, Keuchhusten und Fieber erkrankt sind, ernstlich krank werden. 3) Da wir ohne Geld sind, sind wir außer Stande, uns mit Seife, Kerzen oder anderen nothwendigen Dingen zu versehen. ES sind nun beinahe drei Wochen vergangen, seit die meisten von uns nicht in der Lage gewesen sind, irgend welche Wäsche vor zunehmen. Das ist mehr, als wir ertragen können, um unter allen diesen Umständen noch zufrieden zu sein. Dies sind unsere Beschwerden. Unser demüthiges Ersuchen ist dieses, mit aller Billigkeit in unsere Lage Einsicht zu nehmen und damit Mitleid zu haben, uns unsere Freiheit zu geben und uns zu gestatten, in unsere Heimstätten zurückzukehren. Wir hoffen und vertrauen, daß Sie unser demüthiges Ersuchen in günstige Erwägung nehmen und dasselbe so bald als möglich erfüllen werden. 8. Herr Major-Commandant und die anderen Behörden: Bei Gott ist Gnade. Haben denn Sie kein Erbarmen mit uns unschuldigen Frauen und Kindern? Unser Gesuch ist, zu er lauben, daß wir am 10. März 1901 das Lager verlassen dürfen." Ob die Gesuche Gehör finden, wird nicht gesagt. Deutsches Reich. Berlin, 22. Ium. (Das Centrum, die Social demokratie und die konservativen Parteien.) Bei der Vorbesprechung der Vertrauensmänner der badischen Centrumspartei über die Stellung zu den anderen Parteien bei den diesmaligen Landtagswahlen wurde bekanntlich auch das Ver halten gegenüber der Socialdemokratie berührt. Pfarrer Wacker. derFührer des badischen Centrums, erklärte: „Die Socialdemolraten können wir nicht unterstützen; man kann aber auch nicht ver langen, daß wir ein nationalliberales Mandat aus den Händen der Socialdemokraten retten." Mit diesen Worten würde gesagt sein, daß das Centrum bei einem Kampfe zwischen National liberalen und Socialdemokraten sich neutral verhalten würde. Damit könnte man allenfalls einverstanden sein, «her ist es die Frage, ob das Centrum diese Parole thatsächlich befolgen wird. Bei den letzten badischen und bayerischen Landtagswahlen ging das Centrum treulich mit der Socialdemokratie zusammen, eben so auch bei Ken letzten Reichstagswahlen im Großherzogthume Baden. Wenn die Socialdemokraten im Wahlkreise Durlach^ Pforzheim von 10 380 Stimmen in der Hauptwahl auf 12 972 Stimmen in der Stichwahl steigen konnten, so war dies nur möglich durch die Unterstützung deS Centrums, das in der Haupt wahl ungefähr 4000 Stimmen erhalten hatte; ebenso stieg in Mannheim die Stimmenzahl der Socialdemokraten von 15 000 auf 19 000, wobei allerdings neben dem Centrum noch die süd deutsche Bolkspartei freundnachbarliche Hilfe leistet«. In dem zu 50 Procent katholischen Wahlkreise Karlsruhe trat die Unterstützung des Centrums für die Sociakdemokratie nicht so offensichtlich zu Tage, weil das Centrum hier keinen Candi- daten ausgestellt und den Socialdemokraten von vornherein unterstützt hatte. Voraussichtlich wird auch bei den diesmaligen Landtagswahleu nach einer ähnlichen Methode Verfahren werden. Daß das Centrum gerade gegenwärtig der Socialvemokratie sehr wohlwollend gegenübersteht, ergiebt sich aus dem Eifer, mit dem die Centrumspresse jedes angebliche Anzeichen einer „Mauserung" der Socialdemokratic constatirt. So giebt sich das führende bayerische Centrumsorgan den Anschein, als ob es in der Rückkehr des Herrn Bernstein nach Deutschland einen vollständigen Wandel innerhalb der Socialdemokratie erblicke. Nach dem bayerischen Blatte wird es nicht mehr lange dauern, „bis der Polterer Singer vereinsamt dasteht". Deshalb sei es auch ganz gleich gütig, wenn Herr Singer, wie er es beispielsweise in Karls ruhe gethan hat, erkläre, es gelte, die revolutionäre Gesinnung zu bethätigen. Die Socialdemokraten seien Republikaner. „Ernsten Leuten", so schreibt das officielle bayerische Cmtrumsvrgan, „sollte man mit dem Bangemachen mit Hilfe derartiger socialisti- scher Redeblüthen doch endlich vom Leibe bleiben." Es ist nicht ohne Interesse, daß mit dieser HilfSaction für die Socialdemo- krati« zugleich ein energischer Angriff gegen die Consqrvativ'en bezw. den Bund der Land wirt h e verknüpft ist. Davon ausgehend, daß die conservative Presse in erster Reih« sich über die Karlsruher Rede des Herrn Singer aufgehalten hat, richtet die „Neue Bayr. Ztg." folgende höhnische Ausführungen an die Adresse der konservativen und des Bundes: „Uns dünkt, eS liege für die patentirten Staatserhalter gar, kein Grund vor zu dem Versuch, aus solchen Phrasen und Schlagwörtern, die hauptsächlich auf die EnthusiaSmirung der Zuhörer berechnet sind, Capital sür die Scharsmacherzwecke zu schlagen; denn einmal sind bekanntlich in Versammlungen des B undes d er Landwirthe schon weit kräftigere Worte gefallen, ohne das die „Kreuzztg." un>? gesinnungsverwandte Blätter sich darüber entsetzt hätten. Dort haben „bis auf die Knochen monarchische und königStreue" Bündler sogar dem Kaiser mit Kündigung der Freundschaft gedroht. Aber wir legen auf derartige Schwadron agen keinerlei Werth, weder bei Landbün dlern noch bei Socialdemokraten. ... Die Social demokratie hat eben ganz andere Sorgen, al» eine Revolution vorzubereiten, an die sie weniger denken dürfte, al- gewisse Elemente im Bunde der Landwirthe." Mit diesen Liebenswürdigkeiten stimmt auch die ablehnende Haltung der oben erwähnten badischen Vcrtrauensmännerver- sammlung des Centrums g«genüber den Conservative» überein. Herr Wacker erklärte, als er die Stellung zu den einzelnen Par teien durchging, hinsichtlich der Conservativen kurz, daß dem badischen Centrum di« dortigen Conservativen ferner stünden als je. Ebenso wurde auf diesem Parteitage die nach den bekannten Vorgängen in der letzten Reichstagssitzung von conservativer Seite gegebene Anregung, die Geschäftsordnung abzuändern, rundweg abgelehnt. Landgerichtsdirector Zehnter erklärte, daß man sich nicht darauf einlassen könne, durch Ab änderung der Geschäftsordnung oder Heruntersetzung der Be schlußfähigkeitsziffer im Reichstage die Obstruktion zu be kämpfen: die Abgeordneten müßten einfach gewissenhaft er scheinen, 'damit man nicht hinsichtlich der Beschlußfähigkeit von der Anwesenheit der Linksliberalen und der Socialdemokraten abhängig sei. Man braucht sich nur zu erinnern, wie wohl wollend die Centrumspresse nach der ersten Lesung des Toleranz antrages sich über die Haltung der Conservativen aussprach, und man wird zugeben müssen, daß ein starker Gegensatz zwischen der damaligen und der heutigen Stellung besteht. Die Versuche des Bundes der Landwirthe, in Bayern und im Rheinland« festen Fuß zu fassen, haben die zarten Blüthen der Freundschaft schnell zum Welken gebracht. Berlin, 22. Juni. (Der Kampf zwischen Apo thekern und Krankenkassen und die Social- Demokratie.) Die Versuche, zwischen den Krankenkassen und den Apotheken in Berlin eine Einigung herbeizusühren, sind leider nicht nur gescheitert, sondern,wie dies immer bei mißglückten Friedens'versuch«n der Fall ist, die Stimmung beider Parteien ist nur noch verbittert worden. J«de Partei hofft, der anderen derartige finanzielle Schwierigkeiten zu bereiten, daß sie zu Kreuze kriechen muß. Die Apotheker entziehen den Krankenkassen Den Credit und verlangen -sofortige Baarzahlung für alle Medi kamente in der Hoffnung, daß dadurch die Lassen in Schwierig keiten gerathcn werden; die Krankenkassen rechnen damit, daß der Quartalserste vor d«r Thür steht, an dem die meisten Apotheken besitzer eine erhebliche Summe sür Hypothekenzinsen aufbringen müssen. Thatsächlich ist ja der Ausfall, besonders für die in d«n Aroeiterbezirken angesessenen Apotheker, ein ganz gewaltiger, und so dürfte es manchem Apothekenbesitzer allerdings nicht ganz leicht sein, am 1. Juli neben all den sonstigen Ausgaben auch noch die Hypothelenzinsen zu zahlen. Die Frage ist nur, ob nicht gerade unter den gegenwärtigen Umständen eine Stundung der Zinsen erfolgen dürfte, denn die bürgerlichen Kreise stehen der Hauptsache nach auf Seiten der Apotheker und in Gegnerschaft zu den Krankenkassen. Dafür sprich: schon der gewiß nicht häufige Umstand, daß die „Kreuzztg." und die „Freisinnige Ztg." auf einer Seite stehen. Aus dem Eifer, mit 'dem der „Vorwärts" Tag für Tag die Sacke der Krankenkassen führt und von der „schnöden Handlungsweise" der Apotheker spricht, geht hervor, daß die „Kreuzztg." wenigstens nicht ganz im Unrechte ist, wenn sie von einem socialoemokratischen Machtkampf« spricht. Den Socialdemokraten ist es ja vielfach gelungen, die Herrschaft in den Krankencassen an sich zu reißen. Davon ausgehend, möchten sie nun auch noch alle diejenigen Kreis« unter ihre Botmäßigkeit bringen, die mit den Krankenkassen zu thun haben, vor Allem also die Aerzte und di« Apotheker. 'Bei 'den Aerzten ist ihnen ja dies auch schon vielfach gelungen, denn es giebt heut« schon «ine ganz hübsche Anzahl von sogenannten „Geschäftssocialisten", d. h. Männern, die sich auf den Socialdemokraten hrnausspielen, um Casienarztstellen zu «rhalten. Daß aber auch den Aerzkrn die Tyrannei der Cassendorstände schließlich zu viel werden kann, haben zahlreiche Conflicte dargethan, unter denen nicht nur di« zunächst bet heiligten Kreise, sondern auch di« Kranken leiden. Diese Conflict« dürften wohl die Erwägung nahe legen, inwi«. -weit es sich ermöglichen lassen könnt«, durch die bürgerlich« Ge setzgebung geschaffene Wohrsahrtseinrichtungen davor zu schützen, zum Tummelplatz socialdemokratischer Machtgebieke zu werden. * Berlin, 22. Juni. In einer Besprechung der Cnt- hüllungSfeicr des DiSm ar ck - Den kmals hat die „Nationalliberale Correspondenz" u. A. Folgende- berichtet: „Nachdem die Hülle deS Denkmals sich langsam gesenkt hatte, und das eherne Standbild allen Blicken sichtbar geworden, verweilt«
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