Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.06.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010625026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901062502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901062502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-25
- Monat1901-06
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis 1« der Hauptexprdition oder den Im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich4 50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus .4L 5.50. Durch die Post bezogen jur Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. .4 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blattes möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Ukr, die Abeno-AuSgabe Wochentag» um b Uyr. Nedartion und Expedition: JohanniSgaffe 8. Filialen: Alsted Hahn vorm. O. Klemm'» Sortim. Universitätsstraße 3 (Paultnum), LouiS Lösche, Katharinenstr. Ich pari. KvnigSplatz 7. Abend-Ausgabe. KiMtr TaMM Anzeiger. Ärntsblalt des Königlichen Land- nnd Ärntsgerichtes Leipzig, des Aathes nnd Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. - Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richten («»gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännaymeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. AS. Dienstag den 25. Juni 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die voeren iin Copland. Die Bedeutung, welche der neuen Action der Boeren in der Capcolonie deizumessen ist, erhellt von Neuem aus folgender Meldung: k'. Capstadt, 24. Juni. (Privattelegramm.) Die Invasion wächst immer bedrohlicher an. Ueber 5000 Boeren sind bereits in der Colo nie vorhanden und die Mid- landbezirke unbestritten in der Gewalt der Boeren. Das PseMdepot Nr. 600, nahe bei ColeZberg, wurde fortgenommen und fortwährend machen die 'Boeren auch sonst reiche Kriegs beute. Es fin'vet rin stetigen Zu lauf der Cap Hol länder statt. Die britischen Mißerfolge verur sachen tiefste Verstimmung bei idon loyalen Colonisten. Es fragt sich nun, wie können die Boeren, deren Lebenskraft so zu sagen schon im Verlöschen war oder doch dafür galt, wieder mit solcher Macht auftreten? Ein interessanter Eapstädter Brief der „Rheintsch-Westfäl. Zig." antwortet: In erster Linie mag sich dies wohl daher er klären, daß die Rebellenbewegung der nördlichen Capcolonie eine weit größere ist, als allgemein angenommen wird, so daß ein- brecheNoe Boeren, sei ihr Häuflein auch noch so gering, sich aus der ansässigen Bevölkerung heraus vermehren. Dies ist jedoch nur der eine Grund; ein zweiter liegt viel tiefer. Es dürfte gar wenig bekannt sein, wie wunderbar die organische Gliederung der Boerenarmee, wenn dieselbe überhaupt so genannt werden kann, ist. Auf den ersten Blick scheint dieselbe aufgelöst in mehrere selbstständig operirende größere AbthMungen, 'deren Operationsfeld im Transvaal liegt, und zahllose klein« Splitter und CommaNdo- häufl«in, die über das ganz« Gebiet 'des Kriegsschauplatzes zer streut sind, gleich einem Ästerotoenschwarm, als dessen einzig fester Kern etwa Dewet gelten könnte. Jeder Commandant, jeder kleine Führer von einer Handvoll Boersn scheint auf eigene Hans zu operviven, ohne irgend welchen Zusammenhang mit dem großen Ganzen. So scheint es — in Wirklichkeit verhält es sich jedoch ganz anders. Di« Boeren 'haben es verstanden, ein« Art Feldpost untereinander einzurichtsn, welche das ganze Heeres- gesüge untereinander verbindet und «ine durchaus einheitliche Leitung gestaltet. -Botha weiß genau, was Delarey thut oder vorhat und Beide handeln im engsten Einvernehmen mit Dewet und dessen zahllosen Untercommandanten, welch: wiederum ihr« Unterführ«r einheitlich befehligen. Die Engländer herrschen zwar in 'den Ortschaften der Boerenstaaten, in ihren Garnisonen und längs -der Eisenbahnen. Das ganze übrige 'weite Land aber ge hört 'den Boeren und wird beständig von ihnen durchstreift. An versteckten Plätzen 'haben sie «'in völliges Netz von geheimen Stationen und Posten angelegt, welche «in« ununterbrochene 'Kette bilden und so gewissermaßen die Gliederung für die ge summte Boerenarmee darstellt. Ab und zu gelingt es den Eng ländern, einen solchen Posten zu entorcken und aufzuheben, aber die Fälle sind selten und dienen nur zu unliebsamen Ueber- raschungsn, indem die Engländer finden, welche Stärke die Boeren in dieser Organisation: besitzen. Die Stationen bergen vor Allem vorzügliches und zahlreiches Pserdcmaterial, dann reich lich« Vorräch: an Nahrungsmitteln für Ps«rd und Reiter, Munition, Kleiser u>nd dergleichen. Jedes Comtnando und jeder selbstständig operirende BoerenHausen hat eine Anzahl sog. Jn- telligenzreiter, welche ni« mitstchten, sondern nur beobachten. J«de Marschoeränderung, jeder geplante Angriff, kurz alles Wissenswerthe wird von ihnen auf windschnellen Pferden zur nächsten Geheimstation übermittelt; von hier befördern andere Jntellrgenzreiter di« Nachricht an ihre Eigenen Commansos und so «rgiebt 'sich wicht selten ein Zusammenwirken, welches den Boeren gestattet, die Engländer zu überrumpeln, irre zu führen cver gar mit überlegener Macht anzugreifen. In großen Zügen zeigt sich dies an dem Zusammenwirken der Boerenheere in Transvaal und 'der Capcolonie. Es ist immer dasselbe Spielchen: di« Boeren brechen aufs englische Gebiet ein, die Engländer mit großer Macht hinterher; dadurch schwächen sie ihre Heere 'in Tran-vaat und sofort hauen Delarey und Botha auf den ge schwächten Feind rin. Over es -wird auch umgekehrt gemacht: Die großen Cvmmanvos im Norden ziehen die englischen Heere auf sich und inzwischen recrutiren di« kleinen Boerenhäufl-ein im Süden wieder fleißig Mannschaften oder sammeln Lebensmittel und Kriegsbedarf. Letzteres ist die gegenwärtig« Constellation. — Der -englische Kriegsplan scheint nun dahin zu gehen, erst ein mal mit Lvn großen Comandos 'in Transvaal aufzurä-um«n, dan hofft man mit Dewet und feinem Kleinkram auch Lala fertig zu wenden. Einstweilen 'ist dieser aber die Bremse, welche lästiger ist, als das eigentliche Ungemach. Nene Krankcnpflcgcr-Hilfe für die Boerenarmee. 'Aus 'Brüssel wird uns gemeldet: Das hiesige Transvaal- comito beabsichtigt, im Vene'in mit dem großen Boeren-Hilfsaus- schuß zu Amsterdam, eine neue Sanitätsexpovition für die Boeren nach Südafrika zu entsenden. Das Comitv wirs sich zu diesem Zweck zunächst mit den übrigen -bestehenden Hilfsausschüssen in Verbindung sehen, die größteniheils noch über sehr bedeutende Geldmittel verfügen. Es sollen deshalb nicht erst neue Samm lungen veranstaltet werden, sondern «s würde schon der zehnte Thoil der in den verscWden'en europäischen Ländern noch verfüg baren Boerenfonds genügen, «inen größeren ärztlichen Hilfszug Mit allen erforderlichen Vorräthen auszustatt«n und nach dem Kriegsschauplatz zu entsenden. Di« Expedition würde sich unter den Schutz des Rothen Kreuzes von Frankreich oder von Nordamerika stellen und jedenfalls von der Regierung einer dieser Mächte auch die nöthige diplomatische Unterstützung er halten. Die Wirren in China. * Wien, 24. Juni. Dem Beispiele der übrigen Großmächte folgend, hat auch die österreichisch-ungarische Regierung die Ver minderung der Seestreitkräfte in Ostasien ungeordnet. Die Schisse „Kaiserin Elisabeth" und „Zenta" treten demnächst die Heimreise an. Das Detachement in Peking wird auf 100 Mann vermindert. Die Schiffe „Maria Theresia" und „Aspern" verbleiben bis auf Weiteres in den chinesischen Gewässern. (Wiederholt.) * Ticiltsi», 24. Juni. (Reuter's Bureau.) General Mai besuchte heute die fremden Generale und provisorischen Gouverneure der Stadt. General Mai übernimmt die Verwaltung eines be- stimmten Bezirks und will auf Unterdrückung der Räuber und Boxer rinwirken. Zwei seiner Leute wurden heute verhaftet, weil sie Munition fortschafften. Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. Juni. Die in der vergangenen Woche aufgetauchten Gerüchte über eine große neue HcereSforSrrung sind zwar bald darauf zurückgeführt worben, daß nur die von der Vorlage 1898/99 abgeschriebenen 7000 Mann werden verlangt werden, aber cS war interessant, zu beobachten, wie die Parteien sich zu der Eventualität einer großen HeercSsorderung stellten. Es war charakteristisch, daß der Gedanke einer solchen Forderung lediglich auf cvnservativer Seile Beifall sand. Der „Reichs bote" nnd die „Deutsche TageSztg." verwahren sich heftig gegen den Verdacht, als ob etwa die Evnservativen diesen Plan lancirt hätten, um Unfrieden zu stiften. Wir wollen das auf sich beruhen lassen, denn eö wird schwer nachzuweisen sein, wer der „Hintermann" der betreffenden Notiz gewesen ist, aber auffällig bleibt es doch jedenfalls, daß die „Deutsche Tageszeitung" > mit einem sonst an ihr nicht leicht zu findenden Bewilligungseifer sofort nach dem Auftauchen des Gerüchtes sich der Forderung geneigt zeigte. DaS Blatt wird selbst nicht behaupten wollen, daß eö in der Neigung, Forderungen für die Stärkung der deutschen Wehrkraft zuzustimmen, über die nationalliberale Partei hinausgehe. Wenn nun trotzdem in diesem Fall: in den nationalliberalen Kreisen ganz und gar keine Stimmung für den Gedanken einer größeren HeereSvermebrung vor handen war, so halte dies sehr gute sachliche Gründe, während auf agrarisch-conscrvativer Seite die parteitaktischen Erwägungen vorherrschten. Und wenn dies jetzt für eineliberale Verdächtigung erklärt wird, so möchten wir nur darauf Hin weisen, daß in der Centrumspresse dieselbe Auffassung be stand, wie denn überhaupt das Centrum von dem Gedanken einer großen HcereSvermehrung alles eber als erbaut war. Diese fast allgemeine Abneigung gegen eine erhebliche HcereS- verstärkung möchte die „Freisinnige Zeitung" nun auch gegen die Bewilligung der 7000 Mann ausnutzen. Sie glaubt sich dabei auf die „Corrcspondenz für CentrumSblätter" berufen zu können, welche darauf hinweist, daß seiner Zeit vom Centrum die nachträgliche Bewilligung der 7000 Mann vou der Bedingung abhängig gemacht worden sei, daß eine Nachweisung der Beschränkung der Abcommandirung zu Botendiensten und der Verwendung von Wehrfähigen zu Handwclkerdiensten erbracht werde. Wenn die er wähnte Correspondenz daraus, daß Mittheiluugcn über die Anstellung derartiger Untersuchungen den Heeres verwaltungen nicht gemacht worden sind, folgert, daß solche Untersuchungen überhaupt nicht stattgefunden haben, und wenn sie daraus wieder den Schluß zieht, daß die Forderung der 7000 Mann überhaupt nicht beabsichtigt sei, so ist darauf zu erwidern, daß die Heeresverwaltung zu solchen Mitthei lungen erst dann Anlaß haben wird, wenn sie die Forderung beim Reichstage einbringen wird. Und wenn die „Freisinnige Ztg." den Ausführungen der CentrumScorrespondenz so eifrig zustimmt, so sei darauf hingewiesen, daß zwischen dem Centrum und den Fortschrittlern ein erheblicher Unterschied in der Auffassung besteht. Das Centrum wünscht die Einschränkung des Handwerkerwesens beim Militär in erster Reibe aus Gründen der Mittelstandspolitik, also aus denselben Gründen, aus denen eö auch immer für die Modisicirung der Gefängnißarbeit eingetreten ist; um dieser Mittelstandspolitik willen würde es mit der Einschränkung deS Handwerkerwesens im Heere selbst dann einver standen sein, wenn dadurch Mehrkosten erwachsen würden, während die freisinnige Volkspartei immer die finanziellen Gesichtspuncte in den Vordergrund stellt. Im Uebrigen wird cs in dieser Frage zu einer Einigung zwischen der Regierung und dem Centrum kommen, sodaß, da auch die Freisinnige Vereinigung zweifellos für die Bewilligung der 7000 Mann eintreten wird, nur die radikalen Parteien mit den Polen, Welfen und Elsässern und vielleicht auch einigen bayerischen Centrumsleuten dagegen sein werden. Eine ziemlich erhebliche Mehrheit für die Regierungsforderung erscheint somit als gewiß und von einem Conflikte, der bei einer großen Forderung sicherlich cingetreten wäre, wird keine Rede sein. Die Presse des CentrumS bat sich bekanntlich in jüngster Zeit ganz besonders über die „Entrechtung der Katho liken" ereifert, die darin gefunden wurde, daß in Lüding hausen einer Anzahl Jesuiten die weitere Ausübung ihrer Ordensthätigkeit verboten wurde. Obgleich von vornherein teststand, daß es sich bei diesem Verbote um eine einfache Anwendung deS bestehenden Jesuitengesetzes handelte, das die Staatsbehörde ohne Pflichtverletzung nicht ignoriren darf, geberdetcn sich „Germania" und „Köln. Volksztg.", als ob der schnödeste Gewaltact gegen das ganze katholische Volk verübt worden wäre. Jetzt wird nun bekannt, in wie heraus fordernder Art trotz der Warnungen der Staatsbehörden und trotz deS Verbotes Les Bischoss jenes Auftreten der Jesuiten inscenirt wurde. Der königliche Landrath Graf v. Wedel veröffentlicht nämlich im Jnseratentheile des „Lüdinzhauser Volksbl." folgende Erklärung: „Tie während meiner längeren Abwesenheit in Folge der Jesuiten- Mission in Lüdinghausen vorgekommcnen unliebsamen Vorgänge sind mit Unrecht auf ein zu schroffes Eingreifen der Behörde zurück geführt worden. Letztere sind nach ihrem Amtseide verpflichtet, dem Gesetze Achtung zu verschaffen, und konnten auch in dem vorliegenden Falle, wo es sich um die Verletzung deS Neichsgesetzes vom 4. Juli 1872 handelte, welches den Mitgliedern verbotener Orden jede Art von Ordensthätigkeit untersagt, um so weniger die Augen schließen, als dem Veranstalter der Mission wiederholt mündlich und schriftlich der Rath und die Warnung ertheilt war, von seinem gesetzwidrigen Vorhaben abzustehen, da große Erregung und ernste Conflikte dadurch hervorgerufen werde» könnten. Da die wohlgemeinten Rathschläge unberücksichtigt blieben, wurde die Vermittlung der bischöflichen Behörde in Anspruch genommen und diese verfügte noch vor Beginn der Mission die Ausschließung verbotener Orden von derselben. Trotzdem fanden nach Erlaß dieser Verfügung noch zwei Vorträge von Vätern der Gesellschaft Jesu statt, und dann erst wurde plötzlich die ganze Mission eingestellt, deren Segnungen doch mit Hilfe anderer geistlicher Kräfte der Gemeinde ungestört hätten zu Theil werden können. Das; diese unerwartete Unterbrechung, welche nicht mit der für sorglichen Anordnung der bischöflichen Behörde, sondern nur mit angedrohten Gewaltmaßregeln der weltlichen Obrigkeit begründet worden sein soll, erklärliche Aufregung und ent schuldbaren Unwillen Hervorrufen mußte, liegt aus der Hand; aber jeder ruhig Denkende wird auS der vorstehenden Darstellung die Ueberzeugung gewinnen müssen, daß der treu kirchlich gesinnten Gemeinde Lüdinghausen die Verletzung heiliger Gefühle hätte erspart werden können Lurch Beobachtung der bestehenden Gesetze. Dazu sind aber nicht nur alle Staats bürger, sondern mehr noch die Behörden verpflichtet, und letztere anzufeindcn, weil sie auch unter peinlichen Verhältnissen ihre Schuldigkeit thun, entspricht nicht der Billigkeit und Gerechtigkeit. Wenn nun schließlich auch noch in bedauerlicher Weise Las bisher so gute Einvernehmen zwischen Katholiken und Evangelischen Lurch den Zwischenfall gestört ist, so muß das allein aus die Lüg en-Nach richt zurückgeführt werden, letztere hätten eine Tenunciation an die königl. Negierung über die Jesuiten-Mission eingereicht. Die Evan- Feuilleton» Die am 1. Juli neu eintretenden Abonnenten erhalten aus Wunsch den Anfang deS Romans „Rechtsanwalt Loh mann" von unserer Expedition kostenfrei nachgelicfert. Rechtsanwalt Lohmann. 2j Roman von Rudolf Jura. „Erlauben Sie, gnädige Frau, das Wort „unmöglich" giebt es für mich in dieser Beziehung nicht. Ich kenne als Crimi- nalist nur zwei Sorten von Menschen. Solche, die Verbrecher sind, und solche, die es werden können. Wir Beide, Sie und ich, gehören einstweilen noch zur zweiten Sorte. Aber warum sollte Ihr Mädchen nicht schon in die erste Sorte vorgerückt sein?" „Nein, nein. Sie haben keine Ahnung, wie lächerlich diese Annahme ist. Und selbst wenn es möglich wäre, daß sie mich be stohlen hätte, so hätte ich die Diebesbeute nothwendiger Weise alsbald entdecken müssen. Ich habe wiederholt ihre Kleider durchsucht und niemals etwas gesunden." „Nur die Kleider? Sie müssen alle Sachen durchsuchen!" „DaS habe ich gethan." „Auch heute?" „Nein. Aber das ist schnell gethan." Sie ging ins Nebenzimmer, kehrte schon nach wenig Augen blicken zurück und sagte: „Es ist nichts zu finden.' „Sie haben die Durchsuchung sehr rasch beendet", entgegnete ihr der Rechtsanwalt erstaunt. „Sie hat nur sehr wenig Sachen", antwortete sie ruhig. „Aber selbst, wenn daS Zwanzigmarkstück jetzt nicht mehr bei ihr zu finden ist, so bedeutet daS noch keineswegs einen Beweis für ihre Unschuld. Sie ist schon auSgegangen, kann also die Beute vielleicht bereit» in Sicherheit gebracht haben zu einem Hehler oder Helfershelfer." Frau vr. Römer schüttelte lächelnd den Kopf. Der Rechts anwalt aber fuhr, von einem Gedanken ergriffen, plötzlich lebhafter fort: „Sagen Sie, gnädige Frau, hat daS Mädchen einen Schah?' „Einen Schatz?" fragte die Angeredete erstaunt, und ihre Wangen schienen sich por Empörung ein wenig zu röihen. »Nun ja! Einen Liebhaber, »inen Bräutigam! Gleichviel, ob Militär oder Civil. Das ist doch nichts, dessen sie sich zu schämen hätte. Das kommt sogar bei den besten Köchinnen vor. Sie hat doch sicher Jemanden, mit dem sie des Sonntags zu Tanze geht." „Erlauben Sie!" rief die Frau Doctor fast zornig. „Mein Mädchen geht nie zu Tanze, sie hat nur zu arbeiten, und über haupt keine Zeit zu Vergnügungen. Sie kommt mir nicht aus dem Hause." „Aber, aber, gnädige Frau! Wie stimmt denn eine der artige Hartherzigkeit zu Ihren sonstigen Gesinnungen?" „Sie stimmt sehr wohl dazu", antwortete sie und blickte verlegen bei Seite, als wäre ihr vorhin ein Wort zu viel ent schlüpft. „Aber es handelt sich ja gar nicht um mein Mädchen, sondern um den Diebstahl." „Haben Sie mit Ihrem Schwager darüber gesprochen?" „Mit dem Staatsanwalt? Um Gottes Willen! Der würde die Sache gleich dienstlich nehmen und einen gewaltigen Lärm mit allem amtlichen Apparat in Scene setzen. Auch würde er sich unnöthig ärgern, daß so etwas in seinem eigenen Hause geschehen kann, und diesen Verdruß möchte ich ihm ersparen. Ich wollte die Angelegenheit gern ohne obrigkeitlichen Kraft aufwand unter der Hand durch Scharfsinn und kluge Beob achtung aufgeklärt haben und glaubte, mich da an niemand Geeigneteren wenden zu können, als an Sie, verehrter Freund." Der Rechtsanwalt verbeugte sich leicht. „Dann dürfen Sie mir es aber auch nicht übel nehmen, wenn ich an meinem vorhin geäußerten Verdacht einstweilen noch festhalte. Ihr unbedingtes Vertrauen zu dem Dienstmädchen ist ja ein menschlich sehr schöner Zug von Ihnen, aber ich halte es doch für geboten, das vielleicht ganz ehrenwerthe Fräulein einmal vorsichtig zu beob achten oder zu verhören. Wo befindet sie sich denn jetzt, und wann ist sie einmal zu sprechen?" „Vor morgen früh nicht wieder." „So? Vorhin äußerten Sie doch, sie käme Ihnen überhaupt nicht aus dem Hause?' „Gleichviel. Sie ist eben jetzi nicht zu sprechen. Aber lasten wir dies unerquickliche Thema einstweilen fallen. ES giebt ja noch andere Sachen, über die man sich ärgern kann. Vielleicht darf ich Sie bitten, mich dann in unsere zweite Speiseanstalt zu begleiten. Ich habe heute einen von mehreren dort speisenden GeschäftSfräuleins unterzeichneten Brief erhalten, nach welchem e» den Anschein Hai, al» ob dort die Kost jetzt an Güte wie an Menge sehr viel zu wünschen übrig lasse. ES thut mir leid, daß wir die Speiseanstalien so bald nach der Gründung dem Frauen verein übergeben haben. Nach Angabe der Briefschreiberinnen hat der Vorstand auf ihre Beschwerde bei ihm gar nicht geantwortet. Es ist nur gut, daß wir uns die Oberaufsicht Vorbehalten haben. Wir wollen heute also einmal unvermuthet revidiren, was Fräulein Kurzmllller für Wirtschaft führt. Ich werde di« Küche nachsehen und Sie haben die Güte, die Buchführung zu prüfen." Der Rechtsanwalt erhob sich zustimmend und machte sich mit der Frau Doctor auf den Weg. „Ich habe von jeher ein Mißtrauen gegen dieses Fräulein Kurzmüller gehabt. Warum bestanden Sie nur so sehr darauf, sie als Leiterin der Speiseanstalt anzustellen?" „Weil ich mich gewissermaßen in ihrer Schuld fühlte. Sie batte meinem Manne in seiner Junggesellenzeit jahrelang die Wirtschaft geführt und Haus und Küche immer zu seiner Zu friedenheit besorgt. Durch unsere Heirath wurde sie brodlos, und so war es mir dann eine beruhigende Gcnugthuung für mein Gewissen, ihr endlich wieder eine angenehme und aus kömmliche Stellung bieten zu können." „Von Ihrer Heirath an bis zur Begründung der Kochschule ist sie also stellungslos gewesen?" „Freilich!" „Das spricht nickt sehr zu ihren Gunsten.' „Sie haben nichts wie Mißtrauen im Kopf. Erst bearg wöhnen Sie mein Dienstmädchen und jetzt wieder das arme Fräulein Kurzmüller. Das ist nicht hübsch von Ihnen." „Leider", antwortete der Rechtsanwalt, „und das Schlimmste dabei ist, daß ich vielleicht in be-iiven Fällen Recht behalt«!" II. Die Speiseanstalt, der Fräulein Kurzmüller Vorstand, wurde fast ausschließlich von Damen besucht. Die wenigen Herren, die dort ihre Mittagsmahlzeit einnahmen, saßen in einem be sonderen kleinen Zimmer, und zu ihnen gehörte auch der Kanzlei vorsteher Emil Born. Er pflegte später, als die Uebrigen, zu Tisch zu kommen, aß daher meist ganz allein, und so fiel es nickt auf, daß er weit reichlicher und bester speiste, als die übrigen Tischgäste des würdigen Fräulein Kurzmüller. Diese Dame befand sich bereits in den sogenannten besten Jahren. Aber es war eine unangenehme, verspätete Jugend lichkeit in ihrem Wesen, deren Bedeutung der gewandte Herr Born sehr gut verstand und auszunutzen wußte. Er zeigte sich immer so nett und liebenswürdig, daß es das weichherzige gute Fräulein nicht hätte mit ansehen können, seiner männlichen Eß lust dieselben dürftigen Schüflelchen vorzusetzen, wie den Damen in den beiden großen Zimmern. UebrigenS hielt Herr Born sehr wohl auf seine Würde und be zahlt« für den Mittagstisch ebenso gewissenhaft seine fünfzig Pfennige, wie die übrigen Kostgänger, obwohl Fräulein Kurzmüller so sparsam wirthschaftete, daß sie, ohne der Casse wehe zu thun, eine ganze Anzahl Freitische hätte gewähren können. Aber Herr Born nahm lsine Almosen und zog es vor, bei dem immer gut mit Geld versehenen Fräulein lieber hin und wieder ein Darlehen aufzunehmen, ohne freilich bis jetzt jemals an eine Rückzahlung gedacht zu haben. Heute hatte ihm Fräulein Kurzmüller nach einer köstlichen Tomatensuppe ein lieblich duftendes Lendenbeefsteak von nicht geringem Umfang hereingebracht, nebst einer Schüssel Brat kartoffeln, einer Schüssel jungem Gemüse und einer Schüssel französischem Compot, und zur Feier des Sonntags hatte sie auch Butter und Käse und eine Flasche Spatenbräu dazu ge stellt. Dann war sie in die Damcnzimmer hinausgegangcn und hatte ihm nach einer halben Stunde den Kasfee zu bringen versprochen. Daß die Damen mit ihrer Kost bei Weitem nicht so zu frieden waren, wie Herr Born mit der 'flm'iqvn, Hail« schon wiederholt ihr Mißfallen erregt, und heute beschloß sie, dem ein mal Ausdruck zu geben. Während sie das dünne Süpplcin mit dem nicht zu großen Schöpslöffel austheilie, warf sie einen gebietenden Rundblick über die Tafel, indem sie ihre blauen Kugelaugen beinahe zornig unter den gelben Stirnlöckchen hin und her drehte. „Meine Damen", begann sie „Sie erscheinen hier zwar immer recht zahlreich bei mir zu Tisch. Trotzdem habe ich seit einigen Wochen schon öfter bemerkt, daß einige von Ihnen zu denken scheinen, es sei hier für sie nicht gut genug. Vor einiger Zeit zum Beispiel haben Sie, Fräulein Rossak, Sie, Fräulein Köchv, Sie, Fräulein Bremer, und Sie, Fräulein Schulheiß, sich beim Vorstand unseres Frauenvereins über die Kost beschwert. Der Vorstand weiß natürlich viel zu gut, welches Vertrauen er zu mir haben kann, und hat Ihrer sonderbaren Beschwerde Wetter keine Rücksicht angedeihen lassen. Gestern aber hat mir die Frau Superintendent gelegentlich eines Besuches Ihren Brief gezeigt, und das oevanlaht mich doch, Sie em mal vorüber aufzut.'äre'N, welche Stellung Sie hier bei diesem Mittaastisch einnehmen. Ich hoffe, Sie werden sich dann Ihres unpassenden Briefe» ein wenig schämen." Fräulein Kurzmüller machte jetzt eine kleine Kunstpause, um die Wirkung ihrer in mildem, vornehmem Ton gesprochenen Worte etwas zu erhöhen, erreichte aber ihre Absicht mcht. Denn während die übrigen, mit so boshafter Liebenswürdigkeit an geredeten Damen in der That ein wenig verlegen wurden, er griff Fräulein Rossak, die kleine, sckwarzlockige Zuschneiderin auS dem Friedländer'schen Wäschegeschäft, mit zuversichtlicher Keckheit das Wort zu einer Entgegnung.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite