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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.06.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010624019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901062401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901062401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-24
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Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blatte- möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um */*? Uhr^ die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nedaclion und Expedition: Johannisgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'» Sortim. Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. li4, purt. und Lüulgsplatz 72 Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land-, nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes nnd Molizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen «Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redacrtontstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennac^ richten (tj gespalten) 50 L,. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannayme 85 H fixcl. Porto). —-— , Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit de, Morgen-AuSgabe, ohne Postbefvrderung 60.—, mit Postbrsörderung 70.—. Ännahmeschluß sür ^uzeigr«: Abend-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» » Uhr. Bet den Filialen und Annahmestelleu je «ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von L. yolz in Leipzig. 318. Montag den 24. Juni 1901. >' 95. Jahrgang. Johannisfrst I O schmücke mit der Rose Dich, Sie ist der Schönheit Siegeszeichen; Wenn blühend sie entfaltet sich, Soll ihr Dein eignes Leben gleichen An stiller Schönheit Hochaltar Soll es geheiligt sein auf Erden, Ein Rosenleben immerdar Soll Deiner Tage Kette werden! O schmücke mit der Rose Dich, Schönheit ist Tugend nur hienieden. Sie soll in Blllthenopfern sich Zum Ruhm des Schöpfers überbieten. Seit treu und wahr, — Haß, Neid und Streit, Du mußt sie stark in Fesseln schlagen, Sei fromm und gut zu jeder Zeit, — Dann darfst Du stolz die Rose tragen! O schmücke mit der Rose Dich, Wenn Du vermagst noch heiß zu lieben Wenn, ob Dein Haar auch bleichte sich, Der Liebe Feuer Dir geblieben. Dann wanderst Du die rechte Spur, Darfst hier von ew'gen Blüthen ahnen, — Ein Leben in der Liebe nur Ist Leben auf der Schönheit Bahnen! O schmücke mit der Rose Dich, Sie edle Dich im Weltgetriebe, Es lösen alle Räthsel sich Gewiß dereinst im Geist der Liebe. Wenn rauh der Sturm des L-benS fegt. Ruht sanft sich's in der Liebe Schooße, Das Haupt an treue Brust gelegt, — ' Schönheit in Liebe ist die Rose! O schmücke mit der Rose Dich, Wenn Du die Liebe Dir errettet. Und wölbt ein Rasen still Dir sich. Darunter Liebes Du gebettet, O zünde Rosenfeuer an, Und laß uns nichts vom Tode lesen, Nur was ihn überdauern kann, Ist Rosenliebe hier gewesen! Hermann Pilz. Lum Johannistag 1001. „Es geht die Sage, daß um Sanct Johannis, Wenn voller Blüthenduft durchweht die Luft, Die Tobten ledig werden ihres Bannes Und ihre Geister schweben aus der Luit...» So ist's, der Liebe Wesen zauberkräsiig An's Licht hervor die Tobten zieht." Wieder einmal duften die Rosen und aus dem wogenden Aehrenmeer grüßen die blauen Kornblumen heraus: die Natur steht im Zenith ihrer Pracht und Herrlichkeit. Inmitten solcher Zeit, in der der Sommer seine farbenprächtigen, duftigen Gaben über unS auSstreut, begehen wir die Johannisfeier. ES ist der Johannistag angebrochen, der Tag, an welchem wir hinausziehcn zu den Statten ewigen Friedens, um den dort schlummernden Lieben eine Stunde weihevollen Gedenkens zu widmen. Die purpurne Rose blüht auf den Gräbern und der Ver- gißmeinnichtkranz liegt auf den Grüften, beredt von der Liebe redend, von dem starken geheimnißvollen Band, das die sichtbare Welt mit der unsichtbaren verbindet. Es geht an diesem Tage, an welchem Tausende mit Kränzen in der Hand zur stillen Gräberstadt wallfahren, um der theuren Dahin geschiedenen zu gedenken und die Erinnerung an sie aufleben zu lassen, eine mächtige Bewegung durch das Seelenleben unserer Bewohnerschaft. Nichts vermag sie einzudämmen, nichts vermag sie zu beschränken: der Zug der Pietät ist zu allgewaltig, als daß je das rastlose Getriebe des Alltags lebens auf sie einzuwirken vermochte. Pietät wandelt den Friedhof zum Blumengarten um, Pietät ruft die theuren Zuge der unter grünem Rasen Schlummernden ins Gedächt nis zurück und offenbart erneut die ewig wahre Johannis mahnung des gottbegnadeten Dichters: „D lieb, so lang du lieben magst." Heute erscheint die Majestät des TodeS nicht in dem erschütterten Gelände eines Todtenackers, wo Kreuz an Kreuz und Stein an Stein sich reihen, vielmehr steht sie geheimnißvoll zwischen blühenden Büschen und Bäumen: „Der Tod soll dich nicht traurig schrecken; Doch dich zur Weisheit zu erwecken, Soll er dir stets vor Augen sein. Er sanden Wunsch zu lcl^r mindern, > Doch dich in deiner Pflicht nicht hindern, Vielmehr die Kraft dazu verleih'»." Der, welcher dies schrieb, Christian Fürchtegott Gellert, Hal in seinen Oden und Liedern so recht den Weg gewiesen, den die Herzen am Johannistag zu wandeln haben. Nicht mehr blühen in diesem Jahre die Rosen auf Gellert's Grab, denn die Gebeine des frommen Liederdichters nnd Gelehrten ruhen jetzt neben denen des größten Meisters der Kirchenmusik Johann Sebastian Bach in steinernem Sarkophage in einer hochgewölbten Gruft unter dem Astar- platz der Johanniskirche. DaS Epitaphium aber, daS sich ehemals zwischen den vier Akazien über Gellert's Ruhestätte befand, ist in die östliche Wand des alten Johannishospitals eingcmauert worden, wo es, von Fliederbüschen umrahmt, neben dem Neliefbild des Lieder- und Fabeldichters den Namen Gellert's als Professor der Philosophie neben dem seines Bruders, des Oberpostcommissarius Friedrich Leberecht Gellert, erscheinen läßt. Brennendroth blühender Geranium begrüßt unS an dieser Stelle, wo der bereits zu einem Theil zu einer Parkanlage umgewandelte alte Johannisfriedhof seinen Anfang nimmt, inmitten deS Lärmens der Straßen und des Menschen gewühles ein idyllisches Fleckchen Erde, das mit seinen Grüften, halbverfallenen Gräbern, Monumenten und der Poesie, mit der die Natur diese Stätte umkleidet hat, wie kein zweiter Ort in vergangene Zeiten zurückversetzt. Vor ihm breiten sich woylgepflegte Parkanlagen auS, deren einstige Bestimmung wohl kaum Jemand errathen würde, wenn nicht aus dem grünen Rasen, unter dem Hunderte schlummern, hier und da ein Säulenstumpf, ein Monument erschiene und die Zickzackzwcige der Trauer-Eschen sich als Trauersymbole tief zur Erde neigten. Langsam rückt die lebendige Gegenwart dem alten Friedhof näher; ein Grab nach dem anderen geht seinem Verfall entgegen. Oede würde dieser Ruheplatz der Todten sein, käme die Natur nicht mit ihren Büschen und Blüthen und schmückte die verlassenen Gräber. Sie schlingt um die verrosteten Gitter blendend weiße Kletterrosen, legt um den zerborstenen Weidenstumpf frischzrüne Cphcuranken und steckt zwischen die wiegende Farrenwedel buntleuchtende Blumen. Dort, wo inmitten eine« hoben Eisengitters daS dürre Skelett eines abgestorbenen Kastanieubaumes steht, unweit der Stelle, auf der die Stadt Leipzig ihrem Wohlthäter Franz Dominik Grassi daS Denk mal mit der Statue der trauernden Lipsia errichtete, bezeichnet ein mächtiges Kreuz auch die Ruhestätte deS Novellisten Karl Herloßsohn. „Er trug mich im Leben, er trägt mich im Tode", so lautet daS biblische Motto für den literarischen Kreuzträger des Liedes „Wenn die Schwalbe« heimwärts zieh'n". Ringsum im Schatten der Kirchhofsmauern aber, an die das Leben von draußen sein Echo schlägt, hat daS frische Grün von Baurn und Strauch über den bröckelnden Stein, das zerborstene Monument, Tafeln und Platten freundliche grüne Schleier gebreitet. Wie hier dem Friedhof sein düsterer Charakter genommen ist, so noch mehr auf den anderen Stätten im Süden, Nordea und Osten unserer Stadt, die eindringlich das „Llemento won" predigen. Sie sind Gärten geworden, in denen die bekümmerte Seele inmitten der blühenden Natur tröstlichen Frieden findet, dort, wo es wie ein leiscS Flüstern durch die Blätter der Gesträuche zieht und wie ein Geistcrhauch verweht, daS verheißungsvolle Wort ewigen Wiedersehens. ' ' —Ur. ! ' Aktenstücke der Leipziger Wjrthschaftsgeschichte. Bon Siegfried Moltke. Nackdruck verbot«!. Aus jenen Zeiten, in welchen Handel und Gewerbe noch nicht durch eine allgemeine Landesgcsetzgcbung geregelt waren, in welchen noch den Zünften die Ausübung Le: Gewerbepolizei in die Hand gegeben worden war, sei es durch landesherrliche, sei es durch stadträthliche Privilegien, fließen die Nachrichten Uber Leipzigs wirthschaftliche Verhältnisse leider noch immer nur allzu spärlich aus den Quellen: den Archiven, vor allen Dingen der Innungen. Nicht genug kann man es beklagen, daß bisher so wenige Geschichtsforscher sich die Mühe gegeben haben, an den gedachten Quellen direct zu schöpfen, anstatt sich ausschließlich an die alten mangelhaften Chroniken und an di« aus diesen com- binirien „historischen" Werke des 18. und der ersten drei Viertel des 19. Jahrhunderts über Leipzig zu halten, und daß Die jenigen, welch« sich jener so dankbaren Arbeit in früheren Zeiten unterzogen haben, zum Theil recht oberflächlich und wenig ge wissenhaft vorgegangen sind. Erst in neuerer Zeit beginnt sich das Dunkel, das über die Vergangenheit unserer Stadt gebreitet ist, nach und nach zu lichten. Eifriger als in früheren Epochen hat man — anderer Städte Beispiel folgend — in Leipzig begonnen, behufs Be leuchtung des historischen Werdeganges der alten Meß- und Handelsstadt an ein Quellenstudium der einzig richtig«« Art (Archiostudium) zu gehen. Aber schon kann man die Früchte er kennen, die ein solches Streben in den letzten zwei Jahrzehnren gezeitigt hat, dankbar begrüßt nicht nur vom gebildeten Leipziger Bürger, sondern auch jenseits des städtischen Weichbildes und der sächsischen Landes-, ja selbst der deutschen Reichsgrenzen, nament lich in wissenschaftlichen Kreisen. Man beachte die Lipsiensien- Kataloge der Antiquare, sie geben dm besten Aufschluß darüber, wie spärlich in früheren Zeiten derartige Bausteine zum großen Ganzen erstanden. Freilich, je später begonnen, desto mühsamer ist die Lösung der Aufgabe, di«s« einzelnen Steine aufzusucherr und zu sammeln. Um so willkommener ist deshalb aber auch das geringste an das Tageslicht belangende urkundliche Heuaniß von den alten Sitten und Gebräuchen, Reckten und Pslichien. Sie alle zu fördern, die zu unleugbaren Beweisen von den Ge pflogenheiten der alten Zeiten nöthig find, wird freilich kau« gelingen, und der Historiker wird auch bei dem günstigsten sich ergebenden Abschluß der archivalischen Ausgrabungen vielfach auf mühsame Combination zukommen und — allerdings in äußerst vorsichtiger Weise — auf verwandte Erscheinungen im wirthschanlichen Entwickelungsgange anderer Städte verweis» und Bezug nehmen müssen. Wissen wir doch, "daß noch um ow Mitte des 19. Jahrhunderts, als wir in Leipzig noch nicht unser« überaus vor- und fürsorglichen Wustmann am Thore zum Heiligthume als wissenschaftlichen Schuhmann sitzen hatten, ein Barbar es zu Stand« bringen konnte, wegen Raummangels (!L „bei einem inneren Umbau des Rathhauses eine große PartO alter Literalien und Acten als werthlos zur Einstampfung zu verurtheilen." Schon dieser Gewaltact wird es unmöglich ge macht haben, völlig erschöpfendes Material zusammenzubringen. Leider erst nach dieser Unthat hat K. Fr. v o n P o s e r n - Klettim Jahre 1868 im VIII. Bande des zweiten Haupttheil» des „Eockex ckiplomatieus suxonue rsgiae" im ersten Bande des „Uitundenbuches dec Stadt Leipzig" ein immerhin reich haltiges Material von Urkunden zum Abdruck gebracht, das ge wiß auch sür die Wirthschaftsgeschichte Leipzigs von überaus großem Wertste ist. Pofirn-Klett ist aber d«m im Dorbericht seines Werkes zum Ausdruck gelangten Princip der Auswahl von Urkunden leider nicht ganz gerecht geworden. Er selbst betont, daß der Urkunden im engeren Sinne, welche auch zum Theil schon von den Bearbeitern der Stadtgeschichte benutzt worden sind, bei der Herausgabe seines Werkes nicht «ntrathen werden konnte, und er nennt vor Allem hierbei auch die Urkunden der Innungen und Zünfte. Um diesem Princip völlig gerecht zu werden, häte er nicht nur die Zunftbücher des Rathsarchivs stu- diren und excerpiren, sondern an die Innungen und Zünfte un mittelbar herantreten müssen, denn er mußte sich sagen, daß in deren Archiven gar Manches schlummern wird, was oas Raths, archio nicht oder nicht mehr zu verrathen im Stande war und was — bas ist besonvers wichtig — bis zum Jahre 1868 noch nicht veröffentlicht, demnach erst recht zur Aufnahme im Codex geeignet war. Die Zeit nach 1868, also nach Erscheinen der Urkundenbuches, hätte eine solche Vermuthung, wie wir nunmehr wissen, völlig gerechtfertigt. Wieviel Wichtiges hat Wustmann in seinen verschiedenen Veröffentlichungen, wieviel hat Hasse in seiner „Geschichte der Leipziger Messen" allein an das Tages licht gefördert! Auch die Grenze des zu behandelnden Zeit abschnittes ist meines Erachtens nicht die richtige. Zum Mindesten hätte das letzte Jahrzehnt des XV. Jahrhunderts noch berück sichtigt werden müssen. Ja, man kann noch weiter gehen, Indem man Berlit zustimmt, der in seiner Arbeit „Leipziger Jnnungsordnungen aus dem XV. Jahrhundert" sagt: „Wer «in Gesammtbild von dem Leipziger Handwerk" und dem Leipziger Feuilleton. Äuf dem Heimwege. Skizze von R. Tarina. NaLtruck vtrivlm. Der Knecht Matthias hatte di« Pferde angeschirrt. Der ländliche Kastenwagen stand bereit vor dem freundlichen Guts haus. Aus dem nahen Pfervestall llang -das Klirren der Halfter ketten. Der Bauer selbst führt« die braune Liese aus >dem Stall und band sie hinten am Wagen fest. Ein Strohseil -war dem Thier in den vollen Schweif gewu-nven. Im nahen Städtchen A. war P-ferde-markt; Liese sollte zum Verkauf kommen. Jakob Meitner war keiner von Denen, di« auf veralteten Anschauungen sitzen bleiben. Er war der Erste im Dors gewesen, der eine Dreschmaschine anschaffte, Heuer hatte er sich wiederum Maschinen kommen lassen. Liese war überflüssig geworden. In «der Thürösfnunq erschien jetzt die Frau des Gutsbesitzers. Schlank, zart, mit blaffen, 'leidenden Zügen, hatte sie wenig von «Mer Bäuerin. „Nun, Mariann«, hast Du Lust, mitz-ukommen?" frug ihr Mann in gutmüthi-gem Spott. Es zuckte schmerzlich um Re Lippen der Frau. Sie war seit Jahren -nicht aus dem Dorf herauSgekommen. Ihr leiden der Gesundheitszustand erlaubt« «s nicht. „Willst Du also wirklich nach A. zum Pferdcmarkt?" Und aus seine beja-hende Antwort bat sie inständig: „Nimm 'doch den Matthias mit." „Was hast denn nur heut' für ein ängstliches Gemüth, Mariann«? Weißt doch, daß der Matthias auf dem Felde zu rhun hat." Marianne schmiegte ihr blaffe- Gesicht an Li-ese'S kräftigen HA». Sic «eicht« dem Gaul auf dir flachen Hand einig« Lecker bissen. D«r Abschied von dem treuen Thier that ihr weher, als sie sich merken lassen wollte. Zudem peinigte sie seit einigen Tagen ein bös«» Vorgefühl, die Ahnung von etwa» Schreck lichem. E» war wohl ihr Leiden, da» sie so nevvö» machte. Dazu da» Gefühl, dem lebenslustigen Mann kesn« ihm genügende Lebmlgefährtin xu f»In. Dieser Gefühl drückt« sie schwer bar- nieder. Mettner bestieg fitzt den Kutschbock, ergriff di« Zügel und schwenkt« den Hut »um Abschied. Mit seinem stattlichen Gespann führ er gu-m Hofthor hinaus. N«ro, der Hofhund, sprang kläffend «in Stück mit, machte aber gehorsam Kehrt, als der Bauer ihm -mit der Peitsche drohte. Auf !vem Pferdemarkt war schon reges Leben. Lachen und Zurufen, Feilschen -und Handeln hin und her, unt-erbrvchen von den lauten Rusen der Pferdeknechte, welche Vie zu verkaufenden Gäu>le in verschiedenen Gangarten oorführten. Der Morgen gehört« dem Geschäft, der übrige Tag dem Vergnügen. Nachmittag saß bi« Gaststube des Wirthshaufis „zum Reiter" gedrängt voller Menschen. Dichter Tabatsqualm lag über den Köpfen -der Menge, die Lustigkeit war in vollem Gange. In einem Hinterzi-mm-er wurde «ine Bank aufgelegt. Di« Ritter gutsbesitzer der Umgegend hatten sich dort versammelt. Mettner hie-l-t sich von solchen Spielen fern. Er hatte sich «inen Ecktisch ausgesucht und betrachtete von dort aus dos bunte Treiben. Ein« halbg-ölrert« Flasche Rheinwein stan-v vor ihm auf -dem Tisch. Bertha, das hübsche Schäntmädchen, machte sich öfters an diesem Tisch zu schaffen. „'Sind Sie mit Ihrem Geschäft zufrieden, Herr Mettner?" frug sie. „Das will ich meinen", entgegnete Mettner, indem er aus die Tasche schlug, daß mam die Goldstück« klirren hörte, „was meinst Du wohl, was solch ein Gaul, wie meine Liese eiNbrinzt?" „An die zweihundert Mark -werdcn's wohl sein" frug sie laurrnd. „Ha, ha, ha", lachte Mettner schallend auf, ,Mas solch' rin Mädel für Begriffe hat! Geh' her und trink' mal cin-em Schluck, daS taugt besser für Dein Köpfchen, als di« Geldgeschäfte." Der Gutsbesitzer dacht« an den Heimweg. Er ging hinaus in den Stall, nach sein«« Gäulen zu sehen. Der Stallbursche hatte ihnen öben frisches Futter aufgeschüttet. Mettn«r wurde ärgerlich. „Die Pferd- konnten längst versorgt s«in!" Der Knecht gab ein« grobe Antwort. Bertha kam auf den Wortwechsel herbeigeeilt. „Mach' sort", sagte si« zum Knecht, „der Herr hat Dich ge rufen!" Dann weudete sie sich an Mettner. „Uber, Herr Mettner, Sie woll«n doch nicht schon fort? Ist Ihre Frau kränker geworden?" Er zuckt« die Achseln. „Immer Viesvl'b« Geschichte", sagte er, „und wenig Aussicht auf Besserung." Bertha heuchelte Bedauern. Hm Innern froHockte sie. Sie war schön und wußte eS. Dazu ;ung und gesuuw Ist ta schon manch' rin arme» Mädchen GutSherkin geworden. Und dir Ander«, srine Frau? Nun, er mutzte sich eben scheiden lassen, wenn sie nicht starb. Auf ein auSstchtSlifftr LiebeSverhältaiß ließ sie sich nicht ein. Mit Blitzesschnelle gingen ihr all« dies« Ge danken durch den Sinn, ohne -daß ihre mitleidig freundlich« Miene sich änderte. „Sie wellven doch nicht schon fahren, Herr Mettner. Zum Abend wird's erst schön, der Wirth hat Musik bestellt." Ein Sonnenstrahl huschte vurch do-ä Stallfenster nn!d ver goldet« Bertha's Haar. Sie hatte -die fisten weißen Arme ver schränkt und lehnte lässig, ein verführerisches Lächeln um Vie Lippen, an der Stallmauer. Der Gutsbesitze: betrachtet« sie und das Blut rann ihm heißer -durch die Aldern. Er biß die Zähne aufeinanoer. Er kämpfte einen schweren Kampf -mit sich. „Ich hab's meinem Weibe versprochen", entgegnete er endlich entschlossen. Gl-eichrnüthrg wandt« sich Bertha ab. „Nun, wie Sie wollen", «ntgegmte sie und schritt ins Haus. Kaum hatte sie die Thür hinter sich, so ballt« sie die Fäuste und ein Zornblitz brach aus ihren Augen. „Wart', Mettner, mich verachtest Du, das ist Dir nicht ge schenkt", murmelten ihre Lippen. Ein« Stunde mußte sich M«-ttn«r noch geduliden, ehe die Pferde gefressen hatten. Er hatte plötzlich einen Widerwillen gegen d«n Täbalsqualm, -den Biervunst und wie wüsten Scherz« des Gastzimmers, und ganz besonders gegen Bertha's V-cr-führungskünste. Er unter nahm einen Gang in die Stadt, um mit dem dort 'wohnenden Dachdecker einige -Reparaturen zu besprechen. Als er wieder in den Gasthof kam, stand sein Wagen schon angcschirrt bereit. Er beglich firne Zeche, warf vom Stallknecht rin Trinkgeld z-u und fuhr im strammen Galopp davon. Eine Weil« machten ihm die Rappen zu schaffen, die von dem langen Stehen im Stall unruhig geworden waren. Dann griffen sie gleichmäßig «m schlanken Trabe aus und Mettner könnt« sich feinen Gedanken hingeben. ES begann zu dankeln, als er in 'ven Wald ein-bog. Die Straße war wenig vel«üt. Die Besucher deS Pferde-markteS saßen noch fest im „Reiter", sonst gab's nicht viel Verkehr auf dieser Straße. Desto erstaunter war Mettner, al- plötzlich aus einem Seitenwege zwei Wanderer auftauchden. „Dürfen wir ein Stück aufsitzen?" sprachen sie Mettner an. Dieser nickt« nur und deutete mit dem Peitschenstiel nach den Sitzbänken des Wagens. Dir Pferde wollten nicht stehen, doch die Beiden waren schon im Fahren aufgeklettert. Einmal wantdte er sich nach feinen Fahrgästen um und frug: „Wo kommt Ihr her?" „AuS der T.er Ziegelei, Herr", antworteten sie. Also Ar beiter, di« sich auf dem Heimweg« verspätet haben, dacht« er. PlöPich fesselte «in Gefährt, do» ihm «ntgvgenkain, seine Aufm«rksamkeit. Da» war doch sein«» Nachbarn Brauner? Die Wagen begegneten sich. „Holla, Nachbar Huth! Wohin -des Weges?" rief Mettner. . „Grüß Gott, Mettner! Haben wir Euch?" vntgogn«t Huth. Beim Schein 'der Wagenlaterne sah Mettner jetzt ein« Frauen- gSstalt in der kleinen Halbcha-ife sitzen. War's möglich? Täusch ten ihn fein« Augen? „Mariann«?" rief er fragend. Kein Zweifel, sie war's. Er sprang von feinem Wagen und hob sie auS des Nachbars Kakesche. „Ist etwas geschehen?" Marianne hatte mit einer ihr sonst frem-ben Heftigkeit Mettner's Hals umklammert. lSi« sah ihm in die -Augen. „Gottlob, -daß ich bei Dir bin!" Mettner begriff noch immer nicht. „Euer Wei-b ängstigte sich um Euch, und da ich doch noch ein mal nach Wildhauscn fahren wollte, habe ich den kleinen Umweg gemacht und Frau Marianne mitgenommen." „Ich dank« Euch, Nachbar", sagte Mettner und schüttelt« dem Anderen di« Hand. „Na, Marianne", wandte er sich dann an die Frau, „waS ist Senn in Dich gefahren? Bin doch schon zwanzig Mal in A. ge wesen und immer heil wieder gekommen?" Mit diesen Worten hatte «r sie vorsichtig) a«f Vie Dordevbank gehoben. Er wollte schelten und war doch von ihrer Sorge ge rührt. Er wußte, -welchen Entschluß es sie gekostet, «inen Wagen zu besteigen, und daß sie es mit viol-en Schmerzen büßen mußt«. „Na nu", sagt« jetzt Huth, mir -war doch, als hättet Ihr noch ein paar hinten aufsitz«n gehabt^ wo sind denn die «urschen geblieben?" Mettner sah sich um, es war, als hätte der Erdboden di« Beiden verschluckt. Er blickte noch einmal -unter di« Bank« oe» Wa-g-ens. Da bemerkte er einen blitzenden Gegenstand: rin zehn zolllanges, scharf geschliffenes Messer. Schweigend steckte er e» Zu sich- Gemeinsam fuhren die bei-oen Wagen nach El-m«ridorf zurück. Huth hatte seine Fahrt nach Wiihaufen aufgrg^ben. - Daheim schloß Mettner sein Weib innig in die Arm«. „Marianne, Du hast mir dar Leben gerettet. Ohne Dick läge ich fitzt im Walde mit diesem Ding -wischen den Rippen/ Er zeigte ihr dar Messer. Mariann« schrie auf. Dann faltete, sie die Hände und -wei schwere Thränen rollten -über ihr« Wangen. M-ettn«r tützte sie leidenschaftlich. Nie hatt« er sein Weid geliebt, wi« in dieser Stunde. Da» arme, schmerzgeprüfte, ahnungSvvll« Geschöpf! Die Sache kam zur Anzeige. Wenige Lag« darauf wurden die Burschen verhaftet. E» waren Bertha'», de» GchLn1mItdch«n», Geliebt«! und ihr Bruder.
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