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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.06.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010625011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901062501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901062501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-25
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Nmtsvlatt des Königliche« Land- n«d Ätnlsgerichles Leipzig, -es Rothes und Volizei-Änrtes -er Ltadt Leipzig. Anzekge« »Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedacnoaSstrich («gespalten) 75 Lp vor den Familiennach- rtchte« («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz «^sprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanaahme 25 («xcl. Porto). Srtra lvetlagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l SO.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Armahmeschluß fir ^szeige«: Abeud-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Marge «.Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle, je eine halbe Stunde früher. Anzeige» find stet» an di« Expedition z« richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 318. Dienstag den 25. Juni 1901. 95. Jahrgang. Rußlands Fortschritte in Mittelasien. V. 8. Am 9. Juni ist in Mittelasien ein bedeutsame« Culturwer! Rußland« vollendet worden. DerAmu-Darja hat bei Tschardschui eine feste eiserne Brücke erhalten, die den Verkehr der centralasiatischen Eisenbahn über den ge waltigen Strom nunmehr zu einem regelmäßigen, durch keine Naturereignisse behinderten gestaltet. Die bisherige vom General Annenkow errichtete Brücke hat den Bedürfnissen nicht entsprochen. Sie war nicht im Stande, dem Riesen flusse Widerstand zu leisten, wenn er au» seinem Belte trat und rings um sich Zerstörung verbreitete. Dadurch erlitt der Verkehr wiederholt die größten Verzögerungen, die politisch und wirthschaftlich geradezu verhängnißvoll wirken mußten. Die Uebelstände blieben in Petersburg nicht verborgen und bewogen schließlich die Regierung, den Ingenieur Olschewski, der bereits bei der Sibirischen Bahn sich aus gezeichnet hatte, im Jabre 1898 mit der Herstellung einer festen eisernen Brücke bei Tschardschui zu beauftragen. Die Arbeiten waren mit großen Schwierigkeiten verknüpft und nicht selten kam eS vor, daß der Strom die Anstrengungen von Monaten in wenigen Stunden vernichtete. Seit dem Beginn de« Brückenbaues bi« zur Vollendung waren etwas über 2^/z Jahre dabingegangen, als am 9. Juni endlich die Eröffnung mit großer Feierlichkeit unter Theilnahme deö Verkehrsministers Fürsten Chilkow, des Generalgouverneur« von Turkestan Iwanow und veS Emir« von Buchara stattfinden konnte. Rußland hat durch den Brückenbau zunächst die Möglich- lichkeit gewonnen, seine Truppen ungehindert in« Herz von Asien zu befördern. Die Bedeutung dieser Errungenschaft ist derart in die Augen fallend, daß ein nähere« Eingehen kaum erforderlich ist. Schon der moralische Eindruck auf den Emir von Afghanistan muß die russische Position in Centralasien erheblich festigen. Die Herstellung der Verkehrssicherheit auf dem Amu-Darja ist ein Schritt weiter auf der Bahn nach Indien. - Die militärischen Interessen sind e» indeß nicht allein ge wesen, welche daS Zarenreich zur Anlage deS sicheren Ueber- gange« über den Strom veranlaßt haben. Der Handel und die Industrie Centralasiens spielen hierbei eine ebenso große, ja in gewissem Sinne eine größere Rolle. Der wirthschaft- liche Aufschwung in diesen ausgedehnten Gebieten war in den letzten Jahren so groß, daß er direkt gehemmt und zurück gehalten worden wäre, hätte man sich nicht recht zeitig entschlossen, die 4 Millionen 800 000 Rubel zum Bau einer festen Brücke zu verwenden. Be trachten wir die einzelnen wirthschastluhen Zweige, so sehen wir vor Allem ein mächtiges Aufleben der Baumwollcultur. Von 490 Hektar im Jabre 1884 ist die Fläche der Baum wollplantagen auf 148 650 im Jahre 1893 gestiegen. Die Erträge machten 36 102 Tonnen mit einem Werthe von 14 646 000 Rudeln au«. Hum Theil ist diese« WachSthum allerdings darauf zurückzufuhren, daß der Getreidebau zurück gegangen ist, den man im Interesse der Baumwollcultur einzuschränken für nölhig fand. Aber in Centralasien hat sich der Getreidebau niemals als sehr lohnend erwiesen und man betrieb ihn überhaupt nur so viel, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Sollte sich, wie manche be fürchten, Getreidemangel später fühlbar machen, so beabsichtigt die Regierung,Korn auS Sibirien und dem europäischen Rußland einzuführen und zu dieseO Zwecke einige neue Bahnen, in der Richtung von Taschkent nach TomSk, beziehungsweise SemipalatinSk, wie von Taschkent nach Orenburg zu bauen. Die Baumwollcultur wurde von der russischen Regierung vorzugsweise deshalb begünstigt, um den einheimischen Fabriken die Beschaffung ihres Materials zu erleichtern. Vor dem Bestehen der centralasiatischen Eisenbahn waren die Spinnereien de« Zarenreiche«, die man in großer Zahl in« Leben gerufen hatte, vollständig abhängia von Amerika und Egypten gewesen. Da« änderte sich natürlich, als die einheimische Baumwollcultur gedieh und immer reichere Erträge abwarf. Da« Material wurde nun au« Asien, auS den eigenen Besitzungen, bezogen, die Waare wurde billiger und die Industrie brauchte nicht mehr di« kolossalen Summen dem Auslande zu zahlen. Dabei hat die große centralasiatische Linie gute Dienste geleistet. Sie befördert jährlich immer größere Mengen Baumwolle ins europäische Rußland, die bereit« im Jahre 1893 eine solche Höhe erreicht halten, daß etwa '/« de« Gesammt- bedarfeS der Spinnereien gedeckt werden konnte. Im ver gangenen Jahre endlich betrug die Ausfuhr 6 467, 567 Pud, ein Ergebniß, welche« früher niemal« erzielt worden war. Schon hierau« siebt man, wie groß der wirthschaftliche Nutzen ist, den die centralasiatische Eisenbahn dem Zaren reiche bringt. E« läßt sich aber weiter eine beachtenSwerthe Zunahme der Obst- und Gemüsecultur, de« Tabak- und de« Weinbaues, sowie endlich der Seideuzucht seststellen. Die Bodenkultur Centralasien« hat iu den letzten 15 Jahre« jedenfalls sehr bemerkenSwerthe Fortschritte aufzuweisen. Wir beobachten daun noch, daß auch die Viehzucht der Nomadenvölker einen nicht geringen Aufschwung genommen hat, seitdem die Eisenbahn Centralasien durchschneidet. Al« Beispiel wollen wir nur anführe«, daß der Umsatz auf dem im Jahre 1890 inAulieata eröffneten Birhmarkte von 549 000 auf 997 000 Rubel gestiegen ist, sowie daß die Ausfuhr der Schaf- und Kameelwolle von 1888—1893 eine Steigerung von 129 Prvceut durch gemacht bat. Die Fabrikiudustrie hat sich in Centralasien Wege« Mangel« an Capital, an Ingenieuren und Arbeitern bisher nnr wenig entwickelt, aber auf manchen Gebieten, namentlich soweit dir Baumwollereinigung, die Lederfabrikation und der Brannt- Weinbrand in Frage kommen, sind immerhin Erfolg« fest zustellen. Die Zeit wird hierin den Rusten jedenfalls noch Biele» bringen, sobald erst die weiteren Eisenbahnpläne ver wirklicht sind und die direct« Verbindung mit Sibirien und dem europäischen Rußland hergestellt ist. Vielleicht di« brmrrkenSwerthest« Errungenschaft der central asiatischen Eisenbahn besteht darin, daß der Handel der Eng ¬ länder in den letzten Jahren sichtlich zurückgegangen ist. Heute beherrscht der russische Handel fast ausschließlich den centralasiatischen Markt. Manufaktur- und Metallwaaren, Petroleum, Zucker, Thee und Holz werden vom Zarenreiche eingeführt und haben die Concurreuz erfolgreich nut den Eng ländern ausgenommen, die Einfuhr der letzteren auS Indien und Afghanistan ist fast ganz verdrängt. Darin liegt dir Bürgschaft für die Zukunft Rußland« rn Mittelasien. Die Engländer können sich darüber nicht täuschen, sie werden es schwerer empfinden, als manche empfindliche Niederlage auf politischem Gebiete, aber sie stehen dem völlig machtlos gegenüber. Der Krieg in Südafrika. Uunachgiebtgkett von Steyn nnd De Wet In Brüssel wird von Boerenseite versichert, daß Präsident Krüger nunmehr eine directe drahtliche Mit- theilungvomPräsidentenStevnundGeneral Dewet erhalten habe, wonach die Freistaitler jedes Friedens- compromiß, welches nicht die unbedingte Unabhängigkeit des Oranjefreistaates zuläht, rundweg ablehnen würden. Eapeolonie. * London, 24. Juni. (Telegramm.) Eine Capstädter Draht meldung der „Daily Mail" besagt, der Einfall der Boeren in die Eapcoloate entwickele sich iu ziemlich ernster Weise. Die Boerencommando« erhalten Rekruten und Pferde. Die Streitkräfte der Boeren werden zwischen 7000 und 10000 Mann geschätzt und richten in den östlichen und Binnenbezirken große Verheerungen an. (Boss. Ztg.) Gescheiterte Mission. * London, 23. Juni. Die Vertreter der Boeren Merrlman und Sauer traten gestern die Rückreise nach dem Eap an. Vor der Abreise de» Dampfer» gewährten sie Vertretern der Presse eine Unterredung. Merrlman behauptete, die britische Nation sei durch ein Lügengewebe iu den Krieg getrieben worden, leider seien ihr die Augen noch nicht geöffnet. Der britische Arbeiter werde bald ermitteln, daß Südafrika durch den Krieg ruinirt sei. Die Arbeitslöhne würden niedriger und die europäischen Arbeitskräfte durch die gelbe Rass« verdrängt werden. Di« alte Wohlfahrt in in Johannesburg werde niemals zurückkehren. Sauer meinte, die gegenwärtige britische Politik werde wahrscheinlich den Abfall Süd afrika» von dem britischen Reiche zur Folge haben. Beide räumten rin, daß ihr« Mission tu England gescheitert sei. Englische Kriegführung Die „Kieler Ztg." veröffentlicht einen Brief auS Pretoria, in dem über folgende Greuelthat englischer Soldaten be richtet wird: „Ich hatte Anfang Mai vormundschaftliche Ver anlassung, eine junge Deutsche zu besuchen, die mit ihrem Söhnchen, einem Bübchen von zwei Jahren, und einigen Kaffern auf ihrer einsamen Farm allein lebt. Diese Dame, die Tochter eines Geistlichen, also immerhin eine Dame von guter Erziehung und vornehmem Empfinden, wurde plötzlich von einer Truppe englischer Soldaten unter dem Befehl einiger Officiere mit ihrem Bübchen zu ihrem friedlich und freundlich von Grenadellengerank umsponnenen Häuschen hinausgejagt. Dann wurden vor ihren Augen sämmtliche Fenster und Thüren deS Hauses zertrümmert, die Wände eingeschlagen. Die prachtvollen Plüschmöbel, funkelnagelneu zur Hochzeit vor drei Jahren aus Berlin bezogen, wurden hinausgesturzt und mit Säbeln zerfetzt. DaS gleiche Schicksal erlitten eine Hausorgel und ein prachtvolles Pianino. Die Oelgemälde flogen den Möbeln in Fetzen nach. Vasen, Nippes, Violine und Guitarre folgten den Gemälden. Dann kamen die Bücher und Karten an die Reihe. Alles zu den Fenstern hinaus. Den Büchern folgte die Gipsbüste des Präsidenten Krüger, nachdem man ihr den Kopf abgeschlagen hatte. Nach der Präsidentenbüste kamen die Büsten der drei deutschen Kaiser, Wilhelm's I., Fried ri ch' S III. undWilhelm'S II., an die Reihe. Kopfab unter dem Gewieher der englischen Söldner flogensie, begleitetvonunfläthigen Schimpf worten, zu den Fenstern hinaus. All« Teppiche luden die Engländer auf; auch andere Decken, Betten Kleider! Sogar Kleider und Wäsche der jungen Frau. Als man endlich Alles zertrümmert oder auf die mitgebrachten Wagen verstaut hatte, wollte man auch die unglückliche, halbtodt geängstigte Wittwe und ihr Bübchen mit sich schleppen. Dahin kam es aller dings nicht mehr. Als ich die Absichten der Truppe durchschaut hatte, hatte ich mich in den Sattel gemacht, um nach dem nächsten Etappencommandanten zu reiten. Die Engländer haben be kanntlich längs der Bahnen Etappencommandos .eingerichtet, um den Bahnverkehr zu sichern. Dieser Mann war mir als einer der wenigen Engländer bekannt, denen Willkür und Rohheit auch im Kriege verhaßt sind. Ich traf ihn nach zweistündigem scharfen Ritte glücklicher Weise in seiner Office und hatte die Freude, daß er mich sofort nach der Farm zurückbegleitete. Da war daS Dandalenwerk allerdings vollbracht. Er hinderte es aber doch, daß die junge Frau und ihr Söhnchen gewaltsam mit fortgeschleppt wurden. Er war sogar so gerecht, Kleider, Betten, Teppiche, Wäsche, soweit sie auf die Wagen geladen waren, wieder abladen und in da» HauS zurückbringen zu lasten und außerdem für die Wiederherstellung der Wohnräume daS Noth- wendigste zu veranlassen. Aber waS hatte diese Zerstörung für einen Zweck? „Tkv emporor! Der deutsche Kaiser, Hurrah!" Kopf ab, hinaus, dreimal. Und der dritte derselben ist eng lischer Admiral und Feldmarschall!" Das vereinigte Staaten-KrirgSdepartement hat einen Bericht des Kapitäns Charle» Reichinan (Wiirttrmb.), der sieben Monate al« amerikanischer Militärattache auf Seiten der Boeren weilte, veröffentlicht. Reichman lobt die Boeren wegen ihres Charakter», ihrer Kühnheit und ihrer Haltung im Kampfe, tadelt aber scharf ihre» Mangel an DiSciplin. Die Engländer hätten nur durch ihr Uebergewicht an Menschenmaterial, Geld und Geschützen gesiegt. Reichman erklärt, daß er während der sieben Monate nie einen betrunkenen Boeren gesehen und nie einen Fluch aus ihrem Munde gehört habe; das religiöse Element herrschte überall vor. Sie waren Uber die Verluste der Eng länder ebenso betrübt, wie über ihre eigenen. Verletzungen der KriegSregeln kamen auf beiden Seiten vor. Bei Angriffen hatten die fremden Freiwilligen stets den Hauptantheil, so z. B. am Spionskop, wo 800 Fremde mitkämpften. Die Krupp- und Creusotgeschütze waren den Armstrongs überlegen, und die Lydditgeschütze waren kaum wirksam. Die britische Cavallerie war nicht zahlreich genug und auch ihrer Aufgabe nicht ge wachsen; die britische Artillerie tödtete viele ihrer eigenen Truppen, da sie zu lange das Feuer unterhielt, um den Vorstoß der Infanterie zu decken. Die Wirren in China. Tie Rettung de» Grafe» Waldersee. DaS Verdienst, den Grafen Waldersee bei dem Brande des Kaiserpalastes in Peking gerettet zu haben, schreibt die in Port Arthur erscheinende Zeitung „Nowosti Kraja" in einer Correspondenz aus Peking einem russischen Officier zu. Der Bericht lautet: „Das Feuer hatte augenblicklich sechs Flügel ergriffen, dar unter auch den Thronsaal und das Schlafzimmer der Kaiserin, und sprang auf das ASbesthaus des Grafen Waldersee über, der in seinem Schlafzimmer allein mit seinem Burschen war. Auf den ersten Allarm hin eilten deutsche Officiere aus der Officiers- meste herbei; mit ihnen auch unser Stabscapitän des Wyborger Regiments Krickmeyer, der dem Grafen Waldersee attachirt war. Er stürzte als Erster an das Fenster des Schlafzimmers des Feldmarschalls — zur Thür zu gelangen, war bereits un möglich — und begann dem Grafen zuzurufen, er möchte auf das Fensterbrett steigen. Aber das Fenster war hoch und der greise General konnte das Fensterbrett nicht erklettern. Da kroch Krickmeyer selbst in das Zimmer und brachte mit Hilfe des Burschen den Grafen auf das Fensterbrett, und von dort erst brachten ihn die deutschen Officiere in Sicherheit." Merkwürdig ist, daß bisher über diese Rettungsthat nichts verlautete. Die Rückkehr der deutschen Truppen aus China giebt zu der Frage Anlaß, wie es mit der Todeserklärung der Bermthten gehalten werden soll. Nach tz 15 deS Bürgerlichen Gesetzbuches kann derjenige, der als Angehöriger einer bewaffneten Macht an einem „Kriege" Theil genommmen hat, während des Krieges vermißt worden und seitdem verschollen ist, für tobt erklärt werden, wenn seit dem Friedensschluss« drei Fahre verstrichen sind. In einem Artikel der „Deutschen Juristenzeitung" Nr. 12/1901 will Ref. Schroeder diesen Paragraphen auch auf die chinesischen Wirren angewandt wissen, da dieselbe jedenfalls als „kriegerische Unternehmung" anzusehen und insofern unter den allgemeinen Begriff des „Krieges" in dem Gesetz mitumfaßt wäre. Diese Meinung dürfte kaum auf allgemeine Zustimmung rechnen. Nach allen Erklärungen von autoritativer Seite und der weiteren Aufrechterhaltung der diplomatischen Beziehungen hat sich das deutsche Reich mit China nicht „im Kriege" be funden. Dieser Begriff kann auch in § 15 I e. nur in dem allgemein gebräuchlichen und vom Gesetzgeber bisher stets an gewendeten Sinne verstanden werden, so daß bloße „kriegerische Unternehmungen", wie die chinesischen Vorgänge, nicht darunter fallen. Demgemäß kommt nicht § 15 I. o., sondern tz 17 I. o. in Betracht, welcher die Fälle betrifft, in denen der Verschollene überhaupt in „eine Lebensgefahr" gerathen und seitdem ver mißt ist. In beiden Fällen beträgt die Frist für die Todes erklärung drei Jahre, der Beginn derselben wird aber verschieden berechnet. Bei dem „Kriege" zählt die Frist von dem Friedens schlüsse ab. Bei der sonstigen Lebensgefahr von dem Ereigniß ab, durch welches dieselbe entstanden ist. Die Ermittelung des letzteren kann unter Umständen weitläufiger sein. Am Besten wäre wohl der Ausweg eines Reichsspecialgesetzes. Solche Ge setze sind in Preußen nach allen Kriegen des vorigen Jahr hunderts ergangen: vom 2. August 1828 zur Erleichterung der Todeserklärung der aus den Kriegen von 1806—1815 nicht zurllckgekehrten Personen, vom 24. Februar 1868 wegen der Kriege 1864 und 1866, vom 2. April 1872 wegen des Krieges 1870/71. Et» politischer Mord. Wenn in Japan statt des Wortes in Schrift und Rede Pulver und Blei, Dynamit und Dolch als Ueberzeugungsmittel in die politische Debatte geworfen werden, so ist das stets ein Zeichen, daß die Wogen der nationalen Bewegung hoch gehen. Zu solchen Zeiten blüht der Weizen der Soschi, und man darf annehmen, daß auch Hoschi Toru, der VerkehrSminister im letzten Cabinet Ito, der am Freitag zu Tokio in der Stadtverordnetensitzung erdolcht wurde, unter der Hand eine» Soschi gefallen ist. Die Soschi, verbummelte Studenten oder sonstige verkrachte Existenzen, die nichts mehr zu verlieren haben, sind eine durchaus japanisch-eigenartige Menschen- und GesellschaftSclasse. Sie sind, so unvereinbar daS klingt, Anarchisten und Patrioten zu gleich; eine Partei, der sie sich angeschlossen haben oder die sie erkauft hat, eine Idee, die sie für richtig halten, verfechten sie mit allen Mitteln, erlaubten und verbotenen; sie schreiben Leit artikel in den Zeitungen, treten als Redner in Volksversamm lungen auf, bearbeiten ihre Gegner unter Umständen mit der Logik der Fäuste und Knüttel und schrecken in einer zum Fana tismus überreizten Vaterlandsliebe auch vor dem politischen Morde nicht zurück, indem sie sich selbst willig dem strafenden Gesetz preisgeben. So wurde 1889 der damalige Unterrichts minister Mori, der sich verhaßt gemacht hatte, weil er an Stelle deS Japanischen die englisch« Sprache setzten wollte und in einem Schintotempel daS Allerheiligste mißachtet hatte, von Soschi er mordet. In einem Dynamitanschlage, den Soschi auf ihn mochten, verlor Graf Okuma, der begabte Widersacher Stos, ein Bein, und Soschi waren rS auch, die 1891 in Otsu am Biwa- sce den Anschlag auf den jetzigen Zaren und 1895 in Schimo- noseki den Mordversuch an Li-Hung-Tschang verübten. In den Augen deS Volkes aber, dessen hervorstechendste Charakter züge heißer Patriotismus und nationale Empfindlichkeit sind, gewannen diese politischen Mörder fast stets die Gloriole de» Märtyrers und Helden; so wurde das Grab des Soschi», der den Minister Mori ermordet und der sich dann entleibt batte, geradezu als ein Nationalheifigthum betrachtet, zu dem jährlich Tausende von Patrioten wallfahrteten. Welche Gründe zu der Ermordung Hoschi Toru's den un mittelbaren Anlaß gegeben haben, wird sich erst aus den aus führlichen Berichten ersehen lasten. Wahrscheinlich aber hängt die That mit den Anklagen zusammen, die die japanische Presse am Ende vorigen Jahres gegen den damaligen Minister in die Welt setzte und die darin gipfelten, daß er an Unter schleifen in der Gemeindeverwaltung Tokios be- theiligt gewesen sei. Eine tragische Färbung erhält die Ermordung Hoschi Toru's durch die Soschi dadurch, daß er der eigentliche Erfinder dieser politischen Raufbolde, der Vater der Soschi, genannt werden kann. Hoschi Toru war selbst eine Soschinatur, rin selk-macks man, aus unteren Volks schichten, dem seine natürlichen Gaben, eiserner Fleiß und eine vor nichts zurllckschreckendc Thatkraft die politische Laufbahn ge ebnet hatten. Er war ein Mann, in dessen Charakteranlage es begründet war, sich treue Freunde zu werben, aber auch, sich erbitterte Feinde zu machen, und deshalb vergleicht ihn das „Kobe Chronicle", das seine Lebensbeschreibung brachte, als er in das Ministerium Ito eintrat, mit Joseph Chamberlain. Hoschi war in jungen Jahren Zollbeamter in Aokohama; schon damals betheiligte er sich mit lebhaftem Temperament am politischen Leben und forderte sogar einst das Einschreiten Sir Harry Parkes heraus, des energischsten Vertreters, den England im fernen Osten gehabt hat. In einem Schreiben an den britischen Konsul hatte Hoschi die Meinung einfließen lassen, daß die Königin von England an Rang und Machtstellung dem Mikado untergeordnet sei. Sir Harry verlangte, daß der junge Mann das Schreiben zurücknehme, aber er stieß auf eine hartnäckige Weigerung Hoschi's. Bald darauf ging Hoschi Toru zu Studien zwecken nach England. Nach seiner Rückkehr wurde er in den Reichstag gewählt und von diesem zu seinem Präsidenten erkoren. Er war es, der sich bei den Wahlen der achtziger Jahre zum ersten Male der Soschi als Agitatoren im Dienste der politischen Parteien bediente, ein Verfahren, welches freilich seine An hänger damit entschuldigen, daß damals die verfassungsmäßigen Freiheiten nur auf dem Papier gestanden und ihre Nutznießung mit allen Mitteln hätte erkämpft werden müssen. Später sandte ihn Marquis Ito als Vertreter Japans nach Washington, und von dort eilte Hoschi Ende vorigen Jahres, als die Krise aus brach, die Ito wieder ans Ruder führte, ohne Urlaub nach Tokio zurück, um seinen Eintritt in das Cabinet geradezu zu erzwingen. Er hat sich seiner Ministerschaft bekanntlich nicht lange zu er freuen gehabt. (Köln. Ztg.) * London, 24. Juni. (Telegramm.) Die „Times" berichtr» au» Peking unter dem 23. Juni: Der russische Gesandte theilt« den chinesische« Bevollmächtigte« mit, daß, so bald da« Ab kommen über die EntschädiguogSsrage unterzeichnet sei, Rußland verlange» werd», daß sie die Unterhandln«»«,, bezüglich der Be dingungen für die Räumung der Mandschurei durch Rußland wieder oufnehmrn. Der russische Gesandte erklärt, daß der für d«U Widerspruch der Mächte gegen die Unterzeichnung de- Mandschurei- Abkommens geltend gemachte Grund, nämlich daß Chino, während eS mit ollen Mächten gemeinsam in Verhandlungen stehe, keine gesonderten Verhandlungen mit einer Macht führen dürfe, dann wegfalle, wenn !daS Abkommen bezüglich der Entschädigung unterzeichnet sei. China müsse alsdann bereit sein, die Angelegen heit endgiltig in einer für die zukünftige Verwaltung der Mandschurei vom beiderseitigen Standpunkte auS vortheilhaften Weise zu regeln. * Berlin, 24. Juni. (Telegramm.) DaS Kriegsministerium theilt mit: Der Dampfer „Gera" ist mit dem Feldmarschall Graf Waldersee und dem Armee-Lbrrcommando an Bord am 23. Juni Vormittag aus Nagsaki über Batavia und die Seychellen nach Aden abgegangen. * Berlin, 24. Juni. Die heimreisende Panzerdivision traf am 22. Juni in Colombo eia und geht am 26. Juni weiter. Teutschps Reich. Berlin, 24. Juni. (Jur p o l n i s ch e n A g i t a t i o n.) Die Centrumspresse, die bei jeder Gelegenheit ihre Sympathien für die polnische Bewegung bekundet, behauptet gewöhnlich, die großpolnische Agitation sei erst durch die Maßnahmen der preußischen Regierung hervorgcrufen. Kürzlich fand sich sogar die Behauptung, Rußland behandle seine Polen viel besser, und darum existire dort keine Polcnbewegung! Die wirklichen That- sachen werden dabei völlig auf den Kopf gestellt: in Rußland wagen eben die Polen nicht mehr, die Losreißung von Rußland zu proclamiren! Daß ober die polnische Bewegung in Preußen nicht auf die Maßnahmen der Regierung oder auf die Thätig- keit des Hakatisten-Vereins zurückzuführen ist, verräth der „Orendownik" durch folgendes offenherzige Geständniß: „Die polnische Agitation in der preußischen Monarchie existirt zugleich mit dem polnischen Element, und sie findet ihre Quelle in den angeborenen Rechten der polnischen Nation und in den Faktoren der allgemeinen Cultur und Gesittung. Ihre Hauptquelle ist t e i n e s w e g s das auf das politische Element in Anwendung gebrachte preußische S y st e m. Dieses System ist nur ein anregender Umstand; denn wenn auch keine politisch« Hint ansetzung vorläge, so würde das angeborene Streben nach wirth- schaftlicher, nationaler und kultureller Entwickelung im polnischen Element ebenso thätig sein, wie es heute mit rührigem Pulsschlag in Folge des preußischen Systems arbeitet." — Welche Sprache aber die polnische Presse in Aufhetzung gegen daS Deutschthum zu führen wagt, und welche Ziele sie verfolgt, illustrirt eines der vielen Beispiele, welche die „Ostmark" in ihrer letzten Nummer gesammelt hat. Nach dieser Quelle schreibt der „Polak": „Die polnische Nation liebt die Deutschen nicht und verräth ihr Vaterland nicht; sie wird dem Gedanken nicht entsagen, den Deutschen unser uraltes und niederträchtig geraubtes Eigenthum wieder abzunehmrn. Aber die polnische Nation ist eine christliche, und ein gutes Herz, sowie große Geduld sind ihr angeboren. Bisher sagte und sagt sie demnach den Preußen im Guten: „Gebt, Ihr Spitzbuben, wieder, was Ihr uns gestohlen habt, und scheert Euch zu allen deutschen Teufeln!" Aber da auch die polnisch« Geduld «in Ende hat, beginnt auch unsere Nation Wuth gegen die Deutschen zu empfinden, und nur ihr politischer Verstand hemmt die wachsende Entrüstung, damit sie nicht vorzeitig (!) zum AuS- bruch gelange! — * Berlin, 24. Juni. (Ausgestaltung der Akademie zu Münster.) Bekanntlich wird seit längerer Zeit schon die Frage erörtert, ob nicht der Provinz Westfalen durch Ausgestaltung der Akademie zu Münster, di« nur au« zwei Facultaten — der katholisch-theologischen und der philosophischen — besteh», eine eigene Universität zu schaffen sei. Die provinziellen DertrerungSsörperschaften find den. Plane durchaus geneigt, ja sie wünschen seine Realistrung so lebhaft, daß sie sich bereit erNärt haben, einen Anthril der
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