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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.06.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190106166
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010616
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010616
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-16
- Monat1901-06
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.06.1901
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Bezug--Preis k der Hauptexpedition oder den im Stabil beiirk und den Bororten errichteten Aus gabestelle« «bgeholt: vierteljährlich ^l 4 50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ^l 5.50. Durch die Post bezog«« für Deutschland ». Oesterreich: vierteljLhrl. «. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postanstalten in der Schwei», Italien, Belgien, Holland, Luxem- bur-, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Die Morgen-AuSaabe erscheint um V»? Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Le-action und Expedition: JohanniSgaffe 8. Filialen: Alfred Lahn vorm. V. Klemm'» Sortim. UmversitätSstraße S (Paulinum), Louis Lösche, Aatharinenstr. 14, Part, und KtMtglplatz 7. 3«2. MpMcr.TagMaü Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes ««- Nolizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Sonntag den 16. Juni 1901. Anzeige« »PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Rrclamen unter dem RedaettonSstrick (sgespallen) 75 H, vor den Familiennach. richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechens höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahm« 95 H (excl. Porto). Extra Beilagen (gefalzt), nur mit dec Morgrn-Au»gabe, ohne Postbesörderung «0.—, mit Postbeförderung 70.—, Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz iu Leipzig, 95. Jahrgang. Ranftsche Gaffe 8 Herr k'rleär. k'lseker, Colonialwaarenhandlung Ranftädter Steinweg L Herr 0. knAvliUiMU, Colonialwaarenhandlung, Schützenftrahe 5 Herr 6ul. 8ellü mülle», Colonialwaarenhandlung, Weftplaü 3Ä Herr 11. VIttrLok, Cigarrenhandlung, Aorkstrahe 32 (Ecke Berliner Straße) Herr I?. IV. Llktr, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Straße 35 Herr V. Küster, Cigarrenhandlung, in Plagwitz Herr 6. KrütLUiauu, Zschochersche Straße 7», - Reudnitz Herr IV. kuKmauu, Marschallstraße 1, - - Herr 0. 8eüm1(1t, Kohlgartenstraße 67, « - Herr Leiirk. Weder, Mützengeschäft, Gabelsbergerstraße 11, - Thonberg Herr 11. üüntiselt, Reitzenhainer Straße 58, - Bottmarsdorf Herr 6eor8 >iemuun. Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.), Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wollen die geehrten Leser die Bestellung für das III. Vierteljahr 1901 baldgefälligst veranlassen. Der Bezugspreis beträgt wie bisher vierteljährlich für Leipzig 4 SV ^s, mit Bringerlohn für zweimaliges tägliches Zutragen S SO durch die Poft bezogen für das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn v In Leipzig nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: JohanniSgaffe 8, die Filiale«: Katharinenstratze 14, Königsplatz V und Universitätsstratze 3, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraße 35 Herr k. V. Kittel, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraße 1 Herr ^keoä. keter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 53 6. k. 8ekuder1'8 XuoktolKor, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straße (ThomasiuSstr.-Ecke) Herr Otto klaut8okke,Colonialwaarenhandlung, Löhrstraße 15 Herr küuurü Üet/vr, Colonialwaarenhandlung, Nürnberger Straße 45 Herr 21. k. Aldrvekt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr L. krledvl, Cigarrenhdlg., Zweinaundorfer Straße 6, - Connewitz Frau k't86dor, Hermannstraße 23, - Eutritzsch Herr Rodert Altner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Herr Rodert Attnvr, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Lindenau Herr Aldert kluüner, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Herr Raul Luek, Amioueen-Kxpeültion, Eisenbahnstraße 1, in Oetzsch-Gautzsch Herr Rledarü ^eu8taüt, Buchhandlung in Oetzsch, in Naunhof Herr konruü LetL8eke, Buchhändler. Zur Serliner Venkmalsfeier. Die deutsche Nation giebt der Dankbarkeit und Verehrung für ihren größten Sohn eine» äußerlich erkennbaren Ausdruck. Heute fällt in Berlin die Hülle von dem Denkmale de» Fürsten Bismarck, das mit freien Beiträgen auS dem ganzen Vaterlande errichtet worden ist. Berlin widerfährt dadurch, daß e» zum Standorte diese» Monuments auSersehen wurde, eine nicht verdiente Ehre, aber eS ist die Hauptstadt deS Reiches, da» der in Erz Verewigte zusammengeschmiedet, der Sitz de« Kaiser-, die Stätte de» längsten Wirkens BiSmarck'S. Aufgestellt vor dem Reichstage, der in dem ersten Kanzler leider nicht immer seinen Schöpfer verehrt hat, nahe dem Schlöffe deS ReichSoberhaupteS, nahe der einfachen Behausung des ersten Kaisers, gleichzeitig sichtbar mit der unschönen, aber von so Großem erzählenden Siegessäule, ragt daS Denkmal empor, nicht nur zum Gedächtniß deS Dargestellten, auch als Erinnerung einer große» Zeit, einer Zeit freilich, die nicht von selbst kam, die der Große herbeigezwungen hat. Die Bildsäule versinnbildlicht nicht die volle Urkraft, die ganze Geisteszewalt BiSmarck'S, und das stark rhetorische Beiwerk wäre nicht nach seinem Sinne ge wesen, aber nirgends verräth sich die in Berlin mehr als einmal — auch künstlerisch — verwirklichte Absicht, dem Großen Abbruch au seiner Größe und geschichtlichen Bedeutung zu thuo, und so dürfen die Deutschen zu diesem Denkmal pilgern, ohne befürchten zu müssen, durch e» selbst mit bitteren Empfindungen und Erinnerungen erfüllt zu werden. Doch möge Niemand glauben, daß von dem Denkmal und dem deutsch gesinnten Volke nun da» Dichterwort gelten werde: Ja Marmor aufgefangea, schweigt der Schmerz. Nicht nur die Liebe zu dem herrlichen Helden, auch di« Sorge um sein Werk verbieten ein seelenruhiges Schauen. Es ist zu viel anders geworden seit seinem Rück- und Hintritt; der „erste Kanzler", als den ihn die Inschrift bezeichnet, ist der einzige Kanzler, der den Namen verdient, geblieben; eS sind uns Zweifel aufgedrungen worden, ob die Zuversicht, die auö den Worten BiSmarck's sprach „Helfen wir Deutschland in den Sattel, reiten wird es schon selbst können", über die Amtszeit de- großen Reitlehrer« hinau« ihre Berechtigung behalten habe. Darum ist die» Denkmal nicht nur eine Erinnerung, die eherne Gestalt soll mahnend und warnend auf Alle herabsehen, auf Niedrig und Hoch, ihr ernster Blick soll unS zum staatlichen Ernste zurückführen, der ganze Mann soll unS sagen: Verewigt mich nun in meinem Werke, wie ihr mich in Erz verewigt habt. Aus der Woche. Ein Streit um de« Kaiser« Bart hat „getobt". Er drehte sich aber nur um de- Kaiser» Minister, ob sie selbst ständig genug seien, oder ob der Ministerpräsident sie in ihrem Ansehen ungebührlich hrrabdrücke. Der autokratische Graf Bülow! Ihm liegt wohl nicht» ferner, al» die College» zu meistern, und er mag froh sein, wenn ihm nicht -ethan wird, wa» er Anderen zuzufügen fälschlich beschuldigt wird. Dor zwei Wochen versicherten die „Berl. Neuest. Nachr.", und zwar „authentisch", eS sei «ine Untersuchung ringeleitet worden und schon im Gange von wegen der uuvefuatrn Veröffent lichung der vom Kaiser in Gegenwart französischer Ossicirre in einer Gardecasrrne gehaltenen Rede. Seitdem Stille. Die Untersuchung ist Wohl sehr schwierig? Oder war sie etwa gar an einem Puncte angelangt, der die Forschenden an da» verschleierte Bild von Sa'i'S erinnerte? Wir für unseren Theil haben nie recht an diese Untersuchung geglaubt und die Mittheilung darüber, ohne den gute» Glauben de« Berliner Blatte» in Zweifel zu ziehen, für einen Beschwichtigungsversuch angesehen, unternommen ik der Hoffnung, die raschlebige, vergeßlich« Zeit werde da- Weitere besorgen. Die Speculation wäre wahrscheinlich auch geglückt, wenn in der ganzen „unbefugten" Veröffentlichung nicht ein Telegramm de» Zaren mitgetheilt worden wäre. Jetzt, nach Wochen, heißt e», der Kaiser, und infolge dessen der Bericht, habe nicht den Wortlaut, sondern nur den Jnbalt der Depesche Nicolau»' II. wiedergegeben. Warum veröffentlicht nun aber Graf Bülow den Wortlaut nicht? E- hieß doch s. Z. halbamtlich, der Bericht über die kaiser liche Rede sei im Wesentlichen richtig; ein Widerspruch zwischen Form und Inhalt kann also nicht existiren. In Petersburg muß der Vorgang auffallen und Graf Bütow al» „Leiter der auswärtigen Angelegenheiten", wie er geuanut wird, hat doch kein Interesse daran, die Berliner Ungewöhn lichkeiten auch auf ds» Verkehr mit fremden Souveränen zu ibertrageu. Don der^arendepesche war nun einmal ge- procken worden und sie betraf den Grafen Waldersee. Von dem Telegramm deS Kaisers Franz Josef hatte Niemand etwas gewußt, sie betraf auch die Diensie deS deutschen General- selbmarschallS und sie wurde veröffentlicht, ohne daß Schaden daraus entstand. Die Berliner PublicationS- und Nichtpublica- tionSeigenthümlichkeiten beginnen unheimlich zu werden. Eine Kundgebung deS Kaisers von Rußland ist doch etwas Anderes al» die Verleihung eine» Orden» an den Lord Robert». Sollten die „Berl. Neuesten Nachrichten", al« sie die Auf nahme jener Untersuchung meldeten, da» Opfer noch eine» zweiten JrrtbumS gewesen sein? Sie schrieben nämlich gleichzeitig, von einem Uebergehen de» Auswärtigen Amtes und de» Reichskanzlers bei der Erwähnung deS Zaren telegramms könne „nicht die Rede sein". Die Zweifel daran, daß Graf Bülow die Depesche gekannt, als den Herren vom 2. Garderegiment von ihr Mittheilung gemacht wurde, haben sich aber nicht abgeschwächt. Sachsen ist nach der „Germania" ein kirchenpolitisches Sibirien für die Katholiken. Aber mit der Redefreiheit ist e« in diesem Deportatioa-lande noch recht gut bestellt. Es hat sich wohl noch nie zugetrageu, daß in einem Lande, das neben 3 622 208 Evangelischen 140285 Katholiken zählt, ein Katholik und Priester die evangelische Kirche eine „windschiefe Bretterbaracke" nennt. Was würde geschehen, wenn daS Zahlenverhältniß umgekehrt wäre und ein protestantischer Geistlicher sich einer solchen Beschimpfung schuldig gemacht hätte! Wir empfehlen de» Freunden im Reichstage, sowie gewissen nationalliberalen Zeitungen, die man an eine Unterdrückung der katholischen Kirche in Sachsen hat glauben machen, die tolerante Aeuße- rung de» Herrn Caplan« Hottenrott und di« übrigen Aus brüche religiöser „Toleranz", die die Katholikenversammlung in Zwickau auSzeichneten, der geneigten Beachtung. Auch sie bieten Unterlagen für die Beurtheilung deS vltramontanen Toleranz-Antrages. Die „Deutsche Tage--Ztg." da» Organ de» Bundes der Landwirtbe, droht den Bäckern, Fleischern, Gemüsehändlern und Müllern, die Laudwirthjckaft werde „den Ver dienst dieser städtischen Gewerbe in Anspruch nehmen", fall» die Getreidezollerhöbung nicht nach Wunsch der Bündler ausfalle. Da» Blatt beruft sich dabei auf einen agrarischen Schriftsteller, der die Bäcker mit dem Schicksal der Fubrlrute, die den Eisenbahnen weichen mußten, tröstet. Mittelstandsfreundlich ist da» nicht und die „D. T.-Ztg." kühlt da- auch. So vergießt sie einige Thränen über traurige Nothwendigkeiten und „mißbilligt" sogar die Errichtung von landwirthschaftlichen Bäckereien u. s. w. Das thut da» Blatt immer, in der richtigen Erkenntniß, daß ein paar gedruckte Zeilen die mittelstandschädigeude Praxi» von Grundbesitzern nicht behindern und auf der anderen Seite manchen Wähler au- dem gewerblichen Mittelstand in feiner Vertrauensseligkeit erhalte». Die Bäcker und die Metzger brauchen sich an die Drohung nicht zu kehren. Wa» der Bund und die Bündlerischen dem gewerblichen Mittelstand« wegnehmen können, nehmen sie ihm weg, gleichviel wie hoch die Getreidezölle sind. Und wenn die „D. T.-Ztg." gesagt hat, „Es schickt sich nickt", kann man sicher sein, daß ihre Hinter- männer im Begriffe stad, „in die Laube zu gehen". Bei der Wahl in Neunkirche n-OttWeiler ist der Unter schied, der Gott sei Dank zwischen katholischem Glauben und Ultramontani-mu- trotz allem noch weiter besteht, deutlich zu Tage getreten. D<r Wahlkreis ist überwiegend katholisch, die klerikale Agitation war «ine maßlose, und der national liberale Canvidat, dem die Autorität de- bisherigen Ab geordneten Kehrn, v. Stumm nickt zur Seit« stand, ha» dem CrntrumSbewerber mit großer Mehrheit obgesiegt. Wie e« jeißt, wirkt dort die Erinnerung an den Marpinger Wunder- chwindel bei den Katholiken noch kritisch nach. Das römische Aufgebot in Zwickau. Auf den Ruf: „Auf, Katholiken, nach Zwickau!" waren sie gekommen, Männer und Frauen und Kinder, „aus dem Westen Sachsens", wie es im Telegramm an König Albert, „stammend au» den verschiedensten Gauen Deutschlands", wie es in dem Telegramm an den Kaiser lautet; viel Tschechen und Italiener, wohl auch Polen darunter; denn das industriereiche Erzgebirge zieht Arbeiter der und jener Nation herbei. Was wollten sie denn gerade in Zwickau? Sie wollten, wie der jugendliche, heißblütige Caplan Hotten rott andeutete, „den Gegnern -eigen, daß sie auch noch da seien und sich nicht fürchteten?' Aber das wissen die Zwickauer schon aus mancher un ¬ geschickten Aeußerung der römischen Führer; der echt protestantische Geist Zwickaus erträgt ihr Dasoin und kümmert sich nur dann um sie, wenn sie in der üblichen ultramontanen Weise ihn antasten; etwa, «wenn ein Priester versucht, einer evangelischen Wittwe di« Kinder durch das Versprechen unentgeltlicher katholischer Er ziehung in Dresden oder in Köln abzuringen; etwa, wenn die Abwehr prinzlicher Angriffe auf die evangelischen Sachsen un gebührlich verdächtigt wird; etwa, wenn das unvorsichtige Wort fällt, nur die Guillotine könne dem Katholicismus Ruhe schaffen. Er erhebt dann deutlich und entschieden seine Stimme, wenn es gilt, das Recht und die Hegemonie des deutschen und evangelischen Geistes in unsrem Reiche wider die listigen Anläufe des Centrums zu schützen. Das aber ist unsere heilige Pflicht; in der Erfüllung dieser werden die Zwickauer nicht wanken, mögen noch so viele „Katholikenversammlungen" zusammengetrommelt werden. — Gewiß, man ergreift gern dir Gelegenheit, aus den evangelischen Bund los zu hauen. Gegen diesen marschirt jetzt die ganze ultramontane Colonne auf. Der Vorstano der Adels genossen schafft hat gegen ihn eine merkwürdige Erklärung veröffentlicht; dies geschah, nachdem der Ehrenvräsidrnt der Ge nossenschaft, Herzog Günther, in Primkenau den Besuch des österreichischen Thronfolgers empfangen hatte, der sich zum Patron der katholischen Schulvereine aufwarf und die Meinung sich einprägen ließ, die Bewegung „Los von Rom" sei eine Bewegung „Los von Oesterreich". Und neben der ultramontanen Presse, die das römische Schimpfwörterlexikon reichlich wider den Evangelischen Bund ausnützt, treten nun auch Katholikrnversammlungen auf, wie die jüngst in Köln und in Zwickau, um Männern wie Racks und einigen Caplänen das leichtgeschwingte Wort der Verdächtigung gegen den Bund zu versoffen. Daß diesen die Römlinge nicht lieben, ist verständlich; ihr Haß ist seine größte Ehrung und beste Recht fertigung; er hat darin das Zeugniß, daß er unser deutsches Volk nachdrücklich und erfolgreich über die Machenschaften und Ziele des Romanismus aufklärt und diesem den Weg zu unseliger Herrschaft über unser herrliches Vaterland verlegt. Aber noch grimmiger wurden die Gsfühle der Ultramontanen gegen den Bund, weil er in erster Linie und mit reichem Segen di« evangelische Bewegung in Oesterreich fördert. Sie ahnen, daß die Rückkehr so vieler deutscher Oesterreicher zum Protestantismus nicht ohne Rück wirkung auf die Katholiken im Reiche bleiben kann; sie sehen schon jetzt, daß der Uebertritt zur evangelischen Kirch« von Jahr zu Jahr zahlreicher wird, und sie fürchten, was wir ersehnen, daß nämlich» der Ruf „Los von Rom!" endlich auch in Deutschland seinen starken Widerhall finden werde. Sollten wirklich die deutschen Katholiken weniger religiöse Einsicht und Sehnsucht besitzen, als di« österreichischen? — DaS ist der Punck, an dem di« Ultramontanen für sich Unheil wittern. Sie renvmmiren zwar damit, daß sie Sieger im Cultur- kampfe blieben; sie brüsten sich, daß ihr Centrum von großem Einfluß auf den Reichstag und die preußische Regierung ist. Aber der Culturkampf wurde nur mit staatlichen Waffen geführt; diese sind stumpf im Kampfe gegen ein« Kirch«. Die römische Kirche wird jetzt gehätschelt, nicht um ihrer inneren geistigen Kraft willen, sondern wegen der politischen Macht, die das Centrum — Dank der Zerfahrenheit der anderen Parteien — gewann. Da« aber ist eine gebrechliche Stütze für eine Kirche. Und nun tritt gegen diese d'c gewaltigste Macht der Weltgeschichte auf, der religiös« Geist. Ihm ist Rom stets erlegen; die Re formation ist das Zeugmß. Er erhebt sein Haupt in der evangelischen Bewegung Oesterreichs; daS Volk erkennt, daß sein religiöses Verlangen vom ultramontanen Betriebe der Frömmig keit nicht befriedigt wird und daß daS, was der Romanismus als Christenthum ausgiebt, alles Ander«, nur nicht ur sprüngliches Christenthum ist. Ein« n«ue Reformation ist im Anzug; ihr ist der UltramvntaniSmuS nicht ge wachsen. Aber sie hintanzuhalten, versucht «r mit allen Mitteln; er setzt sein« Kraft ein, um seine religiös wenig urteilsfähigen Massen „fest und treu zu Rom" zu halten. Gerade die Art, in der er dies thut, bezeugt seine innere Schwäche. Einen deutlichen Beweis dafür brachte auch die Zwickauer Versammlung. Als gelehriger Schüler de» Ultra- montanismus zeigte sich der Caplan Hottenrvtt. Mit vollem Munde stellt« er die Thatsachen auf den Kopf. Er fragte: wo h«rrsche mehr Sittlichkeit, mehr Gebet, mehr Achtung vor der Heiligkeit der Ehe u. s. w., als in ver römischen Kirch«? Wo sehe man mehr die Zeichen der Unsittlichkeit, Glaubenslosigkeit u. s. w-, als im Protestantismus? Zu solchen kühnen Behauptungen, die durch jede Wanderung durch katholische Länder schlagend widerlegt werden, kann nur Einer kommen, dessen ganze Welt die Mauern de« Priestersemi- nars umschlossen, nur Einer, der die thatsächlichen Verhältnisse nicht kennt oder nicht kennen mag; er braucht nur eine zuver lässige Statistik zu studiren, um zu erkennen, daß die katholische Rückständigkeit sich nicht blos auf religiösem und wissenschaft lichem, sondern auch auf sittlichem Gebiete bekundet. Aber das Alles hindert natürlich keinen modernen Caplan, vor seinen, der Sache nicht kunvigen Hörern die Ruhmrsposaune für die römische Kirche zu blasen; er weiß, daß deren Töne dem ungebildeten Ohre Wohlgefallen; nun überzeugen sich doch die Katholiken, daß sie an der Spitz« der Cultur marschiren — noch dazu unter der Führung Hotentrott's! Natürlich durfte auch die Phrase von dem alten, festgemauerten ultramontanen Hause nicht fehlen. Wenn doch der Herr Caplan etwas mehr Geschichte studirte! Diese würde ihm sagen, daß die religiöse Entwickelung der Christenheit in vielen Trennungen vom Papstthum und in kirchlichen Neubildungen sich vollzog. Weiß er nichts von der großen griechisch-katholischen Gemeinschaft, nichts von dem Protestantismus? Nichts davon, wie jetzt in Frankreich und Oesterreich die Volksseele vom ultramon tanen Priester sich loszuringen beginnt? Freilich, der Herr Caplan sieht in den Austretenden nur den „Abfall"; er ruft aus: Fort mit Schaden! Er hat vergessen, daß die römische Kirche an den Altkatholismus ihre wissenschaftlichen Größen, ihr« besten Cha raktere verlor. Und wenn er nur eine Ahnung von dem tiefen, reinen Gkmüthr vieler übergetretener römischer Priester in Frankreich, von dem hohen religiösen und sittlichen Ernste der meisten Neuprotestanten in Oesterreich hätte, er würde höflich den Hut vor diesen Männern ziehen müssen, deren geistig« und religiöse Ueberkgenheit über sein« ultramontan« Art sich ihm ohn« Weiteres fühlbar machen würde. Er redet von dem „festgemauerten Haus". Aber er würde doch dies Wort nicht auf seine phrasenreichcn Lippen genommen haben, wenn er Kenntniß davon hätte, wie viele römisch« Priester in Oesterreich jetzt innerlich los von Rom sind, wie zahlreich sie zu uns kommen würden, wenn »wir alle ange messen unterbringen könnten! Ist das ein fcsigemamrtes Haus, das seine Besitzer nicht g«rn bewohnen? Ruht schon diese Aeußerung des Caplans auf voller Verkennung der thatsächlichen Verhältnisse, so gilt dies noch viel mehr von seinem Worte, das die evangelische Kirche mit einer „windschiefen Brrtterbaracke" ver glich. Es ist ihm schon diese dreiste Ungehörigkeit von anderer Seite aufgemutzt worden. In der That, es übersteigt alles Maß, wenn ein junger, geistig noch nicht fertiger Caplan sich eine derartige Auslassung wider unsere Kirche erlaubt, der doch die übergroße Mehrzahl seiner Mitbürger, der der Kaiser angehört, den der Katholikentag unterthänigst an- telegraphirt. Nun, in seinem Mangel an Reife und der daraus erklärlichen Taktlosigkeit liegt eine leise Entschuldigung. Bretter baracke! Wie stimmt dazu die Aeußerung von R<rck6, der in derselben Versammlung den Protestantismus einen „über mächtigen Gegner" nannte? Wär« der Protestantismus die Bretterbaracke, wie si: Hottenrvtt aus seinem eigenen Geistesbesitze sich aufbaut, dann wär'» dock ein Wunder, daß sie von der brutalen Gewalt der Gegenreformation, von aller List und Verfolgung des Jesuikismus noch nicht umgerannt worden ist. Die evangelische Kirche ruht auf dem ein«n Grunde, der gelegt ist, welcher ist Christus, und ist darum unzerstörbar. Sie ist ein wohnliches Heim für Glauben, Sitte, für echte Liebe, für freie Wissenschaft, für christliche Ge sinnung, für wahre Geistesgröße. Unter dem Schutze und durch die Kratt des von ihr verkündigten Evangeliums vollzieht sich di« fortschreitende, glückliche Entwickelung der Völker; die Geschichte
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