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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010627028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901062702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901062702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-27
- Monat1901-06
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Amts6satt des Hönigtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Netizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen «Preis die 6 gespaltene Petitzeile L5 Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (ü gespalten) KO H. Tabellarischer und Ziffernsah entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 85 H (rxcl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung 60—, mit Postbesörderung 7V.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Dir Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck und Berlag von E. Pol« tu Leipzig. Donnerstag den 27. Juni 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Aus London, 26. Juni wird uns berichtet: Die wieder abgereisten Afrikander-Delegirtrn Tauer und Merriman erklärten sich überzeugt, daß die gegenwärtige englische Re gierung in absehbarer Zeit den Boeren keinerlei annehmbare Zugeständnisse machen werde. Dagegen werde sich die große Mehrheit de« englischen Volke« binnen einem halben Jahre, wenn der Krieg in der bisherigen Weise fortgeführt werde, sür den FriedcnSschluß mit Erkaltung der beiden Boeren- staaten aussprechen. Da« Schicksal Südafrikas bange dem nach von der Geduld und der Ausdauer der noch im Felde stehenden Boeren ab. Alfred Milner soll der Regierung die sofortige Inan griffnahme der Besiedelung der Boerenländer mit englischen Colonisten dringend empfohlen haben. Man solle 'm schnell als möglich alle freigewordenen Farmen an Engländer bezw. an aus gediente englische Soldaten abgeben und diesen die Geldmittel zur Einrichtung neuer Wirtschaften zur Verfügung stellen. Der Anfang müsse natürlich in den Bezirken gemacht werden, welche sich vollständig in der Macht der englischen Truppen befinden; dann aber müsse man schrittweise vorrücken. Mit dieser nothwendigen Arbeit müsse man nicht warten, bis der jetzige Klein- und Buschkrieg beendet sei, da die Boeren nur dann zur Niederlegung der Waffen gekrackt werden könnten, wenn man ihnen den unwiederbringlichen Verlust der Farmen klar vor Augen führe (?) * Harrismith (Oranjesreistaat), 2ö. Juni. („Reuter'» Bureau".) Zwei englische Truppenabtheilungen machten, gemeinsam vorgehend, einen Beutezug durch das Gebiet zwischen Harrismith und Bethlehem. Sie erbeuteten 43 Wagen und Karren, 182140 Pfund Fourage, 598 900 Pfund Korn und Mehl, sowie eine Menge landwirtschaftlicher Geräte und Munition auf dem Wege nach Bethlehem und außerdem 37 Ladungen Fourage auf dem Rückwege. * Kenhardt, 26. Juni. (Meldung des „Reuter'jchen Bureau«".) Au« Kakamas sink den Engländern ergebene Farmer hier ein getroffen und berichten, daß nach einem Gefecht in der Nähe von Narvegas, das zwischen Grenzschützen und dem Commandanten Conroy vorfiel, die Boeren sich nach KakamaS zurückgezogen hätten, von wo an- sie drn Oranjefluß in größter Unordnung überschritten hätten. Conroy habe sich mit einem Caprebellen Namens Vickers aus Brandvlei aus deutsches Gebiet begeben, um mit Len deutschen Be- Hörden zu verhandeln. Die Deutschen hätten es abgelehnt, bewaffnete Boeren aufzunehmea. Schließlich seien 38 Familien nach Deutsch» Südwestafrika gezogen, wo Vie deutschen Behörden Frauen und Kinder in einem Lager nahe bei Schmidtdrist unterbringen, die Mänuer intrrnirr» ließe». * Rotterdam, 26. Juni. Nach der FrühstückStafel unternahm Präsident Krüger »inen Spazierritt, wobei ihm zahlreiche Ovationen dargebracht wurden. Um 4 Uhr wurde großer Empfang «bgehalten, an dem sich «ine Menge von Deputationen betheiligte. Der Präsident dankte Ken Erschienenen herzlich. Die Politik wurde in den Ansprachen nicht berührt. Krüger betonte nur, daß sich England seit dem Zuge Jameson's auf den Krieg vorbereitet habe. (Wiederholt.) * Ea-staSt, 26. Juni. In der vergangenen Woche sind drei Neuerkrankungen an der Pest und sieben Todesfälle vorgekommrn. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Juni. Die neue» Krisengerüchte, die der „Berl. Loc.-Auz." ver breitet hat, werden wie auf Commando von Blättern srbr verschiedener Richtung für unbegründet erklärt. So schreibt die freiconservative „Post" in ihrer gestrigen Abend- Ausgabe: „Heute gehen wieder Krisengerüchte um; es heißt Graf Posa- dowsky, v. Thielen und Schönstedt seien amtsmüde. Die Gerüchte entbehren jedoch auch dieses Mal jeder thatsächlichen Unterlage, die Details, die ihnen ein gewisses Relief geben sollen, sind sogar durchweg unrichtig. Man merkt aus diesen Krisengerüchten im Blätterwald lediglich das Eine, daß die Saure gurkenzeit begonnen hat." Und der freisinnigen „Weser-Ztg." wird aus Berlin telegraphirt: „Auch an den neuesten Krisengerüchten ist kein wahres Wort. Der Vortrag, den der Reichskanzler beim Kaiser in Kiel ge- halten hat, erklärt sich auf die einfachste Weise. Da der Kaiser in den nächsten Tagen Deutschland verläßt, um wie alljährlich einige Wochen an der norwegischen Küste zuzubringc», hat Graf Bülow dem Kaiser vorher noch über eine Reihe schwebender Angelegenheiten der inneren und auswärtigen Politik Vortrag gehalten. Kritische Fragen haben sich darunter nicht befunden." Aebnlich äußert sich ein Gewährsmann der konservativen „Schles. Zlg."; er kann aber nicht umhin, hinzuzufügen: „Die ausfallende Wiedergabe desPolrnartikels >cr„Nutional Zeitung" in der „Norddeutschen Allg. Ztg." bringt allerdings eine Bemerkung des Justizministers Schönstedt in Erinnerung, daß die Nichtkenntniß der polnischen Sprache dem Deutschthum in den gemischtsprachigen Provinzen schade. Die Aeußerung hatte damals auch in Regierungskreise» Aufsehen erregt. Ausfallen muß es, daß gleichzeitig mit den vom „Berl. Local-Anz." in die Welt gesetzten Krisengerüchte» aus Berlin solche Gerüchte in Baden auftauchen. Die „Franks. Zig." veröffentlicht nämlich folgendes Telegramm: * Karlsruhe, 26. Juni. In politischen Kreisen hält man mit einer gewissen Hartnäckigkeit das Gerücht von dem Rücktritt de« Ministers von Brauer und dessen Eintritt in den Reichsdienst. Man bringt mit diesem Gerücht auch die Ein ladung des Ministers von Brauer vor wenigen Tagen zum Reichs- kanzler von Bülow in Verbindung. Wenn aber Herr v. Brauer für ein RcichSamt in Aus sicht genommen wäre, so könnte dieses doch wohl nur das sein, an dessen Spitze Gras Posadowsky steht, und von ihm glaubte ja das Berliner Blatt melden zu können, daß auf seine „allgemein anerkannte enorme Arbeitskraft und be währte Erfahrung" nicht verzichtet zu werden brauchte. UnS selbst wird aus Berlin geschrieben, daß allerdings „manches nicht stimme", daß eS aber sehr fraglich sei, ob sich nicht auch ohne Personalwechsel eine Uebereinstimmung herbeiführen lasse. Jedenfalls wird die Ungewißheit nicht lange dauern. Während der NordlandSreise deS Kaisers wird sich ein Wechsel in den höheren Reichs- und preußischen Staats ämtern schwerlich vollziehen, andererseits ist es wegen der Vorarbeiten für die Herbsttagungen der parlamentarischen Körperschaften nicht wahrscheinlich, daß ein etwa nöthiger Wechsel lange hinauSgeschoben werden würde. Herrscht also eine Krisis, so muß sie bald zum Ausbruche kommen. Auf den Intoleranz-Fall in St. Blasien kommt heute die „Nationalliberale Correspondenz" zurück, die bekanntlich die erste Meldung über den Vorgang gekrackt hatte. Ihrer Dar stellung batte dann der Stadtpfarrer Popp in St. Blasien eine an mehrere Blätter gesendete Berichtigung folgen lasten, die Alles in Abrede stellte, was sich irgendwie als intolerante Handlung des Herrn Pfarrers auSlegen ließe. „Es mag nun sein" — erklärt hierauf das nationalliberale Organ —, „daß infolge der leicht begreiflichen Aufregung, welche im Schwarzwaldstädtchcn St. Blasien über das Vor gehen deS katholischen Stadtpfarrers Popp gegenüber dem ickwerkranken Bürgermeister Berste! herrschte, dieses oder jenes Wort zu viel gesagt worden ist. Aber auch abgesehen von solchen uncontrolirbaren Behauptungen erscheint das Verhalten deS Herrn Popp in mehr als einer Hinsicht als ein solches, daß er allen Grund hätte, sich Zurückhaltung aufzu erlegen und nickt durch „Berichtigungen" die Aufmerksamkeit der größeren Oeffentlichkeit auf sich zu lenken. Stadlpfarrer Popp bestreitet, dastBürgermcisterBerstel vor seinem Tode die Sakra mente verlangte, — im Gegentheil: erhübe den Empfang ver weigert. Nach unseren eingezogenen Erkundigungen ver hält sich aber die Sache ganz anders: Von der Familie des Herrn Berste! wurde dem Stadtpfarrer Popp der Wunsch des todtkranken Verfiel auf geistlichen Zuspruch mitgetheilt, er zugleich aber ersucht, die Frage der ge wischten Ehe vorerst nicht zu erwähnen, da Herr Berstet orch seine Krankheit sehr aufgeregt und m diesem Punkte sehr empfindlich sei. Indeß war die erste Frage deS StadtpfarrcrS, als er ins Krankenzimmer trat, ob Herr Berstel die Ehe mit seiner protestantischen Frau bereue und ob er ferner bereue, daß er seine Kinder nicht im katholischen Glauben habe erziehen lassen. Darauf erwiderte ihm der sterbenskranke Berstel, wenn er ihn weiter nichts zu fragen habe, könne er, Berstel, auf seinen Beistand verzichte». Die Folge dieser Unterredung war, daß Herr Berstel ohne den von ihm gewünschten Empfang der Sakramente starb; Stadtpfarrer Popp war somit berechtigt, ihm die kirchliche Beerdigung zu versagen. Wie daS aber kam, sagt Pfarrer Popp in seinen Berichtigungen nicht. Die kirchliche Beerdigung fand dann unter allgemeiner Theilnahme der Bevölkerung durch den evangelischen Pfarrer Gebhardt statt. Die „St. Blasier- Zeitung", wohlgemerkt, ein katholisches, aber unabhängiges Blatt, welches ebenfalls von dem Verhalten des Sladt- pfarrerS Popp Kenntniß erhalten hatte, deutete in durchaus nicht verletzender Form durch folgende Bemerkung bei der Schilderung des Leichenbegängnisses deS Bürgermeisters Popp daraus hin: „Tiesjchmerzlich mußte eS aber alle Kreise berühren, daß einem katholischen Manne, besten tadelloser Lebenswandel sich die höchste Achtung Aller, die ihn kannten, ob Freund oder Feind, errungen hatte, die Ceremonien seiner Kirche verweigert werden mußten, weil e« an dem richtigen Entgegenkommen an zuständiger Stelle fehlte. Der versöhnend« Geist unsere- Heiland-, der auch seinen Feinden nur Gute- wollte, der am Kreuze noch seinen Mördern verziehen hatte, er kam hier leider nicht zur Geltung!" Diese Bemerkung der „St. Blassier-Zeitung" riß nun den Stadtpfarrer Popp dazu hin, von der Kanzel herab am heiligen Pfingsttage gegen die genannte Zeitung zu eisern, und zwar so, daß er vergaß, der Gemeinde den üblichen Segen zu spenden! Die „St. Blasicr-Ztg." schreibt darüber in ihrer Nummer vom 30. Mai u. A.: „Die Kanzel, die nicht profanen Zwecken dienen soll, von der herab das Wort Gottes verkündet wird, sie wurde von Herrn Stadt pfarrer Popp mißbraucht dadurch, daß an einem Hauptfesttage der Christenheit von ihr herab statt des Gotte-worte« Au-flüste des persönlichen Hasses zu hören waren, wie sie wohl selten in einer katholischenKirche von einem Priester gefallen sind... Ein Skandal ist, daß der Prcdigtstuhl dazu benutzt wird, sür Zeitungen im guten oder bösen Sinne Propaganda zu machen. Die Kanzel ist nicht der Ort, weltliche Angelegenheiten darauf zu behandeln; sie dient ebenso wie die Kirche nur dem Dienste Gotte- und der Verkündigung christlicher Lehren .... Ein Priester, der die Heilig keit des Pfingstfestes mißachtet, der die Kanzel zu persönlichen Angriffen mißbraucht, der bei seiner Pfingstpredigt sich in einen so unheiligen Eifer hineinredete, daß er vergaß, den üblichen Segen nach derselben zu ertheilen, der nur Zeitungen empfiehlt, deren Artikel den Stempel des Pfarrhofes tragen, ist in seinem Urtheil beeinflußt und vcrräth nur eine einseitige Parteilichkeit, die nie zum Guten führen kann." Und auf die Angelegenheit deS Bürgermeisters Berstel zurückgreifend, schreibt das genannte Blatt in derselben Nummer: „Die Verweigerung der kirchlichen Beerdigung des verstorben n Bürgermeisters Berstel erregte begreiflicher Weise Aufsehen unter brr Bevölkerung. Dieses Aufsehen steigert« sich aber zu einer allgemeinen Erregung, als bekannt wurde, daß nur durch da« schroffe Verhalten des Herrn Pfarrer Popp dem schwerkranken Herrn Berstel gegen über eine Aussöhnung desselben mit seiner Kirche nicht zu Stande kam und so Herr Pfarrer Popp das Recht hatte, die kirchliche Beerdigung zu verweigern. Tas ganze Gebühren des Herrn Pfarrer Popp macht den Eindruck, als ob e- ihm angenehm war, seine Macht fühlen lasten zu können und dadurch in St. Blasien ein Schauspiel zu liefern, wie eS leider in größeren Städten manchmal vorkommt. Geradezu wie Hohn klang es aber, alS Herr Pfarrer Popp von der Kanzel herab versicherte, daß es nur seinem Entgegenkommen zu verdanken war, daß die Glocken bei der Beerdigung läuten durften. Herr Pfarrer Popp hat nicht über die Glocken zu verfügen, da sie unter der Domänenvecwaltung stehen, und wenn er darüber zu verfügen, gehabt hätte, wären sie sicher nicht geläutet worden! . . ." Nur sehr ungern sind wir auf diesen Fall der Intoleranz nochmal« eingezangen, sehen uns aber sowohl durch die Be richtigungen feiten« des Herrn Pfarrer Popp an verschiedene Zeitungen, die unsere frühere Notiz ausgenommen hatten, wie durch die Haltung der CentrumSpreffe, welche dem ganzen Borgeben de« Herrn Pfarrer Popp gegenüber auch nicht den geringsten Anlaß der Mißbilligung findet, sondern uns noch Die am 1. Juli neu rintrelenden Abonnenten erhalten auf Wunsch den Anfang deS Roman« „RechtSanwalt Loh mann" von unserer Expedition kostenfrei nachgeliejert. Rechtsanwalt Lohmann. 4) Roma» von Rudolf Jura. NaLtruck «nlolk». Hundert Schritte von der kleinen Villa entfernt war ein Droschkenhalleplatz. Dort rief sie dem Kutscher zu: „Nach dem „Weißen Adler"!" und fffeg in den Wagen. Mit breitem Lachen murmelte der biedere Roffelenker ein Scherzwort zwischen den Zähnen, daS der Nachtwind ungehort verschlang, nahm dem alten Schimmel die braune Decke von dem knochigen Rücken, schmilzt« mit der Zunge, und schüttelnd setzte sich das wackelige Gefährt in Bewegung. Im „Weißen Adler" hatte RechtSanwalt Lohmann inzwischen hemerkt, daß Born zwar «ine große Anzahl der anwesenden Damen sehr freundlich begrüßte, sich aber mit keiner am Tanze bethetligke. Vielmehr sah er wiederholt ungeduldig nach der Uhr, als ob er auf das baldige Erscheinen einer ihm besonders wichtige» Person wartete, und der RechtSanwalt beschloß daher, ihn jetzt ganz besonder» scharf im Auge zu behalten. Gleichwohl -«gab er sich sür ein paar Augenblicke an das vor dem Saal» «tngange gelegene Buff«t, um sein« vom Staube bei Ballsaales auSaetrocknet« Kehle etwas zu befeuchten. Da, al« er eben ein Glas Pilsener hinuntergrstürzt hatte unk da« leer« Seidel auf Ken Schanktisch zurückstellte, schrak er plötz lich zusammen. Denn «ine Dam« war dicht an ihm vorüber und nach dem Saaleingange zugegangen, deren Aehnlichkeit mit Frau Doctor Römer so groß war, daß e« unbedingt Frau Doctor Römer selbst sein mußt«. Allerdings war r« undenkbar, daß «ine feine Dame, und Wenn «S selbst die unberechenbare unk eigenwillig« Frau Doctor Romer war, den bizarren Einfall haben konnte, di«s«s öffent liche Tanzlocal zu besuchen, und noch dazu ohne die schützende Begleitung einer Herrn. Ad«r unmöglich war eS auch, daß seine Lugen ihn täuschten. DaS Gesicht war zwar nicht mehr zu sehen. Aber auch von hinten waren Gestalt, Haltung und Gang der Frau Doctor, sowie ihr glänzende«, rotheS Haar ganz unverkennbar, und wohlbekannt waren ihm auch das Klaue Kleid und das Spitzentuch. „Gnädige Frau!" hatte et im ersten Augenblick erstaunt aus gerufen, und da er kein« Antwort bekam und wohl gar nicht gehört worden war, lief er mit rin paar Schritten an ihre Seite, während eint Reihe zweifelnder Gedanken mit Blitzesschnelle ihm durch seinen Kopf schossen. , „Aber, Frau Doctor Römer!" flüsterte er erregt und blickte ganz betroffen in das fremde Gesicht, bas sich ihm jetzt zu kehrte. „Die Frau Doctor ist nie vor zehn Uhr zu sprechen", ant wortete die Angeredete wie geistesabwesend, nachdem sie einige Sekunden Zeit gebraucht hatte, sich auf ihre Pflicht und Stel lung als Dienstmädchen zu besinnen. „Verzeihung", stotterte der Rechtsanwalt ganz fassungslos. „Eine Verwechselung. Aber diese Aehnlichkeit, wenn man Ihnen Nicht ins Gesicht sieht. Sie kennen Frau Doctor Römer? Sie sind — „Das Dienstmädchen", antwortet« sie mechanisch. „Und weiß die gnädige Frau, daß Sie hier sind und noch dazu in dieser Toilette?" Sie blickt« ihn verständnißlos an und zog die ihm Wohl bekannt« golden« Uhr mit schwarzer Emaillr au» d«m Taillen schluß." „Es ist elf Uhr", sagte sie ängstlich. „Ich muß um elf Uhr hier sein." „Warum denn? Wen suchen Sie hier?" Ein überlegenes, mitleidiges Lächeln belebt« ihre Züge und machte sie für einen Augenblick denen der Frau Doctor etwas ähnlich. Dann entgegnete sie kise, wie etwas ganz Selbstver ständliches: „Natürlich, Emil Born!" „Ach so!" versetzte der RechtSanwalt hastig. „Daan «ilen Sie. Er steht da hinten in der Saakcke." Sofort batt« «r di« Wichtigkeit der eben gemachten Entdeckung erkannt, daß der Inhaber de» gestohlenen Zwanzigmarkstück« sich hier mit dem Dienstmädchen der Bestohlenen ein Stelldichein gab. Die weitere Beobachtung Ker Beiden mußte thm noch weitere wichtige Aufschlüsse geben. Glücklicher Weise wurde Born seiner erwarteten Dame erst ansichtig, al» sich Ker RechtSanwalt schon von ihr getrennt hatte, und während sich die Beiden begrüßten, eilt« dieser di« Trepp« zum Balcon de» Orchestrr» hinauf, um dort einen ungestörten BiobachtungSposten einzunehnun. Der junge Mann nahm die ihm Entgegeneilende sofort in seinen Arm und wirbelte nach den rauschenden Klängen de» Walzer» einige Mal Mit ih, durch d«n Scral. Doch schien sein« Lust zum Tanzen heute nicht sehr groß und anhaltend zu sein. Denn bald sprach er in längerer, zusammenhängender Rede auf sie ein und führte sic an die Seite des Saales, um dort fast unter der Galerie an einem gedeckten Tische mit ihr Platz zu nehmen. Sie machten beim Kellner Bestellungen und schienen sich für längeres Bleiben an diesem Orte einzurichten. Dem Rechtsanwalt lag jetzt natürlich sehr viel daran, ihre Unterhaltung belauschen zu können, und er ging auf der Galerie herum, bis er an der Stelle über den Beiden Halt machte. Wenn er sich ein wenig über di« Brüstung beugte, konnte er ihnen gerade auf die Köpfe sehen, auch bemerkt« er, daß er sich sehr eindring lich mit ihr unterhielt, während sie nur kurze und offenbar aus weichende Antworten gab. Aber bei dem Lärm des Tanzsaales war es unmöglich, auch nur ein Wort des Gespräche» zu verstehen. Wenn er sich also Kenntniß von der wahrscheinlich wichtigen Unterhaltung verschaffen wolltk, so muhte er wleder in den Saal hinuntergehen und unter der Galerie hinter den Beiden Platz nehmen, da sie ihr Gesicht dem Saal zukehrten. Er stieg auch sofort hinab und erblickte schon von Weitem einen dicht hinter ihnen stehenden leeren Tisch, auf den er eiligst zustrebt«. Da fi«l ihm plötzlich «in, wie es selbst dem arglosen Born auffallen mußte, wenn sich auf einmal ein einzelner Herr horchend hinter ihn setzen würde, zumal, wenn dieser einzeln: Herr sein Brodherr RechtSanwalt Lohmann war. Rasch entschlossen trat er auf ein dürftiges, schwarzhaariges Mädchen zu, Vie in einem verwaschenen rothen Eattunkleid ver lassen beiseite stand und mit gierigen Augen in das Wogen der tanzenden Paare hineinblickte. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag, mein Fräulein", redet« er sie mit einer nachlässigen Verbeugung an. „Sie erhalten warmes Abendbrot) und Bier und außerdem zwei Mark baar, wenn Sie sich mit mir ganz still dort an diesen Tisch setzen. Sie haben gar nichts zu thun oder zu reden, müssen aber dulden, daß ich mich «in wenig an sie schmiege, so daß man un» eine halbe Stunde lang für ein Liebespaar hält. Weiter verlange ich nicht» von Ihnen! Wenn Sie einverstanden sind, so geben Sie mir Ihren Arm und folgen Sie mir rasch." Das Mädchen blickte ihm mit dreistem Lachen ins Gesicht, nickte und schob statt einer weiteren Antwort keck ihren Arm in den seinen hinein. Nach «iner Minute saß er mit ihr an d«m in Aussicht ge nommenen Tisch, unk zwar so, daß sie zwischen ihm und dem zu b«obacktend«n Pärchen Platz nahm, während er in scheinbarer Zärtlichkeit seinen Kopf an ihre Schulter schmiegte. Eine der artige Gruppirung eine» Herrn und einer Dame war in drn heilig«» Hallen de» „Weißen Adler»" keine ungrwöhnlich« oder auffällige Erscheinung, und der Rechtsanwalt hatte auf diese Werse die Möglichkeit, sein Gesicht auf unverfängliche Weise zu verbergen, so daß ihn Born, wenn er sich umdrehte, unmöglich er kennen konnte. Wohl aber war er selbst im Stande, in seiner vor gebeugten Stellung jedes Wort zu verstehen, das zwischen den Beiden gewechselt wurde. „Stell' Dich nur nicht so unwissend, Mieze", flüsterte Born ungeduldig, „Du mußt doch wissen, wie Deinr Gnädige ihren Tag verbringt, mußt also auch im Stande sein, mir irgend welche Einzelheiten mitzutheilen." „Ich weiß gar nichts", klang es in dem hilflosen Ton völliger Unbenntniß. „Herr Gott, Du wirst mir doch zum Mindesten «rzählen können, wie sie Dich behandelt! Du haft niemals einen Sonntag Nachmittag frei. Also ist sie wohl sehr streng und unfreundlich mit Dir?" Tas Mädchen antwortete nicht, und der Rechtsanwalt, der seinen Kopf vorsichtig etwa» aus der Deckung hob, konnte sehen, wie sie den Fragenden rathlos und fast entsetzt anstarrte. „Wie spricht sie denn mit Dir, wenn sie Dir einen Auftrag ertheilt?" „Sie ertheilt mir doch alle Befehle nur schriftlich. Ich lese sie jeden Morgen von der Schiefertafel ab, die in der Küche hängt." „Ach was! Das klingt Alles so sonderbar. Sicher verbirgst Du mir irgend etwa». Da» ist nicht recht von Dir! Und wenn Du mir Deine Heimlichkeiten nicht erzählst, so ist das ein Zeichen don sehr geringer Liebe!" Sie zuckte schmerzlich zusammen und antwortete betrübt: „Du weißt sehr wohl, daß sch gar nicht im Stande wäre, Dir irgend etwas zu verbergen, wenn Du mich ernsthaft darnach fragst! Aber ich weiß eben nicht» weiter, al» was ich Dir schon gesagt habe. Und daß ich Dich lieb habe, da» kann ich Dir be weisen durch etwa», waS ich Dir heut« mitgebracht habe." Mit stolzer Geschäftigkeit griff sie in die Tasche und drückte ihm den in den Briefbogen emgeschlagenen Briltantring in die Hand. Ihre Augen leuchteten vor Glück, während er neugierig das Papier auieir.anderwickeltr und in freudigem Erstaunen üb«r den kostbaren Gegenstand beinahe erschrak. „Um Gotte« Willen, Mäd«l", rief er leis«. „Ist denn da» Ding echt? DaS ist doch gar nicht möglich!" „Ich wriß nicht", entgegnet« st« in ihrem bei diesen Dort«» gewohnten müden Tonfall. „Aber Du hast Dir doch schon oft einen solchen Ring gewünscht, wenn Du ihn bei Anderen am Finger sahst!" Der RechtSanwalt hatte beim Anblick de» Ringe«, den er so oft an Frau Doctor Römer'» Hans gesehen hatte, wider willen
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