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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010629011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901062901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901062901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-29
- Monat1901-06
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Sonnabend den 29. Juni 1901. Anzeigen «Preis die 6 gespaltene Petitzeile 85 Reklamen unter dem RedacrionSstrich (-gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesürderung 60.—, mit Postbesörderuog 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end» Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgeu-Au-gabe: NachmtttagS 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 95. Jahrgang. IN Ranftsche Gaffe » 'rr k'rieär. Colonialwaarenhandlung, Rarrftädter Steinw , 1 Herr 0. LnKelmunn, Colonialwaarenhandlung, Schützerrftraffe 5 Herr «lul. Helrünlicke», Colonialwaarenhandlung, Weffplaö 3Ä Herr ll. vittrioll, Cigarrenhandlung, ^)orkffraffe 32 (Ecke Berliner Straße) Herr Xitztr, Colonialwaarenhandlung, Jeitzer Straffe 35 Herr V. LÜ8ter, Cigarrenhandlung, Plagwitz Herr 6. Krüt^iuaim, Zschochersche Straße 7u, Reudnitz Herr k'uxmunu, Marschallstraße I, - Herr 0. 8vlimidt, Kohlgartenstraße 67, - Herr öeiittl. IVedvr, Mützengeschäst, Gabelsbergerstraße 11, Thonberg Herr k. üünt86b, Reitzenhainer Straße 58, Volkmarsdorf Herr Oeorx ^iewuun. Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.), Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wollen die geehrten Leser die Bestellung für das III. Vierteljahr 1901 Laldgefälligst veranlassen. Der Bezugspreis beträgt wie bisher vierteljährlich für Leipzig 4 50 mit Bringerlohn für zweimaliges tägliches Zutragen 5 50 durch die Post bezogen für das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn V In Leipzig nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johannisgaffe 8 die Filialen: Katharinenstratze 14, Königsplatz V und ' versitätsstratze 3, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraffe 35 Herr L. 0. Llttel, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstratze 1 Herr Ureoü. keter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 53 O. D. 86lmber1'8 XaelikolFtzr, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straffe (Thomasiusstr.-Ecke) Herr Otto LIaut86dke,Colonialwaarenhandlung, «öhrstraffe 15 Herr Lüuaiti Letter, Colonialwaarenhandlung, Nürnberger Straffe 45 Herr 21. L. Aldreoltt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr R. k'rleüel, Cigarrenhdlg., Zweinaundorfer Straße 6, - Connewitz Frau ti86ll6r, Hermannstraße 23, - Eutritzsch Herr Lobort Altner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Herr liobort Altner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Lindenau Herr Albert I^luäner, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Herr kaut LueL, Annoneen-Lxpelltttoii, Eisenbaknstraße I, _ in Oetzsch-Gautzsch Herr Ltedara Xeu8trutt, Buchhandlung in Oetzsch, in Naunhof Herr Lourrut Let28ebe, Buchhändler. Krisengeriichte und Polenpolitik. LL Berlin, 28. Juni. Etliche redactionell diplomirte politische Wahrsager haben sich das Verzeichniß der preußischen Minister vorgenommen und, wie einst an den Tbürpfosten der Unterthanen des judenfeindlichen Pharao geschehen, die Namen der nach ihrer Meinung dem amtlichen Tode Geweihten mit blutigem Finger berührt. Dabei zeigte sich, daß jeder der Herren seinen eigenen Abgangsfavorit hat: mit Ausnahme der drei erst kürzlich in ihre Stellungen berufenen Herren wurde jeder Minister als für den Ruhestand reif bezeichnet. Thatsächlichen Boden besaß der Schauplatz dieses Sommervergnügens durchweg nicht. Richtig ist nur, daß Herr v. Thielen schon lange den dringenden Wunsch hegt, die Amtswohnung mit seinem prächtigen Landsitz im Westen zu vertauschen und sich mit weinbergbesitzenden Nachbarn über den jeweiligen „Neuesten" zu unterhalten, anstatt dem Grafen Kanitz und dem Herrn Gamp die Beklemmungen wegen der schrecklichen Wirkung eines Mittellandkanals auSzureden. Als bedenklich für das „große Werk" wäre der Rücktritt des Herrn v. Thielen kaum zu deuten, denn „gebaut wird er doch", aber bestimmt nicht von der künftigen Landtagssession an, und bis zur übernächsten Tagung wird der amtSmüde Herr gewiß nicht Minister bleiben wollen. Aber bekanntlich fallen die wichtigeren Sommerentscheidungen in Preußen in der Regel nicht vor, sondern nach der kaiserlichen NordlandSfabrt, und so wird Herr v. Thielen mindestens den Sommer über noch für die Uebcrfüllung der EisenbahncoupsS verantwortlich ge macht werden können. Acut kritisch ist wie gesagt in Berlin zur Zeit gar nichts. Aber auffallen muß es doch, daß eine Thatsache, die dieser Tage neben dem haltlosen Gerede über bevorstehende Ver änderungen im Ministerium in die Erscheinung trat, von allgemeinen politischen Deutungen nicht begleitet worden ist. Die Thatsache nämlich, daß die halbamtliche „Nordd. Allg. Ztg." die Bemerkung der „Nationalztg." über und gegen ein mehr als unfreiwilliges Erlernen derpolnischen Sprache durch die höheren Beamten des Ostens prompt und ohne Vorbehalt wiedergegeben hat. Man hat dem Vorgänge zwar eine ge wisse Beachtung geschenkt, aber nur als ein Symptom für das, was Graf Bülow in den Ostmarken zeihen und nicht gethan sehen will. Dies geschah mit Grund und Recht. Der Ministerpräsident, man darf sagen der Reichskanzler, will gegenüber den Polen wirklich die Politik durchführen, die Herr v. Miquel in der vorigen Landtagssitzung proclamirt bat und deren Nothwendigkeit von dem da maligen Viceprasidenten des Staatsministeriums mit der „gesammten deutschen Stellung des deutschen Staates Preußen" begründet worden ist. Ueber das Proclamiren ist man aber jetzt so wenig hinausgekommen als zur Zeit, da der inzwischen verstorbene vr. v. Hansemann von der ossiciellen Polenpolitik sagte: „Vorn wird getrommelt, aber hinten kommen keine Soldaten". Graf Bülow scheint nicht anderer Meinung zu sein und dem erwähnten kleinen publicistischen UebertragungSacte, den er avgeordnet, kommt vielleicht die Bedeutung einer Abwehr maßregel gegen Politiker zu, die die „Polenpolitik" noch Weiler im Sinne thatsächlicher Vernachlässigung de» Deutsch- thumS, als sie jetzt schon geführt wird, gehandhabt wissen möchten. Die Verbreitung der polnischen Sprache unter den Deutschen in den Ostmarken ist der Gedanke de- Grafen v. Zedlitz-Trützschler, Allen bekannt als Vater des Schulgesetzentwurf- von 1892, aber nicht Jedermann bekannt als die Seele einer dem Deutschthum sehr nachtheilig ge wordenen Politik, deren er sich vor der Uebernahme de- CultuSministerium» als Oberpräsident von Posen befleißigt hat. Die Vermuthung liegt nahe, daß der Herr jene gefährliche LiebliugSidee neuerding« wieder an bestimmenden Stellen mit einem Ersatz zu propagiren gewußt hat, der es dem verantwortlichen Ministerpräsidenten geboten erscheinen ließ, deutlich zu erkennen zu geben, daß er Zweck und unausbleibliche Wirkung einer Politik, dir da- Deutschthum durch Erlernen der polnischen Sprache kräftigen will, durchschaut. Graf Zedlitz ist zur Zeit Oberpräsident in Kassel. Aber bei den Eizentbümlichkritrn de« gegen wärtigen preußischen Regiment« bietet weder die« „Nach geordnete" Amt, noch dieser Aufenthalt in ziemlicher Ent fernung von Berlin die geringste Beruhigung darüber, daß Graf Zedlitz nicht sehr starken politischen Einfluß auSübt. Der Herr Graf hat keinen Grund, seine hochpolitische Carriöre durch den Verlust seines Ministerportefeuilles ab geschlossen zu sehen. Er ist die Hoffnung des CcntrumS, Centrum ist Trumpf und dieser Protestant verdient das Vertrauen der Ultramontanen in vielleicht böherem Maße, als mancher dem Centrum angehörige Katholik, der sich über die Unterwerfung der Schule unter die absolute Herrschaft des Klerus heimlich Gedanken macht. Der Schulgesetz entwurf des Grafen Zedlitz war ausschließlich auf die Machtinteressen der katholischen Kirche zugeschnitten und es bat, waS nicht in Vergessenheit gerathen darf, bei den Con- servativen die schwersten Bedenken erregt. Erst nach barten Kämpfen im Schooße der Fraction besiegten die Herren v. Hammerstein und Stöcker den evangelischen Widerstand und setzten sie ein einmütbigeS Eintreten für das Zedlitz'sche Gesetz durch. Es ist nicht möglich, daß ein Mann, der die klerikale Herrschaft in Preußen stabilisiren wollte und will, die Er haltung des DeutschthumS im Osten ernstlich wollen kann. Denn die Kirche — eS zeigt sich dies auch an der Haltung der maßgebenden nichtöstlichen ultramontanen Presse — strebt die Vernichtung des DeutschthumS in den gemischtsprachigen Provinzen an. Kein Klerikaler hat ein Wort des Tadels darüber gefunden, daß ein polnischer Probst unter Berufung auf den Erzbischof v. Stablewski Deutsche, die bei einem Begräbniß in ihrer Muttersprache beten und singen wollten, bedeuten durfte: hier wir nur lateinisch oder polnisch gesungen. Leider aber beschränkt sich die Unfähigkeit, das Deutschthum wirksam stützen zu wollen, nicht aus Personen von der politischen Eigenart des Grafen Zedlitz. Man kann das wärmste Herz für seine Nationalilät haben und auch die von Herrn v. Miquel hervorgehobene reichspolitische Be deutung der Polenfrage wohl erkennen: wenn man nicht den Muth besitzt, dem Centrum Wohlgefälliges zu unterlassen und dem Centrum Mißfälliges zu thun, so ist und bleibt man außer Stande, für das Deutschthum zu handeln. Und so geschieht denn auch, wie zum Ueberfluß noch einmal in der soeben erschienenen Schrift eines Herrn Krahl, auf die wir noch zu sprechen kommen werden, dargethan wird, thatsächlich nichts Rechtes. TaS Deutschthum wird wie Hamlet mit Versprechungen gefüttert, die heutige Polen politik ist im Grunde die frühere Caprivi'sche, nur mit schwarz-weiß-rothen Fähnchen auSg-putzt. Wenn Graf Bülow den Schein in Sein verwandeln will, so muß er mit der inneren Gesammtpolitik und vor Allem mit seinem College» Or. Studt brechen. Der Krieg in Südafrika. Krüger. * Rotterdam, 28. Juni. (Telegramm.) Präsident Krüger ist heute Vormittag von hier zu achttägigem Aufenthalt nach Kämpen (Provinz Overijssrl) abgereist. Auf dem Bahnhof waren zur Ber- abschiedung Vertreter der staatlichen und städtischen Behörden an wesend. Eine große Menschenmenge brachte dem Präsidenten leb- haste Huldigungen dar. " Kämpen, 28. Juni. (Telegramm.) Präsident Krüger ist heute Vormittag hier angekommen. Bei der Ankunft hielt der Vorsitzende de- Lmpfang-comits« eine Begrüßungsrede. Später wurde der Präsident im Stadtbause vom Gemrinderathe empfangen. * L-ndon, 28. Juni. (Telegramm.) Eine Drahtmeldung de- „Stand." meldet, beim gestrigen Empfange mehrerer Ab ordnungen boerenfreondlicher Bereint erklärte Krüger, der Krieg werde mindesten« noch rin Jahr dauern, aber alle Hoffnung aus Einmischung Rußland« oder anderer Großmächte müsse endgiltig aufgegeben werdeu. (Boss. Ztg) Wieder eine engltsche Schlappe. * »tddeldur«, S7. Juni, „«enter « vnrea«".) Bei dem «uartkke, den «-V.eren aeftern auf Richmond machten, hatte die drttifche Garnison « T.dte und 6 verwundete. (Richmond liegt in der Capcolonie, südlich von de Aar. — Die Kra,t der siegreichen eng- ltschen Arme» zeigt sich sichtlich erlahmt; wo immer sie mit den voeren zusammrnstüßt, bekommt sie Schläge, und dies, sind in letzter Zeit hageldick «uf einander gefolgt. Da« sollt« doch in London zu denken geben. Den Siegern gelingt nicht« mehr. D. Red.) Die Wirren in China. Tie Gefährlichkeit der Lage in China. Au» Shanghai, 20. Mai, schreibt man uns: In den kaufmännischen Kreisen nicht nur Shanghais, son dern auch aller anderen Hafenstädte Chinas, herrscht eine wesent lich ungünstigere Auffassung über die Lage, als in Peking; die chinesischen Compradores und die chinesischen Kaufleute sehen trübe in die Zukunft. An ein Wiederaufblühen des Ge schäftes ist noch gur nicht zu denken. Wenn in den letzten drei od- vier Wochen von Zeit zu Zeit ostentativ erzählt wurde, die wesen träten bereits wieder als Käufer auf, so handelt es ch dabei lediglich, wie Ihr Correspondent nach sorgfältigster Umfrage hat fcststellen können, um die allergewöhnlichsten Stapelartikel des Schnittwaarengeschäfts; die Chinesen haben seit einem Jahre nichts mehr gekauft und müssen jetzt Geld für die nothwendigste Kleidung anlegcn, wenn sie nicht nächsten Winter nackt Herumlaufen wollen. Aber das berechtigt noch lange nicht zu der von gewissen Seiten neuerdings sehr laut betonten Annahme, der Handel lebe wieder auf. Im Gegentheil, es sicht recht trostlos aus. Aus dem Innern kommen Hiobsposten über Hiobsposten. Nun ist es ja allerdings richtig, daß China alljährlich im Sommer ein paar kleine Revolutiönchen und Putsche zu verzeichnen bat. Aber nach den Mittheilungen der Chinesen selbst nehmen diese jetzt bereits, wo das warme Wetter noch nicht einmal so richtig eingesetzt hat und die Felder den herumziehenden Banden noch nicht genug Nahrung bieten, einen ganz erheblich größeren Umfang an, als das sonst der Fall ge wesen ist. Auch läßt sich ein gewisser Zusamenhang zwischen den Bewegungen der Aufständischen nicht verkennen. Ganz besonders ist das im D a n g t s e t h a l der Fall. Die Generalgouverneure halten hier mit ihrer Besorgniß durchaus nicht hinter dem Berge. Sie haben weniger Truppen als je zur Verfügung; im Laufe der Monate ist ein Regiment nach dem andern nach dem Norden gesandt worden. In Nanking ist es dem Vernehmen nach bereits wiederholt in den letzten Tagen zu Unruhen gekommen; es scheint, als ob dort die Regierungstruppen bisher immer sofort wieder Herren der Lage waren; aber daß auch dort Vorsicht geboten ist, geht aus einem viceköniglichen Befehle hervor, wonach die Thore der Stadt allabendlich um 9 Uhr zu schließen sind. Daß es in der Provinz Chihli überall gährt, kann keinem Zweifel mehr unter liege», das Armeeobercommando selbst giebt zu, daß in den bis vor ganz Kurzem von den Franzosen besetzten District von Ruhe und Ordnung nicht mehr die Rede sein kann. Aus der Mongolei kommen Gerüchte von einem Vorgehen wilder mohammedanischer Truppenhorden, die unter der Führung des Generals Tung- Fs u - h s i a n g stehen sollen und die die Fahne der Empörung gegen den Hof in Hsianfu aufgepflanzt hätten.*) Wie weit im Einzelnen die Meldungen den Thatsachen entsprechen, ist schwer zu übersehen. So viel aber geht aus ihnen zweifellos hervor, daß das Vertrauen der chinesischen Kaufmannschaft zu der Zu kunft fehlt, und das ist ein untrügliches Zeichen dafür, daß noch lange nicht Alles in Ordnung ist. Ihr Correspondent wird vielleicht von den Ereignissen über holt werden; aber er glaubt, daß ein Bild von der heutigen Stimmung in den chinesischen Hafenstädten, mögen die Dinge sich nun auch entwickeln, nach welcher Seite sie wollen, nicht werthlos ist. Er hat aber geglaubt, sich nicht allein auf dieses Stimmungs bild beschränken zu sollen, sondern auch den Gründen nachforschen zu müssen, die zu einer so pessimistischen Auffassung der Lage führen. In dieser Beziehung scheint ihm nicht ohne Bedeutung zu sein, in welcher Weise die chinesische Regierung den Verpflichtungen gerecht zu werden versucht, die ihr aus dem Präliminarfrieden erwachsen. Es wird erinnerlich sein, daß danach überall im Lande kaiserliche Edicte angeschlagen werden sollten, in denen nicht nur die Zugehörigkeit zu geheimen Gesellschaften mit der Todesstrafe bedroht, sondern auch die Beamten für die strikte Aufrechterhaltung von Ruhe und Ord nung in ihren Bezirken persönlich haftbar gemacht werden sollten. Nachdem ein Vierteljahr seit dem Abschluß des Präliminar friedens ins Land gegangen war, wurden endlich die Edicte er lassen, und jetzt, fast noch zwei Monate später, werden sie endlich überall im Lande angeschlagen. Es ist nicht bekannt, ob der Wortlaut dieser Edicte den verbündeten Mächten vor- aelegen hat, ehe sie veröffentlicht werden durften. Anzunehmen ist, daß das nicht der Fall gewesen ist. Jedenfalls ist der Ein- druck, den sie auf das Volk machen, dem gerade entgegen gesetzt, der beabsichtigt war. Ganz abgesehen davon, daß sie der historischen Entwickelung der Ereignisse des letzten JahreS in keiner Weise gerecht werden, vielmehr grobe Unwahr heiten enthalten und in dieser Hinsicht das Volk auf falsche *) Tung-Fu-Hsiang soll nach den letzten Meldungen bekannt lich ruhig bleiben, Prinz Tuan dagegen auf dem Marsche nach Peking begriffen sein. D. Red. Wege führen, sind sie auch keineswegs geeignet, daS Volk zu beruhigen, im Gegentheil eher dazu angethan, Mißstimmungen im Volk heraufzubeschwören. In dem ersten Edict heißt eS gleich: „Ihr, das Volk, die Ihr Euch zu den gewöhnlichen Zeiten von den Erzeugnissen des Bodens 'mährt, den Ihr tretet . . . habt trotzdem den Muth gehabt, ... der Staatsgewalt Widerstand zu leisten u. s. w." Mit großer Berechtigung machen die Agitatoren, deren es im Lande wahrlich genug giebt und die heute genau so frech auftreten, wie je, sich diese Wendung zu Nutze und weisen nach, wie schwer das ganze Volk durch sie be leidigt worden ist. Man darf schließlich doch nicht aus dem Auge lassen, daß Millionen von Chinesen sich niemals an dem Frem denhaß betheiligt haben, im Gegentheil Alles, was in ihren Kräften stand, gethan haben, jene Agitatoren von ihren Dörfern, Städten und Districten fernzuhalten, die sie in die revolutionäre Bewegung hineinzuziehen bemüht waren. Noch viel schlimmer aber erscheint es dem Chinesen, daß der Kaiser selbst die ganze Schuld für die Ereignisse des letzten Jahres auf sich nimmt. „Es lag anunserengeringenFähigkeiten", sagt der Kaiser darin von sich selbst, „daß Wir nicht im Stande waren, die un wissende Bevölkerung auf die rechten Wege zu leiten, weshalb wir ungeheure Fehler verschuldet haben u. s. w." Man braucht kein großer Kenner der Chinesen zu sein, um zu sehen, was in dieser Redewendung enthalten ist. Mit ihr „ver liert" der Kaiser vollständig in den Augen seiner Unterthanen „sein Gesicht"; man weiß aber, was es in China heißt, wenn Jemand „sein Gesicht verliert". Es kommt eben Alles darauf an, daß das „Gesicht bewahrt wird". Das Volk glaubt schon dieser einen Wendung halber nicht, daß der Kaiser selbst das Edict erlassen hat. Wenn man weitcrliest, muß ferner aufsallen, wie durch sämmtliche Schriftstücke das Bestreben geht, von denen, die eigentlich schuldig sind, die Verantwortung abzuwälzen, näm lich von den Rathgebern der Krone. So bieten denn die kaiser lichen Edicte viel neuen Brennstoff zur Beun ruhigung des Volkes. Neben den gewerbsmäßigen Hetzern und Agitatoren nutzt auch die Reformpartei diese Edicte nach Kräften gegen die bestehende chinesische Regierung aus. Selbst verständlich ist das Alles nicht geeignet, in dem Sinne zu wirken, der bei der Forderung der Erlasse maßgebend war. Deutsches Reich. --- Berlin, 28. Juni. (Eine Interpellation des CentrumS über das deutsch-österreichische Ber- hältniß.) In einer Polemik gegen die Freunde der für ihr Deutschthum kämpfenden fortgeschrittenen österreichischen Parteien wird in der „Köln. VolkS-Ztg." der Vorschlag zu einer großen parlamentarischen Action gemacht. ES heißt da nämlich: „ES wäre aber auch recht wünschenSwerth, wenn dem deutschen Reichskanzler demnächst, etwa durch eine Interpellation des EentrumS, die Gelegenheit geboten würde, diesen unbe rufenen Hetzpolitikern, die das deutsche Reich im AuSlande nur compromittiren, ganz gründlich hrimzuleuchten. Für da- Ber» hältniß mit Oesterreich dürfte eine derartige amtliche Kund gebung nach all der Hetze nicht nur nützlich, sondern beinahe noth- wendig geworden sein." Man sieht, „Pater Lamormain" ist noch am Leben und übt seine gedeihliche Tätigkeit aus. Denn „wär' der Ge- dank' nicht so verwünscht gescheit, man wär' versucht, ihn herzlich dumm zu nennen". Denn auf den ersten Blick er scheint e« al« herzlich dumm, wenn diejenigen, die noch über daS Grab hinaus die Todfeinde de- großen Begründer« des deutsch-österreichischen Bündnisses sind, sich als die Hüter der großen BiSmarck'schen Schöpfung denen gegenüber aufspielen wollen, die die treuen Verehrer deS großen Kanzlers sind. Der Gedanke ist aber thatsäcklich „verwünscht gescheit: einmal wird nämlich dem Centrum Gelegenheit gegeben, sein Müthchen an den nationalen Parteien zu kühlen, zweiten« hofft e«, bei einer solchen parlamentarischen Action den Reichskanzler womöglich dahin bringen zu können, ein verurtheilendeS Wort über die Los von Rom-Bewegung auszusprechen; schließlich und hauptsächlich aber kommt e» ihm darauf an, sich al« den alleinigen Hort der vitalsten Interessen hinstellen zu können. Wir sehen ordentlich schon Herrn Or. Lieber vor un«, wie er mit dem ihm eigenen PatboS und seiner würdevollen Langsamkeit tiefe staat«männische Weisheiten über den Drei bund und den Weltfrieden zum Besten giebt. Denn daß der Weltfrieden aus da« schwerste gefährdet ist, wenn e deutschnationale Kreise auch fernerhin mit den österreichischen I radikal deutschen Parteien sympatbisiren, darüber ist sich I di« „Kölnische Volkszeitung" vollkommen klar. Dann «her
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