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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189905132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18990513
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18990513
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-13
- Monat1899-05
- Jahr1899
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1899
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— 76 5. Krau Barbara Uttmarm saß am Erkerfenster und war bestrebt, da» mühsame, seine Gewebe zu schlingen, besten Her- stÄmg sie vor Jahren "hon der vertriebenen Hugenottin er- lernt hatte. Cavric« glitt schwebend von einem zum andern, wie ein LögKkn, da» da» rechte Zweigle*« nicht gesunden hat. »Willst Lu nicht gleichfalls die müßigen Hände rühren?" fragte Frau Barbara, .Da» Spitzengewebe, welches zum Besatz der sammtnen Altardecke bestimmt ist, wartet läng stauf feine Bollendung. »Rein, Herrin, ich mag nicht fitzen gleich Euch — wie angenagelt. . . ." »Deine Mutter, die Glaubenskämpferin, war anders, sie »ar eine Biene. Du aber bist rin Schmetterling!" »Wohl hab: Ihr recht, Frau Barbara! Ich liebe es in Wahrheit, um die Blumen zu gaukeln," erwiderte die Fran- Mn, indem sie von den RoSmarinstöcken deS Erkersensters ei» paar grüne Zweiglei» brach und als Wohlriechendes an da» seidene, goldverorämte Mieder heftete. „Der Stadtschreiber ist ein Thor, daß er Dir nach- läuft. . . »Heiß ich'» ihm?" lachte Caprice. »Er wird nimmermehr eine gesetzte, ehrbare Hausfrau au Dir gewinnen!" »Rein, nimmermehr! Dam ich würde ihm auS Frau Stadtschreibertn «in Fegefeuer bereiten, daß er gauz rein ge brannt sei» würde, wenn er dereinst von der Welt Abschied nimmt. Daß ich'» versteh, werdet Ihr zugeben müssen!" Frau Barbara nickte lächelnd. »Wahrlich, sein Fegefeuer sollte heißer sein als die Hölle selbst, just wie er e» verdient!" »Laß die Narreteien und nimm die Laute! Die Klöppel i» meinen Händen mögen den Takt schlagen!" Caprice ging, das Instrument droben aus ihrem Zimmer zu Hellen. Sie war eine Meisterin im Gesang, gleichviel ob die West« lustig oder traurig waren. Sie stimmte und ver suchte zuerst «in paar Tanzweisen. Dann aber, Frau Barbaras Geschmack kennend und würdigend, begann sie rin französisches Liü>, da» sie noch von ihrer Mutter, der Hugenottin, gelernt hatte. ES gab dem Kummer Ausdruck, den die glaubenSmu- thige Französin empfunden hatte, als sie das geliebte Vater land zu verlassen gezwungen war. Frau Barbara» weiße Hände aber rührten sich immer fleißiger nm Gelang, das Auseinanderschlagen der Klöppel klaug irr der Thot wie eine andere rhythmische Begleitung des Liede». Al» Laute und Gesang schwiegen, machte auch sie un- willkürlich eine Panse. Und da in diesem Augenblicke auch der Bergherr erschien, schob sie ihre Arbeit bald ganz über die Sette, um ihren Eheherrn mit Speise und Trank nach Gebühr zu bewirken. Caprice aber huschte in beginnender, frühzeitiger Abend dämmerung die srstgesrormen Straßen hinab, bis zum Kilians gäßchen» wo Renate wohnte. Sie hatte das Mädchen seit dem Tode der Ahne »och nicht wieder gesehen und war be gierig, von ihr zu höre». Leider sand sie die Verlaßene trauriger noch als beim Tod« d«r Ahne. Denn di« letztver- gsngene» Tag« hatten Renate ausreichend belehrt, mit welchen S^oierigttUe» sie zu kämpfen haben würde. Wohin sie sich gewmrdt hatte mit der Bitte um einen Dienst, war sie abgewiesen worden. Jeglicher ehrliche Erwerb ward der Ea- kttochter der .Hexe" versagt. Weinend theilte sie der jungen Französin ihr Unglück mit. »Diese Uabamherzigen und Gottlosen! Wahrlich, sie sind selbst vom Teufel besessen. Euch so grausam von ihrer Thür zu jagen!" rief Caprice zornsunkelnd. „Ich möcht' eS ihnen rintränken! . . . Aber vermag meine Herrin nicht zu helfen? Sie redete davon, eine Gürtelmagd zu nehmen, die Ihr das Mieder schnürt und die Schnallenschuh aufnestelt. Paßi Euch der Vorschlag?" Renate war förmlich erschrocken. Die Enkeltochter der „Hexe" in das Haus des Bergherrn? Es schien dem zehnmal abgewiesenen, verachteten Mädchen wie eine Unmöglichkeit. Doch wußte ihr Caprices geläufiges Zünglein bald ein wenig Vertrauen zurückzugeben. „Verlaßt Euch auf meinen Kopf, er wird das Ding schon am rechten Zipfel anzusasien wissen," versicherte sie. „Frau Barbara ist allezeit barmherzig, und dem gestrengen Herrn Bergherrn werde ich ein Schnippchen schlagen! Halt, da ist Herr Justus Baumgärtner! Aber trägt er nicht eine Leichen- bitter-Miene? Jft's Ernst oder Scherz, Herr JustuS?" Leider schten's bittrer Ernst zu sein; der Anblick der Ge liebten erfreute ihn augenscheinlich, aber die finstere Wolke auf der breiten Stirn vermochte er doch nicht zu zerstreuen. Bruder Stadtschreiber hatte ihm im Bürgermeisterhause eine scharf gesalzene Suppe eingebrockt durch die hinterbrachte Kunde von der „Liebelei" des Bürgermeister-SohneS mit der Enkeltoch ter der Greta Hepperlein. Es hatte viele harte Worte, Flüche und zornige Reden gegeben. DaS Ende vom schlimmen Liede war der Entschluß Justus Baumgärtners, das Vaterhaus und die Stadt zu verlassen. »Nur um Dich ist mir bang und schwer umS Herz, sonst ist mir's frei und leicht plötzlich, wie dem Falken in den Lüften!" schloß er die Rede, indem er Renate an die breite Brust zog. „WaS soll aber auS Dir werden allhier?" (Fortsetzung folgt.) Maiglöckchen. Maiglöckchen läutet so zart uud hold, AlS s-i eS von Silber, als sei S von » old, So duftig rein ist sein himmlischer Klang, AlS zögen die Elsen den Glockenstrang AuS Maiglöckchens Läuten ilingt ein Lied, DaS wie ein Mahnen durchs Herze zieht, ES singt von sonniger, wonniger Zeit, Von Liek et glück und Seligkeit; Es si'gt vom Be blühen, von Schmerz und Pein, Von den Wmt.rflocken auf Flur und Hain, Von den Wintnslocken auf Haupt und Herz, Von b.mgem Wehe und TrevuungSschmerz. Mein Busen kekt. das Auge wird feucht, Ich habe zum S lümlein mich niedergebeugt, Da blin't mir in Tröpflein entgegen so klar: Möcht wissen, od'S Thau oder Thräne war? Denk- «ad Sinusprüche. Sei milde stets und halte fern Von Hoffart deine Seele! Wir wandeln alle vor dem Herrn DeS WegS in Schuld und Fehle. Woll' einen Spruch, woll' ein Geheiß Dir in die Seele schärfen; Es niöge. wer sich schuldlos weiß, Den Stein aus Andre werfen. D'e Tugend, die voll Stolz sich giebt, Ist eit'leS Selbsterheben; Wer alles Rechte wahrhaft liebt, Weiß Unrecht zu vergeben. Fontane. Druck mV Verlag von Langer t Winterlich in Riesa. — Kür die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt in Riesa. MM an d er ML, velletr. «rsttsbeikage za» „Riesaer Tageblatt" Rr. >» Ries«, »m I» «-I »8»». Kchq. Fra« Barbaras Kunst. Erzählung von Zoe von Reuß. (Fortsetzung.) „Störe ich? Jungfer Renate hat sürnehmen Abendbe such?" sagte Frau Barbara ein wenig scharf. „Jst's nur um Eure Ahne im Verließ, daß Herr Justus Baumgärtner zu Euch kommt? Wenn er auch rin Handwerksmann ist, so ist er doch auch ein Bürgermeistersohn ..." „Herr JustuS hat mir Kunde gebracht, daß die Ahne morgen heimkehren darf!" berichtete Renate, in diesem Augen blicke über den Besuch vielleicht mehr erschrocken al» erfreut, indem sie aber doch mit Schicklichkeit Frau Barbara den ein zigen, ledergepolsterten Stuhl hinschob. „Churfürstliches Malefizgericht hat beschossen, die Alte freizugeben, weil mein Vater, der Bürgermeister, für seine Nachbarin ringetreten ist," erklärte jetzt JustuS, der Täschner, der als dritter Sohn des Bürgerhause» wie löblich und ge bräuchlich ein ehrlich und golden Handwerk erlernt hatte. „Auch hätte sie die zweite Folter schwerlich ertragen, darum schickt man sie lieber heim." „Ei, da fügt e» sich ja prächtig, daß ich Eurem einsamen Hausstande auszuhelfeu komme, Jungfer Renate," sagte Frau Barbara erfreut. „Der Rest des Korbe» enthält freilich wenig mehr, und war nur für ein Vöglein wie Ihr bestimmt. Neben der Milch Eurer Ziege würden Euch Obst und Trauben und ein halber Laib Brod sicherlich auf eine Woche gesättigt haben. Nun mag Euch die Ursula morgen noch ein fette» Hühnlein und eine Mandel Eier bringen, die Ihr der Ahne bereiten sollt. Wie kam e» nur, daß sie allerwegen für eine Hexe galt?" „Kann's selber nicht sagen, aber daß sie'» nicht gewesen, weiß ich ganz gewiß, Frau Barbara Uttmann," betheuerte Renate zuversichtlich, indem sich die schönen, blauen Augen wieder mit Thränen füllten, die groß und schwer die zarten, abgehärmten Wangen herunterfloflen. „Weil unsere Ziege niemals blaue Milch gab, und die Böckchen lustig neben der Mutter heranwuchsen, obgleich wir kein Wiesenland besitzen, und unsere Hühner die größten Eier legten, gab es reichlich Feinde im Kiliansgäßchen für die arme Ahne. Daß der Zie« grnstall immer frisch gestreut war, und der Hühnerboden warm, fast wie ein Backofen, wollten sie nicht gelten lassen. Die Ahne ist freilich sehr klug, und hört fast da» Gra» wachsen. Sie kennt alle guten und bösen Kräutlein draußen im Felde, und weiß die passenden Tränklein daraus zu brauen: Wach holder, Flieder, Schafgarbe und Kamille hängen wohl zusam mengebunden und trocken verwahrt über dem Küchenheerd. Aber auch von dem giftigen Fingerhut weiß sie noch ein hei lende» Tränklrin zu brauen: Jungfer Christine Wachsmut, die ein krankes Herz besaß, hat eS ost mit einem „Gottlohns" empfangen und verbraucht. Freilich, gestorben ist sie am Ende doch. Auch daß der Kater der Ahne einst bi» auf den Markt nachgeschlichcn, aber an der Kirchenthüre flugs umgedreht, wußten sie übel zu deuten. Gelt, H!nz, du wußtest aber ganz genau, daß in dem Henkeltopf, den sie trug, dein Milchantheil verborgen war, um ihn dem kranken Schneider zu gönnen!" wandte sie sich an den buckelnden Hausfreund, der hinter dem t Ofen hervorgeschlichen kam, als gehöre er auch mit dazu. Und s in der That ward Greta Hepperlein» Freundschaft mit ihrem schwarze», Kater al» ein starker Beweis ihrer Schuld von ihren auflässigen Feinden angesehen. „Ich weiß, Ihr seid ein gute» Kind, und werdet die Wunden der Greta mit geeigneten, milden Kräutern waschen, auf daß sie bald verheilen," sagte Frau Barbara, mit der weißen Hand sanft die Wange de» MWchm» streichelnd. „Und an einer Flasche Rheinwein» soll «» auch nicht fehlen, um Eurer Ahne aufzuhelfen." „Ich selbst werde sie Euch bringen, Jungfer Renate," ließ sich plötzlich auch Caprice vernehmen. »Dann aber wollen wir plaudern — gelt? Und wenn Herr JustuS auch dabet sein will — nun, dann werde ich Tugendleuchte sein!" setzte sie mit schelmischen Augenblinzeln hinzu, indem sie dem jungen Täschner sogar sehr verständnißvoll zunickte, zum offenen Miß vergnügen Frau Barbara». „Freilich werde ich wiederkommeu, um nach der Ahne meiner liebsten Spielkameradin zu sehen, und da Ihr keine Kopfhängerin zu sein scheint, soll e» «ich freuen, die Jung fer allhier zu finden," antwortete JustuS mit zierlicher Ver beugung, der man den Bürgermeisterssohn nicht abstntten konnte. »Ihr gefallt mir, Herr JustuS! Wahrlich, Ihr seid der erste, an den ich mein Herz verliere« könnte, hier in diesem Türkenlande!" lachte die kleine Französin. „Schweige und schäme dich!" schalt Frau Barbara. „Wahrlich, deine Mutter, die um ihre» Glauben» willen ihr Vaterland verließ, war weit ehrbarem und gesetztem Sinne»!" „Halte ich nicht gleichfalls aufrichtig zur neuen Christen lehre? Zürnt nicht um den Scherz, Frau Barbara!" bat Caprice, indem sie den auf Sammtschuhen umherschleichmden Kater aufgriff, und wie rin Wickelkind in ihren weitsaltigm Mantel nahm. „Komm heim, Mädel!" schloß Frau Barbara den Wort wechsel. „Der Bergherr wird auf die Abendsuppe warten und verspürt vielleicht auch noch Lust zu einer Schachpartie. »Wollt Ihr unS heim begleiten durch die Finsterniß?" wandte sie sich an den jungen Täschner, wahrscheinlich weniger um die entbehrliche Begleitung als um ihn nicht wieder mit der schönen Spielkameradin allein zu lassen. WaS er Gute» ge wirkt an der Befreiung der Ahne, schien Frau Barbara kaum nennenSwerth und wäre mit einem Kusse von RmateS keuschen Lippen zu theuer bezahlt gewesen. 3. Lichte, federartige Schneeflocken trieben in der Lust uud ließen niederfallend die Tümpel und Pfützen der Straße» in . winterlichem Frost erstarre». Im Hause de» Bergherru rüstete ' man bereit» auf Weihnacht. Der Rathshrrr von Elterlein in Nürnberg hatte auf Wunsch Frau Barbara» einen jungen Maler nach Aauaberg gesandt, der ein Schüler Albrecht Dürer» war, um Antvtz und Gestalt der jungen Hausfrau abzukonterfeien. Da» Bild- niß sollte de» Weihnachtsgeschenk an ihren Eheherm werden. Jeden Morgen saß sie zwei Stunden lang droben im Kabt- net des Malers, der mit wunderbarer Geschickllchkeit ihre schöne, frauenhafte Gestalt auf die auSgespamtte Leinwand P, bann«
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