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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010705019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901070501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901070501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mattzes und Nalizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzeigett «Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reelamrn unter dem RedacNonSstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach» richtea («gespalten) 50 Ls. Tabellarischer uad Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteoanuahme L5 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung ^ll 70.—. Änuahmeschluß fSr Anzeigen: ) Abead-Au-gabe: Vormittags 10 Uhr. > Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. , Bei den Filialea und Auaahmestellea je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags unauteÄrochea geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck uad Verlag von E. Holz ta Leipzig 337. GH Freitag den 5. Juli 1901. 95. Jahrgang. Rom und die Mischehen. -S- Der durch die Immediateingaben der bayerischen Bischöfe hervorgerufene Kirchenstreit hat dem internationalen KlerikalismuS wieder einmal willkommenen Anlaß geboten, der durch eine moderne geschichtliche Entwickelung bedingten Kirchenhobeit deS Staates gründlich zu Leibe zu gehen. Es verlohnt sich diesmal schon, den kirchlichen Hintergrund dieser klerikalen Haupt- und StaatSaction etwas näher zu unter suchen, und da wird man auf das vielbehandelte und keines wegs so einfache, jedenfalls aber sehr zeitgemäße Thema ge führt: Rom und die Mischehen. Ein katholischer Lehrer, der mit einer Protestantin vcr- beiratbet ist und seine Kinder evangelisch erziehen läßt, — man weiß, wie dieser „Fall" in der ultramvntanen Presse breitgetreten worden ist und welchen Jubel es erregte, als der bayerische Episkopat hierüber an den Prinzregenlen appellirte. Ob der darob ertheilten abschlägigen Ant wort ging da- bekannte Murren und Murmeln durch die klerikalen Blätter. Nicht daß man dies gerade tragisch zu nehmen brauchte, aber man wird sich von Neuem fragen müssen : Warum rollt Rom immer wieder mit einer besonderen Vorliebe die Frage der Mischehen auf? Man muß sich hier zunächst auf einen streng historischen Standpnnct stellen, um dann im Lichte der Vergangenheit ein um so be stimmteres Urtheil für die Gegenwart zu gewinnen. Bereits in den frühesten Zeiten der christlichen Kirche gab es hinsichtlich der Mischehen eine strengere und eine mildere Auffassung. Während die Trullanische Synode 692 in ihrem 72. Canon jede Ebe mit Heiden, Juden und Ketzern für absolut ungiltig erklärte und damit die Meinung der morgenländischen Kirche zum Ausdruck brachte, hat die abendländische Christenheit in den ersten sieben Jahrhunderten derartige Mischehen zwar ausdrücklich aemißbilligt, aber dock nicht rundweg verboten. 'Im Mittelalter haben die Päpste dringend vor der Ehe mit Häretikern abgerathen, wobei jedock eine eigentliche, gesetzliche Strenge nur die Juden treffen sollte. Aber „all mählich", so sagt ein katholischer Gelehrter zu diesem Gegenstände, „wurde ... der in den Canoneö ausgesprochene Grundsatz, daß zwischen einem Ungläubigen und einem Christen eine wahre Ehe nicht bestehen könne, in einem allgemeineren (!) Sinne aufgefaßt, und cs bildete sich auf dem Wege der Gewobnheir (!) das Ehebindern iß der sogenannten cultus cki8puritas (Religionsvcrschiedenheit), wo nach solche Ehen als Null und nichtig betrachtet wurden." In der Theorie und so lange es praktisch anging, wurde dieser Standpunkt auch den Protestanten gegen-, über beobachtet. Demgemäß verlangte die römische Kirche wenn anders überhaupt eine für sie rechtsgiltige Mischehe zu Stande kommen sollte, von dein protestantischen Theil ein Abschwören seiner Häresie und dazu das feierliche Versprechen, alle etwa kommenden Kinder katholisch erziehen zu lassen. Wurden diese „Cautionen" nicht gegeben, dann lag ein „stillschweigend erklärter Abfall" und eine „schwere Ver sündigung gegen daS innerste Wesen der Ebe" vor und die Kirche handelte danach. Das Tridentiner Concil (1545—1563) regelte in seiner 24. Sitzung die streng katholische Form der Eheschließung und man nahm ohne Weiteres an, daß auck die Protestanten — als durch die Taufe der katholischen Kirche zugehörig — der römischen Satzung unterworfen seien. Daß die Evangelischen doch noch etwas Anderes sein könnten, als eine Seele im Sinne jener antikirchlichen Parteien der alten Zeit, diese Möglichkeit kam für die allein seligmachende Kirche schon damals gar nicht in Betracht. Auch kümmerte eS Rom wenig, daß im westfälischen Frieden den Protestanten eine staatliche Gleichberechtigung mit den Katholiken zugesprochen wurde; unbequeme Bestimmungen der weltlichen Macht sind von den Päpsten von jeher kurzer Hand verdammt worden, also hätte auch dies die römische Auffassung von den Mischehen im engeren Sinne, zwischen Protestanten und Katholiken, niemals alteriren können. Aber mit Luther waren doch die Zeiten vorbei, da sich daS große Volk blindlings und urtbeilsloS dem RomaniSmus unterlvarf. Die Protestanten, wie wäre das auch anders zu erwarten ge wesen, beugten sich dem Tridentinum eben nickt. Daraus ent standen für die römischeKirche eine Menge praktischer Schwierig keiten, und es ist nun interessant, zu beobachten, wie Rom nach und nach von der strengen Auffassung deS TridentinumS ab wich. Schon die Kölner Synode 1651 verzichtete auf daS Abschwören der Häresie, wofern nur die katholische Kindererziehung zugesagt würde. Fürstlichen oder einfluß reichen Persönlichkeiten gegenüber steckte man in diesem Sinne besßpderS gern einen Pflock zurück. Eine katholische Quelle bietet selbst einige Beispiele hierfür: DaS Verhalten Clemens VIII. bei der Ebe des Herzog- von Lothringen mit Katharina, Tochter Ieanne d'Albret'S von Navarra; Urban'S VIII. bei Maria Henriette von Frankreich mit Karl I. von England; Clemens XI bei Graf Philipp Ernst von Hohen lohe und seinerprotestantischen Braut. Recht eigenthümlich macht sich hierzu die Entschuldigung: „In den genannten Fällen konnten die Päpste von dem Kirchengesetz um so eher ab gehen, als da» öffentliche Wohl von Kirche oder Staat (!) die Abschließung dieser Ehen befürwortete." Es fand sich auch noch ein anderer AuSweg. Wohl sollte eine Ehe nichtig sein, die nicht nach tridentinischen Grundsätzen geschloffen wäre, aber diese Strenge sollte nur in den Gegenden walten, wo da» Tridentinum eine ordnungsgemäße Verkündigung er fahren hätte. Da» ließ sich in den meisten Fällen natür lich nur sehr schwer Nachweisen, und so war für paffende Gelegenheiten eia neue» Hinterpförtchen gewonnen. UeberdieS erfolgten einige gewichtige päpstliche Sonderbestimmuagen für einzelne Länder. Eine gewiffe Berühmtheit hat in dieser Beziehung da von Benedict XIV. unter dem 29. Juni 1748 nach Polen gerichtete Breve erlangt, und noch wichtiger war die von demselben Papste Heren« 1741 abgegeben«, zunächst für Holland und Velgieu berechnete „Erklärung über di« Ehen zwischen Protestanten und Katholiken". In den genannten La»d«ru sollt« danach rin« Misch«h« auch da»» giltig sein, wenn sie nicht den Tridentinischen Bestimmungen gemäß, sondern nur auf Grund der Staatsgesetze geschlossen wäre. Andere Päpste haben diese- Vorrecht weiteren Gebieten zu gänglich gemacht, Clemens XIII. 1761 für Quebec und Canada, 1765 für Breslau und Malabar, 1767 für Bombay; späterhin ist dies Privileg auf Culm, Russisch-Polen, Irland, Cleve und Neu-OrleanS ausgedehnt worden. Nur ungern machte Rom bezüglich der katholischen Kindererziehung hier und da einige Concessionen, aber es ist doch beispielsweise bedeutsam, daß man sich gelegentlich auch mit einer Theilung der Kinder nach dem Geschlechte zufrieden gab; man vergleiche hierzu das fürstbisckösliche Reglement für Schlesien vom 8. August 1750. PinS VIII. wies in einem Breve vom 25. März 1830 den Kölner Episkopat an, selbst bei mangelndem Versprechen einer katholischen Kinder erziehung den Consens der eine Mischehe eingehenden Braut leute entgegenzunehmen, auch den Eintrag ins Traubnch zu vollziehen, aber von jeder Feierlichkeit abzuseben und nur eine sogenannte „passive Assistenz" des Priesters zuznlaffen. Eine weit schärfere Verordnung hatte Pius VI. vorher erlassen, allerdings für die österreichischen Staaten zuvörderst nur inS Auge gefaßt: Nicht nur, daß hier in jedem Falle bei Schließung einer Mischehe die solenne Form in Wegfall kommen sollte, es wurde daneben ohne Ausnahme die eidliche Versicherung einer katholischen Erziehung aller Kinder verlangt, „sowie die nach Kräften, d. h. durch Gebet und gutes Beispiel anzustrebende Bc- kehrun.g des «katholischen Theils". Das Letztere wurde zu einer allgemein ausgestellten und darum äußerst verbängnißvollen Forderung. Dazu kam, Laß eS Pius IX. in einem Rundschreiben an den Episkopat vom 17. November 1858 für gut befand, der Geistlichkeit die „Cautionen" von Neuem einzuschärfen und den älteren, rigorosen Standpnnct zur Pflicht zu machen. Schon einige Jahre vorher (15. März 1853) batte sich Bischof Arnoldi von Trier durch einen ganz besonders intoleranten Erlaß berühmt gemacht. Jetzt liegt die Sache so, daß von dem „Hmderniß der ReligionsverschiLVenbeit" traft päpstlicher Del'>atiou durch den Bischof Dispens crtbeilt werden kann. Die Bedingungen sind: katholische Ebeschiießungsform; passive Assistenz; Ver sprechen des katholischen Theils, Betehrungsversuche zu macken; Verzicht des protestantischen Theils, seinerseits bekehren zu wollen; Gelöbniß der katholischen Erziebung hin sichtlich aller Kinder und endlich Verzicht auf evangelische Trauung, da diese neben der katholischen nach dem Decrct vom 17. Juni 1864 von römischer Seite für unzulässig erachtet wird. Gottlob brauchen sich die Angehörigen aller der Staaten, die den Voriheil der Civile he haben, von den aller Parität zuwiderlausenden, römischen Mischehebestimmungen nur insoweit beeinflussen zu lassen, als sie es eben persönlich vor ihrem Gewissen verantworten wollen. Also in Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Schweiz, Holland :c. (nicht aber z. B. in Oesterreich!) kann der Staat jene römischen Forderungen einfach ignoriren. Es läßt sich denken, daß Rom infolgedessen umsomehr auf dem Wege des Gewissenszwanges seine Ziele zu erreichen sucht. Leider dringen noch zu wenig Fälle in die Oeffentlickkeit, aus denen man handgreiflich entnehmen kann, „wie's gemacht wird." Vor drei Iabren ist cs im Kreise Flatow (Westpr.) vorgekommen, daß ein Katholik seine pro testantische Ehefrau durch brutale Mißhandlung zum Katho- licismns „bekehren" wollte; trotz deS Einspruches des evangelischen GemeindekirchcnratheS mußte die arme Frau katholisch werden und wurde obendrein noch zur römischen Kirche zurückgetauft (!). Nebenbei mag hier bemerkt werden, daß in Bayern 1897 eine beson dere Ermahnung des CultuSministerinms an den Episkopat er geben mußte, die Wiederkaufe bei übergetretenen Protestanten zu unterlassen. Ausschluß von der AbendmahlSgemeinsckaft, Verweigerung der Sterbesakramente, Störung des häuslichen Friedens rc. kann einer gemischten Ebe zu Tbeil werden, wenn man nicht ganz entschieden alle priesterlichen Ein mischungen von vornherein abweist. Die Frau eines zur evangelischen Kirche überzetrctenen Katholiken, der während der Krankbeit von einer grauen Schwester gepflegt wurde, die obne Weiteres einen Priester zur Communion holte, protestirle unter Zuhilferufen des HauSwirtbcs gegen die aufgedrungene Handlung, — so be richtet aus Berlin vom Jahre 1899. DaS noch in frischer Erinnerung haftende Vorgehen des Caplans Schwippert, der eine todtkranke, nach ihrem Manne verlangende Frau vergebens schreien läßt und den Gatten einfach vom Sterbelager fernhält, ist wohl ein sprechender Beleg für die Art und Weise, wie sich Rom auch in aller neuester Zeit noch über daS staatlich- Eberecht binwcgzusetzen beliebt. „In unserm Jahrhundert", so bemerkt der Erlanger KirchenrecktSlehrer Schling in einer Abhandlung über das Ebereckt, „bat die katholische Kirche wieder die ganze Schärfe ihrer strengen Grundsätze aufleben lassen, und die Milderung u in der Praxis .... sind nur vorübergehender Geltung gewesen". Noch immer gilt dem KlerikalismuS die Misch ehe als ein gutes Object für allerhand Machtproben, und man fühlt sich nicht besckämt durch die z. B. in einem Flugblatt? des Evangelischen Bundes („lieber die Rechte und Pflichten der Evangelischen in Mischehen", 1897) zum Aus druck gebrachte protestantische Toleranz: „Fürchte nicht, mein evangelischer Christ, der du mit einem Katholiken, einer Katholikin die Ehe eingehen willst oder eingegangen Hast, daß dies Büchlein diese Ebe herabsetzen, sie für sündhaft erklären, dein Gewissen darüber beunruhigen oder dich schrecken wolle. Da- ist nicht evangelische Art." Schritt für Schritt sucht Rom seine verlorene Allmachts stellung auf diese oder jene Art wiederzugewinnen: da muß auck die alte Frage der Mischebe berhalten, und seit Loyola wissen wird ja: Der Zweck heiligt die Mittel. Der Krieg iu Südafrika. Tic Taktik der Barren. Aus der ganzen augenblicklichen Lage in Südafrika ist zu er sehen, daß die Boeren mehr denn, je fest entschlossen sind, nicht eher zu ruhen, als bis sie ihre volle Unabhängigkeit wieder erlangt haben, und wenn nicht alle Anzeichen täuschen, so muß und wird ihnen dieses auch schließlich gelingen, wenn sie nur fortfahren, den Kleinkrieg in der bisherigen musterhaften und für die Eng länder geradezu ruinirenoen Weise zu führen. Hierbei ist ihr Land selbst mit seiner Bodenformation und seinen Eigenthllm- lichkeiten ihr bester Bundesgenosse, und was Transvaaler und Freistaatler vor allen Dingen verhüten müssen, ist, daß nicht etwa durch Unvorsichtigkeit oder gar durch Verrath einige von den Männern den Engländern in die Hände fallen, welche die Seele des ganzen-zähen Widerstandes sind. Ein solcher Fall würde, wie uns ein Mitkämpfer der Boeren versichert, zumal, wenn er auch noch mit einem bedeutenden Verlust an Streitkräften ver bunden wäre, dieselbe Erscheinung zur Folge haben, wie sie nach der Gefangennahme Cronje's eintrat, wo fast sämmtliche im Felde stehenden Freistaatler die Flinte einfach ins Korn warfen. Daß diese dann damals die Waffen so bald wieder aufnahmen, war in der Hauptsache die Schuld des Lord Roberts, der ihnen versprochen hatte, daß sie unbehelligt bleiben sollten, wenn sie sich nur neutral verhielten. Als der britische Oberbefehlshaber aber anfing, einzelne Führer nach und nach von ihren Farmen fortzuschleppen und gefangen zu setzen, da wußten die Freistaatler wieder einmal, was sie von englischen Versprechungen zu halten hatten: sie holten ihre versteckt gehaltenen Reservemauser hervor und standen bald den überraschten Engländern in Wehr und Waffen, und selbst mit zahlreichen Kanonen, wieder gegenüber. Alle Proklamationen des Lord Roberts verklangen erfolglos im Winde, und seitdem änderte sich die ganze Situation langsam, aber sicher, allmählich wieder vollständig zu Gunsten der Boeren. Die Taktik, welche Botha seit der Einnahme von Pretoria verfolgt, läuft einfach darauf hinaus, daß er seine Streitkräfte in viele kleine Haufen theilt, welche von einander getrennt sind, jedoch immer so gut mit einander in Verbindung stehen, daß er sie^ falls sich Gelegenheit zu einem Hauptschlage bietet, jeden Augenblick ^usammenziehen kann. Dies schließt natürlich bei der wunderbaren Beweglichkeit und Terrainkenntniß der Boeren größere Niederlagen fast vollständig aus, wie die jüngste Geschichte des Feldzuges zur Genüge bewiesen hat, und hat andererseits den ebenfalls bereits sattsam bekannten Erfolg, die englischen Streit kräfte zu ermüden und die britische Heeresleitung derartig an dauernd zu verwirren, daß die Operationspläne des Lord Kitchener jeden Augenblick über den Haufen geworfen werden und unter unermeßlichen Schwierigkeiten immer wieder neu auf gebaut werden müssen. Die Boeren, die ebenso wie ihre Pferde, eine zähe Ausdauer und eine eiserne Gesundheit besitzen, sind dabei im Stande, sich und ihre Reitthiere jederzeit auszuruhen, wann es ihnen nur be liebt. Sie ziehen sich dann in irgend einen Schlupfwinkel der vielen kleinen Gebirgsgruppen zurück, die das ganze Land be decken, liegen dort ruhig, bis die Ordre zum Aufbruch kommt, und sind dann wieder frisch auf dem Posten. Für die Ver- proviantirung von Mann und Roß lassen sie bekanntlich fast aus schließlich die Engländer sorgen; wenn der Proviant knapp wird, dann wird irgend ein Transportzug weggenommen, und es ist wieder für Monate die nöthige Atzung vorhanden, und glückt so ein Ueberfall einmal nicht, oder bietet sich keine Gelegenheit zu einem solchen, dann ist der Boer auch ebenso zufrieden, wenn er sein Stück Biltong (getrocknetes Fleisch) in der Tasche hat. Sein meistens gesatteltes Pferd frißt sich au dem dürren Wintergras satt, und ersetzt durch Menge, was demselben an Nährwerth ab geht. Bei dieser Genügsamkeit von Mann und Pferd bleiben die Boerencommandos trotz ihrer bedeutenden Minderzahl nach wie vor fürchterliche, unbesiegliche Gegner der Engländer, zu mal auch die Disciplin in ihren Reihen im Gegensatz zu früher heute eine ganz andere und vielleicht entscheidende Rolle spielt. Deutsches Reich * Leipzig, 4. Juli. Bezüglich der Verlängerung der Giltigkeit der Rückfahrkarten werden jetzt in den süddeutschen Staaten eifrig Conferenzen abgeballen. Von der Münckener Conferenz haben wir schon nach den „M. N. N." berichtet; die „Allgemeine Zeitung" bestätigt jetzt zwar die Einführung der Verlängerung im Wechsel verkehr, weiter aber schreibt sie: „Wie wir hören, wurde im Laufe der Conferenz die Neuerun g Preußens als eine zu weitgehende bezeichnet, und deshalb auch zunächst nur der Beschluß gefaßt, das preußische Beispiel lediglich in Bezug auf den Wechselverkehr nachzuahmen. Alle weiteren Entscheidungen bleiben vorläufig vorbebalten. (Danach hat ein Retourbillet München-Berlin wobl 45 tägige Giltigkeit, während aber bei einem solchen München -'Hof bis aus Weiteres nach wie vor nur die 10 tägige Frist in Kraft bleibt." — Ferner wird der „Frkf. Ztg." aus Straßburg, 3. Juli, gemeldet: „Wie verlautet, soll für die von altdeutschen und elsaß-lothringischen Stationen gelösten Rückfahrkarten bereit- von morgen ab 45 tägige GiltigkcitSdauer eingefübrt werden. Ueber die Frage, ob diese Bestimmung für Rückfahrkarten Platz greifen soll, die von reich-ländischen nach altdeutschen Stationen gelöst werde», soll eine morgen in Baden-Baden stattfindendc Eisenbahn-Conferenz entscheiden." — AuS Karlsruhe, 3. Juli, meldet dasselbe Blatt: „Die 45tägigen Rückfahr karten gelten auch für den Verkehr zwischen den badischen Stationen und solchen der Main-Neckarbahn, sowie den sächsischen StaatSeisenbahnen. Beim Verkehr mit den preußisch-hessischen Staat»- bahnen durch Elsaß und die Pfalz verbleibt e» bei der seitherigen GiltigkeitSdauer." — Eine Nachricht aus Stuttgart, 3. Juli, besagt: „Die Tarifcommission der Zweiten Kammer sprach sich in einer Anfrage an den Verkehr-minister für die Ausdehnung der Giltigkeit der Rückfahrkarten eventuell mit unbegrenzter Zeit dauer au-, unbeschadet einer späteren allgemeinen Tarif reform." Schließlich liegt un» noch folgende- Telegramm vor: Ludwigshafen, 4. Juli. Mit dem heutigen Tage ist aus den pfälzischen Bahnen die 4Ltägige Gel tungsdauer der Rückfahrkarten sowohl im Local-, wie im Wechsel-, Verbands- und Durchgangs-Per sonenverkehr eingesührt worden. 0. II. Berlin, 4. Juli. (Englische amtliche Be richter st attung über deutsche Erfolge.) Der „Naval annual für 1901" ist erschienen. Das ist ein Ereignis; für England, denn der jetzige Gouverneur von Australien, Lord Brasiey, ist der Begründer, und er hat auch den einleitenden Artikel — eine marinepolitische Gesammtübersicht — geschrieben. „Naval annual" genießt in England sehr hohes Ansehen und gilt mindestens als halbamtlich. Auf uns Deutsche muß es daher einen recht eigenartigen Eindruck machen, wenn man er fährt, wie gelegentlich der Besprechungen und Leistungen der englischen Marine in Ehina die Theilnahme der deutschen See streitkräfte an den gemeinsamen Kämpfen geschildert und ge würdigt wird. In den auf Grund amtlichen Materials in der deutschen „Marine-Rundschau" bearbeiteten Darstellungen sind wahrhaftig die Engländer nicht zu kurz gekommen, man hatte sogar das Gefühl, als hätten die Deutschen aus unan gebrachter Bescheidenheit ihren Antheil an den schweren Kämpfen nicht genügend hervorgehoben. Es kann also auch keinem Zweifel unterliegen, daß die im Nachrichtenbureau des Reichs marineamts erscheinende „Marine-Rundschau" sich nicht die ge ringste Uebertreibung erlaubt, wenn sie über die Berichterstattung der „Naval annual" schreibt: „Von der Unterstützung des Admirals Seymour durch den Eapitän von Usedom, den Führer der deutschen Landungstruppen, und dem Verhalten der letzteren wird wenig oder nichts erwähnt. Es wird nur gesagt, daß in Folge der „lozaltv ok tcks toreigu otki/ers, rrsso aeoepteck Ins (Lozmouvs') rvmliss rrs orckars", die Expedition zur Be freiung der Gesandten in Peking ohne ckösastre endete. Dies möchte noch angehen. Unzweifelhaft unrichtig ist aber, was über den „Iltis" bei Taku gesagt wird. Es heißt dort: Dies Kanonenboot wurde so stark verletzt, daß es sich genöthigt sah, auf den Strand zu laufen (to do lwaelwck). Selbstverständlich war cs auch eine Granate der „Algerine", die das Pulver magazin des Südforts in Brand setzte! (Diesen Schuß nimmt bekanntlich „Iltis" für sich in Anspruch.) Unerwähnt bleibt auch, daß der Füluer des verbündeten Landungscorps beim Sturm auf die Takuforts der Eapitän z. S. Pohl von S. M. S. , Hansa" war." — Nun, in England weiß man ja, was man sich gegen Deutschland herausnehmen darf! * Berti«, 4. Juli. (Die Preisaufgaben unserer Universitäten.) Für den thatsächlich an manchen Uni versitäten hervorgetretenen Mißstand, daß die jährlichen Preis aufgaben der Facultäten nicht mehr die erwünschte Berücksichti gung durch die Studirenden finden, daß es Kalo an Be arbeitungen völlig fehlt, bald die eingcreichten für nicht preis würdig befunden werden mußten, macht ein lesenswerther Aufsatz im „Recht", von Geheimrath Crönert in Halle, wesentlich zwei Gründe geltend, die alle Beachtung, mindestens Prüfung in den jenigen Kreisen verdienen, die cs zunächst angeht. Ob nicht die Preisfragen zuweilen unglücklich gestellt waren? Wenigstens ohne natürliche Anziehungskraft zu besitzen und zu selten im Anschluß an lebendige Streit- oder Zeitfragen, deren es für jede Facultät genug giebt? Ferner, ob nicht überhaupt an di« Bearbeitungen zu hohe Ansprüche gestellt waren im Einzelfalle, natürlich dies nicht im Sinn« der beliebten Ueberbürdungsmeierei, sondern einer zu verhütenden Vermengung der Anforderungen an eine Doctordissertation mit denen für Preisarbeiten? Lauter Fragen, die gewiß ernster Erwägung Werth erscheinen, wenn man der un liebsamen Beobachtung auf den Grund gehen möchte, daß trotz der so gestiegenen Zahl der Studirenden an allen unseren Hoch schulen der Wettbewerb um die Preisrufgabe nicht nur nicht steigt, sondern — immer mit Ausnahmen — sogar bedenklich nachläßt. Tas muß doch sein« besonderen Gründe haben, ohne daß man ein Recht hätte, ohne Weiteres der studirenden Jugend darum einen Tadel aufs Kerbholz zu setzen. Dann aber, wie bescheiden nehmen sich heutzutage die schon sehr bejahrten Geld preise aus. Nicht mehr als 150 (50 Thaler alter Währung) lohnen den Sieger für seine Mühe und Arbeit, seine Ausdauer und nebenbei doch auch für seine Auslagen. Daß hier eine kräftige Erhöhung und Aufbesserung ganz am Platze wäre, läßt sich kaum verkennen. Vorgeschlagen werden 3M als Preis, also «in« Verdoppelung, die aber nickt gefährlich werden könnte für den preußischen Staatshaushalt, denn sie würde im Ganzen jährlich nur 6000 ausmachen. Hier ist ein Gegenstand zur Besprechung und Prüfung gestellt worden, der dies allerdings in N'cht geringem Grade verdient. Vielleicht wäre die glücklichste Lösung nicht allein in erhöhten Geldpreisen, sondern in ihrer Verbindung mit anderen Vortheilen zu suchen, die den Preis arbeiten z. B. in Staatsprüfungen einzuräumen wären. R. Berlin, 4. Juli. (Privattelegramm.) Der Reichs kanzler Graf von Bülow, der am Dienstag Abend von Travemünde hier eingetroffen war, nabm, der „Nat.-Ztg." zufolge, im Laufe des Mittwoch außer einer Reihe von Vor tragen des Auswärtigen Amtes und der Reickskanzlei die des Staatssekretär- Graf v. PosadowSky und des Freiherrn v. Richtbofrn entgegen, conferirte mit dem Minister deS Innern Freiherr» v. Hammerstein und empfing spater in längerer Unterredung den russischen Botschafter Graf v. Osten- Sacken, der sich heute nach Petersburg bezieht. (-) Berlin, 4. Juli. (Telegramm.) Der bisherige Vortragende Natb deS LandwirthschaftSministeriumS Land forstmeister a. D. Tiburtius bat den Rothen Adler-Orden II. Claffe mit Eichenlaub erhalten. (-) Latznitz, 4. Juli. (Telegramms Der Kaiser unternabm heute Vormittag an Bord der Nacht „Iduna" in Begleitung se- Torpedoboote- „Sleipner" eine Segelfahrt in der hiesigen Bucht. Außer der „Hohenzollern" ankert auch „Niobe" auf der hiesigen Rhede. S Rarderney, 4. Juli. (Telegramm.) Der Reichs kanzler Graf v. Bülow ist in Begleitung mehrerer Beamten hier eingetroffen und in der Villa Wedel abgestiegen. tb. Eisenach, 3. Juli. Der BezirkSdirector vr. Eucken bat auch eine zweite öffentliche Versammlung ver boten, für welche der Abgeordnete Bändert al» Redner anaekündigt war. Derselbe wollte diesmal über da» Thema „Mein Landtaz»college Eucken-Addenhausen und da» Ver- sammlung-recht" sprech««,
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