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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.07.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010708028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901070802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901070802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-08
- Monat1901-07
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Ärntsölatt -es Königlichen Land- «nd Ämksgerichles Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen «Preis die 6 gespaltene Petitzeile SS Ltz. Reclam«n unter dem Redarttonsstrich (»gespalten) 7Ü vor den tzamtllenuach» richte« (S gespalten) 50 Tabellarischer «ad Ztsfernsatz entsprechend höher. — Gebühren ftir Nachweisungen »ad Offerteuanuahme SS (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nnr mit der Morgen-Ausgabe, ohne Post des ördernng 80 —, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß fir Änzrizru: Abend-Ausgab«: Vormittags IS Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bet den Filialen and Annahmestelleu je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend» 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Polz in Leipzig. 343. Montag den 8. Juli 1901. SS. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Ein englischer Pair und Staatsmann sagt seinem Lande die Wahrheit. Aus London, 4. Juli, wird der „Rheinisch Wests. Zig." geschrieben: Die Stimmen von maßgebenden und ange sehenen Persönlichkeiten in England, die gegen die südafrikanische Politik der Regierung an der Hand der letzthin bekannt gewordenen Einzelheiten über die britische Kriegführung rückhaltlos protcstiren, werden von Tag zu Tag zahlreicher und lauter. Der Marquis von Ripon, Ritter des Hoscnbandor'senS, Mitglied des Kronrathes, Oberst in der Armee, Ehren-Groß- meister der englischen Freimaurerlogen und einer der größten Grundbesitzer des Vereinigten Königreiche» (nobcnbei bemerkt ein römisch-katholischer Convcrtite), der selbst lange Jahre der Re gierung als Staatssekretär und Minister «ngehort hat, veröffent licht in „Leeds Mercury" den folgenden Brief: „Ich habe gerade den Bericht der Miß Hobhouse über die sogenannten N e - fugers-Lager in Südafrika gelesen, und empfinde die größte Scham darüber, daß solche Dinge, wie jene Dame sie beschreibt, in einem Land« mit britischer Verwaltung überhaupt möglich sein können. Es handelt sich hierbei nicht um eine politische Frage, und die Angelegenheit hat absolut nichts zu thun mit der Gerechtigkeit oder Ungerechtig keit dieses Krieges, sondern es ist einfach ein« Frage des guten Rufes umd der Ehre unseres Landes, sowie der Reputation unseres Volkes, was wahre Mannhaftigkeit anbetrifft, von Ritterlichkeit ganz zu schweigen. Miß Hobhouse ist eine untadelige Zeugin, welche mit der größten Unparteilichkeit schreibt, und sogar den Officieren, denen die Verwaltung dieser Lager anvertraut ist, die weitgehendste Ge rechtigkeit angedeihen läßt. Im Princip handelt es sich hierbei überhaupt nicht um die ausübenden Beamten, sondern um das ganze beklagenswertste System, für welche? keine Verdammung stark genug sein kann. Dasselbe erscheint für die Gegenwart zum Mindesten unsäglich grausam und für die Zukunft geradezu unfaßbar thöricht. Wir kennen dieses System jetzt in allen seinen miserablen Einzelheiten, und wenn wir gestatten, daß es fortgesetzt wird, so lastet di« volle Verantwortung dafür auf unseren Schultern. Ein einziges energisches Wort vom britischen Volk« würde die ganze elende Sache hinwegftgkn. Aber haben wir auch den Muth, dieses Wort auszusprechrn?? Wir erwähnten bereits den Capstadter Bericht der „Daily Mail", wonach in verschiedenen TheillN der britischen Armee in Südafrika große Unzufriedenheit herrscht, weil die Auszahlung -rS Evtses sehr unregelmäßig erfolgt. Das — heißt es dort — sei die Folge einer höchst ungeschickten Vertheilung der damit zusammen hängenden Obliegenheiten. Einzeln« Beamte seien so mit Arbeit überhäuft, daß sie sie gar nicht zu leisten vermöchten. So weit der reguläre Soldat dabei in Frage komme, sei die Sache nicht so schlimm, dieser habe seine Zeit abzudien-en, und wenn er nach England zurückkehre, werde er bei seiner Entlassung das Geld erhalten, das ihm der Staat schulde. Anders stehe es Mit den Irregulären. Die australischen und kanadischen Irregulären hätten wenigstenss noch ihr« Regierungen hinter sich, die ihre Interessen, wenn nökhig, vertreten würden. Für den südafri kanischen Irregulären dagegen sorge Niemand, und so komm« eS, daß er den größten Unannehmlichkeiten auSg«setzt sei, die nach dm an die Zeitungen der Colonien gerichteten Briefen manchmal geradezu un«rträglich sein müssen. Unter Kitchener's Fightinz Scouts soll die Unzufriedenheit chronisch geworden sein. Unter ihnen sollen Officiere und Leuk sein, die seit Monaten kein Geld bekommen haben. Außerdem sei ein Befehl erlassen wor den, daß kein Schilling ohne besonoeren Befehl auSgezahlt «werde. Das sei die Folg« davon, daß di« Bücher mehrerer Regimenter in vollkommen« Unordnung gerathm s«ien. * Kapstadt, 7. Juli. (Telegramm.) In den letzten 48 Stunden ist hier ein Pest fall vorgekommen, drei sind in Port Elizabeth festgestcllt worden. Die Wirren in China. Verlustliste Nr. IS. Gefecht bei Joan-joahme. 4. Ostasiatischer In fanterie-Regiment. 4. Compagnie: 1) Unteroffic. Heinrich Friedrich, aus Ahlsdorf, Mansfelder Gebirgskr., früher Jäger bataillon Nr. 4, 2. Comp., Leicht verw., Schuß i. l. Kni«. 2) Gefreiter Karl Schwarz, aus Striktberg, Bez.-A. St. Blasien, Baden; fr. Bad. Jnf.-Regt. Kaiser Friedrich III. Nr. 114, 7. Comp., Leicht verw., Schuß i. l. Hand. Außerdem gestorben bezw. vermißt: Feldver waltungsbehörden oes Ostasiatischen Expeditionscorps. Feld- Jnteitdandur: 3) Felb-Jntendantursekretär Richard Freudrich aus Leonhardwitz, Kr. Neumarkt; fr. Corps-Intendantur III. Armeecorps, todt, Feldlaz. Nr. 6, Peitaiho, Herzschwäche. — 6. Ostasiatisches Infanterie-Regiment. Stab, d 2. Bataillons: 4) Gefreiter Ernst Krüger, aus Freiburg a. Elbe, Kr. Kehdingen; fr. Landw.-Bez. Düsseldorf. Seit 20. Mai 1901 vermißt. — 6. Ostasiatisches Infanterie-Regiment. 3. Compagnie: 5) Ge freiter Bruno Piontek, aus Dresden - Striesen, Stadt Dresden, Sachsen; fr. sächs. SchützeN-(Füstlier-)Regiment Prinz Georg Nr. 108, 7. Comp., todt. 7. Compagnie: 6) Mus ketier Georg Sperber, aus Offenhausen, Bez.-A. Nürnberg, Bayern; fr. bayerische» 21. Jnf.-Regt., 7. Comp., todt. — Ost asiatisches Feldartillerie-Regiment. 7. Batterie: 7) Kanonstr Leopold Backschat, aus Jentkutkampen, kr. Stallupönen; fr. Landw.-Bez. Hannover. Todt 16. April 1901. Feldlaz. Nr. 6, Peking, Herzschwäche. — Ostastatifches Bataillon schwerer Feld staubitzen. 1. Batterie: 8) Kanonier Oswald Gilgenmann, aus Ostwald, Kr. Erstein, Elsaß-Lothringen; fr. Fußartill Bat. Nr. 13, 3. Comp., todt. — Ostasiattsch« Corps-Telegraphen-Ab- theilung: 9) Pionier Adolf Hildebrand, aus Schweidnitz, Stadt Schweidnitz; fr. Telegr.-Bat. Nr. 2, 3: Comp., todt tm Peiho aufgcfunden. — Ostasiatische Sanikäts-Compagnie: 10) Kranken träger Emil Konzack, aus Mochow, Kr. Lübben; fr. Jnf.-Regt. Nr. 67,10. Comp., todt. Von einem Kameraden tm Streit er stochen. Mrst Hohenlohe -s-, (-) Nagai, 7. Juli. Das Beileidstelegramm des Kaisers von Oesterreich an den Prinzen Alexander zu Hohenlohe lautete wie folgt! „Ihnen und allen Mitglieder» Ihret Familie spreche ich meine Innigste Theilnahme an dem schmerzlichen Verluste au», welchen Sir erlitten haben. Ich betrauere in Ihrem Baier «inen lang jährigen, bewährten Freund. Franz Joseph." Die Kaiserin Friedrich sandte an den Fürsten Philipp Ernst zu Hohenlohe folgende» Telegramm: Es ist mir ein HerzenSbedllrfniß, Ihnen und den Ihrigen au»- zusprechen, wie tief ich den Schmerz empfinde an dem schweren Verlust, der Sie alle durch den Heimgang Ihres unvergeßlichen Vaters getroffen hat, und wie treu ich dem Entschlafenen wahre Verehrung und Dankbarkeit bewahren werde. Kaiserin Friedrich. Ferner befindet sich unter den Beileidstelegrammen auch ein herzlich gehaltenes von der Königin-Wittwe von Italien an den Prinzen Alexander zu Hohenlohe. Der Reichskanzler hat nachstehendes Telegramm an den Prinzen gerichtet: „In tiefer Bewegung empfange ich soeben die schmerzliche Nach, richt vom Heimgange Ihre- verewigten Vater», dessen verhältuiß- mäßig gute» Befinden vor wenigen Wochen noch mein« Frau und mich erfreute. Mei»« persönlichen und dienstlichen Beziehungen zum ver ewigten Fürsten, erst in Paris, dann in Berlin, und die mir so wohl geneigte Gesinnung desselben, der für mich stets ein treuer Berather und Freund war, werden mir immer unvergeßlich sein. Schon in früheren Jahren hat der nun Heimgegangene an der Entwickelung der nationalen Ideen den regsten Antheil genommen, er hat sich in seinem langen und reichen Leben von dieser nationalen Idee wie von seinem Leit- strrn führen lassin, und e« war ihm vergönnt, auch an erster ver antwortlicher Stell« für das Wohl des deutschen Vaterlandes ver söhnend und klärend bis in sein hohes Alter zu wirken. Die Nation wird sein Bild stets In lebendiger und dankbarer Erinnerung halten." Darauf erwiderte Prinz Alexander zu Hohenlohe: „Euerer Excellenz sag« ich tiefgerührt meine» aufrichtigen Dank für dir gütigen Worte so Wanner Theilnahme an meinem unersrtz- lichen Verlust. Ich weiß, wie sehr Euere Excellenz meinen Vater verehrt und welche unschätzbare Unterstützung Tie ihm seit langen Jahren in seinem öffentlichen Wirken zum Wohl« de» Reiche- ge währt haben. Ich war deshalb überzeugt, daß El«, wir Niemand ander», den Verlust ermessen können, der un» alle betroffen hat, und daß Sie den wärmsten Antheil daran nehmen werden. Den Trost habe ich, daß er ruhig und schmerzlos «nt- schlafen ist." Die Regierung von St. Gallen hat folgendes Tele gramm gesandt r „Mit dem aufrichtigsten Bedauern hat die St. Gallische Landes regierung von dem heute aus dem Gebiet« ihre» Eantons erfolgten Hlnschtiden Seiner Fürstlichen Durchlaucht de» Alt - Reich-kanzlrr- zu Hohenlohe Kenntnih «halten; im Begriffe stehend, an den Therme» von Ragaz Linderung seiner Leiden zu suchen, ist er nach einem langen, thatenreichen Leben Vom Tode ereilt worden. Wir wissen un» einig mit dem Gefühle de» St. Gallischen Volkes, wenn wir in Erfüllung «wer schmerzlichen Pflicht Sie hiermit ersuche», die Versicherung unserer aufrichtigsten und wärmsten Thrilnahme «ntgrgenzunehme»." Nachdem jetzt auch Prinz Moritz zu Hohenlohe hier ein getroffen ist, sind alle Kinder de« verewigten Fürsten anwisrnd. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. Juli. Selten, vielleicht nie sind einem deutschen StaatSmanne nach seinem Tode so warme und anerkennende Nachrufe von der Presse aller Parteien, soweit diese sich als deutsch bezeichnen dürfen, gewidmet worden, wie jetzt dem Fürsten Chlodwig von Hoheniohe-LchillingSsürst. So unzufrieden die deutsche Presse fast aller Richtungen mit Vielem war, waS in den letzten Jahren der Kanzlerschaft des Verewigten geschah, so einmüthig giebt sie jetzt der Ueberzeugung AuSr-ruck, daß nicht ihm die Schuld an der berechtigten Mißstimmung brizumessen sei und daß er, wenn er freiere Hand gehabt, trotz seine» hohen Alters, wenn auch nicht Alles, so doch Vieles in andere Bahnen ge lenkt haben würde. Kerndeutsche Gesinnung, weit- und tief- schanender politischer Blick, rastlose Schaffenslust und ein seltenes Gerechtigkeitsgefühl werden ihm von allen Seiten nachgerühmt. Selten bat aber auch ein deutscher Staats mann so berechtigten Anspruch auf gerechte Würdigung dl ich die Presse gehabt, wie gerade der Vorgänger de» Grafen Bülow. In einem Nachrufe, den ihm die ,^köln. Zritung" widmet, wird sein Verhältniß zur Prrsse in «'nem be sonderen Capitel erörtert, dem wir Folgendes entnehmen: Fürst Hohenlohe gehörte zu dinjenig«« Staat-Männer», die der sechsten Großmacht stet» eine nicht nur unbefangene, sondern wohl wollende und freundliche Würdigung haben zu Theil werden lasten. Unter den verständigen Staatsmännern giebt rS heute Wohl keinen, der die Macht und den Einfluß der Presse verkennt und nicht mit ihnen rechnet, aber sehr viel« tbun da» nur wtdirwilltg und be trachten die Presse al- ein nun einmal vorhandene» Urb el, mit dem man sich eben wohl oder Übel abfinden muß. Andern wieder er scheint die Presse al» ein bloße» Werkzeug, da» gut ist, so lang« es bestimmten Interessen dient, aber sofort schlecht und abscheulich wird und da» man in wüster Weise beschimpft, wenn e» auS grundsätz lichen Bedenken sich nicht zur Verfügung stellt, seinen eigenen Weg nimmt, oder gar gegen diese Interessen angeht. Fürst Hohenlohe hatte von der Bedeutung der Presse eine andere, sehr viel zutreffendere Auffassung und «in durchaus geklärte» Berständniß für da-, was man von der Presse erwarten kann, und von den Nothwrndt-Ktte», die sich für di» Presse — wir sprechen hier immer von dem an ständigen Theile — au» ihren Weltanschauungen, aus ihrem politischen Standpunkt ergeben. Der Fürst hat sehr viil Beziehungen mit Journalist«» unterhalt«». Er hat darau» niemals ein Geheimniß gemacht, sondrrn im Grgenihetl, z. v. bei sttnrn Festen durch besonder« Liebenswürdigkeit gegen Journalist«» ge zeigt, welchen Werth er aus die Presse legte. Selbstverständlich luchte er sie für seine politischen Zwecke zu gewinnen, aber er war weit entfernt davon, sie zu einem willinlose» Werk- z«ug machin zu woll«n, «nd er vttstand «» sehr wohl, daß ihm eine wirklich unabhängig« Press« «in« weit bessrr« Unterstützung bieten könnt«, al» «ine solche, die, aus welchen Gründen auch immer» mit ihm durch Dick und Dünn zu gehe» brreit wäre. Er war daher auch niemals empfind lich, wenn «ine ihm sonst befreundete Zeitung sich in bestimmten Fragen gegen ihn und seine Politik wandte und st« kn fach licher, wenn auch noch so scharfer Weis« avgrtff. In fein- Rechtsanwalt Lohmann. 13s Roman von Rudolf Jura. tNaSidrus uerSvit«. Born ließ sich seine Freude bei dieser Miitheiluitg nicht merken. Ruhig sagte er: „Nun ja. Dann kommt eben unsere Meinung auf dasselbe hinaus. Was zu heimlich ist, so daß seine Heimlichkeit auffällt, das ist eben nicht Mehr heimlich genug. Doch müssen wir den Brief natürlich dort lassen, bis wir einen geeigneteren Auf bewahrungsort dafür gefunden haben." In: Geiste setzte er hinzu: Noch heut« Nacht klingel« ich den Rechtsanwalts aus dem Schlafe, und morgen früb, während das gute Fräulein unter irgend einem Borwänd au» ihrer Wohnung gelockt wird, holen wir uns den Brief au» dem aUSgehöhlten Klotz ab. Petritz entgegnete jedoch lebhaft: „Nrinl Da» jetzige Versteck ist zu unsicher, al» daß ich seine Beibehaltung nur noch eine Nacht hätte dulden können." „Wo haben Sie ihn denn hingesteckt?" Diese offene Frage war nach dem Verlauf« d«> Gespräche- eigentlich ganz natürlich und unverdächtig, aber dem kleinen Petritz, der längst die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß Born auch über das bisherige Versteck im Unklaren gewesen war, ent lockte sie doch ein überlegenes Lächeln triumphtrendee Freude. „An einen so raffinirt unversteckten Ort", antwortete er, „daß er dort selbst Ihnen nicht auffallen würde. Ja, e» soll dt« Probe auf di« Güte de» Versteck» sein, daß ich «» Ihnen einst weilen nicht mittheile, sondern e» Ihrem Scharfsinn überlasse, «» morgen selbst zu suchen. Wenn Sie e» nicht finden, dann können wir ganz sicher sein." Born verbarg jetzt seinen Aeraer ebenso, wie «r vorhin seine Freude über die vermeintlich« Entdeckung de» versteck» ver borgen batte, und erwiderte aleichgiltig: „O vitte, ich bin schon vollkommen beruhigt. Wenn Sie d«n Brief selbst versteckt haben, wird er schon aut aufgehoben sein. Ich hatte nur gegen Fräulein Kurzmilller"» Geschicklichkeit in solchen Sachen ein besorgte» Mißtrauen. Aber jetzt bin ich, wie schon gesagt, vollkommen beruhigt. R«d«n wir nicht mehr darüber." „Im Gegentheil, reden wir noch recht viel darüber", versetzte Petritz, dessen jugendliche» Antlitz unter der blonden Haarmähne glühte, und den die Freude seiner Ueberlegenheit und der reichlich genossene Grog nicht so schnell zur Ruhe kommen ließen. „Ich Ich werde mit dem einen kleinen Zimmer wahrscheinlich rasch zu Ende komme», und bezkbe mich dann nach Fräulein Kurzmüller's Wohnung, um Ihnen dort Bericht zu erstatten und vielleicht noch etwa» zu Hölsen, >wonn wir Deiioe noch nichts gefunden haben sollten." Der Recht-anwalt zeigte sich Über seinen neuen Verdacht sehr erstaunt, Uber seinen Eifer in der Sache aber sehr befriedigt und verabredete mit ihm Freitag Nachmittag vier Uhr als Vie Ze.t ihres gemeinsamen Vorgehens. Am Freitag Nachmittag um vier Uhr zog der Rechtsanwalt die Klingel an '»er Thür der Speiseanstalt. In seiner Be gleitung befanden sich drei elegant gekleidete Herren, die jeder «in in braune» Papier etngeschlagene» Packet unter dem Arme trugen. „Wenn nicht geöffnet wird, nehmen Sie den Dietrich, Herr Engelbert. Wir haben nicht viel Zeit zu verlieren." Mit diesen Worden wandt« sich der Recht-anwalt an einen der Herren, und dieser griff auch schon in die Tasch«, um «in Bund Nachschlüssel hervorzuholen. Da ging di« THÜr auf und etn Dienstmädchen mit nackten roihen Armen fragte nach dem Begehr der Herren. Dem Rechtsanwalt wär« e» lieber gewesen, wenn er die Wohnung leer gefunden Hütt«. Doch war er auch auf di« An- tvesenheit der beiden Dienstmädchen gefaßt und sagte ruhig: „Fräulein Kurz Müller zu sprechen?" „Neinl Das Fräulein ist ausgegangen." „So? Hat sie denn unfern Brief nicht erhalten? Dom Vor stand de» Frauenverein»?" „Ich weiß von nicht». Da» Fräulein hat auch nicht» Hinter kassen. Eie ist vor einer Viertelstunde gegangen, ohne die Zeit ihrer Rückkehr anzugeben." „Na, da» ist nicht schlimm. Führen Sie un» einstweilen hinein. Die Speiseanstalt muß revidirt werden. Dir wollen uns«« Arbeit unterdessen beginnen und die Rückkehr deS Fräulein KurzmUller dabei abwarten." Da» Mädchen ließ sie eintvetea und begab sich wiöder zu dem andern Mädchen in di« Küche, um da» Aufwaschen de» Mittag» gebrauchten Geschirr«» zu beenden. Der Rechtsanwalt solat« ihr jedoch, warf einige streng forschend« Blicke in der Küche umher und sagte dann: „Sie können mal «rft rasch >Beide in die Wäschekammer hinaufgehen und dort Alles zur Durchsicht bereit legen. Einer von un» kommt gleich noch und steht dann oben V>e Bestände durch" Die Mädchen ließen ungern da» halb ausgewaschene Geschirr mit dem schon kälter werdenden Wasser im Stich. Sie wun derten sich auch über di« sonderbare Art der hier statifindenden Untersuchung. 'Jede erwartete von der Anderen, sie werde sich bin stolz auf die genial« und Vornehm« Art, wie ich den Zettel verborgen habe. Ich bitt stolz darauf, in dieser Sache den einzig richtigen Sedankrn ergriffen zu habenr Wenn man etwa» hat, wa» andre Leut« suchen, dann darf man e» überhaupt nicht verstecken. Denn jede» Bersteck wird Natürlich durchsucht. Man muß e» ganz offen hinlegen. Denn wa» offen da liegt wird nicht gesucht, also auch nicht gefunden. Cs ist dies ein Grund satz, der leidet noch viel zu wenig berücksichtigt wird. Ich will Ihnen auch gestehen, daß ich ihn nicht selbst gefunden, sondern aus meiner Lectiire geschöpft hab«. Fräulein KurzmUller dürft« Ich dos natürlich nicht sagen. Denn gegen jeden Gedanken eine» Versteck», der au» einem Buche stammt, ist sie mißtrauisch, weil sie ihn bereits ^jür allgemein bekannt und abgebraucht halt. —- Kennen St« Edgar Allan Poe? Den müssen St« lrsen. Da ist ein Schriftsteller, der Verstand und Phantasie in Nahrung setzt. Ich liebe ihn leidenschaftlich." Petritz erging sich nun unter beständigem Grogtrinken über Po«, wie Uber die Vorzüglichkeit des von ihm gewählten Ver stecks in längeren Neiden, denen Born mit Ruhe und Vergnügen lauscht«. Denn er erfuhr so aus den Andeutungen seine» Gaste» doch mehr, al» diesem selbst vielleicht bewußt wurde. AlS Petritz endlich nach Vertilgung sämmtlichen Getränke» von-ibm schied, that er et in '«m erhebenden Bewußtsein, einen vergnügten Abend mit einem guten Freunde verlebt zu haben, und luv Herrn Born für den nächsten Abend in sein« Woh nung «in. Herr Born nahm Vies« Einladung gern an, und al» «r ihn hinauSgrleitet hatte und di« drei Treppen zu seiner Dohnung wicder vmporkleiterie, 'war er üderzougt, daß der Bries ebenso gut b«i Herrn Petritz, wie bei Fräulein KurzmUller irgendwo ganz ckffen tim Zimmer Tiegen könne. Er 'beschloß daher, am nächsten Abend sich di« Wohnung de» neuen Freunde» genau an- zusehen. Dessen WIrthin würde ihn bei dieser Gelegenheit auch kennen l«rn«n, und so war «» denn ganz unverfänglich, wenn er in den nächsten Tagen unter irgend einem Vorwand da» Zimmer de» Herrn Petritz einmal in seiner Abwesenheit betrat, um mit einigen raschen Griffen und Blicken di« durch die morgig« genau« Beobachtung vorbereitete Durchsuchung vorzun«hmen. Am and«rn Morgen theilt« ihm drr Recht-anwalt mit, daß «r am nächstfolgenden Tage, also Freitag Nachmittag, eine ge heime Untersuchung von Fraulein KurzmUller'» Wohnung plane. Dies« selbst würde dann abwesend sein, mild er forderte Born aus, sich an dieser Durchsuchung zu betheiligen. Born antwortet« jedoch:. Mr ist der Verdacht gekommen, daß drr Dries ebenso gut in der Wohnuna öem» gewissen Herrn Petritz versteckt sein kann, wie in den Wohnräumen der Gpeiseanstalt. E» wird daher gut sein, wenn zu derselben Zeit in der sie mit Ihren Detectivs an drr einen Stelle nachforschen, meinerseit» auch der andere in Betracht kommende Ort durchmustert wird. den seltsamen Anordnungen des Rechtsanwalts widersetzen. Aber da Keine seinem sicheren Auftreten gegenüber einen Ein spruch wagt«, so stiegen sie Beide gehorsam die Treppen zur Bodenkammer empor. , Sowie sie die Küche verlassen hatten, stürzten sich die drei Begleiter des Rechtsanwalt» mit Blitzesschnelle und mit laut losem Eifer auf Alles, was irgend geeignet schien, ein Versteck abzugeben. Ihren Packeten entnahmen sie allerhand sonderbare Gerath- schaften, Leim, Bohrer/ kleine Beile und Hacken und anderes Werkzeug. Sie klopften die Steinplatten de» Fußbodens ab. Eim klang hohl, augenblicklich war sie henausgenommen, und zwei Minuten später lag sie wieder fest in ihren Fugen. Jeder Schrank wurde abgerückt und ringsum geprüft. Sogar das Innere de» Kochofrn» uno der Esse wurde durchleuchtet Und untersucht. Nach einer Viertelstunde war di« fruchtlose Arbeit sn der Küche beendet, und idie beiden Mädchen ^durften ihre unter brochene Arbeit Widder ausn-ebmen. Der Rechtsanwalt wie» sie noch ausdrücklich an, recht fleißig bei der Sache zu s«in, damit sie bet d«r al»balo zu erwartenden Rückkehr de» Fräulein Kurz müller fertig seien. Sie gehorchten und kümmerten sich Nicht darum, wa» inzwischen in den Wohnräumen Vorgang. Dort wurde mit derselben stillen Geschäftigkeit, wie vorhin in «der Küche, Alle» umgewendet und da» Unterste zu oberst ge stellt. Bewunderung-werth war die gewandte Schnelligkeit, mit der di« geschickten Herren di« Beine von dm Tischen losschraubten und wieder rinsetzten. Wie durch Zauberei löste sich die Holz bekleidung in den Thürrahmen von der Wand und fügte sich augendlicklich wieder an. Rasch war ein Stück Tapete an einer verdächtigen Stelle loikgeschält und sofort wieder festgeklebt. Fräulein Kurzmüller'» Betten waren noch nie so eifrig durch sucht und burchschliitelt worden, wie heute. Auch der Kleider schlank blieb nicht unburchforscht. In ihrem dicken Winter mantel ließ der Rechtsanwalt da» Futter lo-irennm, weil er darin dm Bries zu finden hofft«. Aber alle Hoffnung erwies sich bisher al» trügerisch. Rastlo» arbeitete er mit seinen drei Helfern im Schweiße seine» Angesicht» weiter. Denn die kurz« Zeit der Abwesenheit Fräulein KurzmUller'- droht« bakd zu Ende zu gehen. Derselben Beschäftigung, aber ohne Unterstützung, lag Dorn inzwischen an einem anderen Orte ob. Er hatte schon am Abend zuvor bei seinem Besuche bei Petritz dessen Wohnung genau gemustert und oarin vor Allem ein Ur bild von Liederlichkeit erkannt. Er mußte dm Worten seines neuen Freunde» Recht geben. In dessen eigener Wohnung be wahrheitete sich der Grundsatz durchaus: Hier brauchte man einen Brief nur offen zu dem übrigen Wirrwarr hinzulrgen, und man konnte sicher sein, ihn nie wieder zu finden. Freilich konnte da-
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