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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.07.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010709025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901070902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901070902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-09
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nslizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Dienstag den 9. Juli 1901. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (-gespalten) 7K vor den Familiennach« richten (6 gespalten) KO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 35 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60—, mit Postbesörderuug 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgeu-AuSgab«: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» tu Leipzig. S5. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Dem englischen Parlamente sind gestern Berichte zugegangen über die Verhandlungen zwischen Kitchener und Botha. Kitchener benachrichtigt in einem vom 7. März 'vatirün Briese unter Hinweis auf die beiderseitige Unterredung in Middelburg vom 28. Februar Botha davon, daß falls sich die Beeren er geben würden, die britisch« Regierung sofort in Transvaal und dem Oranjestaat «ine Amnestie für alle während des Krieges begangenen Acte erlassen werde. Beide Sprachen, die englisch« wi« die holländische, sollten als gleichberechtigt aner kannt, in den Schulen gelehrt und vor Gericht angewandt werden. Großbritannien lehne es aber ab, die Verantwortlichkeit für die von den Verwaltungen der Republiken aufgenommenen Schul- d en zu übernehmen. Botha hielt am 15. März an die Burg hers eine Ansprache, in der er ausführt«, der Geist, t» dem Kilchcner's Brief geschrieben sei, mache es klar, datz die britische Regierung die Bcrnichtnng der Afri kander-Bevölkerung wünsche, nnd die BnrgherS beschwor, ihr Vertrauen auf Gott zu richten, der ihnen Frei heit geben würde. Es gelangt noch «ine Reihe weiterer Schrift stücke zur Veröffentlichung, die meistens in den Lagern der Beeren- gefunden wurden, und die von britischen Niederlagen berichten und sonstige britenfeidliche Mittheilungen enthalten, die entweder stark über trieben oder direct erfunden sind. Eine Proklamation De Wet's vom 1. April besagt, eS fei nutzlos über Tetailfragen zu debattircn, da die Boeren nur für ihre Unabhängigkeit kämpften. Die Veröffentlichung schließt mit einer am 20. Ium in Waterval ausgegebenen Bekanntmachung der Boeren, aus der ein Auszug am 4. Juli im Parlament ver lesen wurde. Aus Cap st adt, 18. Juni, wird der „Rheimsch-Wests. Zeitung" geschrieben: Zum ersten Male seit beinahe zwei Jahren ist Eecil RhodcS wieder mit einer politischen Kundgebung an di« Oeffentlichkeit ge treten, und zwar am 15. dieses Monats in Buluwayo, wo es galt, den Grundstein zu einer neuen Exercirhalle zu legen. Die Red« plätscherte interesselos dahin, wie man es nicht anders von einem Manne erwarten konnte, der zu den gefallenen Größen zählt und sich nicht mehr zu den Vertrautsn der politischen Drahtzieher Old-Englands zählen kann. Möglich, ja wahrschein lich, daß auch «r wieder seine politische Auferstehung «in«s Tages feiern wird, aber schwerlich in der Capcolonie, sondern allem An schein« nach in Transvaal, wohin er jetzt fachte sein Schwer gewicht zu verlegen beginnt. Die Capcolonie grämt sich hierüber auch nur s«hr 'wenig und weiß den düsteren Prophezeiungen, die er ihr stellt, das richtige Maß von Würdigung entgegenzubringen. Bedeutungsvoll war aber Rhodes' jüngste Rede insofern, als aus derselben mit voller Klarheit hervorgeht, daß die Chartered- Company nun endlich ihr ersehntes Ziel, England seine Miß geburt Rhodesia als Kroncol-onie aufzuhalsen, erreicht hat. Rho- desia soll Selbstregierungerhalten, das h«ißt also nicht allein vom Gängelband der Chartered-Company loskommen, sondern sich mehr oder weniger nach Muster der älteren Culturstaaten Süd afrikas selbst regieren; ob auf parlamentarischem Wege oder immer noch unter gewissem Druck des Mutterlandes, bleibt dahin gestellt. England sehnt sich offenbar nicht allzusehr, die Schulden last Rhodesias zu übernehmen, oder doch zu garantir«n, und was noch weit bedenklicher ist, es empfindet starken Widerwillen gegen di« Verpflichtung, dieses unruhige, von feindlichen Eingeborenen stämmen durchwühlte Land in Ordnung zu halten. Kostet doch allein der Unterhalt der verhältnißmäßig nur schwachen Landes polizei jährlich gegen sechs Millionen Mark. Indessen Herr Rhooes bringt in Südafrika so ziemlich Alles fertig, was ihm beliebt, und so braucht es uns nicht besonders zu wundern, daß er auch dies Bastard-Land Rhodesia als neue Perl« der englischen Krone einegflickt hat. Etwas wunderlich sind in seiner Rede die Anspielungen und die große südafrikanische Staaten conföderation, welche nur von der englischen Central regierung zu Stande gebracht trxrden könne. Die beiden ehe- maligen Boerenstaaten befinden sich bereits direct unter dieser Centralgewalt; kommt nun auch noch Rhodesia hinzu, so besitzt sie eine solche Uebermacht gegen die beiden noch sich selbst re gierenden Staaten Südafrikas, nä.nlich die Capcolonie und Natal, daß sie diese einfach zwingen könnte, sich zu conföderiren. Freilich, so ganz friedlich könnte das Experiment am Ende doch nicht ablaufsn. Zwar von Natal, diesem Knirps, der sich eben anschickt, die Erbschaft des Transvaaler Handels anzutreten, brauchte man nichts zu befürchten, denn erstens ist das Ländchen zu klein, und dann hat es ja im Verlaufe seiner ganzen Existenz stets eine solche charakterlose Bcutepolitik getrieben, daß es zu Allem Ja und Amen sagt, wenn's sonst nur Geld ein bringt. Aber die Capcolonie — ja, das ist schon etwas ganz Anderes! Da giebt's Boeren die schwere Menge, und wenn sie auch nicht so «inmüthig zu den Waffen gegriffen hatten, als es galt, die kämpfenden Stammesgenossen zu unterstützen, so sind sie doch eine parlamentarisch so wohlgeschulte und so furchtbare Staatspartei, daß gegen ihren Willen absolut nichts zu machen ist. Daher empfiehlt die englisch« Jingopartei, die sich mit Vor lieb« auch die großenglische nennt, man müsse entweder die boerische Parlam«ntspartei, den Bond, mit Gewalt aufheben, oder — man höre und staune — der Capcolonie das Recht der Selbstverwaltung, also die parlamentarische Constitution, völlig entziehen! Dann heißt es, wenn bier das imperia listische Fanstrecht ebenso unumschränkt herrscht, wie in den Boerenstaaten, dann kann di« Conföderation zusammen geschweißt werden. Zunächst aber muß Alles herum erst in den großen Schmelztiegel; durch Nacht zum Licht, durch's Feuer zum Leben! Daß es aber ebenso gut durch's Feuer zur Hölle gehen kann, das scheinen die Wenigsten zu wissen. Trotzdem fehlt es nicht an warnenden Stimmen, selbst aus dem gut engli schen Lager heraus. So sehen wir, das; sich auch unter den Engländem der Capcolonie eine Spaltung vorbereitet, nämlich zwischen solchen' welche für Aufhebung der Constitution sind, und solchen, welche dagegen. Nach herkömmlichem Muster finden nun im Lande allenthalben Versammlungen statt, auf welchen das Thema weidlich durchgedroschen wird, und jede Versammlung schließt mit einer Eingabe für oder wider die Sache. Die Presse strotzt von Artikeln hierüber, und wer seinem Müthchen nicht bei einer der Versammlungen Luft machen kann, der schafft sich Luft in einem „Eingesandt" an seine Ortszeitung. Eins steht fest, wenn England diesen Schritt thut, so wird di« Welt einen eclatanten Beweis darin erblicken, wie wackelig es mit seiner Herrschaft nicht allein in der Capocoloni«, sondern in ganz Süd afrika steht; und die Bewohner der Capcolonie werden von einem Jngrimme ergriffen werden, welcher die allerschlimmsten Folgen für die englische Herrschaft nach sich ziehen könnte. Noch sind keine drei Monate vergangen, daß der Premierminister von Can-ada, Sir Wilfred Laurier, die Worte sprach: „Ich verwette meinen ehrlichen Namen als britischer Unterthan dafür, daß die Boeren, obgleich sie auch ihre Unabhängigkeit verloren haben, I doch nie unter der englischen Herrschaft ihre Freiheit «inbüßen I werden." Heute wissen wir, daß die Boeren ihr« Freiheit sicher verloren haben, wenn sie sich dieselbe nicht noch aus eigener Kraft zurückerobern, wir wissen aber auch, daß Sir Wilfred Laurier sich selbst betrogen hat, und wir fürchten, daß nicht allein der kanadische Premier, sondern die ganze englische Nation sich täuscht, wenn sie glorreiche Früchte zu ernten hofft aus einem südafrikanischen Irland. * London, 9. Juli. (Telegramm.) Das Kriegsamt ver» öffentlicht eine Note, in der sestqestellt wird, daß von Len britischen Behörden seit dem 1. Januar 1901 keine Ausländer aus mili tärischen Gründen aus Südafrika nach Europa befördert worden sind. Ausländer, die noch nach diesem Tage verschickt wurden, sind mit zwei oder drei Ausnahmen heute in bedürftiger Lage, denen aus Ansuchen der betreffenden Consuln freie Ueberfahrt aus Transportschiffen bewilligt worden ist. Fürst Hohenlohe f. Der Reichskanzler hat außer an den Prinzen Alexander auch an den Fürsten Philipp Ernst ein ganz ähn liches Beileidstelegramm gerichtet, wie aus folgender Meldung hervorgeht: (D Ragaz, 8. Juli. (Telegramm.) Das Telegramm desReichskanzlersGrafenBülowandenFürsten Hohenlohe lautet: „Norderney, 6. Juli. Wahrhaft er schüttert von der soeben aus Ragaz erhaltenen tief schmerzlichen Nachricht vom Heimgange des verewigten Fürsten, den wir vor wenigen Wochen noch die Freude hatten, in gutem Befinden in Berlin bei uns zu begrüßen, bitte ich Sie, zugleich auch im Namen meiner Frau, den Ausdruck herzlicher Theilnahme ent gegenzunehmen. Persönlich verliere ich an dem Heimgegangenen einen mir stets wohlgesinnten Berather und Freund, zu dem in Paris und dann in Berlin auch in dienst lichen Beziehungen gestanden zu haben, mir immer eine werthe und liebe Erinnerung bl«iben wird. Das deutsche Volk aber wird stets dessen eingedenk bleiben, wi« der Verewigte sich von Jugend auf in den Dien st der nationalen Idee stellt«, und daß er während seines ganzen Lebens in vielen wichtigen Aemtern mit weiser Umsicht und regem Pflichtgefühl sich um die Befestigung des nationalen Bewußtseins immer neue Ver dienste erwarb." (Wiederholt.) (-) Raga;, 8. Juli. Heut« Nachmittag erhielt Fürst Philipp Ernst von Hohenlohe-Schillingsfürst noch folgende Depeschen: „Pillnitz, 8. Juli. Mit tiefem Schmerze habe ich Ihre Nachricht von dem Ableben Ihres verehrten Vaters erhalten und beklage den Verlust, den unser Vaterland durch den Tod dieses -weisen Staatsmannes erlitten. Albert." „Paris, 8. Juli. Ich dank« Ihnen für Ihr Telegramm, welches mir den Tod Ihres Vaters, Sr. Durchlaucht des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst anzeigt. Ich nehme aufrichtigen Antheil an Ihrem Schmerze und übersende Ihnen den Ausdruck der Theilnahme der Re publik. Emile Loubet." An den Prinzen Alexan 8 erist noch folgendes Telegramm eingogangen: „ R o m , 8. Juli. Mit Schmerz habe ich von dem Verluste vernommen, den Euere Durchlaucht durch den Tod Ihres er lauchten Vaters erlitten haben. Die Beweise der Sympathie, welche er Italien und meinem Hause stets gegeben hat, werden unvergessen bleiben; sein Tod erfüllt mich mit aufrichtiger Be- trübniß und veranlaßt mich, Ihnen und den Ihrigen meine herzlich« Theilnahme auszusprechen. Vittorio Emmanuele." Der schweizerische Bundesrath ließ durch den heute Nachmittag hier eingetroffenen deutschen Gesandten in Bern, v. Bülow, sein aufrichtiges Beileid aussprechen. («) München, 8. Juli. Prinzregent Luitpold sandte anläßlich 'ves Ablebens des Fürsten Hohenlohe am 6. Juli folgendes Handschreiben an den Fürsten Philipp Ernst: „Mein Herr Fürst Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst! Mit dem tiefsten Bedauern vernehme ich soeben die Nachricht von dem Hin- schei-den Ihres Herrn Vaters, des Fürsten Chlodwig Hohenlohe- Waldenburg-Schillingsfürst, und ich fühle mich gedrängt, Ihnen, mein Herr Fürst, meine innige und aufrichtige Theilnahme an dem schweren Verluste zum Ausdruck zu bringen, von welchem Sie und Ihr fürstliches Haus betroffen worden sind. Möge Ihnen in Ihrem gerechten Schmerze das Bewußtsein Trost ver leihen, daß der Verewigte durch seine bis ins hohe Greisenalter unablässig fortgesetzte, von vorbildlicher patriotis cher Hingebung getragen« und von reichen Erfolgen gekrönte Wirksamkeit in seinem Heimath- land« Bayern und in ganz Deutschland ein bleibendes Andenken sich gesichert hat. Wollen Sie sich überzeugt halten, mein Herr Fürst, daß ich persönlich die vielfachen Ver dienste des edlen Dahingeschiedenen in treuem Gedächtnisse be wahren werde. Mit der Versicherung besonderer Wertschätzung verbleibe ich Ihr wohlgeneigter Luitpold." * Neber die näheren Umstände beim Tode des Für st en wird dem „B. L.-A." noch berichtet: Bezüglich der Zeit der Todesstunde scheint eine ziemliche Unsicherheit zu be stehen, die wohl daher kommt, saß augenscheinlich weder der Kammerdiener noch sonst Jemand den Ein tritt des Todes bemerkte. Der Kammerdiener, der unmittelbar in der Nähe des Fürsten geschlafen hatte, fan-o seinen Herrn, als er Morgens 5 Uhr einmal nach ihm sehen wollte, bereits todt. Er weckt« die Kammerfrau der Damen Hohen lohe, welche sofort die Tochter und die Gräfin Schönborn von dem Ableben des Fürsten in Kenntniß setzte. Auch nicht das geringste Anzeichen einer nahenden Katastrophe hatt« sich am Abend vorher gezeigt; der achttägige Aufenthalt in Paris und die Reise hierher hatten den alten Herrn stark angestrengt, und man schrieb die allgemein« Ermattung der letzten beiden Tage /diesem Umstande zu. Da der Fürst auch keinerlei Klagen ver lautbarte, und selbst keinerlei Befürchtungen hegte, war jede außerordentliche Vorsicht unterlassen worden. Als der Kammer diener an das Bett des tobten Fürsten berangetreten, schien dieser lediglich noch zu schlafen. Kem Muskel -war verzogen. Er lag poch in der Stellung, in d«r er zu schlafen pflegte. Nur die bereits erkaltete Hand und das Aufhören des Athmens wiesen auf de-n bereits erfolgten sanften und schmerzlosen Tod. — Der Fürst ruht im offenen Sarge, von Blumen be deckt. Der Sarg steht auf einem improvisirten schwarzen Posta ment, so daß der Zutritt zur Leiche frei ist. Das Sterbezimmer ist in dämmeriges Dunkel gehüllt, und rings um den Sarg stehen dunkelgrüne Pflanzen und Bäumchen, welche das Sterbe zimmer in eine Gartenhalle verwandeln. Weitere Kränze mit weißen Schleifen schmücken das Fußende des Leichnams. Der Zutritt ist nun Jedermann verwehrt, bis Vie Familie ver sammelt s«in wird. * Fürst Hohenlohe hinterläßt vier Kinder: die neuver mählte Prinzessin Elisabeth, welche stets in den letzten Ferrvllstsn» Rechtsanwalt Lohmann. 14s Roman von Rudolf Jura. NaLdruS entölen. XI. Der Rechtsanwalt war zunächst sprachlos vor Ueberraschung. Fräul«in Kurzmüller hingegen zeigte sich sofort im Vollbesitz ihrer Redegabe. Sie hatt« der heimliche Ueberfall in ihr«r Woh nung und der fast gelungene Raub des Zettels nicht stumm ge macht, und in lauten Schimpf- und Schmähreden goß sie ihren Zorn über den Rechtsanwalt aus. „Ich verstehe nicht", rief si«, „wie Sie als Rechtsanwalt, also als Vertreter des Rechts, es Uber das Gewissen bringen können, einem armen, schutzlosen Mädchen in seiner Abwesenheit den Hausfrieden zu brechen und die Wohnung auszuplündern. Was Si« da mit Jhr«n Spießgesellen, unter denen ffch ja auch mein falscher Freund Born befindet, begangen Inben, ist eine gemeine Schuftigkeit, die ich gar nicht hinreichend bezeichnen kann, und die gar nicht streng genug bestraft werden kann." „Mäßigen Sie vor Allem Ihr« Stimme etwas", antwortete j«ht dec Rechtsanwalt, der inzwischen seine Selbstbeherrschung wiedergrfunden hatte; „«s ist nicht nöthig, daß di« ganze Nach barschaft erfährt, was wir Zwei mit einander zu verhandeln ha-ben." „O doch! Sie soll es hören! Die ganze Welt soll es hören, was Sie für Einer find!" Mt düsen Worten trat sie ans Fenster, riß es auf und rief nun, so daß man es auf der Straß« hören konnte: „Wollen Sie mir jetzt erklären, Herr Rechtsanwalt Lohmann, mit welchem Recht« Sie in mein« Wohnung hier «ingedrungen sind und mich bestohlen haben? Sie Dieb! Sie Einbrecher, Herr Rechtsanwalt Lohmann!" „Mein Recht, in dieser WoHnun-g zu sein", erwiderte der Rechttan-walt ganz ruhig, „ist sehr klar und einfach. Düs« Wohnung gehört ja nicht Ihnen, sondern dem hiesigen Frauen verein, dessen SyndicuS ich bin, und der Ihnen, als seiner An gestellten, düse Räum« gewissermaßen als Dienstwohnung über- lassen hat." „Da» weiß ich, Herr Rechtsanwalt, daS weiß ich. Aber mit solchen Ausflüchten oeweisrn Sie gär nichts. Dies« Räume find mein« Dünstwoh-nu-ng und nicht die Ihrige. Si« haben also kein Recht, hier zu Hausen und mich zu überfallen und zu be rauben." „Nichts von alledem ist auch mein Vorhaben. Lassen Sie mich nur ruhig ausreden. Ich habe durchaus nicht die Absicht, bei Ihnen zu wohnen oder dem Räuberhandwerk obzuliegen, sondern ich stehe hier als Beauftragter des Vorstandes, um Ihre Buch führung, deren Mangelhaftigkeit uns neulich auffiel, eingehend zu prüfen und sie auf ihre Uebereinstimmung mit den Cassen- beständen zu untersuchen." „Und dazu haben Sie diese vier Herren mitgebracht, von denen mir dr«i nicht einmal bekannt sind?" „Jawohl. Es sind Sachverständige, deren Beistand ich zu meinen Untersuchungen bedarf", entgegnete der Rechtsanwalt lächelnd. „Die Herren Engelbert, Patzig und Heidenreich. Fräu lein Kurzmüller." Die Dame erwidert« die Verbeugungen der Herren mit spötti scher Grazie und sagte: „Ich freue mich, meine Herren Besucher doch ^wenigstens kennen gelernt zu haben. Die Büch«r und die Lasse sühen natür lich zur Einsicht bereit. Aber fragen- möchte ich vorher noch, ob Sie Ihre Vollmacht des Vorstandes auch berechtigt, mein« Privat- zimmrr zu durchstöbern und mir am Hellen- Tag« einen Brief von der Wand weg zu stehlen. Was antworten Sü darauf, Herr Rechtsanwalt? Sie, d«n ich «brn als Düb ertappt habe, was -antworten Sie darauf?" „Sehr wenig, Fräulein! Nämlich nur daS Eine, daß Sie nicht mich, sondern daß ich Sie jetzt als Dieb ertappt habe. Sie haben diesen Brief gestohlen oder doch unterschlagen, und ich habe hier nur daS rechtmäßig« Eigenthum meiner Clientin zurück genommen. Denn ich stehe hier auch als Vertreter 'der Frau Doctor Römer vor Ihnen." Fräulein Kurzmüller lachte höhnisch. „Das heitzt, Sie hofften, ihn zurückzunehmen, und Sie hätten ihn auch beinahe zurückg«nommen. Glücklicher Weis« trat ich noch zur rechten Zeit dazwischen und habe den Brief jetzt noch in meinrr Hand." „Leider. Aber das wird nicht mehr lange dauern. Ich wollte Sie schonen und habe deshalb versucht. Ihnen den unrecht mäßigen Besitz des Papiers unter der Hand zu entziehen. Das ist mir nicht gelungen. Ich stehe auch von jedem weiteren Vir such« dieser Art ab. Aber ich werde sofort die nöthig«n- Maß regeln ergreifen, damit Ihnen der Brief mit gerichtlicher Gewalt abgenommen wird. Sie werden ihn also nur kurz« Zeit noch in Händen haben." Fräulein Kurzmüller zuckt« spöttisch die Achseln und dreht« den Brief wohlgefällig zwischen beiden Daumen und Zeige fingern. Der Rechtsanwalt aber deutete mit einer abweisenden Handbewcgung an, daß diese Angelegenheit nunmehr als abg«- than zu betrachten sei, und fuhr in einem gänzlich veränderten, geschäftsmäßigen Tone fort: „Jetzt möchten -wir aber di« Cassenprüfung vornehmen. Haben Sü also die Güte, uns die Bücher zur Durchsicht vorzulegen. Vorher wollen Si« sich aber, bitte, von der Richtigkeit meiner vom Vorstande ausgestellten Vollmacht überzeugen." Er griff mit der Linken in -die Brusttasche und zog ein Papier heraus, das er ihr entgegenhielt. Si« trat arglos einen Schritt vor, und während sie ihr« Aufmerksamkeit auf das vorgezeigte Papier richtet-, das gar keine Vollmacht enthielt, griff er mit der Rechten blitzschnell nach dem Brief in ihrer Hand, um ihn ihr wieder zu entreißen. Aber was er als Deute eroberte, war nur ein kleiner los gerissener Fetzen des Briefes. Denn Fräulein KurzmUlür war seinem Gewaltstreich noch im letzten Augenblick durch krampf haftes Schließen der Hand begegnet, und jetzt sah er, wie sie hurtig den Brief zerriß, die kleinen Stücke in einen Knäu«l zu- sammenballtr und zum offenen Fenster hinauswarf, ehe er sie daran hindern konnte. Zu spät fiel er ihr in den Arm. Es war bereits geschehen, und aus ihr«n Augen blitzte ihm «in unversöhnlicher Haß ent gegen. Er schauderte vor diesem Hasse, der in der völligen Ver nichtung des Gehaßten sein« Freude findet. Aber über die Be siegelung des Schicksals seiner Geliebten hatte er keine Zeit, lange nachzudenken. Augenblicklich hatte er das boshafte Weib losgelassen und war zur Thür hinausgeftürzt, um von dem Briefe zu retten, was noch zu retten war. Born trat ans Fenster und sah, wie der Rechtsanwalt auf der Strohe den herabgeworfenen Knäuel Papier aufhob, genau be- trachüte und zu sich steckte. „Haben Sie Alles, Herr Rechtsanwalt?" rief er hinunter. „Jawohl", klang es fröhlichen 2on«S herauf. „Kommen Si« nur gleich mit zu mir. Den Brief setzen wir uns wieder zusammen. Sü müssen mir mit Ihrer Geschicklichkeit dabei behilflich sein. Wir können ihn ja aufkleben oder was Sie sonst für «inen Aus- weg finden. Also beeilen Si« sich, und kommen Sie. Bringen Sie mir, bitte, Hut und Stock mit, dü ich in- drr Eile oben habe sühen lassen, und sagen Sie den drei Herren, ich würde morgen in meiner Kanzlei mit Ihnen abrechnen und ließe ihnen «inst- weilen für ihr« Bemühungen besten» danken." Born richtete diesen Auftrag aus und verließ mit höflichem Gruß als Letzter das Zimm«r. „Nun?" fragte Fräulein Kurzmüller. „Was wirb aus der Bücherdurchsicht?" „Aber, liebes Fräulein", erwiderte er geringschätzig, indem er sich in der Thür umkchrte, „was ist uns denn an Ihren schwindelhaften Rechnungskunststücken gelegen! Behalten Sü die Buchführungsarbeiten des kleinen Petritz ruhig für Ihren per sönlichen Genuß. Der Rechtsanwalt trägt gar kein Verlangen, schon wüdrr die Nase in Ihre liederlichen Geschäfte zu stecken. Ja, wenn er wüßte, daß Si« die Casse um fünfhundert Mark bestohlen haben, dann -wäre das ctwas Anderes. Aber ich bin leider selbst gegen eine Dame, wie Sü, immer noch zu anständig, um einen Vertrauensbruch zu begehen! — Leben Sie wohl! Jrtzt kleben wir uns Ihren zerrissenen Brüf wieder hübsch zusammen. Vielleicht kommt dann morgen schon Ihre gefürchtete Wohlthäterin, Frau Doctor Römer, um an unserer Statt Bücher und Casse durchzusehen. Sü haben wenigstens nicht mehr das Mittel in der Hand, ihr Erscheinen unmöglich zu machen. — Ob ich selbst noch b«i Ihnen ess«, weiß ich nicht. Ich fürchte, Sie vergiften mich nun. Denn sehr heftig ist Ihre Liebe zu mir wohl kaum mehr. — Leben Sie wohl!" Diese kleinen Bemerkungen boshafter Schadenfreude hatte er sich nicht versagen können. Jetzt schlug er rasch die Thür zu und verschwand, um den sicher schon ungeduldigen Rechtsanwalt nicht länger auf der Straße warten zu lassen. Das höhnische Gesicht, mit dem ihm Fräulein Kurzmüller nachblickte, sah er nicht mehr. Sonst würde ihm drr giftig« Aus druck ihrer boshaften Züge wohl etwas beunruhigt und seine spöttische Siegerstimmung etwas gedämpft hoben. So ober kam er heiter dem Rechtsanwalt entgegen, der vor Ungeduld schon die halbe Treppe wüder «mporgestügen war. Erst jetzt kam der Rechtsanwalt dazu, ihm in den wärmsten Worten seinen Dank und seine Anerkennung für die glückliche Auffindung des Briefes auszusprechen. Born mußte unterwegs erzählen, wie er auf die so zutreffende Vermuthung d«S richtigen Versteckes gekommen war. Der Rechtsanwalt wiederholte seinen Dank und fügte nochmals die Aufforderung hinzu, nun auch auf die Wiederzusammrnfügung der glücklich eroberten Fetzen rechte Sorgfalt zu verwenden. Born versprach das natürlich eifrig und kaufte im Dorübergehen in einer Papierhandlung rin« Rolle dünne», gummirtes Papier, um gleich nach seiner Ankunft in der Kanzlei mit der Arbeit anfangen zu können. Schon unterwegs begann «r, da» Papier aufzurollen
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