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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.07.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010713016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901071301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901071301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-13
- Monat1901-07
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Notizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2S Rrelamia unter dem RedacNon-strich (4grfpaltea) 75 Lp vor den Familieunach- richten (S gespalten) 50 Tabellarischer und Ztffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannahme L5 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgtn-AuSgabe, ohne Postbtförderung «0.—, mit Postbesördrrong ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Au-gab«: vormittag» w Uhr. Morg»u-Aa-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bet den Filiale» and Annahmestellen je eine halb« Stund« früher. Anzeigen sind stet» au di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von L Polj in Leipzig 352. Sonnabend den 13. Juli 1901. , , 85. Jahrgang. lieber -en neuen colonialwirthschastlichen Leirath -er -rutschen Lotschaft in London bringen die Mittheilungen der „Deutschen Colonialzesellschaft" eine Orientirung, die in weitesten Kreisen mit Dank aus genommen werden wird: Unter den Gebieten, auf welche die Betbätigunz des ersten colonialmirthschaftlicken Beiraths einer deutschen Botschaft sich zu erstrecken haben wird, stehen Handel und Plantagen- wirthschafl obenan. Eine rasche unv regelmäßige Bericht erstattung über alles in dieser Beziehung Vorliegende wird nicht ohne Einfluß bleiben auf eine zweckmäßige und dem Gemeintewohl dienende Lösung der einschlägigen Fragen, welche für unsere Schutzgebiete von Belang sind. Einen besonderen Rang unter den von unserer Colonial politik demnächst zu lösenden Aufgaben nimmt, wie auch auf der letzten Tagung de» ColonialrathS in die Erscheinung ge tretenist, dirNegelunzderArbeiterverhältnisse ein. Auch hier wird eine auf eingehende Studien begründete Kenntniß der Gesetzgebung der anderen Staaten und vor Allem die- Mittheilung von Normalarbeitsverträgen, die sich bewährt haben, für die diesseits zu treffenden Maßregeln von Nutzen sein. Die Bedeutung des Verkehrswesens für die Erschließung der Colonien ist von allen Culturmächten, die überseeische Besitzungen ihr eigen nennen, anerkannt. Insbesondere spielt die Frage der mechanischen Verkehrsmittel, vor Allem der Eisenbahnen, eine immer größere Rolle. Unsere Colonial verwaltung bat die Bedeutung der ihr hier obliegenden Auf gaben vollauf erkannt. Die Möglichkeit, die eigenen Unter nehmungen an erprobtem Maßstabe zu messen, wird ihr die nöthigen Unterlagen gewähren für eine sachgemäße und über zeugende Vertretung ibrer bezüglichen Forderungen in den gesetzgebenden Körperschaften des Reiches. Für die Volksgenossen, welche in den Colonien zu K'c-rn und zu wirken haben, ist die Beschaffung geeigneter sani tärer Einrichtungen von nicht zn unterschätzender Bedeutung. Hier steht die Bekämpfung des Erzfeindes der Europäer in den Tropen, der Malaria, obenan. Herrn Or. Zimmer mann wird es obliegen, die wissenschaftlichen Forschungen auf diesem Gebiete zu verfolgen, wie die Einrichtung von Hospitälern, die Beschaffung gesunden Trinkwassers und ähn liche Fragen zu untersuchen. Daß die Land- und Berggesetzgebung, die Frage der Er schließung der Bodenwerthe durch den Staat, durch Gesell schaften, durch Einzelne, den Gegenstand besonderer Aufmerk samkeit unseres cownialwirthsckastlichen Beiraths in London zu bilden haben wird, braucht kaum eigens hervorgehoben zu werden. Sowohl von der Colonialverwallung, als auch von den Colonialfreunden im Reichstage und nicht zum Mindesten in den Vorstandssitzungen und den Hauptversammlungen der Deutschen Colonialgesellschaft ist als Jdealznstand derjenige bezeichnet worden, in welchem unsere Schutzgebiete in den Stand gesetzt sein werden, vermöge der Deckung ibrer Aus gaben durch eigene Hilfsquellen sich in gewissem Grade selbst zu verwalten. Eine weitere Aufgabe des Herrn vr. Zimmer mann wird daher darin bestehen, die Besteuerungs verhältnisse in den älteren Colonien zu untersuchen und über die Regelung der dort von den eingewanderten Weißen wie von den Eingeborenen zur Erhebung gelangenden Ab gaben zu berichten. Daran schließt sich daS weite Gebiet der Verwaltung der Eingeborenen. Gehören doch die Behandlung unserer schwarzen Landsleute, ihre Einbeziehung in die Rechtspflege, ihre Ausbildung in Schulen, ihre Erziehung zur Arbeit zu den Aufgaben, welche uns die sittliche Berechtigung zum Besitz und zur Ausbeutung von Colonien gewähren. Ferner wird gerade daS britische Colonialreich in viel facher Beziehung — unter Berücksichtigung natürlich der ver schiedenen nationalen und örtlichen Bedingungen — lehrreich sein für die Lösung der wichtigen Frage der Vorbildung der Colonialbeamten. Hier wird sich die Berichterstattung nickt auf das Maß der zu beanspruchenden theoretischen und prak tischen Kenntnisse beschränken dürfen, sondern die Colonial- abtheilung wird von ihrem Vertrauensmanns auch Aufklärung erfordern über die Vergünstigungen, welche andere Colonialmäckte den ausgehenden Beamten einräumen, über das Gebalt, das diesen zugestanden wird, über ihre Wohnnngsverhältnisse und dergl. Vor Allem aber ist auch hier auf rie Eingeborenen und deren Eigentbümlichkeiten die nöthige Rücksicht zu nehmen. Sowohl im Interesse der Gewinnung der Urbevölkerung für europäische Cultur und unsere wirthschafilichen Zwecke, als auch im Interesse der Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung liegt es, daß, so weit angängig, die Beamtcnstcllungen durch Eingeborene besetzt werden. Die Frage, welche Functionen in der Behördenbierarchie diesen anvertraut werden können, wird auch eine der Hauptaufgaben der Berichterstattung des Herrn vr. Zimmermann bilden müssen. Endlich wird daS Militärwesen, die Beschaffung der zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Innern und zur Abwehr gegen äußere Feinde erforderlichen Streitkräfte in den Kreis der Beobachtungen gehören, deren Ergebniß auf die Entschließungen der deutschen Colonialverwaltung nicht ohne Einfluß bleiben wird. Wie wir demnach sehen, sind die dem Schaffen vr. Zimmer- mann's in London gesteckten Grenzen nicht zu eng bemessen. Seine Studien werden sich auSdehnen über das gesammte weite Gebiet der Colonialpolitik und Colonialwirthschaft. Seine Wabl gerade für diesen neu geschaffenen, verant wortungsvollen Posten ist ein Beweis hohen Vertrauens, daS seine vorgesetzte Behörde in ibn setzt, eines Vertrauens, das nickt nur durch seine amtliche Vergangenheit und seine literarische Thäligkeit gerechtfertigt, sondern welches auch von weiten colonialen Kreisen getheilt wird. Der Colonial- abthcilung aber gebührt warmer Dank für die weitblickende Maßnahme, welche sie mit der Entsendung des Vr Zimmer mann getroffen hat. Mögen sich die daran geknüpften Hoff nungen erfüllen zum Wohle deS gesammlen Vaterlandes! Wer regiert Japan? AuS Tokio, 3. Juni, sendet uns unser Mitarbeiter in Anknüpfung an die jüngste japanische NegierungSkrisiS die solgenden Mittbeilungen, die einen Einblick in den Mechanis mus und in die treibenden Kräfte der inneren Politik Japan eröffnen und daher geeignet sind, in die für deutsche Leser meist unverständlichen abgerissenen Mittbeilungen über die innerpolitischen Vorgänge in Japan Zusammenhang zu bringen und sie uns verständlich zu machen. Das Ministerium des Vicomte Katsura, daS endlich nach langen Verhandlungen zu Stande gekommen ist, enthält außer dem verdienten General selbst, der an der Spitze steht, keinen in der politischen Arena klangvollen Namen. ES sind bewährte Verwaltungsbeamte,von denen drei bereits in früheren Cabinetten als Fachminister gedient haben; zum Tbeil sind sie nur deshalb berufen worden, weil bekannte Politiker und Mitglieder der im Unterhaus herrschenden Partei ihre Mitwirkung versagten. Selbst der Premierminister hat nur widerstrebend den Auftrag übernommen, den sein Souverän ihm ertbeilte; man durfte doch die Cabinetskrise, die schon sechs Wochen lang die inneren Schwierigkeiten vor der ganzen Welt bloßlegte, nickt noch weiter hinauszieben. Welches sind aber die eigentlichen Macktinhaber, zwischen denen der Ausgleich so schwierig geworden ist, kaß man einstweilen zu diesem Nolhbeheif eines farblosen Ministeriums greifen mußte? Formell und verfassungsgemäß ernennt der Kaiser die Staatsminister nach freiem Ermessen. Es würde aber nach japanischer Anschauung der Würde deS Landesvaters nickt entsprechen, wenn er sich in den Kampf der Interessen und in den Streit der Meinungen seiner Uutcrlhanen einließe; seine Autorität strahlt in immer gleicher Herrlichkeit auf Alle, die sich hier unter den Wolken um einen guten Platz für die Saaten ihres Denkens und Wollens bemühen. Nur wenn die Concurrenten des politische» Betriebes sich mit selbstmörderischer Wuth verbissen haben oder unehrlicheKampfeSmittel gebrauchen, greift seine daS höhere Bewußtsein darstellende persönliche Autorität ein, um falschen Conflicten ein Ende zu machen und das allgemeine Beste zu retten. So ist eS oft geschehen, wenn bas Unterhaus „diesem Ministerium" das Budget nicht bewilligen wollte; so ist noch in diesem Frühjahr das Oberhaus zur Nachgiebigkeit bewogen worden. Im Gefühl dieser Stellung des japanischen Herrscherhauses bat der literarischen Studien eifrig obliegende Kaiser vor vier Wochen dem ältesten Sohne des Kronprinzen die beiden Namen gegeben, von denen der eine Wohlwollen und Edelmutb, der andere „Moderator" bedeutet. Bei der Feststellung deS UrtbeilS aber, ob und in welcher Weise ein Hinuntergreifeu der höchsten politischen Autorität angezeigt ist, stehen dem Kaiser als Be- ratber die sogenannten Genkun zur Seite, d. h. die ver dientesten noch lebenden Staatsmänner aus der Zeit der Wiederherstellung der kaiserlichen Allgewalt (l868), sofern sie sich nicht später durch Taktlosigkeit unv Eigensinn ihren Platz im Kronrathe verscherzt haben. Sie ge hören naturgemäß fast ausschließlich den beiden Clanen an, deren vereinigte Macht daS Shogunat besiegt hat. In der letzten Krisis haben drei Staatsmänner aus dem Cbosbin-Clan (Marquis Ito, Marquis Aamagala und Graf Jmouye) und zwei aus dem Satsuma-Clan (Graf Matsukata und Marquis Saigo) als Schildhalter der Majestät gewirkt. Sie haben, da Marquis Ito zur Wiederübernahme seines Postens nicht zu bewegen war, für reckt befunden, daß in dem neuen Ministerium weder die Seiyu-kai, d. h. die von Marquis Ito geführte MajoritätSpartei deö Unterhauses, noch daS im Kampfe mit dieser Partei zum Selbstgefühl erwachte Oberhaus vorwaltenden Einfluß baden dürfe. Da die Ursache der ganzen Krisis auf Uneinigkeit innerhalb de- Cabinets selbst zurückzuführen ist, so zog man ganz Außenstehende einer Zusammensetzung aus Angehörigen beider Gruppen vor. Der Kampf zwischen Oberhaus und Unterhaus bleibt also der im November beginnenden parlamentarischen Session Vorbehalten. Marquis Ito, der während seiner halbjährigen Amtszeit viel von Krankheiten zu leiden hatte, ist jetzt eifrig bemüht, die von ihm im vorigen Sommer begründete Partei fest an sich zu ketten. Er hat für seine Unfähigkeit, zwischen seinen Amtsgenossen im letzten Cabinet Einigkeit zu erzwingen, und für den dadurch herbeigeführten Verlust der Macht für seine Parteigenossen Verzeihung nachgesucht und erwartet geduldiges Vertrauen zu seiner staatsmännischen Einsicht auch in der Zukunft. Warum er im Kronratbe die Wiederübernahmr der Geschäfte abgelehnt und welche Linie der Politik er angerathen habe, weigert er sich, seinen Parteigenossen zu verrathen, indem er (was Wohl nur in Japan möglich ist) seine politische Stellungnahme als Berather des Kaisers vollständig von seiner Politik als autokratisches Parteihaupt trennt. Wahrscheinlich bat er versprochen, die Anforderungen seiner großen Gefolgschaft in Schranken zu halten, damit, wenn Marquis Jamagata seinen großen Ein fluß im Herrenhause ebenfalls im Sinne der Mäßigung ver wendet, die Staatsmaschine vor gefährlichen Friclionen bc- wabrt bleibt. Wie weit daS Beiden gelingen wird, ist die große Frage für die nächste parlamentarische Session. Jedenfalls bat Marquis Ito dadurch, daß er als einfluß reichster Berather des Kaisers sich auch eine mächtige Partei im Unterhause geschaffen hat, die von seinem Ein fluß zn profitiren hofft, sich nicht nur das Oberhaus ent fremdet, das ihm als seinen ersten Präsidenten besonders er geben war, sondern auch eine nur mühselig verkleisterte Spaltung in dem Kronrathe herbcigefübrt, der wie ein Sckirm zwischen dem Glanze der Majestät und dem Getümmel des politischen Kampfes steht. Geht dieser Schirin in die Brüche, so muß cS auch in Japan zu Conflicten kommen, aus denen entweder ein Parteiregiment wie in England oder eine persönliche Regierung deS Herrschers wie in Preußen, oder drittens die Vorherrschaft be setzt auS der Politik auSgeschaltcten militärischen Princips bervorgeht, das ans alter Zeit her in Japan ein starkes Machtbewußtsein überkommen hat. Einstweilen hat Vicomte Katsura seine GeneralSwürve und seine militärischen Aemter niedergelegt, ehe er die Leitung der Geschäfte übernahm; die Feuilleton. Die Zettelbank in Frankreich und ihr Zusammenbruch (1720). Von FedorvonKöppen. Nachdruck r.rboten. Der schwere finanzielle Schlag, welcher in jüngster Zeit die Einwohnerschaft unserer Stadt und die ihr nahestehenden Kreise getroffen hat, lenkt unsere Blicke auf ähnliche Vorgänge in früherer Zeit und in anderen Ländern zurück. Nicht, daß wir darin einen Trost in unserer gegenwärtigen Misöre suchen, aber sie bieten doch manche Lehre, die seitdem wieder vergessen wurde. Wir gedenken hier jener großen Katastrophe, welche in Frank reich zur Zeit der Minderjährigkeit des Königs Ludwig XV. und der Regentschaft des Herzogs Philipp vonOrleans hereinbrach. König Ludwig XIV., den die Franzosen Louis le grand nannten, hinterließ nach einer glänzenden, er oberungsreichen und üppigen Regierung das gänzlich verarmte und demoralisirte Frankreich mit einer Schuldenlast von 2412 Millionen Livres tournois, was nach dem heutigen Geld- werthe ca. 12 Milliarden Francs betragen würde (81 Livres tournois gleich 80 Francs). In sämmtlichen Cassen Frankreichs fand sich ein Baarbestand von 800 000 Livres. 20 Millionen ober waren sofort mit den fälligen und den laufenden Zinsen der Schuld zu decken. Man schlug dem Regenten unter diesen Ver hältnissen die Bankerotterklärung des Staates vor. Der Regent lehnte dies aber aus politischen, vielleicht auch aus Humanitären Gründen ab. „Kein Bankerott", erklärte Philipp, „wohl aber ökonomische Reformen." „Die fiskalische Armee von 100 000 Steuerbeamten ist stark zu reduciren, da von diesen Blut egeln zwei Drittel der Steuer absorbirt werden, nur ein Drittel einkommt." .... Aber bei allen wohlmeinenden Absichten zeigte Philipp von Orleans doch bald, daß er nicht zum Herkules für den finanziellen Augiasstall Frankreichs geschaffen war. Da führte sich bei dem Regenten ein Finanzmann ein, welcher durch seine gewagten Finanzoperationen Frankreich von dem Rande des Abgrundes zu retten versprach. Es war dies ein geborener Schotte, mit Namen John Law, geboren 1671 zu Edinburg als Sohn eines Goldarbriters, welche- Gewerbe damals mit dem Stande eines Geldwechslers oder Bankiers ungefähr gleich stehend betrachtet wurde. John Law hatte seine Finanzideen bereit» in verschiedenen großen Städten Europas mit grögerem oder geringerem Erfolge zur Geltung gebracht. Dieselben be ruhten auf dem Hauptgedanken, Geld durch Credit, Kredit durch Papier,u schaffen, oder an Stelle der bisherigen Staatspapiere Frankreichs, die ihren Credit im Volke verloren hatten, ein neues Papier zu sehen, zu welchem die Menge leichter Vertrauen faßte. Der Staat sollte nach den Law'schen Plänen eine Bank gründen, nicht auf ein ausreichendes Geldcapital oder auf rin solches, welches mindestens einem gewissen Bruchtheil der darauf aus- zugebendrn Papiernoten deckte, sondern auf da» jährlich« Steuer einkommen, d. i. auf die 160 Millionen, welche nach dem Staats budget nicht nur bis auf den letzten Sou verausgabt werden, sondern regelmäßig ein starkes Deficit hinterlassen. Die Bank- billets sollten Zwangscours bei allen Staatsrechnungen haben. Law's Project wurde durch den Regenten in einer außer ordentlichen Rathsversammlung zur Verhandlung gebracht, stieß aber bei den bedeutendsten Pariser Handelsnotabcln auf Widerstand und mußte deshalb wieder fallen gelassen werden. Der Regent hatte sich aber von den Phantasmagorien Law's so blenden lassen, daß er ihm zugerufen haben soll: „Ist es Gott, der Sie schickt, so bleiben Sie; ist es der Teufel, so gehen Sie nicht weg!" Am 2. Mai 1716 sah sich der Regent genöthigt, einen theil- weisen Bankerott zuzugeben: 600 Millionen „Königliche Effecten" oder Schuldverschreibungen wurden auf 250 Millionen reducirt. Alles öffentliche Papier sollte künftig den Namen „Staatsbillcts" führen. Jetzt wurde die Münze erhöht, nämlich im Titel, also m Wahrheit verschlechtert. Aus der Mark Silber fein sollten nicht mehr 40, sondern 60 Livres geschlagen werden. Nun erhielt Law die Ermächtigung zur Gründung einer Privatbank: Gründungscapital 6 Millionen Livres in 1200 Aktien zu 5000 Livres, zahlbar zu ein Viertel in Gold, zu drei Viertel in Staatsbillcts. Alle öffentlichen Cassen wurden zur Annahme der Law'schen Banknoten bei Steuern, Gebühren und anderen Bezahlungen verpflichtet. Die Bank wurde noch ergänzt und getragen durch ein anderes Unternehmen. Law erhielt von der Regierung das Privilegium des Alleinhandels mit den französischen überseeischen Besitzungen, zunächst in dem Stromgebiet des Mississippi, welches die fran zösische Industrie sich soeben zu erschließen begonnen hatte. Die Gesellschaft, welche Law zur Ausbeutung dieses Privi legiums bildete und welche sich „Compagnie d'Occident" nannte, sollte größere Geldmittel, als alle ihre Vorgängerinnen ver einigen. Law gab 200000 Aktien aus, jedoch nur zu 500 Livres, „da es" — so besagt das Patent — „unsere Absicht ist, daß die möglichst große Anzahl unserer Unterthanen an dem Handel dieser Compagnie und an den Vortheilen, die wir derselben ge währen, sich betheiligen und Jedermann nach seinen Mitteln sich dabei interessiren könne." Law legte die 6 Millionen seiner Bank in Mississippi-Aktien an und versprach diesen 4 Procent Zinsen. Er versäumte nichts, um die Mississippi-Compagnie durch künst lich« Mittel emporzubringen: Er kaufte 200 Aktien, die auf 300 L. standen, und bezahlte sie nach ihrem Nominalwerth zu 500 L., um seine Zuversicht zu bekundeir, daß sie in kurzer Zeit »1 pari steigen würden, und um damit ihren Werth in den Augen des Publikums zu heben. Die Reichthümer der Mississippi- Compagnie wurden fabelhaft übertrieben. Man zeigte Kupfer stiche, auf denen die Wilden von Louisiana den Franzosen mit allen Zeichen der Verehrung und Bewunderung entgegenkamen. Die Umschrift besagte: „Man sieht daselbst Berge, gefüllt mit Gold, Silber, Kupfer, Blei, Quecksilber. Da diese Metalle sehr gemein sind und die Wilden deren Werth nicht ahnen, vertauschen sie Gold- und Silberklumpen für europäische Maaren, wie Messer, Kessel, Spieße, einen kleinen Spiegel oder auch einen Schluck Branntwein." Die Aktien der Mississippi-Compagnie stiegen im Mai 1719 al pari. Befriedigt von diesem Erfolge, ließ sich Law von seiner Regierung ein Handelsmonopol auf Asien, Afrika, Amerika geben. Er gab zwei Mal, kurz nacheinander (im September 1719), für 50 Millionen Livres neue Aktien zu 500 L. aus, deren Cours bald auf das Doppelte, auf 1000 L., stieg. Aber auch dieseEmissionen genügten noch nicht, das Verlangen desPublicums zu befriedigen. „Auf die Vorstellungen, welche dem Könige . . . gemacht worden..." — besagt ein neuer königlicher Erlaß (vom 3. Oktober) — wie das Verlangen des Publikums nach Aktien der indischen Compagnie fortwährend so groß sei, daß auch die zweiten 50 Millionen (Emission vom 28. September) noch nicht zu dessen Befriedigung ausreichen, geruht Se. Majestät, die Emission von neuen 50 Millionen Livres zu erlauben." Die Bahn für neue Unternehmungen in der Zukunft machte sich Law durch Erwerbung der „Gcneralpacht", welche die sämmt lichen indirekten Steuern des Königreichs umfaßte, frei. Der Staatsvertrag mit den bisherigen Generalpächtern wurde durch ein königliches Machtwort cassirt und die Generalpacht der Mississippi-Compagnie übertragen. Diese machte darauf dem Staate ein Darlehen von 1200 Millionen Livres zur Zurück zahlung von Schulden, Renten und Cautionen, und zur Er höhung ihres Kredits. Die Aktien der Mississippi-Compagnie nahmen einen fabelhaften Aufschwung. Sie stiegen im August 1719 auf 5000 Livres. Das nominelle Aktienkapital erreichte die schwindelnde Höhe von 12 Milliarden. Hoch und Niedlich beeiferte sich, in den Besitz von Aktien zu kommen. Mehrere Fürsten Europas schickten besondere Agenten nach Paris. Den gekrönten Bittstellern des Auslandes traten die heimischen Großen würdig zur Seite. Die französischen Staats archive bewahren noch eine Menge Bittgesuche, wo die glänzendsten Namen der französischen Geschichte am Fuße einer demüthigen Actiensupplik zu finden sind. Law wurde in seinem Cabinet förmlich belagert, außerhalb seines HauseS bestürmt und ver folgt. Sogar der aristokratischen Damenwelt war keine List zu fein, kein Mittel zu bedenklich, um die Gunst des gewaltigen Finanzkünstlers zu erhaschen. In der Rue Richelieu und derRueVivienne rückte die Menge in geschlossenen Kolonnen gegen die Eingänge der Bureaux vor. Gewinnsucht und Hab gier waren weder durch Hunger noch Durst, weder durch körper liche Beschwerden noch durch Ermattung zu brechen. Die vom Schwindelgeist Erfaßten harrten durch Tag und Nacht, bis sie Eingang fanden zu den Bureaux, wo sie ihr baares Gold und Silber oder ihre sicheren Staatsbillets los wurden gegen jene Law'schen Zettel, die ihnen einen schnellen Gewinn versprachen, an dessen Realisirung sie selber kaum glauben konnten. Das Gedränge der Menschen und der Wagen in den genannten Straßen war derart, daß täglich mehrere Personen erdrückt, andere mit zerbrochenen Gliedern davongetragen wurden; viel leicht bedauerten sie den Verlust ihrer Gliedmaßen weniger, als den der Aktien, der Law'schen Zettel, die ihnen hierdurch ent gangen waren. In der Rue Quincompoix war die weltberüchtigte Börse aufgethan. Der Adel, und was gleich ihm in Wagen und mit Lakaienbegleitung angefahren kam, hatte sich «in« b«sond«r« Einfahrt Vorbehalten, während die Menge durch eine schmutzige Seitengasse eindrang. In der „Straße" — so nannte man kurz weg die Rue Quincompoix — hörte aller Rangunterschied auf. Kaufleute und Officiere, Krämer und Handwerker, Mönche unv Tagelöhner, Dichter und Dieb«, honette Frauen unv Tamm der Halbwelt, StandeSdamen und Köchinnen — Alles rannte, jagte, tobt«, schachert« hier wilv durcheinander vom frühen Morgen bis in die späteste Nacht. Die Aktien der Weltcompagnie, zu welcher sich die Mississippi-Compagnie erweitert hatte, fanden hier ihren natürlichen Markt. Wer Geld hatte und wer keines hatte, eilte in die Straße. Wer Gelb hatte, suchte dasselbe an der Börse durch den Zettelhandel zu vermehren, wer leere Taschen, aber einige Kenntniß der Geschäfte und einiges Geschick hatte, fand reichlich Gelegenheit, sein Pfund als Unterhändler zu ver- werthen. Manche machten glänzende Geschäfte mit ihrem Rücken. Sie vermietheten denselben als ein wandelndes Schreib pult, auf dem die Börsenmänner inmitten des Straßengedränges ihre Verträge abschlossen und unterzeichneten. Alle geraden Concurrenzrücken wurden aber überboten durch den Buckel, dessen schiefe Fläche besondere Bequemlichkeit beim Schreiben darbot. Die Buckligen gingen L la Hausse, weil man auf ihrem Rücken be quem überschreiben konnte. Ein gewisser Besitzer eines derartigen natürlichen Schreibpultes verdankte demselben ein Vermögen von 150 000 L, erworben in einem Jahre. Das Schicksal ist ge recht. Wem gönnen wir seinen Gewinnst lieber: dem geldlüsternen Jobber, der seinen Zettel zu trügerischem Schattengreifen unter die Menge ausstreut, oder dem ehrlichen Buckligen, der auf seine natürlichen Gebrechen noch einen ehrlichen Nebenverdienst zu gründen sucht? So schildern die Geschichtsschreiber dieser finanzgeschicht liehen Episode Thiers, Buvat, F. E. Horn und Andere das Treiben in der Rue Quincompoix um diese Zeit, von dem sogar das Ausland, sogar Deutschland, angesteckt wurde, so wenigstens, wenn wir einem Gedicht aus dem Jahre 1720 glauben dürfen, aus welchem wir hier einige Strophen um ihres kultur geschichtlichen Interesses willen mittheilen. Sie lauten: „Franzos und Engelsmann, Holländer, Bremer, Hänsgen, Auch Deutsche Affen schreyn einander nach wie Gänsgen. Man machet einen Gickgack, das nicht zu stellen ist, Und profitiret doch nur Wind, o dumme List! Wind-Wechsel wolle jetzt die ganze Welt einnehmen, Und allen Handel will der Unglücksstern beschämen; Denn Werkstatt, Laden, Bud', Gewölb', Contoir steht leer, Man rennt nach Aktien und forgt fast sonst nichts mehr. Nur mit dem Juden-Spieß will alle Welt jetzt lauffen. Man sucht im Glücks-Topf nur sein Geld erst zu rrkauffen, Nur Quincompoix heißt jetzt alles was man spricht; Kraft, Tugend und Verstand verarmt und wird vernicht'. Man will auf Law's Manier nur mit Papier bezahlen, Das schwere Gold und Geld auf leichte Zettel malen, So wird der Beutel leer, der Handel vollends aus, Credit, die theure Waar', gilt kaum noch rin» Lau».
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