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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010716012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901071601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901071601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-16
- Monat1901-07
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Anzeigen.Preis die sigefpaltene Petitzeile SL Reel«««» unter dem Redacrton»stri«y (»gespalten) 7b vor des Famtlieunach- richte« (S gespalten) 50 Tabellarischer and Ztssernsatz entsprechend höher. — Gebühre« stlr Nachweisung« und Offertenanuahme L5 (excl. Porto). Grtra-Beilage« (gefalzt), »«r mit der Morgen-Au»gab«, ohne PoftbefSrdenwg «0.—, mit Poftdeförderung 70.—» Anuahmrschlnß für Anzeigen: Abe»d-A«»gab«: vormittag» 10 Uhr. Morge«»A«»gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bet den Filiale» «d Annahmestelle« je rin« halb« Stund« früher. Anzeige» find stet» a» di« Expedition z« richt«. Die Expeditton ist Wochentag» «nunterbräche« geöffnet vo« früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck end Verlag von E. Polz in Leipzig Dienstag den 16. Juli 1901. 95. Jahrgang, Die Zahl -er Aerzte in Deutschland. Die Zahl der Aerzte hat in Deutschland in den letzten zehn Jahren ungemein stark zugenommen. Sie betrug 1878 13 728 --- 3,2 auf 10 000 Einwohner, 1887 15 824 ----- 3,3, 1898 24 725 --- 4,4, 1900 27 374 --- 5,1. Bis zum Jahre 1887 dielt sich die Aerzte-Mehrproduction in Dentschand in engen Grenzen und übertraf nur wenig die Bevölkerungs zunahme, die Zunahme bis 1900 dagegen ist eine riesige und plötzliche. Die Aufnahme deS ReichSgesundheitSamtS vom Jahre 1898 unterschied allopathische und homöopathische Civilärzte, Aerzte, die nur in Anstalten beschäftigt sind, active Militär ärzte und Marineärzte überhaupt und die von diesen zur CivilpraxiS angemeldeten. Außer den approbirten Aerzten gab es früher fast in allen deutschen Staaten Wundärzte, in Bayern auch Landärzte. In Preußen wurde die wundärztliche Prüfung schon 1852 beseitigt, so daß hier die Wundärzte nahezu auSgestorbe» sind. Bei der Zählung der Aerzte am 1. April 1898 wurde auch die Zahl der homöopathischen Aerzte in Deutschland erhoben, da die» in Hinsicht auf das beständige Verlangen der Homöopathie nach einem eigenen Lehrstuhl von Werth war. Ihre Zahl ist sehr gering; sie betrug 240. Die meisten kommen auf die größeren Städte, nur 19 prakticirten in Gemeinden unter 5000 Einwohnern. In Deutschland be schäftigt sich außer den approbirten Aerzten eine große Anzahl von Curpfuschern gewerbsmäßig mit der Heilkunde; besonders in den letzten 20 Jahren ist dieser ErwerbSzweig ungemein häufig ergriffe» worden. Ein bedeutender Unterschied bei der Aufnahme von 1898 gegenüber den früheren besteht darin, daß die sogenannten Zahntechniker, deren Zahl besonders in den Städten sehr angewachsey ist, 1898 nicht mehr unter den Curpfuschern, sondern getrennt aufgeführt sind. Ihre Zahl betrug in diesem Jahre 4376, wovon 623 al- Ge hilfen thätig waren. Eia großer Theil der Curpsuscher gehört zum weiblichen Geschlecht; 1898 war die-bei 25 Proc. der Fall. Die Städte wurden von ihnen mehr bevorzugt al- daS Land; es kamen 1898 auf 100 000 Einwohner in den Gemeinden mit den Städten mit mehr 1887 5881 1887 1898 9943 16 907 6F 8,4 1876 überhaupt 7816 aus 10000 Eiuwohuer 7ch »ad in Gemeiden mit weniger al» 5000 Einwohnern 1898 7818 2,4 100000 Einwohner und mehr 14,1 Curpsuscher 40—100 000 . 7,2 - 20— 40000 - 6.4 5— 20 000 -- 6,8 - unter 5000 - 3,6 - ganz Deutschland 5,8 Curpsuscher Am zahlreichsten sind die Curpsuscher im Königreich Sachsen vertreten, obgleich hier die Zahl der Aerzte eine sehr große ist. Außerdem findet sich hier eine erhebliche Zahl von berufsmäßigen, nicht staatlich geprüften Heildienern, namentlich sind zahlreiche Masseusen vorhanden, z. B. in der Stadt Dresden 59, in Leipzig 30. Die Zahl der Cur- pfuscher war in Sachsen 1874 322 und ist 1899 auf 748 gestiegen; sie sind am zahlreichsten in den großen Fabrik- centren. In Preußen läßt sich die Zahl der Aerzte bis zum Jahre 1875 zurückverfolgen. Die Verhältnißzahl der Aerzte hat von 1825—37 abgenommen, sie blieb auf gleicher Höhe bi» 1849. Seit 1852 wurden keine Wundärzte mehr ausgebildet, in Folge dessen zeigt sich 1861 ein klemer Rückgang. Heule ist dieser Ausfall längst gedeckt, und 1900 ist die Ziffer größer als 1825. Die einzelnen Provinzen Preußen- sind nicht in gleicher Weise mit Aerzten versehen, in dem ärmeren Osten ist die Zahl viel geringer als in dem dicht bevölkerten reichen Westen. Von Werth ist es, sich ein Bild davon zu machen, welchen Weg die Bevölkerung auf dem Lande zum Arzt zurückzulegen hat. In der folgenden Zusammenstellung, bei der wir uns an eine Arbeit von Friedrich Pinzing-Ulm in der .Zeitschrift für Socialwissenschaft" halten, sind nur die Aerzte ,n Gemeinden von weniger als 5000 Einwohnern auf die Gesammtflache de- betreffenden Staatsgebiets bezogen. Es entfallen 1898 auf je einen prakticirendeaCivilarztQuadratkilometer im Großherzog- thum Hessen 28, im Königreich Sachsen 37, Baden 41, Hessen-Nassau 41, Pfalz 41, Rheinprovinz 47, Westfalen 54, Württemberg 61, Provinz Sachsen 63, Elsaß-Lotbringen 65, rechtsrhein. Bayern 65, Hannover 78, Schleswig-Holstein 80, Schlesien 85, Brandenburg 124, Mecklenburg-Schwerin 126, Posen 139, Pommern 184, Westpreußen 190, Ostpreußen 192. Der Unterschied ist gewaltig; den weitesten Weg zum Arzt haben die Landbewohner der östlichen preußischen Provinzen zu machen, auch Brandenburg und Mecklenburg stehen noch sehr weit zurück. Am günstigsten stellen sich in dieser Beziehung da- Königreich Sachsen und da- Großherzogthum Hessen, in ersterem Lande liegen auch die Gemeinden unter 5000 Ein wohnern sehr nahe beieinander, während i« Hessen da» sehr günstige Verhältniß durch die zahlreichen Aerzte de- Badeort- Nauheim verursacht wird. Die Zahl der Aerzte wächst mit der Größe der Städte. Es waren in Deutschland Aerzte ia I - - al» 5000 Einwohnern 1876 überhaupt 5912 auf 10000 Einwohner 1,8 Maa steht aus diesen Ziffern, daß ia den achtziger Jahren die erhebliche Zunahme der Aerzte in den Städten »icht dem RiesenwachSthum derselben entsprach, so daß die procentuale Ziffer sofort zurückging. Ganz kolossal war aber die Zunahme seit 1887; sie kam vor Allem de« Groß städten zugute. Nicht nur zwischen Stadt und Laad, auch zwischen großen und kleinen Städten ist der Unterschied sehr beträchltlich. Es isi begreiflich, daß die Zahl der Aerzte in den Städte» eiae größere sein muß, da schon die geringere Entfernung vom Arzte eine intensivere Inanspruchnahme bedingt. Aber auch abgesehen hier von ist au vielen Orten die Indolenz der Landbevölkerung gegen Erkrankungen eine ganz unglaubliche; sie wird nur dann gebrochen, wenn heftige Schmerzen Linderung verlangen; so ommt eS, daß auch bei wohlhabender Landbevölkerung eine große Anzahl Einwohner auf einen Arzt kommen muß, wenn er sein Auskommen finden soll. Gegenüber demZusammendränzen derAerzte in den Städten ist die Behauptung ausgestellt worden, eS wäre auf dem Lande noch Platz genug für Aerzte, wenn diese nur auf das Land hinaus wollten. DaS ist aber meist nicht richtig, vielmehr werden immer wieder Versuche zu Niederlassungen an Orten, wo bisher keine Aerzte waren, gemacht. Sehr häufig finden hier aber die Aerzte kein Auskommen, das einen Ersatz für die beständige Anspannung, Verantwortlichkeit und das stete Bereitsein bei Tag und Nacht böte; zudem ist an solchen Plätzen eine Erweiterung der Praxis nur selten möglich. In Oesterreich, daS viel un gleichartigere Verhältnisse bietet, als Deutschland, ist durch die gesetzliche Einrichtung des Gemeinde-SanitälSdienstes, wodurch den Gemeinden die Pflicht auserlegt wird, für ärzt liche Hilfe zu sorgen, eine gleichmäßigere Vertheilung deö AerztepersonalS erzielt worden. Nach der Ansicht de» obengenannten Gewährsmannes gilt die vielfach behauptete Ucberfüllung des ärztlichen Standes allerdings zweifellos für die Städte, wo die Aerzte fick' zu sammendrängen, da sie oft auf dem Lande nicht den nöthigen Lebensunterhalt erwerben können. Eine Ausgleichung ist bier nur durch gesetzliche Einrichtungen möglich, wie das in Oester reich geschehen ist. Die Einführung der ärztlichen Leichen schau ist eine alte Forderung der Aerzte in Deutschland, da nur durch eine solche die Zwecke derselben, Förderung der Gesundheitspflege und der Medicinalpolizei und Unterstützung der Rechtspflege, erreicht werden können. Gerade der länd lichen Bevölkerung ließe sich durch die Einführung der ärzt lichen Leichenschau ein erhebliches Mehr von Aerzten zuführen. Die Wirren in China. Vollzug »er Strafe« an »en Hauptschuldigen. Am 13. Februar war ein kaiserlicher Erlaß erschienen, in dem nach dem Selbstmorde von Hsutung, Kangyi und Lipinghöng für die übrigen Anstifter und Förderer der Boxerbewegung die von den Verbündeten geforderten Strafen verkündet wurden. Unter der Aufsicht der Fremden ist davon nur die Hinrichtung vollzogen worden an dem früheren Gouverneur von Schansi. VLHsien, und den beiden Staatsministern Tschihsiu und Hsütschönai in Peking, worüber seiner Zeit ausführlicher berichtet wurde. Ob die weiteren Todesurtheile und schweren Strafe» an den anderen Beamten außerhalb Pekings auch wirklich voll streckt waren, konnte man in Peking bisher nicht mit völliger Sicherheit sagen, sondern mußte die Versicherung der chinesischen Regierung darüber auf Treu und Glauben annehmen. Jetzt er scheint aber in der einheimischen Zeitung „Pekinger Gesammelte Nachrichten" eine Darstellung des Strafvollzuges an den übrigen Mandarinen, die so viel Einzelheiten enthält, daß an ihrer Rich tigkeit nicht gut gezweifelt werden kann. Nach einer auf der deutschen Gesandtschaft angefertigten Uebersetzung des am 16. Mai erschienenen Blattes haben die drei hohen Beamten Tschauschutschiau, Dungnien und Prinz Tsch Wang in der That auf Befehl des Kaisers Selbst mord begangen und P rinz T ua n ist in die Verbannung nach der westlichen Reichsgrenze geschickt worden. Eine wörtliche Wiedergabe des chinesischen Berichts würde keine angenehme Lektüre bilden, da darin mit echt chinesischer Grausamkeit und un geschminkter Deutlichkeit die Einzelheiten des Todes der Ver- urtheilten ausführlich erzählt werden. Im großen Ganzen sind die berichteten Thatsachen folgende: Für Keinen kam die Ver kündigung des Todesurtheils überraschend. Niemand hatte auf mildere Strafe gehofft, im Gegentheil schienen Alle im Grunde recht erstaunt, wie glimpflich das Geschick mit ihnen verfahren. Am meisten Schwierigkeiten machte der Tod Tschautschutschiau'S, des früheren Vorsitzenden des Justizamtes. Die Bevölkerung von Hsinganfu nahm an seinem Geschick großen Antheil und wollte es auf keinen Fall zulafsen, daß der Hof ihn den Forderungen der Fremden opfere. Als am 17. Februar in der Provinzhauptstadt bekannt wurde, der Kopf von allen hohen Mandarinen werde gefordert, die an dem Boxer aufstand einen hervorragenden Antheil gehabt hatten, überreichte die Bevölkerung eine Massenbittschrift, bat um das Leben des Bedrohten und gab durch Ansammlungen auf den öffentlichen Plätzen und drohende Haltung zu verstehen, daß sie eine Hin richtung nicht dulden würde. In ihrer Verlegenheit berief die Kaiserin, die nach dem Berichte doch die alleinige treibende Kraft am Hofe zu sein scheint, eine Sitzung des Staatsrathes für den 20. Februar zu 6 Uhr Morgens, wie ja auch in Peking die Be- rathungen des Kaisers mit seinen Beamten immer in den ersten Morgenstunden stattzufinden Pflegten. Noch nach vier Stunden Sitzung konnte die Kaiserin zu keinem Entschluß kommen. Erst als das Volk, das in dieser ganzen Angelegenheit einen ganz un gewöhnlichen Antheil an den Staatsgeschäften zu nehmen scheint, damit drohte, die Kaiserin zur Rückkehr nach Peking zu zwingen (was nach chinesischen Begriffen also eine Demüthigung sein würde), entschloß sie sich, den Vorschlag des Staatsrathes an zunehmen und das Todesurtheil in den Befehl zum Selbstmord umzuwandeln. Um 8 Uhr Morgen» am 21. Februar erging da zu der Befehl, den der Gouverneur der Provinz, Tsönn, sofort dem Derurtheilten vorlaS, mit dem Zusätze, daß die Kaiserin für 6 Uhr Nachmittags den Bericht über den Vollzug der Strafe einarfordert habe. Tschauschutschiau hoffte noch auf einen zweiten Erlaß, der das Urtheil umstoßen und ihm das Leben schenken könne; er baute auf feine starke Stellung beim Volke. Aber die Kaiserin war durch d,e beunruhigenden Nachrichten von dem Vor marsch der Europäer — dem vom Grafen Waldersee damals ge- planten Angriff auf Taiyuanfu — so eingeschüchtert, daß sie nichts mehr an ihrem ersten Befehle zu ändern wagte. So aß denn Tschauschutschiau Blattgold, um sich auf diese bei wohl habenden Chinesen besonders vornehme Art das Leben zu nehmen: der Tod tritt dann nicht durch Vergiftung ein, wie gewöhnlich angenommen wird, sondern durch Ersticken, da daS dünne Gold die Luftwege versperrt. Aber in der noch immer nicht aufge gebenen Hoffnung, daß die Kaiserin sich doch noch seiner erbarmen könnte, hatte er zu wenig genommen; als zur vorgeschriebenen Zeit der Tod noch nicht e,»getreten war, mußte er noch mit Opium und andern Mitteln nachhelfen. Dir Vorstellungen, die der Anhänger de» Tooi»muS sich vom Jenseits gemacht hat, ver biete« ihm, feige« Körper irgendwie zu verletzen oder zu ver stümmeln. Daher kennt der Chinese, für den ja der Selbstmord fonst nicht viel Schrecken hat, nur das Erhängen, Ertränken, Ver giften und Ersticken als Weg zum Tode. Prinz Tschwang, dem daS Urtheil in Putschoufu, einer größer» Stadt in der Südweststrecke Schansis übermittelt wurde, nahm sich in Gegen wart des Neichscommisiars Kopauhwa, der ihm den Befehl des Hofes von Singanfu gebracht hatte, ohne weitere Umstände so fort das Leben. Er erhängte sich in einem Tempel des Orts mandarinen, bei dem er wohnte, an der berüchtigten weißseidenen Schnur, die ihm der Kaiser gesandt hatte als herkömmliches Zeichen des gemilderten Todesurtheils. „Also nur Selbstmord?" hatte er gefragt, als ihm das Urtheil verlesen wurde, „ich wußte längst, daß ich sterben müßte. Ich fürchte, der Kaiser wird auch nicht mehr lange am Leben bleiben." Seinen Sohn, der die letz ten Stunden mit ihm und einer der Nebenfrauen verbrachte, ermahnte er, dafür mit zu sorgen, daß der Thron der Mandschu nicht von fremden Eroberern bestiegen werde. Am feigsten be nahm sich Uüngniön, der Vorsitzende des Censorenamtes. Man hatte ihn ins Gefängniß von Singanfu geworfen, wo er sich in Vorwürfen gegen den Prinzen Tsching erging, der ihn nicht hätte so im Stich lassen sollen. Noch ehe die kaiserliche Be stätigung seines Todesurtheils da war, erstickte er sich in der Neujahrsnacht zum 19. Februar mit Erde. Sein Tod mußte aber noch ein paar Tage geheim gehalten werden, bis der er wartete Befehl des Kaisers wirklich eintraf. Auch Prinz Tuan wußte, was ihm bcvorstand. Er hatte sich deshalb schon nach Ninghsia geflüchtet, einer Stadt an der äußersten Nordgrenze zur Mongolei am Hwangho in Kansu. Er empfing seine Ver- urtheilung mit größtem Gleichmuth und machte sich unverzüglich nach Turkestan auf, in der Befürchtung, die Verbündeten könn ten doch noch nachträglich auf seinen Tod bestehen. Sein Sohn, der kleine muthmaßliche Thronfolger, hatte sich wie toll vor Angst geberdet, als der kaiserl. Erlaß mit der Verkündigung der Strafe angekommen war. Tuan aber beruhigte ihn mit dem Tröste, ihm würde bei seiner Jugend kein Leid geschehen; er habe ja auch mit dem ganzen Aufstand nichts zu thun ge habt. (Köln. Ztg.) Lurückztrhnng der Truppen. * Peking. 15. Juli. (Reuter'- Bureau.) Tschungtschang ersuchte die Gesandt«, die Truppe« au» den Palästen und Tempeln bi» zum 15. August zurückzuziehen. Tie Gesandten gaben dem Ersuchen statt und versahen die BefahlShaber der ver bündeten Truppen mit entsprechender Nachricht. Rußland und Japan in Korea. * London, 15. Juli. (Telegramm.) Di« „Time-" melden auS Söul vom 10. Juli: Fast alle streitigen Puncte, die hier kürzlich die Aufmerksamkeit auf sich zogen, sind jetzt geordnet und die Berhältnisse werden weiter normal. Die Japaner be haupten voll ihre Stellung und überwachen vorsichtig und un ablässig jede Bewegung Rußland-, namentlich an der koreanischen Grenze. Die Zahl der in Korea sich aushaltenden Japaner nimmt ständig zu. Rußland erkennt die Macht Japans an und ist eifrig bemüht, Japan versöhnlich zu stimmen, indem es der japanischen Gesandtschaft die Bewegungen der russischen Truppen in der Man- dschurei mittheilt, namentlich wenn dabei die koreanische Grenze in Frage kommt. Die Masampho-Frage ist noch in derSchwebe. Japan erhielt daselbst innerhalb deS Gebietes des VertragShasenS eine Con- cession, genau so groß, wie di« russische, und auch mit Fischereirrchten längs der Küste. Jeder von Rußland erlangte Bortheil wird aus- geglichen durch einen von Japan erworbenen entsprechenden Vor- tbeil. Frankreich entwickelt eine lebhaft« Thätigkeit. Seine Kriegsschiffe sind ost in Eicht. Hinsichtlich der englisch.franzö sischen Anleihe, für die ein Prälimtnarvertrag durch das Yuennan-Syndicat am 16. v. M. abgeschlossen wurde, ist hier weiter nichts bekannt. Deutsches Reich. U Berlin, 15. Juli. (Ausgestaltung deS Ver sicherungsrechtes.) Die Meldung, daß im Reichs- )ustizamte jetzt an einer Ausgestaltung des Äersicherungrechtes ge arbeitet werde, ist dahin zu ergänzen, daß die Vorarbeiten zu dem betreffenden Gesetzentwürfe schon vor geraumer Zeit in An griff genommen und so weit gefördert sind, daß ein vorläufiger Abschluß derselben in naher Aussicht steht. Die einheitliche Regelung des Versicherungsrechtes ist eine Consequenz der Idee der vor Jahrzehnten bereits begonnenen einheitlichen Aus gestaltung des deutschen bürgerlichen Rechtes. Da diese Rechts gebiet aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ausgeschieden war, so mißte seine Ordnung durch ein Sondergesetz vorzu nehmen versucht werden. Darauf, daß in dieser Beziehung eine legislatorische Maßnahme zu erwarten sein würde, hat der Staatssekretär des Reichsjustizamtes schon in der Reichstags sitzung vom 21. März 1895, in der er seinen Plan betreffs Ausgestaltung des deutschen bürgerlichen Rechts auseinander setzte, aufmerksam gemacht. Das in dem vorigen Reichstags abschnitte zu Stande gekommene Gesetz über die privaten Der- sicherunaSunternehmungen.fürdaS eineExecutivbehörde im kaiser lichen Privatversicherungsamte mit dem 1. Juli d. I. ins Leben getreten ist, hat, da eS die öffentlich-rechtliche Seite des Versiche rungswesen» behandelt, mit der im Reichsjustizamte bearbeiteten Materie an sich nichts zu thun, eS war ja auch, dieser seiner Natur entsprechend, nicht im Reichsjustizamte, sondern im Reichamte des Innern vorbereitet worden. Daß der neue Derficherungsgesetzentwurf erst in Arbeit genommen werden sollte, wenn alle übrigen für den einheitlichen Ausbau des deutschen bürgerlichen Recht» in Betracht kommen den Materien geordnet Warrn, war auch von vornherein be absichtigt. Mit diesem Gesetze würde da» große legislatorisch« Werk, da» mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch« seinen Anfang ge nommen, zu Ende gebracht werden. 8 Berit«, 15. Juli. Die Lage de- Arbeit-Markt- ist zwar nach wie vor gedrückt, jedoch sind nach der von Or. Jastrow berau-gegebenen Halbmonatsschrift „Der Arbeitsmarkt" bi« jetzt keinerlei Anzeigen dafür vorhanden, daß infolge der Bankbrüche und ihrer Wirkungen aus den Geldmarkt dieser Druck sich noch verschärft hätte. Nach de« Ausweise« der aa die genannte Zeitschrift aogeschloffenen Krankencafsen ist im Laufe deS Monat- Juni die Zahl der Beschäftigten nur ebenso wie sonst nach den FrühjahrS- steigeruugen ein wenig zurückgegangen (um 3 Proc. gegen 0,4 Proc. im Vorjahre). An den öffentlichen Arbeitsnach weisen drängten sich zwar im Juni um 100 offene Stellen 148,7 Arbeitsuchende, während es in dem entsprechenden Monat deS Vorjahres nur 108,8 gewesen waren. Aber jene Zahl zeigt im Wesentlichen nur dasselbe Bild wie der un mittelbar vorangegangene Monat Mai (145,3). Weit eher als die Bankbrüche kann dem ArbeitSoiarkl eine Verschärfung der gedrückten Lage von dem Vorgehen der Syndikate drohen. Das Kokssyndikat hat, um den bedrängten In dustrien ja nicht billigere Preise bewilligen zu müssen, seine Production noch weiter bis auf 33 Proc. eingeschränkt, daS Luxemburg-Lothringische Roheisen-Syndikat bis auf 35 Proc. * Berlin, 15. Juli. Zu der angekündigten gesetz lichen Regelung der allgemeinen Schulpflicht in Preußen wird anscheinend officiöS geschrieben: Da» gesetzgeberische Bedürfniß ist in der letzten Zeit i» Folge der mehrfach von der Uebung der Schulverwaltung abweichenden Rechtsprechung besonders dringlich geworden. Insbesondere wird von Len Gerichten die bezügliche Bestimmung der preußischen Schulordnung von 1845 dahin ausgelegt, daß die Kinder alsbald mit vollendetem 14. Lebensjahre entlassungsberechtigt sind, mithin die Schule mitten in dem Halbjahr verlassen dürfen, ohne den allgemeinen Ent« lassuugstermin abwarteu zu müssen. Die Gründe, welche bisher die Inangriffnahme der gesetzgeberischen Aufgabe verhindert haben, liegen nicht auf dem Gebiete sachlicher Schwierigkeiten, vielmehr darf, wenn mau die sachgemäße Berücksichtigung pro vinzieller berechtigter Eigenthümlichkeiteu, wie sie in der Provinz Schleswig-Holstein in Bezug auf den späteren Endtermin de» Schulbesuchs bestehen, ermöglicht, mit Bestimmtheit erwartet werden, daß mit dem Landtage ohne große Schwierigkeiten ein Gesetz über die Schulpflicht sich wird vereinbaren lassen. Früher stand dem Versuch einer solchen Regelung der Umstand entgegen, daß die Mehrheit des Abgeordnetenhauses auf dem gruadsätzlicheu Stand- punct beharrte, der Lösung einzeluer Fragen deS Schulrechts nur im Rahmen eines allgemeinen Volksscholgesetzes zustimmen zu wollen. Von dieser grundsätzlichen Auffassung war bisher nur und zwar auch nur unter gewissen Voraussetzungen eine Ausnahme zur Neuregelung der Schulunterhaltungspflicht gemacht worden und eS stand daher zu befürchten, daß ein gesetzgeberischer Versuch an diesem grundsätzlichen Widerspruche scheitern würde. Erst in der letzten Tagung sind auS der Mitte einzelner Parteien, insbesondere von namhafte» Mitgliedern deS Centrums Aussagen gefallen, welche die Hoffnung erweckten, daß die Borwegnahme der Regelung der Schulpflicht nicht länger auf grundsätzlichen Wider stand stoßen werde. Die Unterrichtsverwaltung beab sichtigte, ehe sie mit gesetzgeberischen Vorschlägen hervortrat, sich zu vergewissern, ob die Schlußfolgerungen, welche aus den erwähnten parlamentarischen Aeuße- rungen gezogen wurden, auch wirklich zutrrsfen. Diese Absicht hat sich in Folge deS Schlusses der Landtags session nicht verwirklichen lassen. Wenn jetzt der Entwurf eines Gesetzes über die Schulpflicht den Provinzialbehörden zur Begut achtung mitgelheilt worden ist, so wird dabei der Zweck verfolgt, die Borberathungen für eine bezügliche gesetzliche Action so zu fördern, daß, wenn in der nächsten parlamentarischen Campagne die Ge wißheit gewonnen ist, eS werde der Gesetzentwurf auf grundsätzlichen Widerspruch nicht stoßen, alsbald der Landtag mit demselben besaßt werden kann. Nach den bisherigen Erfahrungen ist die Hoffnung auf eine sachliche Erledigung gewisser Thcile der Volksschulfragen ohne den Versuch, sie mit der Erfüllung reactionärer For derungen zu belaste« und unannehmbar zu machen, leider nur geriug. * Berlin, 15. Juli. (Der polnische National schatz zu RapperSwyl.) Aehnlich wie in dem Procefse gegen Leitgeber, Melerowicz und Kolenda, der im Juni vorigen JahreS daS Reichsgericht beschäftigte, scheint auch in der Gerichts verhandlung vor der zweiten Strafkammer de- Posener Land gerichts der polnische Nationalfchatz eine Rolle spielen zu sollen, der in dem alten Schlosse zu NapperSwyl (im Canton St. Gallen) verwahrt gehalten wird, und einen Theil deS polnischen Nationalmuseums bildet. Die „Schles. Ztg." bemerkt dazu: DaS Museum ist eine Schöpfung de- verstorbenen polnischen Grafen WladiSlaw Plater, des Gatten der Schauspielerin Karolille Bauer. Dieser pachtete die verwahrloste Burg vou der Gemeinde NapperSwyl, ließ sie erneuern uad schuf hier, unterstützt durch die Beiträge, die ihm massenhaft von seinen polnischen Landsleuten zugewendet wurden, daS polnische Nationalmuseum: Gemälde, Waffen, Costüme, Kunst- und Gebrauchsgegenstände, vor allem aber Bücher bilden seinen Inhalt. Die Bibliothek allein zählte im vorigen Jahre über 40 000 Bände. In der Capelle wird auch da- Herz Ko-ciu-ko'- ausbewahrt, da« bis 1895 in Lugano gelegen hatte. Ein bedeutender, für die polnischen Fanatiker der bedeutendste Bestandtheil des Museum- ist, wie erwähnt, der Nationalschatz, der seit 14 Jahre» im NapperSwyler Schlosse uutergebracht ist. Entstauben ist er auS freiwilligen Beiträge«, die namentlich von den in Amerika lebenden Polen eingegangen sind. So wurden u. A. 30 000 FrcS., die der ehemalige amerikanische Com- nnssar de- Nationalschatzes JerzmanowSki gesammelt halte, im Jahre 1894 dem Rapper-Wyler Fond» zu geführt. Er betrug am 1. Februar 1899 158 991 FrcS., am 1. Februar 1900: 191017 Frcs. Seitdem ist er natürlich weiter gewachsen, so daß er, obige Ziffern al- Maßstab ge nommen, gegenwärtig über 230 000 FrcS. betragen dürfte. Mit einer solchen Summe läßt sich freilich da- polnische Königreich nicht wiederherstellen und daS deutsche Reich nicht auS seinen Fugen beben, aber daß der Rapperswyler Schatz den Zweck hat, die WiederausriLtunz Polen- anzubahaen und die darauf au-gehendrn revolutionären Bestrebungen materiell zu unterstützen, dafür liege« »«widerlegliche Beweis«
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