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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010716027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901071602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901071602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-16
- Monat1901-07
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Juli i» Capstadt eine Rede über die politische Lage und wie» darauf hin, daß die südafrikanische Föderation durch eine allmähliche Entwickelung erreicht werden muffe. Um diese zu beschleunigen, beabsichtige die verantwortliche Regierung, ein umfangreiches System der Einwanderung loyaler Staatsangehöriger aus England unv dem übrigen Britischen Reiche nach Transvaal und dem Oranjestaate zu fördern. Die gegenwärtige Lage in der Capcolonie sei günstiger denn je seit dem Be ginne des Krieges. Zwischen Kitchencr und dem Cap ministerium seien Verhandlungen im Gange, die, wie man hoffe, dazu führen würden, eine Beendigung deS Kriegs zu beschleunigen. Die Finanzlage der Colonie sei befriedigend, die Einnahmen gingen über deu Budget voranschlag hinaus. Es sei beabsichtigt, gegen Ende des laufenden Jahres eine Zollconferenz für ganz Süd afrika einzuberufen, um die Aufstellung einheitlicher Tarife für Südafrika zu erstreben. Nach einer Depesche der „Daily News" au» Bloem fontein vom 15. Juli ist eine AblHeilung der süd afrikanischen Polizeitruppe am 10. Lull südlich von Bloemfontein vom Feinde beinahe umzingelt worden. ES kam zu einem heftigen Kampfe, bei dem beide Parteien mehrfache Verluste erlitten. Nur durch eine Reibe geschickter Bewegungen gelang eS den Engländern, sich aus der schwierigen Stellung frei zu machen. In der in London tagenden Commission zur Prüfung der Entschädigungsansprüche protestirte der holländisch« Vertreter Büschop entschieden gegen die Anschauung des Vorsitzenden, daß die An gestellten der Niederländisch-Südafrikanischen Eisenbahn als Theilnehmer am Kriege gehandelt batten und nicht als berechtigt zum Anspruch auf Entschädigung an gesehen werden könnten. Es handle sich hier um eine völkerrecht liche Frage und die Commission sei nicht berechtigt, Ersatz ansprüche «nzxros zu streichen, wenn es sich um Unterthanen einer befreundeten Macht handle. Der Vorsitzende ent gegnete, jeder, der sich mit dem Völkerrecht beschäftige, muffe wissen, daß, wenn Unterthanen einer befreundeten Macht auf hörten, neutral zu sein, oder gar zu den Waffen griffen gegen Vertreter einer anderen Macht, sie Theilnehmer am Kriege würden, di« kein Recht auf Ersatzansprüche Hatton. Dadurch, daß sie sich am Krieg« betheiligten, hörten sie eben auf, Unter thanen der befreundeten Macht zu sein. Büschop entgegnete, das könne er nicht cinsehen. Holland sei eine souveräne Macht und könne seinen Schutz leihen, wem es wolle. — Der Präsident bemerkte hierauf, die Commission habe nur darüber Untersuchungen anzustellen, ob die deportirten Personen Angehörige befreundeter Mächte sind und ob sie mit Recht deportirt worden sind und Verluste und Unbill erlitten haben. Die Commission sei daher eifrig darauf bedacht, alle rechtmäßigen Ansprüche durchaus im Geiste der Billigkeit und Großmuth in Erwägung zu ziehen, aber wenn es sich um Ansprüche von solchen handle, die sich am Kriege betlhoiligt haben, so läge die Sache ganz anders. Der Präsident setzte darauf die nächste Sitzung auf Montag an, damit inzwischen Büschop Instructionen einholen könne. * London, 15. Juli. Kitchenrr telegrophirt aus Pretoria: Seit dem 8. Juli sind von Len verschiedenen englischen Truppen- theilea 32 Boeren getödtct, 34 verwundet und 307 gefangen worden. 140 haben sich ergeben. Erbeutet wurden 218 Gewehre, 15 870 Patronen, 445 Wagen, 4823 Pferde und viel Vieh. (Wiederholt). Politische Tagesschau. * Letpzia, 16. Juli. Ob eS wabr ist, waS ein Witzblatt behauptet, daß nämlich auf dem nächste» soctaldemokratischc» Deligirtcntage der Antrag gestellt werden solle, jeder zielbcwußle Genosse muffe sich, um seiner Sympathie für die Chinesen sichtbaren Aus druck zu geben, einen Zopf wachsen lassen, wissen wir nicht. Jedenfalls aber könnte es nicht befremden, wenn ein solcher Antrag nicht nur gestellt, sondern auch mit großer Mehrheit angenommen würde. Giebt sich doch di: socialdemokratische Presse die größte Mühe, ihre Leser mit immer größerer Bewunderung für die bezopften Bewohner des Reiches der Mitte zu erfüllen und von diesen jeden Vorwurf abzuwehren, der ihnen von „rück ständigen" bürgerlichen Blättern gemacht wird. Jetzt wett eifern ein socialdemokratischeS Blatt in Frankfurt a. M. und die „Sächs. Arbeiterzeitung" in dem Bemühen, die Chinesen gegen den Vorwurf der Feigheit zu schützen. Dabei läßt sich das sächsische socialistische Blatt ein Ein- geständniß entschlüpfen, das ein charakteristisches Licht nicht nur auf seine Liebe zu den Boxern, sondern auch auf seine Vaterlandsliebe wirft. Es schreibt nämlich: „Und wie stehen diese armen Teufel, die ihre Waffen nicht ent- fernt richtig führen können, die keine Ahnung von der Tak tik haben, den Truppen der europäischen Militärmächte, die das Kriegshandwerk mit allein Raffinement betreiben gegenüber. Dort zusammengewürfelte, im Waffengebrauch unge wohnte Haufen und ungeschulte Führer, hier die mit allen Finessen dressirten Soldaten und Osficirre, die in der militärischen Theorie und Praxis wohl unterrichtet sind. Ta ist es doch kein Wunder, daß die Chinesen im Gefühl ihrer Ohnmacht davonlaufen." Man weiß, daß die socialistische Presse bei jeder Gelegen heit das Milizsystem anpreist unv behauptet, ein Milizheer brauche im Kriegsfälle durchaus nicht hinter einer aus „ge drillten" Soldaten und Berufsofsicieren gebildeten Armee zurückzustehen. Gesetzt nun, wir bekämen in Folge deö Drängens der Socialdemokratic ein solches Milizheer unv Frankreich behielte sein stehendes Heer bei, daun wäre eS also nach der „Sächsischen Arbeiterzeitung" kein Wunder, wenn unsere Mannschaften von den „mit allen Finessen dressirten Soldaten und Ofsicieren" Frankreichs „im Gefühle ihrer Ohnmacht" davonliefen. Ja, das müßte nach dem Urtbeile deS sächsischen Socialistenblattes über daS unvermeidliche Schicksal der „armen chinesischen Teufel" die unvermeidliche Folge sein. Und da nun die „Sächs. Arbeiterztg." aus ihrer neuerdings gewonnenen Ein sicht in das vom Mangel an militärischer Schulung un zertrennbare Ohnmachtsgefühl keineswegs Len Schluß ziebt, daß sie sich mit ihrer Empfehlung der Einführung des Miliz- systemS in Deutschland auf dem Holzwege befunden hat, so beweist das Blatt, daß eS ohne Kummer den Folgen deS Davonlaufens deutscher Miliztruppen vor französischen Soldaten entgegensetzen würde. Macht man dem Blatte aber den Vorwurf der Vaterlandslosigkeit, so ist der Gegenvorwurf „infamer Verdächtigung" noch der zahmste von allen, mit denen es antwortet. In einigen JnnungSverbänden will man sich dem nächst mit der Erörterung der Frage beschäftigen, ob eS nicht angebracht sei, den Handwerkskammern die Entscheidung darüber zu übertragen, wer von den Gewerbetreibenden als Handwerker anzusetzen und demgemäß der Zwangsinnung bcizulreten verpflichtet sei. In den maßgebenden Kreisen scheint jedoch keine Neigung vorhanden zu sein, auf diese Anregung einzugeben. Wenigstens erklären beute die „Bert. Polit. Nachr.": „In der Gewerbeordnungsnovelle vom Jahre 1897 ist die Angelegenbeit so geordnet, daß die erste Entscheidung der Aufsichtsbehörde, die endgiltige der höheren Verwaltungs behörde übertragen ist. Es ist ja nicht zu leugnen, daß der in der Novelle vorhandene Mangel einer Bestimmung des Begriffs „Handwerk" zu manchen Weiterungen geführt hat. In einem der ersten Entwürfe zum Handwerksorganisalions- gesetze war der Vorschlag gemacht worden» alle gewerblichen Betriebe mit 20 uud weniger Arbeitern als HandwerkSstälten anzusehen. Jedoch kam man von dieser sowie von jeder anderen Begriffsbestimmung späterhin zurück, weil doch die Einzelfälle gegebenenfalls eine ganz genaue Prüfung verlangen, die an der Hand der verschiedensten Momente zurEntschließung führen muß. Man wird aber nicht behaupten können, daß die gegenwärtige Ordnung der Angelegenheit zu Mißständen geführt habe, die eine gesetzgeberische Aenderunz durchaus und möglichst bald nothwenvig erscheinen ließen. Auch wird die praktische Handbabung der Gesetzesbestimmung sicherlich schon in einiger Zeit die zutreffende Linie finden lassen, aus welcher ohne Weiterungen späterhin vorgegangen werden kann. Ob es aber außerdem zweckmäßig sein würde, eine Instanz, wie die Handwerkskammer, die ganz naturgemäß ein Interesse daran hat, möglichst viele und möglichst leistungsfähige Gewerbetreibende den Zwangsinnungen zuzuführen, und die diesem naturgemäßen Drange unbewußt Folge geben würde, mit der Endentscheidung über den Begriff „Handwerk" zu betrauen, ist höchst zweifelhaft. Schließlich ist das HandwerksorzanisationSgesetz doch noch nicht io lange in Kraft, daß man schon jetzt an eine Aen- dernug fundamentaler Bestimmungen desselben beranzugehen geneigt sein könnte." Wir können diesen Ausführungen nur beipslichten. Folgt eine Gewerbeordnungsnovelle auf die andere, bevor die letzte sich recht eingelebt, so wird die in den gewerblichen Kreisen herrschende Unruhe in Permanenz erklärt und wir erhalten eine Ueberfülle von Novellen, aus der kein Mensch mehr klug wird. Das Ergebniß der von der rein tschechischen Magistrats commission in Prag durchgesührten Volkszählung ist für die Deutschen ungünstig. Am 3l. December 1900 hatte Prag ohne Vororte 204 478 Einwohner; von diesen sollen nur 18 261 Deutsche gewesen sei». Da 1890 in Prag noch 27 284 Deutsche gezählt wurden, so würde sich ihre Zahl um mehr als 9000 vermindert haben. In Prag und seinen Vororten wurden Ende 1900 im Ganzen 29 408 Deutsche ermittelt gegen 37 746 im Jahre 1890, WaS einer Verminde rung von 8338 Köpfen gleichkommt. Daß daS tschechische Zählungsergebniß der Wahrheit nicht entspricht, daß man einige Tausende Deutsche auf den Zählkarten in Tschechen verwandelt hat, wissen Alle, die mit den nationalen Verhält nissen in Prag näher bekannt sind. ES kann aber auch nicht verschwiege» werden, daß viele Deutsche sich selbst als Tschechen bezeichnet haben, um sich geschäftlich nicht geschädigt zu sehen. In der Schwei; macht sich daS Fehlen einer staatlichen Unfallversicherung immer fühlbarer. Den Graubündner Behörden geben besonders die bei den Eisenbahnbauten betheiligten italienischen Bauunternehmer viel zu schaffen. Im Kanton St. Gallen erhielten die Hinterlassenen eines Zündholzarbeiters, der beim Brande von Zllod- bolzfabrikaten ums Leben gekommen war, durch die Vermittelung der Vormundschaftsbehörde eine Entschädigung von 400 FrcS., während das Gesetz hierfür 6000 FrcS. festsetzt. Als Negierung und Fabrik-Jnspection hiervon erfuhren, konnten sie nicktS mehr thun, da die Waisen behörde die Abmachung mit dem Unternehmer bereits unter zeichnet halte. Die Züricher Regierung sah sich genölhigt, mit einer Unfallversicherungs-Gesellschaft jeden Verkehr ab zubrechen, weil diese bei jedem Unfall sofort mit der Einrede deS Selbstverschuldens bei der Hand war und dafür von der Entschädigungssumme Abzüge machen wollte. Deutsches Reich- L. Berlin, 15. Juli. (Klerikale Entstellungen.) Ein badisches Centrumsblatt wirft den National!iberalea vor, sie machten eS dem Centrum unmöglich, bei den Land tagswahlen in Karlsruhe eventuell für die national- liberal-freisinnige Wahlliste einzutreten und dadurch die Möglichkeit des Sieges der socialistisch-demokratischen Liste auszuschließen. DaS Blatt behauptet, angesehene Katholiken von Karlsruhe hätten eine ausgesprochene Neigung gehabt, mit Rücksicht auf die rüde und beleidigende Haltung der social demokratischen Presse diesmal für die nationalliberale Liste zu stimmen, sofern die Nationalliberalen wenigstens eine einigermaßen verträgliche Stellung gegen daS Centrum ver- riethen; wenn aber die Nationalliberalen einen „verbissenen Culturkämpser" als Candivaten auf den Schild erhoben hätten, gewissermaßen dem Centrum zum Trotz und Hohn, so sei ein Eintreten für die Nationalliberalen aus geschlossen. Dieser Darstellung gegenüber sei daran erinnert, daß schon vor Wochen die Versammlung der Vertrauens männer deS CentrumS, für das ganze Land, also auch für Karlsruhe, den Grundsatz aufgestellt hat, zwar nirgends die Socialdemokratie zu unterstütze», aber auch keinesfalls in einem Kampfe zwischen Nationalliberalen und Social demokraten den ersteren zu Hilfe zu kommen. Von einer Neigung, irgendwie mit den Nationalliberalen zu paktiren, war also nicht die Rede und deshalb batten diese auch durchaus keine Veranlassung, sich vor der Ausstellung von Candivaten mit dem Centrum darüber inS Benehmen zu setzen, ob ihm diese Candivaten genehm seien. Der Kniff deS Centrums ist gar zu durchsichtig: es will im Falle eines socialistischen Wahlsiege» in Karlsruhe alle Vor würfe zurückweisen und sagen können: „Ja, die National- liberalett haben es ja nicht anders gewollt, denn sie haben eS unS unmöglich gemacht, für ihre Candivaten zu stimmen." Dann hätte man aber bei der Vertrauensmännerversammlung etwas weniger offenherzig sein müssen. * Berlin, 15. Juli. Eine Ehrenrettung deS er mordeten Rittmeisters v. Krosigk versucht jetzt die halbamtliche „Berl. Corresp.", indem sie folgende „Unwahr heiten" feilstellt: 1) Nach dem Brief eines „alten Soldaten", der voa einer Zeitung»- redaction, „um eine etwa ungerechte Beleidigung eine» Tobten zu ver- FriröHetsir. Die verhiingnißvolle Inschrift. 2s Roman von A. W. Kahle. Nachdruck verboten. II. Es war an demselben Abend — einem Dienstagabend im Jahve 1764 — diellcicht um eine Stunde früher. Der Salon der Gräfin Laniska, an diesem Abend für die Freunde des Hauses stets geöffnet, war zahlreich besucht. Main erwartete den König, der es selten unterließ, wenn er in Berlin anlvesend war, die Soirsm der Gräfin zu besuchen, die er wegen ihres Herzens und ihres Geistes hochschätzt«. Sie war die Witbwe eines Polen, der schon seit längerer Zeit Preuße geworden. Der Sohn, Graf August Lan-iska, war auf 'den Militär-Instituten Potsdams ausgebildet, hatte als junger Officier an den Feldzügen der letzten Jahre theilgenommen und erfreute sich der besonderen Gunst des Königs. Das Gespräch, das ausschließlich in französischer Sprache ge führt wurde, war lebhaft geworden. Die Gräfin, eine Frau von nicht viel über vierzig Jahren, in dem schönen Antlitz den unver kennbaren Zug der Seelengllte und Hoheit, unterhielt sich soeben mit einem Franzosen, dem Grafem Louvagais, als der König, welcher, wie gewöhnlich, ganz unbemerkt eingetreten war, in seiner schlichten Uniform vor ihr stand. Freudig überrascht erhob sich di« Gräfin, ihn zu begrüßen. Dann nahm sie neben dem König« Platz, dem der Graf Loura- gais schnell «inen Sessel htngeschöben. Der König stand damals bereits an der Pforte des Alters. Die geistigen Anstrengungen uud körperlichen Entbehrungen des siebenjährigen Krieges, di« rastlosen Bemühungen für den wieder zu hebenden Wohlstand des verwüsteten Lanoes Hatton ihn vor der Zeit alt gemocht. Aber er war nicht gebrochen. Der Kopf saß fest und rnergisch zwischen den etwas eingesunkenen Schul tern, das Auge blitzte scharf über die kantig« Nase hinweg, das Spiel seiner Mienon «vor frisch und beweglich wie das «in«s Jünglings. Er sagte der Gcäfin einige Complimente über ihr gutes Aus sehen. Sie erwidert« ihm mit Dankesworten für seinen gütigen Besuch. Dabei flog ihr Auge wach dem Sohn, der in der Gruppe stand, dir sich einer so lebendigen Unterhaltung hingegrben, daß noch Niemand von ihr den König bemerkt. „Ach, da ist ja auch der Engländer Master Altenberg, der Chemiker und Porzellankenner", sagte der König. „Gehen Sie doch zu ihm, ich bitte Sie, Graf Louragäis, und sagen Sie ihm, daß ich ibn nach einigen Minuten zu sprechen wünsche, und lammen Sie mit." Der Graf ging. Ueber Friedrich's Züge glitt ein Lächeln, theils gutmüthig, theils spottend. „Ich will morgen mit dem Engländer in die Porzellan- manufactur", sagte er. Ihr Sohn spricht lebhaft imt ihm, Madame. Ich habe sie öfters zusammen gesehen. Sie scheinen Freunde geworden zu sein." „Ja, Sire, und ich bin nicht unzufrieden darüber. Ich habe in dem Engläwser einen Mann von Seelenadel, warmer Empfindung und redlichem Gemüth kennen gelernt. Ueberdies ist er ausgestattet mit Kenntnissen der mannigfachsten Art. Ich habe die feste Ueberzeugung, daß mein Sohn in jeder Beziehung von ihm lernen kann." „Wir wollen nicht hoffen in jeder", sagte Friedrich mit dem selben Ausdruck des Gesichts. „Man hat mir mitgetheilt, daß dieser Master Altenberg eine scharfe Zunge führe. Ich begreife dies, da er hier nicht alles, finden kann, wie er es in England ver lassen hat. Aber wenn er ein so verständiger Mann ist, w!« Sie es sagen, so sollte er auch di« Verschiedenheit ver Verhältnisse bedenken und etwas vorsichtiger sein." „Ich habe nie aus seinem Munde das geringste unehrerbietigr oder auch nur tadelnde Wort über Euer Majestät Regierung und die Zustände dieses Landes gehört", erwiderte die Gräfin be troffen. „Eure Majestät sind entweder nicht genau unterrichtet oder ich kenn« Monsieur Altenberg nicht genügend." „Nun, ich weiß, was ich weiß", sagte der König. „Doch ich scherz« nur. Ich bin überzeugt, daß Ihr Sohn niemals von den Gesinnungen abwrichen wird, die ihn mir so lieb gemocht haben. Auch glaube ich der guten Absicht 'bes Engländers ver sichert zu sein. Aber ich kenne dies« Engländer. Sie sind stolz auf die Vorzüge ihres Londes, und mit Recht. Sie haben ein gutes Gesetz, und das Gesetz steht dort über Allem. Aber sie vergessen in der Kritik fremder Zustände, daß sie ganz ver schiedenen Verhältnissen Rechnung zu tragen haben. Ein Volk braucht Jahrhunderte, «he der Sinn für Gesetzlichkeit in ihm so mächtig w'.vd, daß er jeden Einzelnen zu einem wahren Staatsbürger, zu einem Manne macht, der sich seiner Ver pflichtungen gegen den Staat und die Gesellschaft bewußt ist. Me Selbstregierung, die Selbstverwaltung sind in einem Staat«, wie dem meinigen, unmöglich — leider unmöglich, denn ich fühl« sehr wohl die Verantwortung, dir auf den Schultern «ine» Monarchen ruht, der alles selbst zu ordnen hat! Das sollte man bedenken, wenn er nicht tadelt. Die Engländer sind nicht durch ihre Natur, sondern durch eine Jahrhuderte lange politische Erziehung das geworden, was sie sind. Die Last des Königs wird dort erleichtert durch den Sinn für Gesetzlichkeit, die im Volke wohnt. Ich aber muß mein« Hand und mein Auge überall haben, und wenn ich irr«, so liegt es daran, daß ich nicht allwissend bin. Doch selbst im Jrrthum bin ich nur von dem Wunsche ge leitet, mein Volt groß und mündig zu machen." „Der verdient niemals die Gnade Euer Majestät, der an Ihren erhabenen Gesinnungen zweifelt!" antwortete di« Gräfin. „Und doch zweifelt mancher, weil ich nicht aus dem Nichts den idealen Staat Herstellen kann, den er sich träumt", sagte Friedrich gedankenvoll. „Ich möchte wohl zuweilen manchen dieser Herren an meine Stelle setzen, wenn das möglich wäre! — Doch da kommen di« Herren." Der Engländer und der junge Graf Laniska, gefolgt von dem Grafen Louragais, die sich bis jetzt in ehrerbietiger Ferne gehalten, traten näher, als sie die Handbewegung des Königs be merkten. Sie "waren Beide von fast gleicher Größe — der Eng länder einig« Jahre älter als der Graf, der höchstens 24 Jahre zählen mochte — beide schlanke, schöne Gestalten, mit weichem, blondem Haar«, das blaue Auge des Grafen, dunkler als das des Engländers, dem klaren, tiefen Auge der Mutter ähnlich. Man hätte sie, wie sie so nebeneinander herkamen, fast für Brüder halten können. Etwas beweglicher schien di« Gestalt Lamska's, als di« des Engländers, dem es nicht an jenem würdigen Wesen fehlte, das den Engländern eigenthiimlich ist und bei vielen in Steifheit ausartet. „Guten Abend Monsieur Altenberg, guten Abend Graf", sagte der König, wie immer in französischer Sprache, während dir Beiden sich tief verbeugten. „Wie steht es? Haben Sic Nach richten aus England?" „Mein Freund Wedgeivovd hat mir die Angaben geschickt, die mir noch fehlten", antwortete der Engländer. „Ich erwarte nichts, als den Befehl Euer Majestät, um dir Versuche in der Porzrllan-Manufactur zu beginnen, und ich zweifle nicht daran, daß die Proben zu Euer Majestät Zufriedenheit ausfallen werden." „Sehr gut, das war es, was ich wissen wollte", sagte der König. „Nun mein« Herren, da ich gerade in Berlin bin — wie wäre es, wenn Sie morgen beginnen wollten? Ich werde selbst nach der Manufactur kommen." „Ganz wie Sie befehlen, Sire", antwortete Altenberger. „Ich werd« mich zeitig dorthin begehen und Alle« in Stand setzen, damit 'wir unmittelbar nach der Ankunft Emer Majestät beginnen können." „Und erlauben mir Euer Majestät, meinen Freund zu be-> gleiten?" fragte der junge Graf Laniska. „Von Herzen gern", antwortete Friedrich lächelnd. „Seit "wann interessiren Sie sich für Porzellan, Graf? Ist es nur, um mir Theilnahme für meine schwache Seite zu bezeigtn? Nun, gleichviel. X propo» Monsieur Altenberg — Ihr Name ist eigentlich ein deutscher?" „Ja, Majestät, meine Eltern sind nach England übevgesiödelt, ich selbst bin noch in Deutschland, in Hannover, geboven." „Und Sie interessiren sich schon lange für die Fabrikation des Porzellans?" fragte der König. „Ich lernte den berühmten Wedgewood kennen und «r gewann mich für die Chemie, der ich ohnehin von Jugend auf ergeben war. Die Vermögenslage meiner Eltern setzten mich in den Stand, meinen Neigungen folgen zu können. Ich ging nach Paris, wo ich den Herrn Grafen de Louragais kennen lernte, der sich gleichfalls für mein« Lieblingsbeschäftigung inderes- sirt. Als wir hörten, daß Euer Majestät die hiesige Porzellan- Fabrik übernommen haben, kamen wir auf den Gedanken, unser« Versuche, die am besten doch nur in einer Fabrik anzustellen sind, wo es an keinem Material fehlt, hier in Berlin fortzusetzen uno die etwaigen Resultate Euer Majestät zur Benutzung anheim zu stellen. Ich erwarte nur die Angaben Mr. Wedgewood'L über einig« neu« Versuche, die er angestellt!" „Gut! Es fall Ihnen an meinem Dank nicht fehlen", sagte der König und sich erhebend grüßte er die Herren. „Auf Wieder sehen morgen in der Manufactur!" — Und er trat in eine Gruppe von Gästen. Die Gräfin, die dem Gespräch mit ernster Theilnahme gefolgt war, gab ihrem Sohne ein Zeichen. Vermuthlich wollte st« von ihrer Unterhaltung mit dem Könige ihn unterrichten. Aber zugleich näherte sich ein Diener dem Grafen und flüstert« demselben zu, daß ein Mann ihn zu sprechen wünsche. „Aber jetzt, wie ist das möglich? Wer ist er?" „Der Jude Salomon Wolf; ich glaube, er ist der Expedient in der Porzellanmanufactur." „Ah, der! — Unmöglich! Er kann morgen kommen. Was will er denn?" „Er sagte, er komme wegen des Barons von Frankenstein!" „Ich komme!" sagte er. „Im Augenblick!" flüsterte er seiner Mutter zu. Und auch Altenberg herzlich zuwinkend, verließ er den Salon. In einem Vorzimmer, da« zu den von dem junge« Grafe»
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