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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190107215
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010721
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010721
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-21
- Monat1901-07
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1901
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Juni in führender Stelle auf die Zollschutz- bemrffung im Allgemeinen gedrückt, und hierauf die erwähnten scharfen Angriff« auf dir Regierung im bayerischen Landwirthschaft-mth hervorgerufcn haben. Daß vir alte nationalliberale, dieser Tage von uns von Neuem erhobene Forderung nach einem Reichszoll» tarifamt keine „unitarische" ist, können di« Regierungen der allerdings erstaunlichen Thatsache entnehmen, daß sogar die „Köln. Bolksztg." di« Errichtung einer Reichscentralstelle für Zollentschkidungen verlangt. Die „Köln. Bolksztg." ist klerikal und wacht eifersüchtig über di« Erhaltung der Förderations- Grundlagen des Reiches. Aber daS Blatt steht einen großen Verkehr sich abspielen und hat "deshalb Verständniß für commer- j ielle Nothwendigkeiten und für die Verstandeswidrigkeit des etzigen deutschen Zollrechtszustandes. Dasselbe Verständniß kann man von den „Berl. Pol. Nachr." nicht verlangen, und deshalb würde sich kein Mensch aufregen, wenn man wüßte, daß die von uns wiedergegebene abwinkende Auslassung der „Berl. Pol. Nachr." der politischen Weisheit ihres Herausgebers entstammte. Aber leider kann es auch anders sein, wodurch freilich an dem ilrtheil über das Verständniß des Verfassers nichts geändert zu werden braucht. Aus -er Woche. Kauffmann und kein Ende! Das Interesse an den muthmaßlichen Beweggründen für die Nichtbestätigung des zum Bürgermeister von Berlin gewählten StadtrathS hat sogar der erschlaffenden außerordentlichen Hihe gespottet, und zwar auch außerhalb Berlins und Preußens. Es ist vor Allem ein allgemeiner, ein historischer GestchtSpunct, der der neuesten Differenz die Aufmerksamkeit erhält. Preußen und nachmalt das Reich haben unter Wilhelm I. und Bismarck eine Anzahl ernster Conflicte erlebt, wenn auch außer dem der ersten Hälfte der sechziger Jahre keinen solchen, der alt Verfassungsstreit zu bezeichnen war und dem Meinungs- und Willensverschieden heiten zwischen der Krone und dem überwiegenden Theile der Bevölkerung zu Grunde lagen. Aber jeder dieser Conflicte bedeutete eine Etappe der Entwickelung, und, man darf dies ungescheut aussprechen, der Entwickelung nach vorwärts. DaZ gilt auch von dem Kulturkampf schon deshalb, weil dieser Streit mit dem ihm zu verdankenden Gesetze über die Beurkun de! Kirche unabhängig machte, ein Erfolo Wege der Landesgesetzgebung die evangelisck in Bayern, niemals gelangt wäre; zu we düng deSPersonenstandes im ganzenReiche dieEheschließung von der Kirche unabhängig machte, rin Erfolg, zu dem auf dem Wege der Landesgesetzgebung die evangelische Minderheit, z. B. in Bayern, niemals gelangt wäre; zu wessen dauerndem Ge winn im Uebrigen der „Sieg" der römischen Kirche im Cultur» kampf und in dem ihm vorausgegangenen inneren kirchlichen Streit um das Unfehlbarkeitsdogma ausgcschlagen ist, darüber sind die Acten noch nicht geschlossen. Unter dem neuen Curs ist mit dem Gedanken des Conflicts häufig gespielt worden, ohne daß es zu einem solchen gekommen wäre. Dafür sind Miß helligkeiten, die nicht auf politischen Nothwendigkeiten beruhen, sind Zwistigkeiten mit engem Hintergründe an der Tages ordnung. Diese Differenzen zersplittern das staatliche Leben, sic berauben es der großen Auffassungen und drücken die politische Erörterung zum Raisonniren herab. Dieser Effect von „Fällen", wie der des Herrn Kaufsmann, sichert dem Letzteren das Interesse auch von solchen Politikern, die die ohnehin nicht sonderlich gute staatliche Erziehung des deutschen Volkes nicht verkümmert und die deshalb nicht raisonnirt wissen wollen. Wir haben uns bestrebt, die Leser möglichst wenig mit den zahllosen Mittheilungen und Betrachtungen über die Nicht bestätigung, die an und für sich eine herzlich unbedeutende An gelegenheit ist, zu behelligen, und gedenken auch in Zukunft so zu verfahren. Jetzt liegt nun wieder ein Beitrag zu der an geblichen Vorgeschichte der Ablehnung vor, den wir schon er wähnen mußten, weil er, wenn dem Sachverhalt entsprechend, die constitutionelle Seite berühren würde, und zwar dort, wo Preußen und Deutschland durch Personalunion verbunden sind, beim Ministerpräsidenten und Reichskanzler. Die ,Arris. Zig." schreibt, wie ihr versichert werde, habe Graf Bülow nicht weniger als dreimal mit dem Kaiser zu Gunsten der Be stätigung gesprochen. Man sieht: diesmal ist auch Herr Richter vorsichtig, was er in diesem Zwischenfalle nicht immer gewesen. Er deckt sich hinter einem Versichernden und gebraucht die Wendung, Graf Bülow habe mit dem Kaiser über die Sache gesprochen! Damit soll wohl angedeutet werden, daß sie nicht Gegenstand eines „Vortrags" gewesen, sondern vielleicht in einer der nichtpolitischen Unterhaltungen, in die der Kaiser notorisch den Grafen Bülow nicht selten zieht, vom Minister präsidenten eingestreut worden sei. Daß nun die Ge legenheit das constitutionelle Gewicht einer Meinungsäuße rung und Rathsertheilung seitens der leitenden verantwortlichen Minister beeinflussen könne, vermöchten auch wir nicht anzu erkennen, und soweit wir entfernt sind, einem regierungsfreund lichen Blatte zu folgen, das die betheiligtcn Minister beschwört, sie möchten umS Himmels willen die Version von der Militär affäre als «aus» IN0V8NS aus der Welt schaffen, so glauben wir doch, daß Graf Bülow der Behauptung von der dreimaligen Rathsertheilung in dem der erfolgten Entscheidung entgegen» gesetzten Sinne nicht das hartnäckige Schweigen, das bisher von der Regierung in dieser Angelegenheit beobachtet worden ist, ent gegensetzen darf. Man würde sich sonst über das Instrument, das er im politischen Orchester spielt, eigene Gedanken machen. Eine der zahlreichen Erklärungen der Ablehnung verweist auf die Mitwirkung der Socialdemokraten Singer und feiner Partei genossen bei Kauffmann'S Wahl und versichert, der Beweggrund des Monarchen sei die Abneigung gewesen, sich von dem republi kanischen und revolutionären Herrn Singer den zweiten Bürger meister von Berlin präsentiren zu lassen. Eine Erwägung, die man verstehen kann, ohne Frage. Aber bei der Zusammen setzung der Berliner Stadtverordnetenversammlung, die sich so rasch nicht wesentlich ändern wird, führt die Anrechnung der zugewendeten socialdemokratischen Stimmen als Bestätigungs- hinderniß unfehlbar zu einem AemterbesetzungSmonopol der politisch der Richtung der freisinnigen Vereinigung entsprechen den Gruppe, und drese Gruppe vertritt das Großkapital, die traute tiuance. Die Mittheilungrn des Stuttgarter „Beobachters" über die landwirthfchastlichen Maximal- und Minimalzölle, denen wir im Wesentlichen Glauben ge schenkt, werden auch von der gewöhnlich gut unterrichteten „Frkf. Ztg." für zutreffend gehalten. Sie haben die Wirthschafts- extremen von links in Zorn versetzt, die von rechts schweigen zu meist. Daß ein Doppeltarif für gewisse landwirthschaftliche Er zeugnisse in Aussicht steht, ist schon längere Zeit vermuthet worden, und es lassen sich auch thatsiichlich vom industriellen, und gerade vom mitteldeutschen industriellen Standpuncte Gründe anführen für eine unterschiedliche Behandlung von Staaten, die mit uns Handelsverträge schließen, und Ländern, die nur nach Willkür handeln. Amerika laßt sich die Meistbegünstigung von Deutschland gefallen und ver weigert sie Deutschland thatsiichlich; eS behandelt unseren Ausfuhrbandel schlecht bi» zur Ehicane. Auf der an deren Seite führt Amerika zur Zeit ungeheure Mengen seiner landwirthschaftlichen Erzeugnisse in Deutschland ein. Da kann es denn doch zweckmäßig sein, wenn den Aankees in einem deutschen landwirthschaftlichen Doppeltarif «in Anreiz geboten wird, sich dem deutschen Einfuhrhantdel weniger unfreundlich als bisher gegenüber zu stellen. Was die einzelnen Sätze anlangt, die da» schwäbisch« Blatt mit« theilt so weichen sie nur in einem Punkte erheblich von dem ab, was der Bayer Lutz in AuSsicbt gestillt und für unannehmbar — für di« Leitung des Bundes der Landwirth« und ihrer Agenten unannehmbar — erklärt hat. Für Gerste sollen 3 ost, nich »l/2 angesetzt werden. Der höhere Zoll wird von vielen deutschen Regierungen in der Lhat gewünscht worden sein, aber Bazera widersetzte sich au» Rücksichten auf seine hochentwickelte Der Krieg in Südafrika. Zu den Nachrichten, die über die Behandlung von vlt»e Schreiner )urch die Capbehörden verbreitet sind, wird der „Voss. Ztg." aus Amsterdam geschrieben: Die durch du englische Schriftstellerin bekannt gewordene Gefangennehmung von Olive Schreiner wird nicht verfehlen, überall berechtigte Entrüstung hervorzurufen, denn sie giebt einen neuen Beitrag zu der schmachvollen und menschentehrenden Kriegführung der Engländer. Olive Schreiner ist eine der hervorragendsten weiblichen Gestalten in Südafrika, oder sagen wir lieber, die weitaus hervorragendste, nicht nur wegen ihrer schriftstellerischen Leistungen, sondern wegen der Rolle, die sie vor und während deS jetzigen Krieges als feurige Afrikanerin gespielt hat. Zwar ist die Anzahl ihrer bis jetzt veröffentlichten Werke sehr bescheiden; wenn man „Ido storx ok an ^friesn b arm" (1883), „Uroaws" (1891) „vream liks anck real liko" (1893) und „Droaper ?ioter Kalket ok LlasbooalLllä" (1897) genannt hat, ist die Liste vollständig erschöpft, aber alle sind Gemeingut des afrikanischen Volks ge worden. Nicht etwa, weil sie dieses Volk in seiner vollen Natur wahrheit in seinem täglichen Leben und Streben wahrheits getreu gezeichnet hatte, denn in ihrem ersten und besten und des halb auch weitverbreitetsten Werk führt sie Menschen vor, wie ie in dieser Umgebung in Südafrika nirgends gefunden werden, andern wegen der durchaus idealen und überall die zähere Seite m Menschen zur Geltung bringenden Auffassung von Per» onen und Zuständen, eine Auffassung, die schon deshalb Erfolg jaben mußte, weil sie dem auch in Südafrika sich breit machen den und das Leben vergiftenden Materialismus wirksam ent- geaentrat. Man begreift deshalb, daß Olive gerade von jungen Mädchen schwärmerisch verehrt wurde, was noch durch den anderen Umstand erklärlich wird, weil sie in vorderster Reihe für die Emancipation des weiblichen Geschlechts — allerdings für eine sich innerhalb der Grenzen des praktischen Leben- und der Möglichkeit haltende — gekämpft hat und noch kämpft. Aber noch merkwürdiger ist ihre politische Laufbahn. Ihr Vater war ein in die Capcolonie eingewanderter lutherischer Prediger, von mütterlicher Seite stammte sie von einem eng lischen Missionar ab, und man begreift deshalb auch, daß die Umgebung, in der sie heranwuchs, durch und durch englisch war. Die Anschauungen, die sic hier eingesogen hatte, mußten um so festere Wurzeln schlagen, da sie im Jahre 1870 nach England ging, wo die letzte Hand an ihre geistige Erziehung gelegt wurde. Für die holländische Bevölkerung in Südafrika hatte sie noch kein Verständniß, es verstand sich für sie wie ihre Um gebung von selbst, daß das Boerenelement sich allmählich in das englische auflösen müsse, wenn eS für Südafrika überhaupt ein Culturfactor sein sollte. Der von I 0 n H 0 f m e y r im Jahre 1880 gegründete „Afrikanerbund" hatte zwar ursprünglich die Gleichberechtigung der holländischen und der englischen Rasse auf sein Programm, dessen Grundidee bekanntlich „Afrika für die Afrikaner" war, geschrieben, allein RhodeS gebrauchte ihn eine Zeit lang al» Sturmbock gegen die Selbstständigkeit der beiden Boerenrepubliken, bis es endlich den betrogenen Afri kanern nach dem Jameson'schen Raubzuge wie Schuppen von den Augen fiel. Allein die Halben und Unentschiedenen, zu denen Hofmeyr und Olive's Bruder, der eine Zeit lang Premier der Capcolonie gewesen war, gehörten, waren die besten Bundes genossen der Jingos, und man weiß ja, wie Hofmeyr im Namen de» Bunde» vor dem Au»bruch deS Kriege» noch die menschen möglichsten Anstrengungen machte, um die Boeren zur Nach giebigkeit gegen alle englischen Forderungen zu überreden. Olive war durch den Lauf der Ereignisse au» einer Engländerin eine Afrikanerin geworden, und zwar eine solche im besten Sinne deS Worte», die von ihr veröffentlichten „VTorcks in 6s»«on" geben Aufschluß über diese Wandlung, die mit ibr vorgegangen war. Wahrend ihr Gatte Cronwiaht ui England für den Frieden, und, nachdem der Krieg angebrochen, für dessen Beendigung wirkte, wandte Olive sich an die afrika nischen Frauen; in einem Brief vom 11. October 1900 an den Frauencongreß in Sommerset-Sast, nachdem der Krieg bereits ein Jahr gedauert, sagte sie sich von England, da» jetzt „todt für sie sei. feierlich los, und wie die Zukunft Südafrikas vor ihrem Geiste siebt, beschreibt sie mit den folgenden Worten: „All« Männer, di« di« Waffen tragen, können geiödtet werden. Wa» wird man mit den Frauen thun? Wenn nur 8000 echte afrikanische Frauen übrig bleiben und alle anderen Afrikaner ausaemordet sein werden, dann werden diese Frauen ein Geschlecht heranziehen, da» gleich sein wird dem ersten. Di« Enkel und Urenkel der Männer, die unter den Steinen begraben liegen, wetden, wenn sie an diesen Vorbeigehen, sagen: „Hier liegen unsere Väter, die in dem großen Frelheitrkrtea gefallen sind", und die Nachkommen dieser Männer werdrn die Aristo kraten von Südafrika sein." Man begreift, daß «in« Frau di« über einen so gewaltigen Einfluß in der Capcolonie verfügt, wo e» im Augenblick für die Engländer nicht sehr geheuer au»« sieht, diesen schon längst «in Dorn im Auge gewesen sein muß, abrr ihr» Gefangennehmung beweist uns gerade, daß Oliv«'» Auftreten bereits große Erfolge gehabt haben muß und daß die gegenwärtigen Machthaber sie unschädlich machten, um sich nicht den weiteren Folgen des durch sie angefachten Feuers aus- zusctzen. „Was hat sie eigentlich verbrochen?" fragt Ouida, „wahrscheinlich nur dies, daß sie während des Krieges mit ihren Sympathien auf Seiten der Boeren gestanden hat. Napoleon wird wegen der Verbannung der Frau de Start von den Ge schichtschreibern getadelt, was würde aber ihr Urtheil über ihn gewesen sein, wenn er mit der Tochter Necker's ebenso ge handelt hätte, wie die britische Regierung jetzt mit einer Frau handelt ... Es leidet gar keinen Zweifel, die gegenwärtige Art und Weise der Kriegführung der Engländer, ihre Rohheit gegen Frauen, ihre Vergewaltigung der Wahrheit entehren das britische Volk in den Augen der Welt und bringen über den englischen Namen Schande, welche kein Beifall der Börse und kein Jubel internationaler Goldsucher auswischen kann." — Aus dem Kriege, der jetzt in Südafrika wüthet, wird zweifellos auch eine bemerkenswerthe Literatur in der Folge heroorgehen, und in dieser wird Olive Schreiner jedenfalls an erster Stelle stehen. Die „Boss. Ztg." bemerkt hierzu: Die Nachrichten über die Behandlung der Frau Olive Schreiner scheinen übertrieben zu sein. Der „Daily News" zufolge wurde ihr Haus in Jo hannisburg vor einem Jahre von Uitlanders ge plündert und eine Anzahl ihrer Papiere vernichtet. Sie lebte dann in Hanover, welche Stadt unter dem Kriegs gesetze steht und* von einem Stachelzaun umgeben ist. Ihr Gatte Cronwight-Schreiner wollte sic im Januar besuchen, die Militärbehörden verweigerten aber die Erlaubniß hierzu. Im Mai wurde Olive plötzlich sehr krank und ihr Gatte erhielt dann sofort die Erlaubniß, sie zu besuchen. Deutsches Reich. Berlin, 20. Juli. (Finten.) Je arger die Schmähungen sind, die angesichts der bevorstehenden Wahl in Duisburg-Mülheim dem Centrum von polnischer Seite an den Kopf geworfen werden, um so tiefer katzbuckelt das Polenblatt am Rhein, die „Köln. Volksztg.", vor den polnischen Schütz lingen. Wenn jetzt das genannte Centrumsblatt Anzeichen dafür erblickt, daß die „hakatistische" Strömung zum Stillstand gekommen ser, fo macht es durch die Art, wie diese Wahr nehmungen begründet werden, den Eindruck, als ob es sich selbst zur Fortsetzung seiner Unterwürfigkeit unter die Polen Muth zusprechen müsse. Wer aus Artikeln der „Frankfurter Zeitung", des „Vorwärts" und der „Berliner Zeitung" — die natürlich einer polenfreundlichen Politik das Wort reden — den Anfang vom Ende „hakatistischer" Politik herleitet, der mutz sich im Zustande vollkommener Rathlosigkeit befinden. So lange es eine polnische Frage giebt, haben die genannten drei Blätter stets Partei für die Polen genommen; es ist eine Zumuthung sondergleichen, glauben machen zu wollen, dah bei jenen Organen erst jetzt ein Umschwung betreffs der Polenpolitik eingetreten sei. Eine nicht geringere Zumu thung ist es, wenn die „Köln. Volksztg." die Hoffnung auf ein weiterees Fortschreiten deS angeblichen Umschwunges mit der Sorge begründet, die das Verhalten Rußlands gegenüber den Polen uns Deutschen einflößen müsse: „Wenn ... die Wolken an unserem östlichen Himmel sich noch weiter schwärzen sollten, wird selbst mancher heute noch durch politische Leiden schaften verblödete Hakatist einsehen, daß er im Rausche natio naler Trunkenheit einen Weg taumelt, der ins Verderben führt." — Zur Kritik dieser erleuchteten Auffassung können wir auf ein polnisches Urtheil verweisen. Unter der Ueber- schrift „Lügen in unserem öffentlichen Leben" schreibt der „Dziennik Berlinski" in seiner Nr. 150: „Ist es keine Lüge, wenn die sogenannten Führer der polnischen Nation im preußischen Antheil zu unseren barbarischen Brüdern, den Russen, hinseufzen, obwohl sie wissen, daß wir von diesen nichts Gute? erwarten können, ob wohl sie wissen, daß zu eben derselben Zeit diese lieben sla wischen Brüder unsere Landsleute im russischen Antheil in demselben Maß stabe verfolgen, wie es die Preußen thun? Durch diese Lügen wollen diese großen Politiker die Preußen einschüchtern und sie zu einer milderen Behandlung von ünS zwingen, ohne hierbei auf den Schaden zu achten, welchen hierdurch die Gesammtheit der polnischen Nation erleidet." — Der Dziennik Berlinski" ist ein national-polnisches Blatt. Ob sein» Kennzeichnung der in Rede siebenden Lüge von der „Köln. Bolksztg." mit derselben Hartnäckigkeit überhört werden wird, wie so manche andere, dem Centrum peinliche polnische Kundgebung, muß abgewartet werden. Aber gleichviel, wie das rheinische Centrumsblatt mit dem „Dziennik Berlinski" sich abfindet: Die Finte, die in dem AuSspielen Rußlands gegen die preußische Polenpolitik liegt, bleibt als solche erwiesen. * Berlin, 20. Juli. Di« socialdemokratischeReichS- tagsfraction veröffentlicht den üblichen Bericht über ibre parlamentarische Tbätigkeik. Neues bietet der Bericht nicht, und einem denkenden Arbeiter sollte bei der Lccküre einiger maßen auffallen, daß er fo gar keine positive Tbiitigkeit für die Arbeiterintereffen verzeichnen kann. Von gewiss«»: In- teresse ist nur die Wendung über das Verhalten der Fraktion gegenüher dem Etat. Da heißt e»r Bei d«r Gelammtabstimmung üb«r den Etat stimmt« unsere Fraktion so wi» stet» gegen d«aselben, nicht nur weil die Reichs einnahmen hauptsächlich durch indirekt« Steuern ««deckt werden, die auf der ärmeren Bevölkerung am schwersten losten, und nicht nur, weil bi« Locialdemokcatle dem kulturfeindlichen Militarismus jede» Mann und jeden Groschen verweigert, sondern auch, weil wir durch di« Ablehnung de» Budget- den gruadsStzlichen Gegensatz j«m Au-druck bringen, in dem sich die Arb«ttrrelass»n gegen, über dem kapitalistischen Classenstaat und seinerRegte- rung befindet. Die socialdemokratische Taktik gegenüber dem Etat ist schon recht schwankend gewvrdeo, bemerkt dazu die „Nat.-Ztg." Recht. Im Reich lehnt man noch den ganzen Etat ab, l - ausdrücklich den „grundsätzlichen Gegensatz gegen den kapitalistischen Elassenstaat" zu markiren. In Württem berg ist nicht mehr der „grundsätzliche Gegensatz" der Ab- lrhnungSgrund, sondern nur noch eine Reibe von Einzel forderungen: „Weil die auf eine zeitgemäße Verfassung und «iu, gerecht« Steuerreform gerichteten Wünsche de« Volkes ihr» Erfüllung noch nicht gefunden hätten", ist dort der Etat abgelebnt. Und in einer ganzen Anzahl weiterer Einzelstaaten ist bekanntlich der Etat bereits von den Socialdemokraten angenommen worden, sogar unter Einschluß „militaristischer" Ausgaben. Entweder betrachten also die Socialdemokraten nur daS deutsche Reich als „capitalistischen Classenstaat", oder sie wissen selbst nicht mehr, waS sie jeweils mit ihren alten Grundsätzen anfangen sollen. (D Berlin, 20. Juli. (Telegramm.) Die marokka nische Londcrgesandtschaft hat heute Mittag Berlin verlassen. — Die „Allgem. Ztg." erfährt anS Berlin: Die Nach richt, daß zum deutschen Kaisermanöver der Kaiser von Oesterreich und der König von Schweden kommen werden, ist ebenso unbeglaubigt, wie die Wiener Blätter meldung, daß unser Kaiser Anfang August zum Besuch nach Ischl gehe. — Durch die Gründung einer Vereinigung polnischer Schlächter hat die Zahl der polnischen Berussvereine in Berlin wieder eine Vermehrung erfahren. Außer den pol nischen Kaufleuten und Gewerbetreibenden haben die polnischen Gärtner, Bäcker und Tischler eigene Fachorganisationen. Der Zusammenschluß weiterer polnischer Handwerkerkategorien steht bevor. (Nat.-Ztg.) — Die Polizeibehörden in den verschiedenen Staaten sind bekanntlich sehr bemüht, die Anarchisten stets im Auge zu behalten. Jetzt soll nun zur Erleichterung des Ueberwachungs- dienstes ein internationales Anarchisten-Album von polizeilicher Seite berausgegeben werden. Die Vorarbeiten haben die Polizeibehörden in Genf, Paris, Brüssel, London und Barcelona übernommen, welche gegenwärtig mit den Polizeiverwaltungen der übrigen Staaten wegen des Ma terials zu diesem Album, welches die Signalements und auch die Photographien aller als Anarchisten bekannter Personen enthalten soll, verhandeln. * Aus Memel lauten die bisherigen Nachrichten über die Neichstagöersatzwahl derart, daß man sich nicht wundern dürfen wird, wenn der Wahlkreis schließlich in die Hände der Socialdemokraten übergeht. Bis heute Vormittag waren, wie telegraphisch gemeldet, gezählt: für Schaak (freis.) 2884 Stimmen, für Braun (Soc.) 4660 Stimmen, für Matschull (Lithauer) 6302 Stimmen. Bei gleicher Wahlbctbeiligung wie im Jahre 1898 wären nur noch rund 1400 weitere Stimmen zu erwarten. Selbst wenn diese restlos auf den von den Agrarconservativen unterstützten Lithauer entfielen, würde die Zahl der Conser- vativen und lithauischen Stimmen weit hinter dem Er- gebniß zurückbleiben, das die Candidaten dieser Parteien bei der Hauptwahl von 1898 erreichten. Die Socialdemokraten haben schon jetzt einen Stimmenzuwachs um mehr als 50 Proceut zu verzeichnen. Bei der 1898er Wahl erhielten im ersten Wahlgang der Conservative 5557, der Lithauer 3504, der Freisinnige 3226 und der socialdemokratische Candidat 3015 Stimmen. In der Stichwahl zwischen dem Conservativen und dem Lithauer siegte der letztere mit 7890 gegen 6456 conservative Stimmen. Die Freisinnigen dürsten danach annähernd aus ihrem alten Bestand bleiben, und als vorläufiges Ergebniß ist eine Stichwahl zwischen dem Litbauer und dem Socialdemokraten so gut wie sicher. Es kann aber nicht bezweifelt werden, daß in diesem Falle angesichts der zur Entscheidung stehenden handelspolitischen Kämpfe die freisinnige Volkspartei sich gegen den agrarisch unterstützten lithauischen Candidaten wenden wird, so daß ein Sieg des Socialdemokraten zum Mindesten nicht unwahr scheinlich wird. * Oldenburg, 19. Juli. Die oldenburgische Staats- eisend ah nverwaltung war die einzige, die die Ver längerung der GiltigkeitS dau er der Rückfahrkarten nicht eingesührt hat. Wie jetzt mitgetheilt wird, liegt in dieser Unierlassung nicht eine eigensinnige Ablehnung einer dankenSwerthen Reform, sondern lediglich die Ursache, daß Oldenburg seinen Reisenden schon längst die Annehmlichkeit der Verbilligung ganz allgemein gewährt hat, die durch die Rückfahrkarten den Reisenden auf solche zu Theil wird. Die Tarife sind nämlich ganz allgemein nach dem Satz be messen, der für Rückfahrkarten jetzt Platz greift. (7) Oldenburg, 20. Juli. (Telcgrannm) Die Groß herzogin wurde heute früh von einer Prinzessin entbunden. TuiSburg, 19. Juli. Für die hiesige Reichstags wahl haben nun glücknch auch die polnischen Socia- list en einen eigenen Candidaten aufgestellt. Es ist dies ein Herr Hengstbach aus Köln. td. Jena, 19. Juli. Der Großberzog wollte nach den ursprünglichen Dispositionen unsere Stadt morgen Vormittag verlassen, der Aufenthalt in Jena soll nach neueren Be stimmungen aber bis Sonntag Abend verlängert werden. Heute besichtigte der Großherzog in Begleitung deS Univer- sitälS-CuratorS Geh. SlaalSrathS Eggeling mehrere Museen und wissenschaftliche Sammlungen, Abends wohnte er der Festvorstellung im Städtischen Theater bei. tb. Sondershausen, 19. Juli. Der Landtag trat in der heutigen Sitzung in die Berathung de» Entwurf» eine» Gesetze-, betreffend die Errichtung einer LandwirthjchaftSkammer für da» Fürstenthum ein. Der Entwurf ist in seinen Bestimmungen verschiedentlich den betr. Gesetzen von Preußen, Anhalt und Olden burg nachgebildet, schlägt jedoch in einigen wichtigen Paragraphen wie Wablverfohren u. 0. eigen« Wege ein, entsprechend den be sonderen Verhältnissen de» Lande». In » 8 bringt der Entwurf eine Scheidung der Wahlberechtigten nach dem Besitz: er schlägt vor, dret Wahlkärper zu bilden, einen au- den Großgrundbesitzern, einen au- dem mittleren Besitz und einen au» dem kleineren Besitz von 5—20 b». Diese Tbeilung soll allen Landwirthrn di» Theilaahme au der Wahl ermöglichen. Eine Neuwahl soll nur aller 6 Jahre erfolgen. Die Zahl der Mitglieder der Landwirthschasttkammer ist aus 15 festgesetzt. — Die Berathung wurde heute noch nicht zu Ende geführt. * Bayreuth, 19. Juli. Sämmtliche Backergehilfen hier haben den Meistern ein Ultimatum zugestellt, dahin- gehend, Lohnforderungen zu bewilligen und zwei gemaß regelte Gehilfen wieder in Arbeit zu nehmen, widrigenfalls sofort in den Ausstand getreten werden würde.
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