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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.07.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010722022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901072202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901072202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-22
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Anzeige« »Preis die 6 gespaltene Petitzeile Sö Rerlam«» unter d«m NedaetionBstrich (»gespalten) 7d vor den Famtlirnnach- richten (6 gespalten) SV H. Tabtllarischer nnd Hiffernsatz entsprechend höher. — Eebüdreu für Nachweis»»»«» und Offertrnaonahmr LS (excl. Porto). Grtta-Beilagen (gesalzt), nur mit der Moraen-Au-gabe, ohne Postbesürderung SO—, mit PostbesSrderuug ^l 70,—. Ännahmeschlnß str IlnzeiLen: Abeud-AuSgabe: LormittagS W Uhr. Morgeu-AnSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen usd «»nähmest,ll« j» «in, halb« St«d« Mer. Anzeige» sind stet« an di» Expedition zu richt«. Druck und Verlag von E, Polg i» Leipzi-. 95. Jahrgang Der Krieg in Südafrika. Krau Krüger d- -p Wenn sich die Nachricht des Reuter'schen Bureau» be stätigt, ist die greise Gemahlin des Präsidenten der südafrikani schen Republik am Sonnabend in Pretoria gestorben. Die Trauerkunde wird dem alten, schon so tief gebeugten Dom Krüger ein schwerer Schlag sein. Man weiß, wie innig da» Verhältnis! zwischen den beüven in langer Ehe treu und fest miteinander ver wachsenen Gatten gewesen ist, wie die Gattin ihm eine stattliche Zahl kraftvoller Sprößlinge geschenkt und herangezogen, wie sie alle Zeit, wenn auch mit der Hausschürze angethan und dem Staub wedel in der Hand, unerschrocken und «würdig als Staats präsidentin repräsentirt, wie sie mit ihm in felsenfestem Gott vertrauen auf den Sieg der guten Sache ihres Volkes gehofft hat, wie sic nicht müde geworden ist, zu hoffen, und wie sie, stolz bescheiden, ein ermuthigendes Beispiel für die Tausende und Abertausende gefangener Boerenfrauen, die Bitternisse der Kriegsgefangenschaft bis auf den bittersten Rest — den Tod in Feindeshand — ausgekostet hat. Vielleicht wäre der Tapferen noch eine lange Reihe von Jahren beschieden gewesen, hätte sie nicht so viel Schweres erdulden, so viel Ungemach, Aufregung, Angst und Sorge durchwachen müssen. Krüger's wurzelfestes Gottvertrauen hat schon manch' wuch tigen Keulenschlag ausgehalten, der Andere niedergeschmettert hätte, und so hoffen wir, daß er auch diesen herben Verlust über winden wird, wenn es ihm auch das Herz brechen möchte, daß er fern auf europäischem Boden, in selbstgewähltem Exil weilen mußte, als die geliebte Gefährtin seines Lebens die Augen für immer schloß. Nun Hai der alte Held nur noch eine große Liebe: sein Land, sein Volk und seines Volkes Freiheit; da er, wie seine Boeren, sonst nichts des Kampfes bis auf Leben und Tod Werthrs mehr zu verlieren hat, wird er, das darf man sich von ihm versehen, das Panier, das die Afrikandernation ihm anveriraut Hai, nur noch fester und höher halten, festen Fußes aufrecht stehend bis zum letzten Athemzuge. Werden die Engländer der edlen Todten ein würdiges Be- gräbnih bereiten? Internationale Courtoisie war nie ihre Stärke. Die CorrcsponSenr zwischen Reitz und Ttejn. Die beiden Schriftstücke, die General Broadwood nach der kleberrumpelung des Boerenlagers bei Reitz in dem Gepäck des nur mit genauer Noth entkommenen Präsioenten Steijn ge funden hat, enthalten so interessante, man möchte sagen packende Einzelheiten, und sind deshalb für die Beurtheilung der Kriegs lage von so großer Wichtigkeit, daß es nöthig ist, sie in genauer Uebersetzung wiederzugeben. Der Brief des Staatssekretärs Reitz an Steijn ist vom 10. Mai datirt, in Depeschenstil ab gefaßt und lautet folgendermaßen: In einer Versammlung der Transvaakregserung mit Commandant Botha, Commandant Viljoen und General I. C. Smuts wurden erwogen die Lage unseres Landes und folgende Thaisachen: 1) Schaaren unserer Bürger ergeben sich fortwährend. Dies führt mehr und mehr zu einem unglücklichen Ende, da die Regierung, wenn sie und ihre Be amten von den Bürgern verlaßen sind, elne schwere Verant wortung übernimmt. 2) Der Munitionsvorath ist so sehr er schöpft, daß wir unfähig sein werden, dem Feinde noch in einem schweren Gefechte zu begegnen, wir werden in einen Zustand hilf loser Flucht oerathen, unfähig, die Vorrathe zu schützen. In allernächster Zukunft werden wir unfähig sein, unsere Com- mandos zu verpflegen. 3) In Folge des oben Erwähnten wird die Regierung schwächer, geht ihrer Hilfsmittel verlustig, geräth in Auflösung. 4) Nicht nur unser Bolk wird vernichtet werden, sondern es wird auch die Ueberzeugung gewinnen, daß die Führer geirrt haben, und alle Hoffnung auf Erhaltung des National gefühls wird verloren gehen. 5) Bis jetzt warten Volk und Re gierung noch immer auf den Ausbruch europäischer Verwicke lungen und den Erfolg der Sendung unserer Deputation. Die Regierung ist sich ihrer Pflicht sehr stark bewußt, endgiltige Zu sicherungen zu bekommen. Nach Erwägung vorstehender Puncte hat die Regierung beschlossen: 1) Die Erlaubniß zu erwirken, einen Boten zum Präsidenten Krüger zu senden, um ihm die schreckliche Lage des Landes darzulegen. 2) Bei Verweigerung dieser Erlaubniß werden wir um einen Waffenstillstand nach suchen, um die Meinung beider Völker über die zukünftige Po litik einzuholen und um dem gegenwärtigen Stande der Dinge ein Ende zu setzen. Wir überlasten es Ihnen, eine andere Lösung vorzuschlagen, aber Sie müssen sorgfältig erwägen, daß unsere Regierung davon überzeugt ist, daß die Zeit für uns vor bei ist, die Dinge so weiter gehen zu lasten und daß die Zeit ge kommen ist, einen endailtigen Schritt zu thun. Steijn's Antwort ist vom 16. Mai datirt. Sie ist in regel rechter Briefform gehalten und lautet nach Anzeige des Em pfanges vorstehenden Schreibens weiter: Ein schwerer Schlag für mich! Als ich vor Monaten mit Ihrer Regierung die Lage besprach, waren wir darin einig, daß ein Waffenstillstand nicht nachgesucht werden sollte, bis die Dinge zum Aeußersten gekommen wären. Werden wir einen Waffen stillstand erhalten? Ich meine, nichts hat sich zugetragen, was uns berechtigt, einen Waffenstillstand zu erbitten, um die Meinung unserer Völker einzuholen. Es ist wahr, das Bocks- burg-Commando verlor sein Lager; General Viljoen wurde ge zwungen, das seine zu verbrennen und seinen langen Tom in die Luft zu sprengen, aber trotzdem sind wir nicht zum Aeußersten gekommen. Der Freistaat ist vier Monate ohne Kanonen. Ich kenne ebenso Leute, die ihr« Waffen niedergelegt haben. Offi- ciere, die Feiglinge geworden sind. Unsere Munition ist schon lang« knapp genug, doch einige ist noch übrig geblieben. Sie fragen, welche Aussicht sei auf einen glücklichen Ausgang? Ich frage, welche Aussicht war vorhanden für Mei kleine Re publiken, als sie dem mächtigen England den Krieg erklärten? Sie werden antworten: „Wir haben auf Gottes Hilfe und auf ausländische Intervention vertraut." Welchen Grund haben wir, fernerhin kein Vertrauen auf Gott zu setzen? Ich habe die neuesten europäischen Zeitungen ge sehen; i aube fest, daß Verwickelungen in den nächsten Monaten in Europa entstehen, welche unser Glück machen werden. Ich kenne die Leiter unserer De putation und kann deshalb nicht glauben, daß sie still sitzen würden ohne Hoffnung auf Intervention, da sie doch wissen, wie wir kämpfen und ringen, denn ich weiß, sie haben ihr Vater land lieb genug, um die Briten freimüthig zu ersuchen, den Krieg zu beenden, wenn nach ihrer Meinung Intervention aus geschlossen ist. Die Thatsache, daß diese Männer in Europa bleiben, giebt mir die Ueberzeugung, daß unser Fall nicht hoffnungslos ist. Wenn ein Waffenstillstand bewilligt wird, so -iver'v« ich mein Volk nach seiner Meinung fragen. Wenn sie sich in ihrem Entschlüsse weigern, nachzugeben, wird auch der meinige so lauten. Ich billige die Absicht nicht, einen Boten nach Europa zu senden, darin würde man unsere Hand erkennen. Ich bin tief betrübt darüber, daß Sie diesen Beschluß gefaßt haben, ohne mich um meine Meinung zu fragen, und daß Sie so schnell gehänselt haben. Wenn Sie noch keinen Boten geschickt haben, thun Sie es nicht, bis ich meine Rathgeber gefragt habe. Ich habe zu General De Wet gesandt; er wird nächste Woche hier sein. Ich werde Ihnen dann meine Ansicht zukommen lasten. In Ihrem Briefe sagen Sie, Sie seien in Sorg«, daß Ihr« Officlere allein gelassen würden mit ihrem Commando. Hier möchten sich die Officiere ergeben, aber die Bürger werden f«st bleiben. Ich muß darauf Hinweisen, daß der Oranjefreistaat nicht nur Blut und Geld ge opfert hat, sondern auch noch seine Freiheit wird verloren haben durch seinen Versuch, der Schwesterrepublik zu helfen, und daß alles Vertrauen der Afrikander auseinander für immer zerstört werden wird. Es ist lächerlich, zu denken, daß der Africandergeist sich erhalten kann, wenn er von dem Abschaum EuropaSüberfluthet wird. Wenn wir wünschen, «in Volk zu bleiben, so ist es jetzt Zeit zu kämpfen. Ich hoffe, Sie haben die Zeitungen aus Natal em pfangen, die mittheilen, daß Milner angeblich auf Urlaub gehe; man glaube, er habe nicht freie Hand bewilligt erhalten. In einer späteren Zeitungsnummer habe ich gelesen, Kitchener und er könnten sich nicht vertragen. Ich schließe einen Ausschnitt aus dem „Natal Witness" bei: „Die öffentliche Meinung in England ist sehr unruhig über Südafrika. Es giebt Möglichkeiten, die zu erwähnen wir nicht die Freiheit haben, und wollten wir, wenn Wir sie hätten, wir könnten nicht." (»io!) All dieses giebt mir die Ueberzeugung, daß wir alle Hoffnung für unser Volk zer stören werden, wenn wir uns jetzt ergeben. Brüder, steht fest, ermuthigt Eure verzagten Bürger. Ich habe mündliche Kunde erhalten, daß Commandant Haasbroek mit den Engländern zu sammen gestoßen ist und sie drei Mal zurückgetrieben hat. So bald ich einen Krieasrath berufen kann, werde ich Antwort senden, Lhut keinen weiteren Schritt, bevor Ihr von mir gehört habt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. Juli. Ter Rücktritt »es Staatssekretärs v, Puttkamer in Straßburg erregt Aufsehen. Der Genannt«, der kürzlich seinen 70. Geburtstag feierte, erfreut sich einer geistigen und körperlichen Frische, die es gerechtfertigt erscheinen ließ, tvenn zu seiner Geburtstagsfeier die Hoffnung, man kann sagen allerseits, aus gesprochen wurde, der Jubilar möge noch lang« an der Spitz« des Ministeriums für Elsaß-Lothringen verbleiben. Zu dem Lobe der staatsmännischen Tüchtigkeit des Scheidenden, in dem sich die national gerichtete Presse in Elsaß-Lothringen Wit der in Gesammt-Deütschland begegnet, etwas binzuzufügen, ist über flüssig. Max v. Puttkamer gehörte schon dem ersten Reichstage als Mitglied der nationalliberalen Partei an, er ist den Hauptgrundsätzen derselben stets treu geblieben, und unsere Partei wird stets stolz sein aus «in Mitglied, das wie der Staats sekretär v. Puttkamer alle Zeit liberal zu regieren, dabei aber den nationalen Gesichtspunkt nicht aus dem Auge zu lassen, für eine seiner wichtigsten Aufgaben gehalten hat. In der Öffent lichkeit ist nicht das Mindeste bekannt geworden, was einen frei willigen Rücktritt Puttkamer's rechtfertigen könnte. Ins besondere erscheint es ausgeschlossen, daß der Ches des reichs ländischen Ministeriums, welcher trotz seiner 70 Jahre über eine beneidenswerthe körperliche und geistige Elasticität verfügt, aus Gesundheitsrücksichten seine Demission gab. Die „Straßb. Post" dürfte daher mit der Vermuthung, daß der Rücktritt Puttkamer's kein freiwilliger ist, auf der richigen Fährte sein. An Anzeichen dafür, daß die Stellung des reichsländischen Staats sekretärs erschüttert sei, fehlte es in neuerer Zeit keineswegs. So erregt es allgemeines Befremden, welches auch in der Presse dies seits und jenseits ves Rheins ein lebhaftes Echo fand, daß der Kaiser bei seiner jüngsten Anwesenheit in Elsaß-Lothringen die Spitzen der reichsländischen Civilverwaltung fast völlig ignorirte. Ebenso bezeichnend war die Thatsache, daß Staats sekretär von Puttkamer, als er unlängst seinen 70. Geburtstag feierte, nicht die geringste öffentliche Anerkennung seitens des Kaisers zu Theil würbe. Schon bei der Erledigung der Hohkönigsburg - Angelegenheit hatte man den Eindruck, als ob der Draht zwischen Berlin und Straßburg nicht mehr richtig functionire. Staatssekretär v. Puttkamer hatte im Landes- ausschusse die Rede des Führers der Lothringer, welcher die Be willigung des Ho h k ö n i g s b u r g - C r e d i t e s an die Er wartung knüpfte, daß die Regierung in der D i c t a t u r f r a g e, sowie hinsichtlich der Erleichterung des Grenzverkehrs Concessionen machen werde, mit der Versicherung be antwortet, daß die Genehmigung des Hohkönigsburg-Credites seitens des Landesausschusses für Elsaß-Lothringen schöne Früchte tragen werd«. Unmittelbar darauf wurde an maß gebender Stelle in Berlin erklärt, baß man sich auf einen Handel bezüglich der dem Gouvernement in Elsaß-Lothringen zustehenden Rechte nicht einlassen werde; nichtsdestoweniger sind dann aber doch sehr bald darauf Concessionen in der Paßsrage gemocht worden. Nicht unmöglich wäre es auch, daß Puttkamer's Rück tritt in irgend einer Beziehung mit der Metzer B t s ch o f^s - frage steht, welche nunmehr seit zwei vollen Jahren schwebt. Bie Regierung, welche bis vor Kurzem an der Candidatur des Monsignore Baron Zorn von Bulach, des Bruders des reichs- ländischenUnterftaatssekretärs, festhielt, hat nach den neuestenMel- dungen auü Rom diese Candidatur zu Gunsten der Candidatur deS Abtes Benzler von Maria Laach zurückgezogen. Ob sich Staats sekretär v. Puttkamer für Monsignore Baron Zorn von Bulach engagirte, kann dahingestellt blechen. Noch weniger wahrschein lich ist die unlängst im „Lorrain" wiedergegebene Annahme, daß in Elsaß-Lothringen ein völliger Systemwechsel bevorstehe und der Dictaturparagraph, welchen Staatssekretär v. Puttkamer während seiner ganzen Amtszeit in Elsaß-Lothringen als un entbehrliches Sicherheitsventil betrachtete, beseitigt werde. Welche dieser Vermuthunqen richtig ist, wird sich vielleicht bald zeigen. Wie aus Wiener Blättern ersichtlich, ist Staatssekretär v. Putt kamer von Straßburg in Wien eingetroffen und hat dort in einem Hotel Wohnung genommen. — Die reichsländische Presse der verschiedenen Parteirichtungen läßt dem -«taats- sekretär anläßlich seines Rücktrittes fast durchweg die an erkennendste Beurtheilung zu Theil werden- Der klerikale „Elsässer" findet es schmerzlich, daß ein Staatsmann, der eine so lange erfolgreiche Thätigkeit hinter sich habe, keinen ehrenvolleren Abgang erhalte. Der klerikale „Elsass. Volksbote" beklagt gleichfalls den Sturz Putt kamer's und giebt der Meinung Ausdruck, der reichsländische Staatssekretär sei das Opfer einer intriguirenden Clique ge worden, die keinen Widerspruch vertragen könne. Der klerikale „Els. Kurie r" versichert, man werde vielleicht noch Grund haben, Puttkamer's Abgang zu bedauern. In Elsaß- Lothringen werde man nicht ohne Bangen erwarten, was Nachkomme. Die klerikale „Mülhauser Obereis. Landesztg." hofft, daß der Weggang Puttkamer's das Ende der Dictatur bedeute. Die „Straßb. Post" rühmt die Verdienste, die sich Puttkamer in einer 30jährigen un ermüdlichen und erfolgreichen Thätigkeit um die Entwickelung des ReichslandcS »ach allen Richtungen hin erworben habe. Puttkamer sei mit der Geschichte des Landes verwachsen, wie außer Bürgermeister Back kein Zweiter. Die demokratische „Straßb. Bürgerzeitung" hält den Rücktritt Putt kamer's für die bedeutendste Personalveränderung in der Be amtenwelt Elsaß-Lothringens, die sich seit langen Jahren er eignet hat, und hebt das bedeutende Können, sowie die her vorragende Arveitskraft des scheidenden Staatssekretärs her vor, um schließlich dec Erwartung Ausdruck zu geben, daß mit dem Weggang Puttkamer's die Tage des Dictatur-Para- graphen gezählt seien. Tie socialistische „Fr. Presse" faßt ihr Urtheil dahin zusammen, daß sich der gefallene Staats sekretär um das reichsländische Polizeisystem große Verdienste erworben habe. Man läßt in Frankreich nicht von der Idee, daß Italien sich vom Dreibünde loSlösrn und zu Frankreich in ein Bündnißverbältniß treten wolle. So läßt sich die „Patrie" aus Rom von einem Correspondeuten wichtige Auslassung«» eines Diplomaten melden, der Herrn Prinetti sehr nahe stehen soll und ihn „moralisch" vertritt, wenn er sich au« Rom ent« fernt. Der Diplomat sagte: „Sie wissen, daß unsere Politiker und leitende» Staatsmänner sich zur Zeit bezüglich der Bündnisse in zwei scharf geschiedene Parteien spalten. Die einen wünschen die Erneuerung d«S Drei bundes gegen einige wirthschaftliche Zugeständnisse, di« Deutschland und Oesterreich gewähren sollen; sie vertreten die Ansicht, daß FsrrZHetsn. Die verhängnißvoUe Inschrift. 7 j Roman von A. W. Kahle. N-chdruck »erSotkN. Nachdem Wolf diese AuSsag« gemacht, fragte er den königlichen Anwalt, ob er sich entfernen dürfe, da man seiner Dienste in der Manufactur benöthigt sei. Der Anwalt hatte nichts dagegen einzuwenden. Aber jetzt erhob sich zum ersten Male Albrecht Altenberg und beantragte bei dem Richter, dem Ex pedienten zu befehlen, den Saal nicht zu verlassen, damit der selbe zugegen sei, wenn das Gegenveichör angestellt -werde. Der Richter gab den Befehl, und achselzuckend nahm Salomon Wolf seinen Platz wieder ein. Es war, als sei bei den wenigen Worten, die Altenberg mit ruhiger Stimme gesprochen, ein frischer Windhauch durch die bange Schwüle gegangen, von welcher «di« Herzen belastet wurden, die für August Laniska Theil nahmen. Zum ersten Male war die Stimm« deffsn gehört worden, der für seinen Freund «instand und der Glaube an idi« Möglichkeit e-iner günsti gen Wendung schien wi«der aufzutauchen. Doch schon di« Aussage de» nächsten Zeugen schien diese Hoff nungen zu vernichten. E» war Herr Krouse, der Diri^nt der Maler-Abtheilung. Er erklärte, zugegen gewes«» zu sein, als der Graf Lanilka di« Inschrift geschrieben, habe aber nicht so gonau auf den Grafen geachtet, um »« wissen, ob dieser auch da» letzte Wort „Tyrann" hinzugefügt. Al» er di« Base nach dem Brennen wiedergesehen, sei di« Stell«, wo sich jetzt das Wort befinde, mit blauer Färb« überzogt» gewesen. Am S. Mai habe ihn der König nach Potsdam oesckhlen lassen, ihm mttgethoilt, wie da» Wort „Tyrann" entdeckt worden und ihn -»fragt, wie sich da» Alle» ,»getragen. Er habe erzählt, wa» rr gewußt, und auch bereits zu dem Könige fein« Ansicht ausgesprochen, daß er es für wahrscheinlich halt«, der Graf Laniska habe das Wort hinzu- gefügt, mn so mehr, da die Schrift d«» letzt«» Wortes derjenigen der anderen ganz gleich sei. Hier erhob sich Altenberg zum zweiten Mal« und bat den Richter, di« Zeugen zu «rinnern, daß sie nicht Ansicht«» au»zu« sprechen, sondern nur den Thatbestan-d festzustellen hätten. Der dichter pflichtete dem bei und forderte den Zeugen auf, sich dor ther zu erklären, ob es technisch möglich sei, -eine Inschrift in so kurzer Zeit mit einer anderen Farbe zu überziehen, ohne daß sie ausgelöschi werde. Der Dirigent erwiderte, dies sei sehr wohl möglich, da die weihe Farbe, mit ivelcher di« Anschrift geschrieben, sehr schnell trockne. Der Graf mußt« dies selbst bemerkt haben, da ihm wahrscheinlich die ersten Wort« der Anschrift unter den Fingern getrocknet seien, und sei vielleicht gerade durch diese Bemerkung auf den Gedanken gekommen, seiner Lbermüthigen Laune freien Lauf zu lassen. Auch -der Dirigent mußt« auf Altenberg's Antmg in dem Sitzungssaale verweilen. Der nächste Zeuge war Friedrich Rennert, der bis dahin niedergsbeugt und trauria au dem Tische gesessen hatte. Er sagte aus, was er wußte: daß er die Vase nach dem Brennofen ge tragen, daß sie Niemand berührt, außer ihm. Der folgende und letzt« Zeuge, der Brenn meister, gab ebenfalls di« Erklärung ab, daß die Bas«, nachdem sie von Rennert vor dem Ofen auf rin Brett gesetzt, von Niemand, außer ihm, berührt wor den sei. Das Verhör «der Belastungszeugen war geschlossen. Auch di« beiden letzten durften sich auf Ältenberg's Antrag nicht ent fernen. Der königliche Anwalt nahm das Wort. Er sprach auswendig; er wollte, wie er sagte, die Thatsache» sprechen lassen, durch welche dir -Schuld des Angeklagten vollkommen er wiesen, und nur die Gvoßmuth ves König» in «in -helleres Licht gestellt sei, di« selbst solchen Thatsache» gegenüber dem Schuldigen noch die Möglichkeit einer Vertheidigung gewährt habe. Al» er sich setzte und Altenberg sich erhob, gab es wohl wenig Personen, die nicht überzeugt waren, daß der Engländer eine verloren« Sache verfechte. Die Gräfin Laniska bedeckte für einige Minuten da» Gesicht mit der Hand, di« sie auf di« Barrier« ge stützt, welche di« vorderste Bank do» dem Sitzung»raum« trennte. Auch Graf August, der bi» dahin ruhig und aufmerksam d«m Verhöre gefolgt, erblaßte, al» «r seinen Fr«und sich erheben sah. Sophi« Mansfeld saß, marmorbleich, mit starren Zügen neben ihrer miltterlicken Freundin. Dasselbe Urtheil, da» jene» Mutterherz traf, mußt, auch di» Zukunft ihre» eigen«» Daseins vernichten. „Meine Herren Geschworenen, ich lese den peinlichen Eindruck, den die Rede des Herrn Staatsanwalts auf Sie gemacht hat, in Ihren Mienen!" begann Altenberg inmitten des tiefsten Schwei gens mit lauter und ruhiger Stimme und mit einem so heiteren, klaren Antlitz, daß es fast schien, als ziehe für einen Moment ein leichtes Lächeln über sein Gesicht. „Weshalb ist dieser Ein druck ein peinlicher? Weshalb bleiben Sie nicht ruhig und gleich- grltig bei "der Beschuldigung, die man gegen den Grafen Laniska erhebt? Weil Sie ihn kennen als einen ehrenhaften, bis dahin unbescholtenen Mann, weil Sie vor der Größe des Verbrechens und der Höhe der Strafe zurückbeben, weil es Sie schmerzt, einen Mann verurthoilen zu müssen, den Sie lieber freigesprochen hätten, da Sie ihn bisher nur von einer guten Seite kannten. Meine Herren Geschworenen — gerade dieses Gefühl, das ich an Ihnen bemerkt, sollt« Sie vorsichtig udv mißtrauisch gegen sich selbst machen! Wo das Herz freisprechen möchte, da sollte der Verstand nach den schärfsten Beweisen suchen, ehe er ver- urthrilt. Meine Herren, dasselbe Gefühl, das ich jetzt in Ihren Mienen las, hat mich angetrieben, für die Unschuld meines Freundes cinzutreten — mein Herz -weigert sich, so viel Schuld anzuerkennen, und deShul-b suchte ich nach schärferen Beweisen, als bis jetzt Vorlagen. Sie werden, mein Gefühl theilend, das selbe thun, wie ich, Sie werden mit der größten Genauigkeit prüfen, was ich vorzutragen habe. Sie werden inzwischen nrcht vergessen, was der Anwalt des Königs gesagt hat, aber Sie wer den mein« Bemerkungen den seinen gegenüberstellen. Auf diese Weise hoffe ich, Ihnen dar thun zu können, daß die Schuld meines Freundes und jetzigen Clienten nicht nur nicht erwiesen ist, sondern, daß sie nur auf Möglichkeiten, auf persönlichen Vor aussetzungen beruht. Hat doch selbst ein so ehrenwerther Zeuge, wie es der Dirigent des Maler-Saales ist, sich nicht enthalten können, die Schuld des Angeklagten für ausgemacht zu halten, nur weil er Wechte, daß derselbe früher einmal daS Wort „Tyrann" gebraucht. Diese Ansicht ist di« allgemeine, wie ich gemerkt habe. Weil Graf Laniska sich einmal hat hinreißen lassen, ein Wort auszusprechen, das ein« ganz ander« Deutung erhält, wenn man bedenkt, daß mein Freund sich nur gegen den Zwang auflehnt«, den man dem Herzen einer Künstlerin an- thun wollte, ein Zwana, der wahrscheinlich niemals in Anwen dung gebracht werden sollt« — ich sage, weil er jenes Wort ge- * sprechen, da» ihm sein Herr und König, Umstände und Ge legenheit wohl ermessend, vollkomm-sn verziehen —, deshalb muß er nun auch jenes Wort geschrieben haben! So glauben Sie, meine Herren, weil in Ihnen bis jetzt der Gedanke an die Mög lichkeit, daß ein Anderer jenes Wort aus irgend welchen Gründen habe schreiben können, noch gar nicht aufgetaucht ist. Ist diese Möglichkeit erst vorhanden, so werden Sie anfangen, schärfer zu prüfen, und sobald dieses geschehen ist, wird in Ahnen, wie bei mir, die felsenfeste Gewißheit erwachsen, daß nicht Graf Laniska, sondern ein Anderer das Wort geschrieben. Aber -wer könnte daran ein Interesse gehabt haben? werden Sie fragen. Gut, gewähren Sic mir nur Ihre Aufmerksamkeit! Es handelt fick darum, zu beweisen-, daß die Base in der Zsit, die zwischen dem Entfernen aus dem Maler-Saal« und dem Einsetzen verging, nicht so vollständig unberührt geblieben ist, wie die Zeugen jetzt angeben. Es handelt sich zweitens darum, wen si« berührt, und in welchen Absichten. Darin werden Sie mit mir einverstan den sein!" Ein leises Kopfnicken bei vielen der Geschworenen gab dem Redner unfreiwillig die zustimmende Antwort. Aller Augen hingen an seinem Munde. Niemand sah, daß da» Gesicht eines Mannes, der an dem Zeugentische saß, bleicher und bleicher wurde. „Ich greife die Aussagen der Zeugen nicht an!" fuhr Alten berg fort. „Sie haben mit einer einzigen Ausnahme die Wahr heit gesagt, oder geglaubt, sie zu sagen. Aber, mein« Herren, es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen Verhör und Verhör. Der Ein« fragt in den Zeugen hinein, was er hören will, der Andere weiß ihn zu erinnern, sein GedächtnÜß aufzustacheln. Ich stehe nicht allein deshalb hier, um meinen Freund und mich selbst zu retten, ich steche auch hier, um zu zeigen, daß mein Vaterland in seinen Geschworenengerichten Vorzüge vor diesem Land« besitzt, da diese Gerichte die Entdeckung der Wahrheit und damit die Bestrafung de» wahren Schuldigen, die Fwisprachung de» Unschuldigen erleichtern. Welche Folgen- dieser Beweis haben wird, darüber zu sprechen, ist hier nicht die Gelegenheit. Man soll das Gute predigen an allen Orten und für dasselbe ein stechen. Ich behaupte, daß zwölf Männer von Ehr« und Br- wissenchaftigleit, begabt mit freiem, natürlichem Verstände, unser- stütz: durch ein genau«» Verhör, im Stand« sind, «in besser»» Urtheil zu fällen, als ein ungenau unterrichtet«! und durch ein seitige Untersuchung eingenommen«! Beamt«!. Ist mir dirser
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