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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.07.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010723024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901072302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901072302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-23
- Monat1901-07
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nalizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Dienstag den 23. Juli 1901. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzelle LK Reklamen unter dem Redactionsstrlch («gespalten) 75 vor den Familirnnach» richten («gespalten) LV H. Tabellarischer und Ztffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen »ad Offertenannahme L5 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgeu-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO—, mit Postbesörderung 70.—. —— Änvahmeschluß fir Ruzrigr«: Abend-AsSgab«: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eia« halb« Stunde früher. Aazeigea sind stets an die Expedition zu richten. , . Die Expedition ist Wochentag« unuaterbroche» geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von 2. Pol- iu Leipzis. 85. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Vom Kriegsschauplätze. * London, 22. Juli. Kitchener telegraphirt heute au« Pretoria: Seit dem IS. Juli sind von den vorgeschobenen Trupprnabtheilungen 43 Boeren getövtet, 25 verwundet, 190 gefangen genommen und 126 haben sich ergeben. Erbeutet wurden 3100 Patronen, 162 Wagen, 5600 Pferde und diele Bor- räth«. Featherstone's Truppe hat KlerkSdorp von Zeerust auS nach erfolgreichem Marsche, auf dem sie nur geringem Widerstande begegneten, erreicht. Methuen marschirt« rech» von Featherstone. Blood's Truppe hat nochmals Rooßenekal durchsucht und das Land nördlich der Eisen bahnlinie vom Feinde gesäubert. In der Lapcolonie drängt French die Schaaren des Feindes allmählich immer weiter nord wärts. In der gestrigen Sitzung der Londoner Commission zur Prüfung der Entschädigungsansprüche der aus Südafrika ausgswirsenen Personen bemerkte der Präsi dent, die Commission soll« heut« die Erörterungen über den Status der Angestellten der Niederländisch-Südafri kanischen E i se n ba hrs-Gese l l s cha f t fortsetzen. Er stelle die Frage, ob einer der fremden Delegrrkn bereit sei, sich zu der Erklärung zu äußern, di« der Vertreter der britischen Regierung kürzlich über den Gegenstand abgegeben, vr. Bischop antwortete, was ihn angehe, so bitte er um Auf schub, da er erst heute Vormittag von seiner Regierung Nachricht erhalten habe. Der Präsident entgegnete, vr. Bischop könne seine Angaben morgen machen, aber die anderen Delegrrten möchten sich äußern. Der deutscheVertreter Or. Sieve-i king erörterte nunmehr Punkt für Punct -die Erklärung des englischen Regierungsvertreters und bemerkte, in der Frage der Staatsangehörigkeit gebe die deutsch« Regierung die Möglichkeit zu, daß eine Person zwei Staaten angehören könne. Der Präsident erwiderte, darum handle es sich nicht. Was die Commission verlange, sei nur der Nachweis der Neutralität der betreffenden Personen; der Commission liege es nicht ob, über die Staatsangehörigkeit Entscheidung zu treffen. Der Delegirte Lourada, der nunmehr um seine Ansicht befragt wurde, er klärte, ein Diener sei nicht verantwortlich für Handlungen seines Herrn. Man müßte in diesem besonderen Falle nachweisen, daß die Diener, nämlich die Eisenbcchnbeamten, mit voller Kenntniß und Absicht gehandelt haben. Wäre das der Fall, so wäre ihre Verantwortlichkeit unbestreitbar. Hierauf vertagt« sich die Commission. * Pretoria, 21. Juli. („Reuter's Bureau'.) Heute Nachmittag fand die Beerdigung der Gemahlin Krüger's statt. Die Wirren in China. * Berlin, 22. Juli. Der König von Italien will dem Grafen Waldersee eine besondere Ehrung zu Theil werden lassen. * London, 22. Juli. (Unterhaus.) In Beant wortung verschiedener Anfragen, betreffend China, erklärt Unterstaatssekretär Cranborne: In Shanghai befinden sich jetzt an fremdländischen Truppen: 1945 Engländer, 750 Franzosen mit sechs Geschützen, 850 Deutsche mit vier oder sechs Geschützen und 300 Japaner. Es ist vereinbart worden, daß die Zahlung der Entschädigung in vierprocentigen Bonds erfolgt, zahlbar seitens Chinas an jede der betheiligten Mächte. Ein erheblicher Fortschritt ist kürzlich in den Ver handlungen über die für den Ztnsendienst der Bonds zu ver wendenden Einnahmequellen gemacht worden, ich bin aber nicht in der Lage, gegenwärtig eine eingehendere Mittheilung hierüber zu machen. Prinz Tu an befindet sich nach den letzten Nachrichten bei seinem Verwandten, dem mongolischen Fürsten von Alaschan. Tungfuhsiang ist im westlichen Theil von Kansu. Darüber, daß Tuan an der Spitze einer beträcht lichen Truppenmacht stände, ist uns nichts bekannt. * Washington, 22. Juli. („Reuters Bureau'.) Der amerikanische Gesandte Rock Hill in Peking telegraphirt, der Plan zur chinesischen Entschädigungszahlung sei nunmehr endgiltig angenommen. Die Tilgung der Bonds, welche zur Ausgabe gelangen, beginne 1902, und man nehme die völlige Abzahlung von Capital und Zinsen bis 1940 in Aussicht. Man erwarte, daß China 23 Millionen jährlich aufbringe. Diese Summe soll dazu dienen, die Zinsen zu bezahlen und die Tilgung des Capitals bis zur letzten Rest zahlung zu bewirken. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. Juli. Die Nachrichten über den Zolltarifcntwurf, die Höhe der Zollsätze, ihre amtliche Verösfenclichung und ihre Ausnahme bei den Parteien überstürzen sich jetzt, ohne daß ein klares Bilv zu Stande käme. Man kann vorläufig nichts thun, als die wichtigsten der umlaufenden Nachrichten zu registriren, was im Folgenden geschehen soll. Die ofsiciösen Meldungen über den Termin der amtlichen Veröffentlichung werden jetzt etwas variirt, der Termin wird wieder etwas hinauSgeschoben. Z. B. wird dem „Hamb. Corresp." aus Berlin, 22. Juli telegraphirt: Wenn auch die Meldung, der gelammte Zolltarif werde amt lich schon in den nächsten Tagen veröffentlicht werden, sich als versrüht erweisen dürste, so werden thatsächlich doch Verhandlungen zwischen den Bundesregierungen zu diesem Zweck gepflogen. Hier herrscht die Ansicht, daß eS in Anbetracht der geschehenen und weiter zu befürchtenden JndiScretionrn am besten sei, den ganze'., Entwurf der Oeffentlichkeit baldigst zu übergeben. Da hierzu aber die Zustimmung der Eiuzelregierungen für erforderlich erachtet wird, kann bis zur Publication immer noch einige Zeit verstreichen. Die anderen Ofsiciösen sagen mit anderen Worten das selbe. Nur die Münchener „Allg. Ztg." polemisirt in einem Artikel auS Berlin gegen die Forderung der Veröffentlichung der bis jetzt festgestellten Zollsätze. Als Grund für die Ge- beimhaltung der Entwurfszollsätze führt das Blatt die Be- sorgniß an» daS Ausland könne sich ihrer zur Ausbeutung der wirthschaftlichen Gegensätze im Reiche bedienen. Dasselbe Blatt erklärt übrigens, die ziemlich allgemein für zuver lässig gehaltenen Angaben des Stuttgarter „Beobachter" deckten sich mit den amtlich bisher «»gesetztenZiffern derkünftigenZoll- sätze nicht. Der Artikel betont ferner, daß diese Zahlen ledig lich den Werth einer unverbindlichen Notiz, einer „calcula- torischen Niederschrift" hätten, denn sonst wären ja alle Verhand lungen und Berathuugen über den Entwurf eine Farce rc. „Die endgiltigen Zollsätze werden im nächsten Herbst im BundeSrathe festgestellt, sobald die auf der Berliner Conferenz besprochenen Vorbereitungen in den einzelnen Bundesstaaten zum Abschluß gebracht worden sind. Und dann hat doch immer der Reichstag alszweiter Factor der ReichSgesetzgrbung auch daS entscheidende Wort zu sprechen." Das Blatt wird Wohl damit aber nicht die Bedeutung der Entwurfsziffern wegdiSputirrn können. — Ueber die Frage, ob der Entwurf einen Doppeltarif darstelle oder nicht, wollen die „B. N. N." aus zuverlässigster Quelle erfahren haben: An der Stelle, die sich von vornherein am eifrigsten und eingehendsten mit dem neuen Zolltarif beschäftigte, bestand ursprünglich die Ab- sicht, auch den gesammten Zolltarif mit seinen vielen Hunderten von Positionen als Doppeltarif auszuarbeitcn; ja diese Arbeit wurde thatsächlich unternommen. Nach und nach traten jedoch von Seiten Les Auswärtigen Amtes und des Reichs- IchatzamleS schwere Bedenken gegen diesen Plan auf. Neue Entwürfe wurden geschaffen und der Doppeltarif fiel als System. Von der Erwägung ausgehend, daß die vom Reichs kanzler der Landwirthschaft gegebenen Zusagen eingelöst werden müßten, vermied man die Beseitigung auch der Doppelsätze für land» wirthichaftliche Erzeugnisse und suchte nach einer Form, sie auf recht zu erhalten. Man verfiel auf den Gedanken, sie zwar nicht in den endgiltigen Taris selbst aufzunehmen, aber sie durch eine Erklärung des Reichskanzlers im Reichstage sicher zu stellen, daß bei Abschluß von Handelsverträgen nicht unter einen be- stimmten Satz gegangen werden solle. Auch andere Vorschläge wurden gemacht, ein endgiltiger Beschluß über die Form wurde aber nicht gefaßt. Den Verh andlungen im Münchn e r Ministerium legt man an manchen Stellen keine große Bedeutung bei, und zwar hauptsächlich deshalb, weil den Sachverständigen die im Zolltarifentwurf aufgestellten Tarifsätze n i ch t mit- getheill werden. Nur hier und da kommt im-Laufe einer specicllen Discussion ein vereinzelter Zollsatz zur Mittbeiluug, aber eS betrifft daS nicht die hauptsächlich inleressircnden Zoll positionen. Die Sachverständigen werden von Position zu Position um ihre Wünsche gefragt und zum Schluffe der Sitzung erfolgt die allgemeine Frage, ob noch einer der Sachverständigen etwas Besonderes vorzubringen habe. Im Grunde genommen kommt man also durch die Verhandlungen nicht viel weiter, «iS man vordem schon war. Daß sich die Agrarier für hohe land- wirthschaftliche Zölle, Handel und Industrie gegen solche, die Hopfensachverstäudigen gegen den Hopfenzoll aussprechen rc. rc. ist selbstverständlich. — Am Interessantesten ist wohl die Stellung des Bund-ö der Landwirthe zu den bisher bekannt gewordenen Zollsätzen. Erft gestern Abend ließ sick die „Deutsche Tagesztg." also vernehmen: Wir können nicht glauben, daß diese Mittheilungen authen tisch sind, denn Zollsätze wie 5 sür Roggen und b'/z für Welzen pro Doppelcentner wären mit den regierungsseitig gegebenen Erklärungen nicht in Einklang zu bringen, 5 .ök ist ja der augenblicklich gütige Generaltarif! Wir muffen daher abworten, ob Liese Sätze osficiell als zutreffend bestätigt werden. Sollte dies der Fall sein, so würden die Erklärungen LeS badischen Herrn Ministers vr. Schenkel von „der mäßigen Er höhung der Zölle" die Berichte bestätigen, daß eS die süddeutschen Regierungen sind, welche die Sätze des Zolltarifs sür land- wirthschaftliche Produkte herabgedrückt haben. Es müßte sich hieran auch in lebhhastestec Weis« die bayerische Re gierung betheiligt haben, weil sonst nicht ersichtlich wäre, wieso die süddeutschen Regierungen mit ihrer Tendenz hätten durch dringen können. Es wäre erstaunlich, wenn gerade die süddeutschen Regierungen, in deren Staaten die Landwirthschaft eine so hervor ragende Rolle spielt, sich dazu verstanden hätten, deren Interesse so gänzlich außer Acht zu lassen. Wir sind begierig, wie die bäuerliche Bevölkerung Süddeutschlands sich hierzu stellen wird. Wir erlauben uns, einige Zweifel an der Entrüstung der „Dtsch. Tagesztg." zu hegen. Di- bayerische Partikular istcnprcffe befand sich dieser Tage in Verlegenheit. Sie hotte in hingehender Pflicht erfüllung den Gewaltstveich gegen die anderen Bundes-- staaten, den Preußen führte, indem es allgemein die 45tägige Rückfahrkarte einführte, nach Gebühr und unter ebenso rrchtL- gelehrter, als gemeinverständlicher Erläuterung des Geistes der Versailler Verträge gewürdigt. Aber jedwedes Ding nutzt sich schließlich ab, zudem hat bei den Rückfahrkarten der Umstand, daß sie Münchener, Tegernseer, Reichenhaller u. s. w. Gast- wirthen, Vermiethern und Kaufleuten Doriheile gerade aus preußischen Taschen zuwenden, die Spitze des bayerischen Patrio tismus bedenklich abgestumpft. Nun kommt Hilf«: Das 2. bayerische Armeecorps wird seine diesjährigen Manöver zum Theil au'f preußischem Gebiete stattfinden lasten und das in München liegende bayerische Eisenbahnbataillon muß noch Berlin, , um dort vier Wochen gemeinsam mit der preußischen Eisenbahn brigade zu üben. Ist die Ausgabe der langfristigen Rückfahr karten, gegen die wir auch einige Bedenken hatten, aber keine staatsrechtlichen, ein von Preußen ausgehender, die verbriefte Selbstständigkeit Bayerns kränkender Rechtsbruch, so sind die beiden geplanten — leider friedlichen — Kriegerzüge in Feindes land Acte bayerischer Selbstentwürdigung, die nicht brennend genug gebrandmarkt werden können. Wir hoffen, di« getreuen Wardein«r an der Isar und am Main werden ihr« Schuldigkeit thun. Da sie aber vielleicht von der Hitz; erschöpft sind, so sei ihnen aus Liebe zur guten Sache hiermit eine kleine Disposition für Ihre vaterländischen Zornesausbrüche zur Verfügung gestellt. 1) Die Austreibung bayerischer Landesbrüder zu Manövern auf preußischem Hungerboden hat zwar schon einmal stattgcfunden, aber damals war doch Gelegenheit gegeben, aus die Preußen, wenn auch nur mit Platzpatronen, zu schießen; unsere braven Soldaten konnten sich wenigstens denken: „Herr Gott, wenn das Ernst wäre", und das war eine kleine Entschädigung. Jetzt werden sie allein den Preußen gezeigt, als ob Bayern, das schon ein großer Staat war, als in Preußen noch nicht einmal, die heute die dortigen schönen Gegenden zierenden Halbwilden hausten, überhaupt kein Terrain hätte. Schande! 2) Noch viel ärger als das Herumjagen der Landeskinder jenseits der Grenze, wo sie doch auch vielleicht manchmal «in Stück bayerischen Himmel von Weitem zu sehen bekommen, ist di« Verschleppung des Eisen bahnbataillons von München nach Berlin, just nach Berlin. Wenn unsere Regürung schon gar kein bayerisches Nationalgefühl mehr besitzt, so hätte sie doch ihr Interesse vor einer, an Kindes aussetzung streifenden — That abhalten sollen. Denn a) Unser Bataillon geht vielleicht in der Stärke von 600 Mann nach dem s. v. Berlin. Die dortige Garnison ist weit über 20 000 Mann stark. Wenn nun, was bei dem Bayernhaß der Preußen nur zu leicht möglich ist, ein Massacre passirt, wer muß die ihrer Ernährer beraubten alten Väter und Mütter ent schädigen? Die bayerische Staatskasse. Das Bataillon war ja schon einmal in Berlin, das wissen wir, aber gerade deshalb ist die Sache gefährlich. Der preußischen Gaunerschlauheit kann man schon zutrauen, daß sie den „dummen Bayer" zuerst sicher machen wollte, um ihm das nächste Mal an die Gurgel zu springen. i>) Wenn es nicht zu Gcwaltthaten kommt, so ist doch ganz gewiß, daß Leute moralisch zu Grunde gerichtet werden. Sie haben in unserem frommen, sittenreinen München gelebt, und nun nach Berlin, der verworfensten Stadt des Erdballs. Arme Mütter und Bräute! a) Und die Handvoll, die ihre gute bayerische Erziehung vielleicht auch vor dem Verlust des Seelenheils schützt, wird sie nicht ganz gewiß leiblich zu Grunde gehen an der elenden Kost und dem Giftgetränke der Wassersuppen- und Schnapspreuhen? Aber an so etwas zu denken, hat die bayerische Regierung keine Zeit. Sie muß studieren, welches Stück bayerische Selbstständigkeit sie nächstens den lieben Preußen in den unersättlichen Rachen werfen soll. Wir fügen hinzu, daß wir diese Anknüpfungspunkte unentgeltlich zur Verfügung stellen. Feuilleton. Die verhängnißvolle Inschrift. 8j Roman von A. W. Kahl«. Nachdruck »nch»t«a. „Lass«» Wir den letzteren Grund und halten wir UN« an den ersten!" sagt« Altenberg. „Herr Richter, was haben Sie Herrn Wolf über das Einsetzen der Vase mitgetheilt?" „Ich erinnere mich dessen ganz genau", antwortete der Brenn- meister. „Herr Wokf trat ein, nachdem Rennert die Vase nie-dev- gesetzt und 'daS Zimmer verlassen. Ich stand, wie ich früh« ge sagt, mit dem Gesicht nach dem Ofen gekehrt, sah mich aber zu weilen um, wenn Herr Wolf mich nach etwas fragte. Gr be trachtete die Vase und fragte, wann sie eingesetzt würde. Ich ant wortet« ihm, eS würde wohl eine halb« Stunde dauern, der Ofen ssi noch nicht genug geheizt. Darauf v«rli«ß er da« Zimmer, und ich hörte ihn vor der Thüve, wahrscheinlich mit diesem Herrn, einig« Wort« sprechen, di« ich jedoch wicht «rstand. Nach ungefähr zehn Minuten kam er zurück und sprach mancher!«, von einer sehr hübschen Inschrift am Fuße der Vas«. Ich erinnere mich auch, daß er sich mit derselben beschäfttgte und «wöhnkich gebückt vor dem Tische stand. Er sagte, » sei ein Moisteowert, da» man nicht genug anschaurn könne. Ich hatte all« Lies« Dinge ver- grssen, da mich inzwischen mcmcherki Angelegenheiten in meiner Familie vielfach beschäftigt habens Aber jetzt taucht da» Alle» wieder in mir aus. Ungefähr zchn Minuten, ehe ich die Das« «lnfetzte, hatte Herr Wolf da» Zimmer stillschweigend ver lassen." „Gut!" sagt« Attenberg und wandt, sich zu den Ge schworener. „Vie seh«, meine Herren, daß am wafentkichar Umstand bi» fttzt in dem verhör nicht beachtet worden. Im Gegensatz« »u dn ftäherm Ansicht, daß Niemand mchr eine Ge legenheit gesundem die Vase vor dem Einsetzen zu berühr«», hat sich fetzt hrrausgefkklt, daß Herr Wolf sich gerade in diese, Zett angelegentlich mit der Vase -rschitfttat hat. Dies erscheint min destens ausfällig, wem» man rrwäas, daß eS diesem Herrn in- solge seiner Stellung t» der Manufaktur durchaus nicht an Ge legenheit fehlte, die Vas«, f» »ft «, NU, wollte, zu sehe». Herr Krause wird uns vielleicht Auskunft darüber geben können, ob H«rr Wolf schon früher die Vase in Augenschein genommen." „O gewiß!" sagte dieser schnell. „Herr Wolf hatte sie ost betrachtet, einige Male nut mir zusammen." „Weshalb also, Herr Wolf, wandten Sie dem Werke «ine so große Aufmerksamkeit zu, an einem Orte, der für die Besichtigung solcher Werke so wenig geeignet ist, wie der Raum vor Idem Ofen?" fragte Altenberg. „Weil ich von dsr Schönheit der Vase entzückt war und mich gar nicht von ihr trennen konnte", antwortete der Expedient schmll. Die Unruh« seiner Züge, die Blässe seines Gesichts standen in auffälligem, für Jeden bemerkbaren Widerspruch mit diesen ein fachen Antworten. Er hatte außerdem seinen Platz verlasien untd sich, gleichsam als wolle er dem Engländer näher sein, auf einen anderen Stuhl gesetzt. Aus diese Weise saß er neben dem zweiten Zeugen Reinhold'S, einem einfach gelleideten Manne, der sehr aufmerksam zuhörte. Altenberg, obwohl sein Aug« bald auf den Zeugen ruht«, beobachtete jede seiner Bewegungen. „Ich möchte nur einige Thatsachen feststellen, ehe ich meine Anklage erhebe, denn «ine Anklage wird es sein!" sagt« Altenberg, dir letzten Worte betonend, mit einem verächtlichen Blick auf Wotf. „Rennert, Sie waren neulich, al» ich mit Ihnen sprach, so freundlich, mir zwei Mittheilungen zu machen, die mir wichtig schienen. Sprechen wir zuerst von der einen. Sie sagten mir, Sie hätten Wolf, nachdem Demoiselle Mansfeld mit der Frau Gräfin den Saal verlassvn, am Arbeitstische der Künstlerin ge sehen." „Ja, so ist e»!" antwortete der Arbeiter kräftig. „Ich sah ihn über den Lisch gebeugt. Er suchte unter den Fläschchen und Näpfchen. DaS »ine Näpfchen hielt er gegen daS Fenster und setzte es dann wieder fort. Aber dann nahm er ein andere» Näpfchen und «ine klein« Flasche und ging, das Näpfchen vor sichtig tragend, au» der Thür«. Sin« gute Vierklstunde später sah ich ihn zrrrückkehren und Napf und Fläschchen wieder auf den Lisch setzen. S» war Niemand im Saal», da Alk zu Mittag gr- gang«». Wolf sah mich nicht, da ich in einem Nebenzimmer stand. Es fiel mir aus, daß sein Gesicht höhnisch auisah, aber ich dacht« nicht darüber nach." Wieder ging ei» Rauschen durch die Versammlung. Mit tzrsßrn Augen, mit allmithiich sich ti«f«, röihnrden Wange» blickt» die Gräfin Laniska auf Altenberg. Auch der Ausdruck in Sophie's Zügen vevrieth die höchste Spannung. Ueberall, im ganzen Saale, auf jeder Miene, las man die größte Aufmerk samkeit. „Zu welchem Zwecke gebrauchten Sie jenen Farbentopf und das Fläschchen?" fragte Altenberg den Expedienten, der jetzt mit zusammengezogenen Brauen vor sich hinstarrte. „Ich weiß gar nichts idavon", antwortet« er dann. „Es ist so lange her — >wer kann sich solcher Kleinigkeiten er innern! Vielleicht wollte ich das Näpfchen reinigen oder sonst etwas." „Haben Sie etwas von dem Vorgang« bemerkt, Herr Krause?" fragte Altenberg. „Ja, ich erinnere mich, Wolf an jenem Tage mit einem Näpf chen, daß er sorgsam in der Hand trug, aus d«r Thüre gehend gesehen zu baden. Es fiel mir jedoch nicht weiter auf." „Sie können oder wollen uns also nicht angebrn, Herr Wolf, zu welchem Zweck« Sie jene Farbe gebrauchten?" fragte Altenberg. Der Expedient antwortete kurz und mürrisch mit „Nein!" „Ich könnte schärfer in diesen Mann dringen, da er sich hier als Zeuge befindet", sagte Altenberg, sich zu den Geschworenen wendend. „Aber Sie sehen wohl, meine Herren, daß sich die Vertheidigung meine» Freundes allmählich in dk Anklage eine» Anderen verwandelt. Ich will akso auf die Zeugenaussagen dieses Mannes, die von jetzt ab keinen Glauben mehr beanspruchen können, verzichten und mich auf andere Zeugnisse stützen. Sie haben eingeseh«», mein« Herren, daß der Expedient sich in jener so wichtigen Zwischenzeit mit der Vase beschäftigte, daß er einig« Farben, wahrscheinlich nur eine, vom Tische der Demloißelle Mansstld genommen. Es liegt also die Möglichkeit vor, daß jenes Wort, welches den Sinn ^ver Inschrift in so empörender Weise ändert, von d!es«in Manne geschrieben sein kann. Sie werden aber mit Recht fragen: welche Gründe haben diesen Mann zu einem Schritte verleitet, der, wenn er entdeckt wurde, ihn un glücklich machen mußt« und ihm scheinbar keinen Nutzen bringen konnte? Ich will Ihnen, ehe ich weiter gehe, beweisen, daß er zwei Beweggründe zu einer solchen Nichtswürdigkeit haben konnte. Vorher aber muß ich Herrn Wolf bitten, sich nicht mit dem Zeugen, und namentlich nicht mit diffem Zeugen zu unt«»halt«n." Wolf, der sich seinem Nachbar genähert und ihm einige Worte zugcstüstert hatte, fuhr zurück mit einer so deutlichen Bewegung des Erschreckens, daß ein Murmeln durch die ganze Versamm lung ging. Sein Urtheil war bereits gesprochen. „Der erste Beweggrund konnte Haß gegen den Grasen La- mska sein", fuhr Altenberg fort. „Haß eines solchen Mannes gegen eine Person in einer ganz anderen Lebensstellung! — Das befremdet Sie wahrscheinlich. Dennoch liegt die Sache ein fach. Herr Wolf macht Geldgeschäft«; wie ich starken Grund habe zu glauben, auch solche, die dos Auge des Gesetzes scheuen. Der Graf Laniska halt« sich für «inen seiner Freunde verbürgt, der zweitausend Thaler von dem Expedienten geliehen. Dieser Freund hatte wegen «in«s Unglücksfälles in seiner Familie am Tag« vor der Zahlung Berlin oerlassen. Herr Wokf benützt« den Umstand, von dem Bürgen, meinem Freunde, dem er ganz uner wartet den Schein präsentirte, eine höhere Verschreibung zu erzielen. Ich kam dazu und oitdnete die Angelegenheit. Graf Laniska bediente sich damals in seiner Entrüstung einiger Worte, die den Grund zu Hasse Wolf'» gegen ihn gelegt haben mögen. Später wurde dieser Haß, wie sie sogleich hören werden, vermehrt. Daß er vorhanden gewesen, wird Ihnen daS Zeuan-iß meines zweiten Zeugen, des Kaufmann» Wegener, darthun. Herr Wegener, haben Sie di« Güte, zu sagen, was Sie über diesen Gegenstand wissen." „Am vorletzten April kam Herr Wolf zu mir, um Farbe zu kaufen", antwortete der Zeuge, ein schlichter Mann, mit klugem Gesicht. „Ich fragte ihn, wer die Herrschaften gewesen seien, dir soeben di« Porzellan-Manufactur, txr ich gegenüber wichne, verlassen. Hern Wolf nannte mir di« Namen, v, sagte ich, dir Herrschaften kenne ich dem Namen nach; die Frau Gräfin und ihr Sohn sollen sehr gut und wohlthätig sein. — WaS, n»hl-. thätigs vief Wolf heftig. Hochmüthig 'st «r — ich Haffe ihn« — ich könnte ihn ermorden! — Aber wekhalb denn? fragte ich verwundert. — Weil er mich «inen Schurken genannt und um einen sicheren Verdienst geprellt hat." „Gut!" sagte Altenberg. „E» ist nicht nöthig, auf diesen Gegenstand weiter einzugehrn. Der Haß des Expedienten gegen den Grafen wurde dadurch vermehrt, daß dieser sich der Demoi-» sell« Mansfeld angenommen. Herr Wotf mtßbnruchte nämlich seine Stellung in der Manyfactur, um daS Talent dieser Dame au»,ub«uten. Er ließ sie t» den Freistunden für sich arbttten
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