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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190107287
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010728
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010728
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-28
- Monat1901-07
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1901
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Bezug-»Preis 1« der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4 50, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: viertrljährl. 6. Man abonnirt seiner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstaltea in der Schmer, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg. Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese« Blatte« möglich. Di« Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Ne-action und Expedition: JohanntSgasse 8. " Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'« Gortim. UmversitätSstraße 3 (Pauliuum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. 38«. MpMerIaMM Anzeiger. Älntsblatt des H'öniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Sonntag den 28. Juli 1901. Anzeigen-PretS die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familtenuach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprech««» höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ilnnahmeschluß für Aryeige«: Abend-Au-gabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an di« Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von T. Polz in Leipzig 95. Jahrgang. Aus -er Woche. Der Entwurf eines Zolltarifs ist natürlich nur ein dem BundeSrath zugegangener, von dieser Behörde nock nicht berathener Entwurf. Er ist uns im Wortlaut erst beute Morgen zugegangen, eine Beurtheilung der ein gehenden Studirung heischenden Materie ist in diesem Angen- vlicke um so weniger möglich, als die bisherigen Veröffent lichungen nicht durchweg correct waren. Gerade als der zollpolitische Kampf hitziger zu werden begann, waren zwei Nachwahlen vorzunehnien, die beide zn Stichwahlen führten, deren eine heute vollzogen worden ist, die in Memel-Heydekrug. DaS Ergebniß liegt uns in diesem Augenblicke noch nickt vor. Kenner des Wahlkreises glauben nicht, daß die Freisinnigen, die ossiciell Wahl enthaltung proclamirt, aber auch ausdrücklich ihren An hängern freie Entschließung anheimgestellt, dem Socialdemo kraten, obwohl Herr 6r. Barth inständigst darum gebeten, zum Sieg« Verholfen baden werden. Wie aber auch die engere Wahl ausgefallen sein mag, es war jedenfalls tendenziös und falsch, das Resultat des ersten Wahlganges als einen Protest gegen die Schutzzollpolitik zu proclamiren, wie sie die Regierungen und die gemäßigten Wirth- schaftöparteien, zu denen auch das (Zentrum zählt, planen und durchsetzen werden. Die Freisinnigen sind die Bor lärmer im Geschrei gegen jede Erhöhung landwirthschasllicker Zölle, gegen den „Brodwucher", die Socialveniokratie hat sich, bisher wenigstens, hierin von ihnen übertreffen lassen. Nun, diese Freisinnigen haben in Memel-Heydekrug nicht nur nicht gewonnen, sonder» ein paar Hundert Stimme» verloren, der große, ja gewaltige StinimeuzuwachS der Socialvcmokratie steht aber gewiß nicht völlig außer Zusammenhang mit den Zollfragcn. Er bedeutet eine schwere Niederlage der extremen Agrarier, deS Bundes der Landwirthe mit seiner Minkcstgetreide- Zollforderung von 7^/z Seine Zugehörigkeit zum Bunde, über ^i<er denn auch wohlweislich anfänglich nicht Rede stehen wollke». hat dem littauisch-conscrvativen Candidaten im ersten Wahlgang Tausende von Stimmen gekostet. DaS Sprichwort „Allzu scharf macht schartig" hat sich hier wieder als Wahrwort bewährt, lind gezeigt bat sich auch wieder, daß die Leitung des Bundes der Landwirtbe gegen vaS wohl verstandene Interesse der Landwirthschaft arbeitet, denn Provocationen, die Tausende von nichtsocialdemokratischen Mäklern anreizen, socialdeniokratisch zn wählen, sind gewiß nicht auf daS Gewinncvnto der ackerbautreibenden bürgerlichen Bevölkerung zu schreiben. Allein einen Prolest gegen die Schutzzollpolitik an sich stellen auch die der Socialdemokratie zugefallenen, um nicht zu sagen in die Küche gejagten Stimmen nicht dar. Die Social demokratie verwirft natürlich im Reichstage den Zolltarif, aber bei der Hauplentscheidung, bei der über Handels verträge mit höheren landwirthschaftlichen Zollsätzen als die jetzigen sind, wird die socialteuiokratische Fraktion, wen» es auf ihre Stimmen aukonimt, nickt versagen. Sie hat ja auch den jetzigen 3'/2-Mark-Zoll sauctiouirl und ist damit unter die „Brodwuchcrcr" gegangen. Tie Benutzer social demokratischer Stimmzettel in Memel-Heydekrug waren sich also bewußt, eine Partei zn verstärke», die trotz ihrer gegen- theiligeu Agitation einer thatsächlichen Getreidezollerhöhung nicht ausweichen darf und wird. Die andere Nachwahl, die in Duisburg-Mülheim, deren politische Seiten wir schon beleuchtet haben, weist, unter den Gesichtspunkt der Ernsthaftigkeit der „Antibrod- Wucher"-Hetze gerückt, freilich ein viel günstigeres Ergebniß für unsere Schutzzollpolitik auf als die in dem nordostdeutschen Bezirk. Der große rheinische Wahlkreis umfaßt eine außer ordentlich starke Arbeiterbevölkeruug. Und nun sehe man sich die Ziffern an: 25 762 für Beumer, 20 720 CentrumS- stimmen, 2717 Zettel für den Polen. DaS macht in Summa rund 50 000 Brodwucherer unter rund 65 000 Wählern. Und dies, wie wiederholt sei, in einem überwiegend industriellen Kreise. Die socialdemokratischen Stimmen haben sich allerdings fast verdoppelt, aber hier wie in Memel sind sie bewußtermaßcn für Nichtgegner von Handelsverträgen mit verstärktem landwirthschaftlichen Zoll schutz abgegeben. Im Uebrigen hat sich da» Ergebniß für vr. Beumer noch besser gestaltet, als eS zuerst den An schein hatte. Der Zuwachs gegen die Hauptwahlen von 1898 beträgt 5464 Stimmen, während die Antisemiten, die die-mal nicht selbstständig auftraten, sondern vr. Beumer wählen zu wollen erklärten, diesmal 3327 Stimmen aufbrachten. Wird diese ganze Zahl in Abzug gebracht, bleibt noch ein Mehr von 2187 Stimmen. Dahin, daß die Socialdemokratie, die «ine Partei der Arbeiter sein will, sich zu der die Arbeit schützenden und die innere Kaufsähigkeit erhaltenden WirthschaftSpolitik grundsätzlich bekennt, werden wir so rasch» noch nicht koinmer. Aber auf socialdemokratisch« Autortilaten können sich diejenigen, die die Landwirthschaft erhalten, ja sogar die, die Deutschland von Amerika nicht weiter in der bis herigen Weise behandelt sehen wollen, bereit« berpfen. Und angesichts der maßlosen Aufreizung, die von der linken bürgerlichen Presse zur Zeit auSgeh», ist «S nickt unange bracht, sich socialdemokratischer Stimmen der Vernunft zu erinnern. Auf dem Mainzer Parteitag« von 1900 hat der Herr Calwer die Lösung deS — einseitige» — Meist begünstigung-Verhältnisse» zu Amerika für wünschen»- Werth und die Furcht, daß deswegen «in Zollkrieg auSbrechen würde, für Gespensterfurcht erklärt. „Sie (die Amerikaner) werden sich hüten l" Daß wir durch ander« Zollsätze mit Amerika, Rußland, Oesterreich, Italien, mit der halben Welt in Zollkriege verwickelt werden, ist «ine Behauptung, die alltäglich in der freisinnigen Presse als un umstößlich« Gewißheit ausgestellt wird. Ter württembergische Socialdemokrat denkt ander» darüber. Weiter: Bernstein hat schon 1897 die ruinösen Folgen de» landwirthschaftlichen Preissturz«» für den englischen Ackerbau nackwiesen. Im Jahre 1874 kostet« der Scheffel Weizen 6 Schilling 11'/, Pence, 1894 nur noch 2 Schilling 10'/« Peuee. Bernstein bemerkt dazu: „Kein Wunder, daß die Anbaufläche für Welzen von 1874 auf 1894 fast um 50 Proc., von 3,6 Millionen auf 1,9 Millionen Arre« zurückgegangen ist, daß England in der Periode von 1889 bi« 1893 nur noch 29,41 Proc. seine« WrizenverbrauchS selbst vro- ducirie, wäbrend es von 1869 bis 1874 noch 54,97 Proc. desselben selbst baute." Darnach ist e» einleuchtend, wenn Bernstein sagt, die Möglichkeit, daß heute überhaupt noch eine englische Land- wirihschaft bestehe, sei nur dadurch geboten worden, daß die Landlords einsprangen. „Nur weil im Allgemeinen das eng lische Land in vrr Hand von Landbaronen ist, die rS nicht selbst bewirthschaften, sondern verpachtet baden, konnte die Landwirtbschast gerettet werden; diese LandlordS, die Groß- capitalisten, mußten einfach bei den weichenden Gelreite preisen an der Packt so viel Nachlassen, daß der Pächter sich hallen konnte." Nun, wir in Dentschlayv haben so gut wie gar kein Pachtsystem und müsse» uns ander» helfen. Wie, wissen wir, aber auch Sociajvemokraten haben da» einzige Mittel erkannt. Auf dem Parteitage in Stuttgart kam der NeichStagsabgeordnete Schippe! als Referent aus die Schutzzollpolitik zu sprecken und ließ sich durch da» Murren eines Theile- der Versammelten nicht behindern, auszusprechcn, es sei vor Allem eine Fabel, wenn man sage, der Wille des Fürsten Bismarck hätte eine Schutzzollpolitik in Deutschland iiiaugurirt, Bismarck sei dazu gar nickt stark genug gewesen, die Verbältnissc hätten die Schutzzollpolitik erzwungen. Schippel warf hierauf die Frage auf, ob es denn wabr sei, daß ver Schutzzoll immer den Rückschritt und der Freihandel unter allen Umständen politisch und wirth- schaftlich den Fortschritt bedeute. Er verneint sie: „Die Freibänvler in Amerika, das sind die Plantagenbesitzer, die ehemaligen großen Sklavenhändler, die gegen jeden Fortschritt sind, und die Schutzzöllner sind die Freigesiunte», englische (anglo-sächsische) Bürger." Und in Deutschland? Schippel bemerkt: „Die freisinnige Agitation gegen die Zölle geht einfach vom Standpunct des Consumenlen aus. Wer sind denn die Agitatoren gegen die Getreid>>zölle? Es sind Beamte mit festen Gehältern; die freisinnigen Spießbürger, die freisinnigen Philister sind die Kerntruppen deS Freihandels bei unk." Und nun warnt der svcialdemokratische Redner die Arbeiter, sich lediglich als Confumcuten zu betrachten. Selbst der grundsätzlich freibändlerische KautSky ist wenigstens gegen die Beseitigung landwirtbschastlicher Zölle. Er räumt eiu: „Täuscken wir uns nicht, die Landwirthschaft ist in einer sebr bedrängten Lage. Die Erzählungen von den Champagner trinkenden Landwirthen baden denselben Werth, wie von Champagner trinkenden Maurern. Es besteht eine Noth der Landwirthschaft, di« liefe, innere Ursachen hat." Diese Anschauungen der Socialdemokraken geben vielleicht manchem Bürgerlichen, der sich den einseitigen Darstellungen der freisinnigen Presse zu sehr gefangen gab, den Anstoß, sein Unheil zu revidiren. Die „Parität" ist wieder einmal schwer verletzt worden. Zwei katholische Beamte, eiu ehemaliger CentrumS- abgeordneter und der Freund eines noch activen CentruuiS- abgeordneten, sind in durchaus ungewöhnlicher Weise im NeichSvienste befördert worden. Wir haben uns über die Mittkeilung nicht gewundert, da» Centrum ist überhaupt Trumpf, aber auf keinem Gebiete mehr als dem der Bcamtendeförderungen. Gerade um diese Thatsache zu verhüllen, erhebt sich in der ultramontanen Presse von Zeit zu Zeit das bekannte Paritäts-Gezeter. Wenn eS ertönt, kann man mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß soeben wieder ein Klerikaler für ein wichtiges Amt in« Auge gefaßt oder schon bestimmt ist. Als Graf Caprivi von dem Exjesuiten Graf HocnSbroech um ein Staatüamt an gegangen war, rief er au»: „WaS würde daS Cenlrum dazu sagen!" und beschied abschlägig. Heute sind wir nock um einen Schritt weiter. Die Wirren in China. Pichon über Waltzersce. Au» Pari«, 27. Juli, wird uns depeschirt: Der bisherige Gesandte in Peking, Pichon, sagte einem Vertreter de» „Echo de Pari»", die Beziehungen zu Wald er fee seien immer sehr herzlich gewesen. Waldersee sei ein Mann von feinem Tact und unermüdlicher Thatig- keit. Niemals sei zwischen den französischen und deutschen Officieren die grringste Reibung vorgekommen. Pichon verwies auf die Photographien, die deutsche und französische Soldaten Arm in Arm zeige». Auf längere Zeit, bemerkte Pichon weiter, würden in Cbiua keine neuen Erhebungen stattfindcn, wofern man in drn UeberganaSmaßnahmen nicht nach lasse und die dort zurückaelassenen Truppen genügend stark sriru. — Einem Vertreter de» „Eclair" sagt« Pichon gleichfalls, daß die Beziehungen zwischen den Deutscken und Franzosen stet» ausgezeichnet waren. Die Thätiakrit Waldersee'S sei nicht zwecklos gewesen. Waldersee habe sich stets durch feines Taktgefühl und Ge wandtheit ausgezeichnet. Er habe e» verstanden, alle Um stände zu benutzen, und sein Wirken hab« stet» einen wohl- thätigen Einfluß aulgrübt. — Eiarm Vertreter des „Jour nal" gegenüber wiederholt« Pichon, daß vir Franzosen stet» vortreffliche Beziehungen zu drn Truppe« der anderen Mächte unterhielten, doch sei daS verhält « iß zu den deutschen Soldntea besonders herzlich gewesen. General Botzron und o«r Feldmarschall hätten immer auf au»g«i«ichnetem Fuße ge- standen. Pichon ist der Meinung, daß der kaiserliche Hof im Herbst n«ch Peking znrückkebren werde. Er erklärt» schließlich, daß niHt nur di« französische Mission in Ehina, sondern »lle katholisch«, Mission««, wie auch die eing«horenen Christen vo» der chinesischen Regierung bereit» entschLdigt worden seien. Gntfchtti-«m«»froe. * Peking» 26. Juli. (Neuter'S Bureau.) Der tobte Punct in den Verhandlungen gb«, di, V» lchiihi»» g»f,,„ ist über- wunden. Die Glaubten stimmt« dt» Vvrltrgoh« Zahlungs pläne zu, England und Rußland haben eia Lompromiß geschloffen, durch da« sie sich da« Recht Vorbehalte», die Verhandlungen über die gegenwärtig strittigen Puncte wieder zu eröffnen, fall« sie e« für »öthig halten. Man erwartet, daß innerhalb 14 Tagen die Verhandlungen beendet und die Protokolle derselben unterschrieben sein dürften. Da» Personal der Eühnegesaudtschaft. Da die chinesische Slihnegesandtschaft in etwa 3 Wochen in Deutschland ankommt, so "dürfte die nachstehende, uns aus Shanghai, 20. Juni, zugehende Schilderung der die Ge sandtschaft bildenden Persönlichkeiten interesiiren: An der Spitze der Gesandtschaft steht Prinz Ch'un. ein jüngerer Bruder des Kaisers Ktvang-Hsü. Der eigentliche Name des Prinzen Ch'un ist Tsai-feng, er ererbte den Namen, unter dem er allgemein bekannt ist, von seinem Vater, der im Jahre 1891 starb. Prinz Ch'un, der Vater, oder J-Huan trat zum ersten Male im Jahre 1883 an die Öffentlichkeit, wo er zum Direktor der Admiralität ernannt wurde; zuletzt war er Oberstcommandirender der Pekinger Feldtruppen. Prmz Ch'un, der Sohn, ist etwa» über 20 Jahre alt; vor den Unruhen lobte er sehr zurückgezogen in der Verbotenen Stadt und war kaum bekannt. ES scheint, daß man bei der Flucht im August keine Zeit fand, den jungen Prinzen von den Vorgängen zu benach richtigen oder ihn einfach vergaß. Nach chinesischen Begriffen hat er auf den Thron aus dem Umstande, daß sein älterer Bruder durch Adoption erbberechtigt war, schlechterdings keinen Anspruch. In den Augen der Chinesen ist er nur ein Prinz etwa dritten Ranges. Indessen läßt sich nicht verkennen, das Prinz Ch'un ein ausnahmsweise begabter Mann ist, und auS diesem Grunde seht die liberale Partei auf seine Reise nach Europa große Hoffnungen; ihnen gilt er als der zu künftige Führer. Sollten diese Hoffnungen sich erfüllen, so würde Prinz Ch'un bei einem etwaigen neuen Staatsstreich ein« hervor ragende Rolle zu spielen berufen sein, möglicher Weis« sogar auf den Thron gehoben werden können. Neben dem Prinzen Ch'un sind die hervorragendsten Mit glieder der Gesandtschaft der Brigadegeneral Ping- Chang und der Generaldirector der Nordbahn Chang- Z e n 4 m a n. Ping-Chan ist ein Manfchu, der vor fünf Jahren in Deutschland war. Er kam damals im Gefolge Li-Hung- Tschang's und blieb dann in Deutschland. Chang-Aen-man (oder Chang-Pi, wie er amtlich genannt wird) ist einer der aufgeklärtesten Chinesen, ein Geschäftsmann durch und durch. Nachdem er zunächst die ge wöhnliche untere Beamtencarritzr« durchgemacht hatte, kam er in die Bergwerksverwaltung der Provinz Chihli. Neben seiner amtlichen Thätigkeit fand er Zeit, auch seine Privatangelegen heiten zu fördern. Er war einer der Gründer der „Chinese Mining and Engineering Co.", in der er neben dem auch in Deutschland bekannten Zolldirector Gustav Detring «ine Führer rolle spielte. Seit etwa 1898 gehört er auch der Generaldirection der nördlichen Eisenbahnen an. Politisch gilt Chan-Pcn-man nicht als sehr zuverlässig; ihm gilt die eigene Person unter allen Umständen mehr als di« Sache, die er vertritt und die unter allen Umständen für ihn nur Mittel zum Zweck ist, d. h. zur Be reicherung und Macht. Weiter grhören der Gesandtschaft an: Li n - T su - ku«i, Hsiang-Hien, Tseng-ku-ng-yung und Ma- Che n g - h i e n. Liu-Tsu-kuai bekleidet zur Zeit den Rang eine» Taotai- Aspiranten. Er stammt aus Canton, Ivo er sich einen nicht über mäßig guten Namen durch seine Verbindung mit allerlei Lotteriegeschäften gemacht hat. Er ist eines der Werkzeuge Li- Hung-Tschang'S, zu dessen erklärten Günstlingen er gehört. Die liberale Reformpartei sieht in ihm einen gefähr lichen Feind, seit er sich an der Verfolgung der Mitglieder der Reformpartei betheiligt hat, die im Frühjahr 1900 nach der portugiesischen Coloni« Macau flüchteten, nachdem sie dem Thron« eine Denkschrift unterbreitet hattsn, die gegen die Er nennung des Prinzen Tu-chlln, deS Sohne» deS Prinzen Tuan, zum Thronfolger protestirte. Hbsiang-Hien, «in Manfchu, ist Sekretär im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, von "dem nicht viel bekannt ist. Tseng-kuan-yung ist zur Zeit Sekretär im Justizministerium. Er ist rin Sohn deS bekannten Marquis Tseng und gilt als liberal. Sein Bruder ist der Herausgeber der „Tenny-Wei- hi-pao", einer in Shanghai erscheinenden Zeitung, di« heute an erkannt daS bestunt-rrichtet« Blatt ist und seit etwa einem Jahre Fühlung mit Deutschen gefunden hat. (Es wird sogar technisch von der Deutschen Druckerei und Derlagsanstalt in Shanghai hergestellt.) Ma-Cheng-him ist «in noch junger, völlig unbekannter Mann. Als Dolmetscher begleiten die Gesandtschaft die Magistrate Pang-Sbu-wen und Pang-Chia-tsen, beides Lehrer am Tung- wen-College in Peking, einer kaiserlichen Anstalt, die unter der Aegide des kaiserlichen Seezollamtes steht, und an der bisher auch Professor Stuhlmann unterrichtete. PangShu-wen ist Lehrer des Englischen, Pang-Chia-tsen de» Japanischen. Der Lrieg in Südafrika- Neuer voereuste». K Lontzon. <7. Juli. (Prtp»ttelr,r»»»> Llus L»ur««v» M«rque» »irtz untrem -6. Juli uemeltzet: Die Boeren nahmen im Ttnrm vremerSdorp im Ttvazilan» nach hartem Kampfe ein und zwangen hie Brigade Ltephenson zur schleunigen RSumnng und »nm Rückzn, ans Heu )mpulu»f1utz. Die englischen Verluste sind schwer, besonders an Te- fangenrn. (Wiederholt) * Landau, 27. Juli. Eine Depesche de» General» Kitcheuer vom 26. Juli befugt: General Stephen» berichtet, «Ine berittene Abthellung Steiaacker'S, welche BremerSdorp besetzt hielt, wurh« am 94. Juli vo» einem überlegene, Truppen- körper der Boeren, wahrscheinlich von den CowmandoS pon Nmfindam und Psttreitif, gezwungen, den Platz zu , ritnm-l». Di« VbtheUnng schlug sich oach dem 16 Meilen ent fernt liegenden Lembobo durch. Ihre Verluste an Tobten und Verwundeten betragen 10 Mann. Einige Mann werden vermißt. Und angesichts der fortgesetzten Erfolge der Boeren in der letzten Zeit schreibt ein deutsche» officiöseS Blatt, es werde die Möglichkeit angenommen, daß innerhalb der nächsten zwei Monate der bisherige Widerstand der Boeren größtentheils zusammenbrechen könnf * London, 27. Juli. lTrlegramm.) Au» Brüssel wird der „Morning Post" depeschirt, in den dortige» Boerenkrelsen ver lautet, daß Botha im Begriffe sei, sich in südlicher Richtung oach der Cavcolonie zu begeben, um den Oberbefehl über die dort eingefallenen Boerencommandos zu übernehmen. Beyer» werde den Befehl über die Boerenstreitkräfte in Tran-Vaal über nehmen. (Boss. Ztg.) Balgen und Zuchthaus. Man schreibt uns aus London, 26. Juli: Im gestrigen Parlamente hatten die verschiedenen Vertreter der Regierung ein wahres Kreuzverhör mit Bezug auf den südafrikanischen Feldzug zu bestehen und eine Unzahl von Fragen über allerhand unerfreuliche Einzelheiten zu beantworten. Mr. Labouchere capricirte sich darauf, von dem Kriegsminister zu erfahren, wie viele „Rebellen" in der Capcolonie bereit» ge hängt worden seien, und ob es wahr sei, daß bei diesen Hin richtungen holländische Bevölkerung der betreffenden Ortschaften gewaltsam gezwungen würde, zugegen zu sein. Die Antwort hierauf war, daß bis jetzt zehn „des Mordes und des Raubes" angeklagte Rebellen den Tod am Galgen gefunden hätten, und daß die Regierung, ebenso wie das Kriegsamt, weder mit Be zug auf diese Todcsurtheile, noch auf die erzwungene Anwesen heit der holländischen Bevölkerung bei diesen Hinrichtungen irgend welche Veranlassung habe oder nehme, in die Entschei dungen des britischen Oberbefehlshabers, Lord Kitcheners, ein zugreifen. — Die gefangenen Capholländer werden also weiter aufgehängt werden, ohne daß dies einen anderen Einfluß auf die Boeren und auf die im Felde stehenden „Rebellen" haben wird, als daß diese schließlich auch dazu übergehen, in gewissen Füllen gefangene englische „Räuber und Mörder" am Stricke aufzuhängen und so Gleiches mit Gleichem zu vergelten. ES ist ein anderer trauriger Ruhm für England, diese gemeine und grausame Todesart durch den Strang in die südafrikanisch« Kriegführung eingcführt zu haben, anstatt bei der allenfalls berechtigten Strafe des Erschießens für aufständige Unterthanen der britischen Krone zu bleiben. Erst heute wieder wird von Capstadt gemeldet, daß neuer dings vier Rebellen am Galgen gestorben sind, und zwar zwei in Middelburg (Capcolonie) und zwei in Kenhardt, während 15 in Dordrecht zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurtheilt wurden. Die Engländer sollten allmählich wissen, daß sie mit diesen grausamen Maßregeln bei den Boeren und Capholländern das gerade Gcgentheil von dem erzielen, was sie beabsichtigen. Deutsches Reich. tt Berlin, 27. Juli. (Von den Entwürfen zum Zolltarife und Zolltarifgesetze.) WaS zunächst daS Zolltarifgrsetz betrifft, so wird gegenüber dem bisherigen Gesetze die Neuerung zu beachten sein, daß darin für gewisse Getreidearten die Zollsätze festgelegt werden sollen, unter welche die Handelsvertragstarife nickt heruntergehrn dürfen. ES sind dies für Roggen 5 für den Doppelcentner, für Weizen und Spelz 5,50 Gerste 3 und Hafer 5 für den Doppelcentner. Es ist demgemäß von der Form jedes ToppeisatzeS im Zolltarif selbst ab gesehen, dafür aber eine besondere Gesetzesbestimmung, welche eine Verpflichtung der verbündeten Regierungeu bei vier Waarenarten darstellt, einzuführen vorgesehen. Der Neuerungen sind in dem Entwürfe gegenüber dem jetzigen Zustande noch manche, auf welche später zurück- zukommen sein wird. Recht gespannt durfte man darauf sein, wie die sogenannte Clausel Fraockenstein im neuen Entwurf bebandelt werden würde. Durch diese sind bekanntlich 130 Millionen aus den Einnabmen der Zölle und Tabaksteuer dem Reiche Vorbehalten, der Rest den Einzel staaten bestimmt. Es wird in dem neuen Entwürfe vor geschlagen, die bisherigen Vorschriften über die Ueberweisunz eine» TheileS de» Ertrages der Zölle und Tabaksteuer an die einzelnen Bundesstaaten so lange in Wirksamkeit zu lassen, bis darüber durch besonderes Gesetz anderweit bestimmt wird. Der Zolltarifentwurs selbst ist ein um fassendes Werk, daS in allen Theilen ein ernste» Studium er fordert, ehe man über seine Bedeutung für die deutsche VolkSwirthscbaft klar wird. WaS die formelle Seite betrifft, so mag daran erinnert werden, daß der bisherige Zolltarif 43 Nummern ausweist; er war zuletzt im Jahre 1885 in seiner Vollständigkeit in der Gesetzsammlung veröffentlicht und hatte später, namentlich 1887, verschiedene Aenderungen erfahren. Der „Entwurf einer neuen Anordnung des deutschen Zolltarifs", wie er im Reichsschatzamt bearbeitet war uud zum Beginn de» Jahres 1900 der allgemeinen Kritik unterbreitet wurde, umfaßte 1364 Nummern. Jede einzelne Nummer batte außerdem die verschiedensten Uvter- abtheilungen, so daß die Specialistrung damit eine viel um fassendere al» bisher wurde. Der dem BundeSrathe vor gelegte und nunmehr veröffentlichte Entwurf weist 946 Nummern auf. Man hat demgemäß in den Vorbereitungen de» VorjahreSund de» laufenden Jahre» auf eine größere Zahl von Nummern ver zichtet und dieäußere Specialisirnng damit eingeschränkt. Darauf, daß auch di« tharsächliche ursprünglich in» Auge gefaßte Specialistrung «ine Minderung erfahren hat, läßt die Ein schränkung de» Umfanges des Entwurfes schließen. — Jeden falls wird die Publicaticn deS „ReichSanzeigerS" nunmehr ein« Fülle von Auslassungen auch in ter Orffentlichkeit zeitigen. Es wäre zu wünschen, daß alle Auslassungen von einem Geiste getragen würden, der nicht bloS daS «igene Interesse, sondern neben diesem auch daS der >llg«m«inheit in Rücksicht nimmt. * Berlin, 27. Juli. (Weibliche Eisenhnhnbeamte.) Die Beschäftigung weiblicher P«rsonrn bei der preußischen StaatSeisenbahnverwaltuug regelt ei»
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