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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.07.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010731015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901073101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901073101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-31
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Dezngö'DreiS Li« Mo««»U»»aab' u« V, Uh^ di« Ab«pAu»gad« Wochintag» u» » Utz,. Rr-l»rtto« Mid LrprUtttzHr So-arml-gaff, S, Filiaknr Tiste» Lahn vorm. O. Klevn,'» Sorttm. llowsrMtsstratz« v (PaultmunX Loutt Lös«»«, Kathirt»«»-«. wat. iuch K»-ig»platz 7, Morgen-Ausgabe. MpzigcrIaMM Anzeiger. ÄnttsVMt -es Äöniglichen Land- und Änttsgerichtes Leipzig, -es Nathes ««- Vottzei-Ämtes -er Lladt Leipzig. 385. Mittwoch den 31« Juli 1S01. Anzesgeir.Preis die 6 gespaltene Petitzetle 25 Nrel«»,» »M» dem Red«c1ii»«strich (4gesp«ltea) 75 ^ »« de- FamUt«muu> richt« (»ß«sp«M») KV Tabellarischer Mld Mervsatz «tspeechttd hüh«r. — Webkbrrn ntr Nachwvsstmg« «d Offertrnaanahm« » (exel. Port»). Srtra-Beilagen (gesalzt), nur mit »er Morgen-Ausgabe, ohne Postbestrdernug 60.-, «it PostbefSrd««u»g uL 70.—» Xunahmeschluß für Änzrigrn: Abend-Ausgab«: vormittag» 1v Uhr. Morg«»-AaSgab«l Nachmittags 4 Uhr. Bei dm Filialen «d Imuchmeftoll« st «in« halb« Etaab« früher. Anzeige» find stet» an bi« Expedition zu richten. Die Spedition ist Wochentag» unmürrbroche» geöffnet von früh S bi» Abend» 7 Uhr. Druck uud Verlag vou L. Polz tu Letpziß. 95. Jahrgang Ranftsche Gasse 6 Herr Lrleär. Ziselier, Colonialwaarenhandlung, Ranftädter Steinweg L Herr 0. Luxelwann, Colonialwaarenhandlung, Schützenstratze 5 Herr «Inl. 86üüintfden, Colonialwaarenhandlung, Westplatz 32 Herr L. vttti'Lok, Cigarrenhandlung, Aorkstraste 32 (Ecke Berliner Straße- Herr' I?. Llotr, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Straste 35 Herr V. Lüster, Cigarrenhandlung, in Plagwitz Herr 6. 6rütLwumi, Zschochersche Straße 7», - Reuonitz Herr Luxwaun, Marschallstraße 1, - - Herr 0. 8eüwtüt, Kohlgartenstraße 67, - - Herr Leruü. Vfeder, Mützengeschäst, Gabelsbergerstraße 11, - Thonberg Herr L. üüntsok, Reitzenhainer Straße 53, - Volkmarsdors Herr OeorA Xlemuuu. Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.), Für ^Nßr«8t und SvptvMbvr kann das Leipziger Tageblatt durch alle Vostanstalten des deutschen Reiches und Oesterreich-Ungarns zum Preise von 4 bezogen werden. In Leipzig abonnirt man für 3 mit Bringerlohn 3 75 und nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johannisgasse 8, die Filialen: Katharmenstratze 14, Königsplatz V und Universitätsstratze 3 sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraste 35 Herr L. 0. L1tt«1, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraste 21 Herr Meoä. keter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 53 6. L. 8vkudvr1*s Laokkolsvr, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straste (Thomasiusstr.-Ccke) Herr Otto LlautsoüLv,Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste 15 Herr Llluurü LelLvr, Colonialwaarenhandlung, .Nürnberger Straste 45 Herr 11. L. Udreekt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crotteridorf Herr L. Lrleävl, Cigarrenhdlg., Zweinaundorfer Straße 6, - Connewitz Frau Ltseder, Hermannstraße 23, - Eutritzfck Herr Lodert Bitner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Herr Lodert Htner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Lindenau Herr widert Llnüner, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Herr kau! Luek, ^mionoen-LxpeMlon, Eisenbabnstraße 1, - '-LZolrmarsvorf Herr dieors ^Lemuuu. ^onra in Oetzsch-Gautzsch Herr Llvdurä Iseustaüt, Buchhandlung in Oetzsch, in Naunhof Herr LonraÄ LetLSvde, Buchhändler. Deutsches Reich. u Berlin, 30. Juli. Eine geheime polnische Propaganda, schlimmer als die in den Organen der Hetz presse und im täglichen Leben betriebene, scheint in den pol nischen Vereinen in lebendigster Wirksamkeit zu sein. Aus den vorliegenden Berichten des Aloisius-, Aegidius-, Kasimir- und des St. Josef-Vereins ist ersichtlich, daß die Mit gliederzahl dieser Vereine durchgehends im Wachsen begriffen ist und daß in allen die nationalpolnischen Bestrebungen aufs An gelegentlichste gepflegt werden. Besonders di« Fahne, da- Symbol des Kampfes und der nationalen Selbstständigkeit, spielt überall eine wicktige Rolle, wobei allerdings über die unter Entfaltung der Fahne geübte Vereinsthätigkeit in den Berichten mit absichtlich unklar gehaltenen Ausdrücken hinweg gegangen wird. So heißt es in dem Bericht des Aloisius-VereinS in Tangermünde: „Mit der Fahne sind wir zweimal außerhalb ge wesen", und der St. Josef-Verein in Herten berichtet: „Mit der Fahne sind wir sechsmal ausgetreten." Ein« ungewöhnlich große Zahl von Vereinsmitgliedern wird durch den Dienst bei der Fahne in Anspruch genommen. Da giebt es Fahnenträger und Fahnenjunker und weiter stellvertretende Fahnenträger und stellvertretende Fahnenjunker in doppelter Besetzung, sodaß man sich des Eindrucks einer übermäßigen Fürsorge für daS „Heilig- thum" des Vereins nicht erwehren kann, lieber die unter Voran tragung der Fahne vorgenommenen Handlungen verlautet, wie gesagt, nichts,, aber die oben erwähnte Thatsache, verbunden mit der ausdrücklichen Hervorhebung des wiederholten „Auftretens mit der Fahne", läßt den Schluß zu, daß «S sich dabei um etwa» anderes als um harmlose Vereinsvergnllgungen gehandelt haben dürfte, zumal letztere als solch« besonders erwähnt werden. Auch was sonst noch aus den Berichten herauszulesen ist, kann die Annahme, daß in dem Derein-leben ein gefährliches Kampfmittel gegen das Deutschthum gesehen werden muß, nur gerechtfertigt erscheinen lassen. Die Verein-Mitglieder hören polnische Predigten, die Verein« lassen Messen für ihr „Wohlgedeihen" l«srn, in Allen existirt eine umfangreiche Vereinsbibliothek, sodaß «S als zweifel los gelten kann, daß die Mitglieder in ihrer Opposition gegen datz Deutschthum systematisch bestärkt und veranlaßt werden sollen, daS von der Vereinsleitung in ihnen wachgerufen« Interesse für die allpolnische Bewegung im Familien- und Bekanntenkreise agitatorisch nutzbar zu machen. Auf ein« reg« Thätigkeit dieser Verein« deutet auch die ungewöhnlich große Zahl der Zusammen künfte. Es haben im Lloisius-Verein in Tangermünde außer häufigen Vergnügungen, BereinSfeirrlichkeiten, die „bei zahl reicher Bethciligung von Mitgliedern und Gästen" abgehalten wurden, ferner abgesehen von drv religiösen Zusammenkünften Freiheit oder gar sein Leben nur diesen „Versagern" zu danken gehabt hätte. Weder Kitchener noch einer der vielen englischen Kriegscorrespondenten ließen sich darüber irgendwie aus, wre es denn eigentlich möglich war, daß, wenn die britischen Reiter dem auf ungesatteltem Pferde in Hemd und Hose an einem bitter kalten Morgen (der so frostig war, daß das Oel in den Flinten zusammenfror) davonreitenden Präsidenten bis auf ein paar Schritte Entfernung auf den Fersen waren und ihn mit unfehl barer Sicherheit erkannten und identificirten, sie nicht ohne Weiteres die Verfolgung in Masse aufnahmen und Steijn schleu nigst zur Strecke brachten. Es hat daher die Behauptung alle Wahrscheinlichkeit für sich, daß die interessanten Nebenumstände, mit welchen die Einnahme der Stadt Reitz vom britischen Hauptquartier und von den eng lischen Kriegscorrespondenten, von Letzteren mit Hilfe des unfehl baren Preßcensors, ausgeschmückt wurde, ganz und gar in das Reich der Mythe gehören und einzig und allein ein Glied in der fabelhaften Kette von Lügen und Entstellungen bilden, welche die Engländer während der ganzen Dauer des Krieges mit plump ster Naivität und größter Gewissenlosigkeit geschmiedet haben und noch heute fortwährend und unentwegt verlängern. Die Londoner Regierungsblätter und die Organe der JingoS machen sich natürlich durchweg über diese neueste „Pro-Boeren- Erfindunq, die nur zusammengebraut wird, um die wahren britischen Patrioten irre zu führen", nach besten Kräften lustig und befassen sich wieder einmal vergebens mit der Sysiphus-Arbeit, die Welt glauben zu machen, daß es, wie in diesem Falle, wie überhaupt stets, ein unanfechtbarer Beweis für irgend eine Mel dung sei, wenn deren Wortlaut und Inhalt zu den officiellen Be- kantmachungen des Londoner Kriegsamtes gehöre. Es kommt dabei gar nicht in Betracht, daß ungezählte Publicationen des britischen Kriegsministers bereits durch den Gang der Ereignisse Lügen gestraft wurden. eines Volker, daS einstmals zu den bedeutendsten Nationen ge hörte. Wenn ein Thomas Torquemada an 2000 Ketzer ver brennen ließ, wenn in den Jahren 1481 bis 1498 nicht weniger als 10 220 Personen den Flammentodt erlitten, wenn nach einer anderen Berechnung während deS Zeitraumes 1478—1670 über 13000Menschen verbrannt, 191000 anGeld undGut und Ehre bestraft wurden und ungefähr ebensoviel« in die Verbannung wandern mußten, — dann begreift man'», daß der wirthschaft- kiche Wohlstand sinken mußte, so lange die Henker Nom» an »er Arbeit waren. Nur andeutungsweise kann hier von den arausiaen, unersättlichen und doch wieder bestechlichen Gelüst«» jener frommen Väter gesprochen werden, die, wie ihr Lobredner, »er ultramontane Rodrigo sagt, ausschließlich die Absicht hatten, -die dogmatische und sittlich« Reinheit der Religion zu schützen". WaS mußte auS einem Volke werden, bei dem eine Verkehrung aller sittlichen Begriffe im Namen der Religion gepredigt wurde? Da legt 1681 in Valladolid der Vater mit eigener Hand Holz scheite an, um die ketzerischen Tö-Lter verbrennen zu helfen; da wird ein Juan Diaz um der Kirche Willen vom emenen Prüder erdolcht, und beim große« Verbrrnnun-Sfefi zu valla- Der Krieg in Südafrika. Die Neitz-Votha Briefe — eine Fälschung? Man schreibt uns aus London, 29. Juli: Nach allen Erfahrungen, die man bezüglich der britischen Warheitsliebe während der ganzen Dauer des südafrikanischen Feldzuges hat machen müssen, kann es kaum überraschen, daß jetzt mit einem Male die Meldung auftaucht, die von den Engländern angeblich in der Stadt Reitz erbeutete Correspondenz zwischen dem Generalcommandanten der Boeren, Louis Botha, und dem Staatssekretär Reitz sei nichts anderes als eine unverschämte Fälschung und entbehre jeder thatsächlichen Grundlage. Die Londoner Sonntagsblätter veröffentlichen ein Interview mit der Gattin des StaatSsekrtärS Reitz, die sich augenblicklich in Scheve- ningen aufhält und rundweg erklärt hat, daß die genannten Briefe einfach erfunden sind. Ihr Gatte würde niemals daran denken, sich in einer so kläglichen Weise über die Lage der Boeren zu äußern, wie er eS nach den englischen Schwindelmeldungen gethan haben soll. Diese fingirte Correspondenz sei von der britischen Regierung nur deshalb zurechtgestutzt und vielleicht auS tatsächlich gefundenen oder erbeuteten werthlosen Papieren her gerichtet worden, um im englischen Volke die immer schwächer werdende KriegSlust und daS weichende Interesse an der Ver gewaltigung der Boeren wieder neu anzufachen und zu beleben. Sonst aber sei an der ganzen Geschichte kein wahres Wort, und Frau Reitz soll ausdrücklich erklärt haben, daß sie ihren Gatten zu gut kenne, um nicht zu wissen, daß er niemals einen solchen Brief schreiben und an Botha senden würde. In gleicher Weise wird in den letzten Meldungen die Fabel vonder„beinaheer,folgtenGefangennahmedeS PräsidentenSteijn"alS solche aebrandmarkt, und diese an und für sich schon so unglaublich klingende Mär als voll ständig auS der Luft gegriffen bezeichnet. Steijn soll sich über haupt gar nicht in Reitz befunden haben, als dieser Ort von den Engländern besetzt wurde, und eS klang von vornherein stark L la Münchhausen, daß verschieden« Soldaten mit Revolvern und —L— Antiklerikale Unruhen sind in Spanien schon längst nichts Seltenes mehr, und auch gegenwärtig hat in den weitesten spanischen Volkskreisen eine tiefgehende Erbitterung gegenüber dem Klerikalismus Platz gegriffen, so sehr, daß die spanische Regierung wieder einmal rath- und hilflos ist. Das übrige Europa braucht sich nun freilich nicht darüber aufzuregen, wenn einem spanischen Erzbischöfe gelegentlich ein paar Fenster eingeworfen werden, und wenn ein dergestalt gekränkter Kirchen- fürst das Interdikt über die Gottlosen verhängt, — das sind Dinge, deretwegen die Welt ihren Gang ruhig weitergeht. Aber man muß diese Krawalle doch auch historisch zu begreifen suchen, und da wird man bald merken, daß sie der verzweifelte Ausbruch eines Jahrhunderte hindurch Pfäffisch versumpften Volkes sind, dem plötzlich die dunkle, aber ihrem Wesen nach doch richtige Ahnung aufsteigt: der Klerikalismus ist unser Feind! Die ultramontane Gefahr ist die verhängniß- vollste und betrübendste für ganz Spanien! Wenn irgendwo krasseste Intoleranz, wüthender Priester fanatismus und blödsinnigster Aberglaube ein Volk in Sclaven- ketten geschlagen bat, so rst es in Spanien. Einst hat es auch für dieses unglückliche Land bessere Zeiten gegeben, man kann sagen, bis ins elfte Jahrhundert hinein, wo man sich noch einer kirchlichen Unabhängigkeit erfreuen durfte und wo Rom in staatlicher Beziehung wenig oder gar nichts den Spaniern dareinreden konnte. Die großen Albigensrrverfolgungen des 13. Jahrhunderts ebneten aber den Römlingen den Weg, und als dann das menschenmordende Institut der Inquisition ge schaffen war, da legte sich allmählich jene geistliche Finsterniß über das Land, unter der alles warmherzige lebendige Leben in die Gefahr deS Erstickens kam. Es gehört zu den tragischsten Perioden der Weltgeschichte, daß die „allerkatholischsten Könige", Ferdinand und Isabella, mit allem Eifer für die politische und kirchliche Unabhängigkeit Spaniens eintraten und doch grade durch ihre „Frömmigkeit", die eine besondere, national-spanische sein sollte, den Ruin ihres schönen Landes anbahnten. Diese verblendeten Politiker hatten den Wahn, die spanische Inqui sition könne als eine rein staatliche Einrichtung dem ge meinen Nutzen dienen, und es sollte sich doch nur zu bald zeigen, daß Rom auch seinen eifrigsten Frommen, und sei eS bei der sonst so willkommenen Blutarbeit der Ketzerrichterei, keineswegs völlig freie Hand zu lassen gewillt war; Rom freute sich der Inquisition, aber es wollte selber, und zwar ganz allein, die oberste Leitung hierbei haben. DieS gab schon Sirius IV. recht deutlich zu verstehen, indem er,, um die bloße Machtherrlichkeit des Papstthums in dieser Frage zu zeigen, einen Beschluß Ferdinand'- und Jsabella's wegen Ver mehrung der Inquisitoren nicht billigte, sondern in dem daraufbezüglichen Breve vom 29. Januar 1482 die Entschei dung in solchen Dingen lediglich dem päpstlichen Stuhle Vor behalten wissen wollte. „Wir ermahnen Euch", so hieß eS in dem denkwürdigen Schreiben, „diesen unseren Befehlen nach zukommen ..... wie es sich für katholische Könige ziemt." Mit dankenswerther Offenheit hat der Jesuit Grisar diesen, sonst oft von ultramontaner „Wissenschaft" verschleierten That- bestand zugegeben und klargelegt: „So waren auch die Leiter der Inquisition nicht kraft königlicher Ernennung Groß inquisitoren, sondern kraft der an sie gerichteten päpstlichen Lullen." War schon die zunächst nur königlich-spanische Inquisition daS denkbar unsinnigste Mittel, um daS Ansehen deS Landes zu heben, so wurde dann daS römisch-internationale Jnqni- sitionstribunal auf spanischem Boden zum dauernden Fluche I dolid am 8. Oktober 1659, wo 13 Lutheraner hingerichtet Die ultramkinlane üüiefakr in Ävnnien I wurden, da erneut Philipp II. feierlich den Eid, den die Groß- Vlk uuramonilnik Iwr-ayr IN SplUllkN. Inquisitoren nach jeder Ketzerverbrennung im Namen des Papstes von den spanischen Königen verlangen. ES ist die absolute Unterwerfung unter Rom, denn der Herrscher gelobt, „stets d» heilige Inquisition schützen zu wollen und Alle-, war gegen den Glauben geschehe oder gesagt werde und zu seiner, des Königs, Kenntniß gelange, ihm, dem Großinquisitor, anzuzetgen". Man könnte einwenden, daS seien längst vergangene Zeiten. Nun ja, aber daß der officielle Klerikalismus immer noch principiell den vor Jahrhunderten Spanien gegenüber an gewandten Standpunkt vertritt, zeigt u. A. eine Aeußerung de» päpstlichen HauSprälaten Felix Cadene, der im Januarheft 1896 (!) einer in Rom erscheinenden ultramontanen Monats schrift, der „Revue romaine", deutlich genug die an der Kurie herrschende Anschauung aufzeigt und sich in folgender Weise er geht: Gewiß werde es „unter den Söhnen der Finsterniß" manche geben, die im Hinblick auf Spanien „mit rollenden Augen, aufgeblähten Backen und erweiterten Nasenlöchern gegen die sogenannte Unduldsamkeit deS Mittelalters losziehen". Aber mit Recht, so fährt der würdige Herr fort, hätten kirchliches und bürgerliches Gesetz gegen die Ketzer, die Wölfe im SchafS- felle, gekämpft. „Fern sei es deshalb von unt" — dieser Passus dürfte auch manchem Katholiken die Augen öffnen —, „daß wir, unklar gemacht durch die Dunkelheit deS Liberalismus, der sich in das Gewand der Klugheit kleidet, schwächliche Gründe aufsuchen, um die heilige Inquisition zu Vertheidigen. Fort mit den Redensarten von der damaligen Zeit, von der Härte der Sitte, von übertriebenem Eifer, alt ob unsere heilige Mutter, die Kirche, sei eS in Spanien, sei es anderSwo, entschuldigt werden müßte wegen der Thaten der heiligen Inquisition! Der glücklichen Wachsamkeit der heiligen Inquisition ist der religiöse Friede (!) und die Glaubensfestigkeit zuzuschreiben, die da spanische Volk ziert." Der Verfasser bricht nun in den be kannten Lobruf aus: „O, ihr gesegneten Flammen der Scheiter haufen, .... durch euch ist auch die bürgerliche Gesellschaft, gesichert gegen Zwietracht und Bürgerkrieg, durch Jahrhunderte hindurch glücklich und unversehrt erhalten worden!" Da hat man Rom in seiner wahren, sich immer und ewig gleich» bleibenden Gestalt. Das vom KlerikaliSmuS in Spanien wie nirgend ander- geübte System der Unterdrückung und Verdummung hat natür lich seine Früchte getragen. Zwei Fünftel des gesammten Be sitzes sind in den Händen der Klerisei. Neun Metropolitan sitze, denen 46 BiSthümer unterstehen, mit etwa 22 000 Parochien, entfalten eine unaemeffene Pracht. Da- neben hat Spanien selbstverständlich seine bevorzugten Orden, z. B. den von Calatrava, Santiago, Alcantara u. s. w. Allein von Staat- wegen steckt der spanische KleruS jährlich 42 Millionen Peseta- in die Tasche. Und wie sieht et dabei um da- sociale und geistige Wohl de- Landes auS? Nach einer Mittheilung der officiellen „Gazeta" hatten die Volks schullehrer am 31. December 1895 noch 8116 356 Peseta- (Francs) rückständige- Gehalt zu fordern. In der einen Provinz Malaga schuldete man den Lehrern 1118 012 Peseta-. Die Lehrer in einiaen Orten der Provinz Granada hatten seit mehreren Jahren keine Remuneration erhalten; kurz, in nur acht von 49 Provinzen waren die Lehrergehalte regelrecht ge zahlt worden. Daß unter solchen Umständen von einer nur einigermaßen gediegenen Volksbildung nicht die Rede sein kann, liegt auf der Hand. Nach einem CensuS von 1877 konnten 72 Procent (!) der spanischen Bevölkerung weder lesen noch schreiben. Berufslose- Gesindel und Abenteurer sind darum immer zu haben; die spanische Verbrecherstatistik zeigt, wie wenig man von dem Werthe eine- geordneten Leben- weiß, und man begreift'-, wenn der Staatsmann CanovaS del Castillo spöttisch äußern konnte: „In Spanien ist möglich, wa» in keinem anderen Staate der Welt möglich ist, — mit ein paar Tausend Mann kann man den Staat Umstürzen." ES ist interessant, zu beob achten, wie sich der Ultramontani-mu-, der doch schließlich an dem ganzen Verfall die aeschichtlich offenkundige Schuld trägt, hierbei herauSzureden versucht. Di« „Köln. DolkSztg." hat vor wenigrn Jahren einmal den großartigen Satz ausgestellt, die Hauptschuld an dem Niederganae Spanien- beruhe — auf dem Verluste der Armada und auf dem Anwachsen de- „kirchen feindlichen- Geiste-. Wa- daS Erstere betrifft, so hat ver gleich-weise Deutschland durch den Dreißigjährigen Krieg einen »eit härteren Schlag erlitten und sich doch wunderbar empor- aerafft; und da» Andere? Ja, dann hätte also die römische Inquisition noch immer nicht intensiv genug in Spanien ge arbeitet? E« wäre seltsam, wenn nicht auch in Spanien, aanz ab gesehen von der trotz blutigster Verfolgungen immer wieder ein setzenden evangelischen Bewegung, bin und wieder einige I Flinten auf den nur mit Hose und Hemd bekleideten Präsidenten findig« Köpfe gemerkt hätten, daß dtt PlerikaliSmuS rin ge-! zu schießen versucht hätten, daß aber in der kalten Nacht da- Oel borener Gegner jedes modernen Staatswesens ist. Die t in den Schußwaffen eingefroren gewesen sei und dieselben daher spanische Geschichte des 19. Jahrhunderts ist in dieser Be-1 unbrauchbar gemacht habe, so daß also Präsident Steijn seine ziehung ganz besonders bemerkenswerth. Die Inquisition mit! Freiheit oder gar sein Leben nur diesen „V ' ihren Scheiterhaufen hatte ja da ihre Rolle ausgespielt, aber der alte ultramontane, dem Volke fest eingewurzelte Gewissenszwang war geblieben, und er wurde auch grade politisch um so ge fährlicher, je mehr sich in der Hand des Klerus die schon an gedeuteten Reichthümer häuften. Die ultramontane Gefahr gestaltete sich also für Spanien mehr und mehr zu einer all gemein wirthschaftltchen. Der Unwille hierüber fand einen kräftigen Ausdruck, als man am 29. Juli 1836 alle Kirchen güter, ausgenommen die persönlichen Pfründen und die Dotationen für wohlthätige Anstalten, als nationales Eigen- thum erklärte und zum Verkaufe bot. Eine nicht zu unter schätzende Folge war es, daß nun eine ganze Menge Land für den Ackerbau frei wurde, während vordem die „todte Hand" ein besseres Geschäft durch bloße Anlegung von großen Weide plätzen gemacht hatte. Die Reaction folgte aber bereits am 26. Juli 1844, wo der Verkauf kirchlicher Güter durch ein königliches Decret suspendirt wurde. Der 41. Artikel des Concordates vom 16. März 1861 erlaubte der Kirche, neues Eiaenthum zu erwerben und gab ihr dieses Recht für immer. Jndeß das Spiel wiederholte sich: Am 1. Mai 1865 bot der Staat die Kirchengüter zum Verkaufe aus, und am 28. August 1859 erkannte er in einem neuen Abkommen Roms Ansprüche an. Und wieder unterlag Rom, und wieder kam es in die Höhe. Die Revolution von 1868 proclamirte die Idee des Nationaleigenthums, und als die Bourbonen zurückkehrten, kamen auch die Jesuiten wieder, und ihre Klöster und Schulen blühten auf; der Klerus verstand es, sich gute Erbschaften zu ichern und geeignete Ankäufe zu machen, und so blieb denn chließlich AÜes beim Alten. Man wird unter solchen Um- tänden den Grundsatz der liberalen Partei verstehen: „Die Kirche ist ein Schwamm, den man von Zeit zu Zeit sich voll saugen läßt, um ihn nachher desto besser auszudrücken." Frei lich ist mit dieser Theorie noch nicht viel erreicht worden, und es wird überhaupt nichts Ordentliches zu machen sein, so lange die spanische Regierung immer von Neuem dem Klerikalismus in die Arme sinkt. Mit schönen Redensarten ist hier gar nichts gethan, sondern erst dann wird Spanien einigermaßen zur Ruhe kommen, wenn Regierende und Regierte gemeinsam gegen ihren größten Todfeind vorgehen, wenn man sich über die ultra montane Gefahr verständigt und ihr die Wurzeln durchschneidet.
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