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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.07.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010731022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901073102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901073102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-31
- Monat1901-07
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Bezug--PretS Al tz« tza«ptexpeditio» od«r de« t» kt«dt» beKrl und den Vororte» errichtete» Aus- «abrstelle» obgeholt: vierteljährlich 4.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Han» ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. S. Maa aboanirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bet den Postanstaltea in der Schweiz, Italien. Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, de» Doaaustaaten, der Europäischen Türket, Egypten. Für alle übrigen Staate» iß der Bezug a«r unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blatte» möglich. Di« Morgea-AuSgabe erscheint um '/«? Uhr^ dto Adeuo-AuSgab« Wocheatag» um 5 Uhr. Nr-actio« and Lrve-itiour Jvfiannksgaff« 8. Fttialenr Alfred Lahn vorn». O. Klemm's Eorkim. Universität-straß» S (Paulinum), Louis Lösche, Hathoriueupr. park. «ed KöNigSPlatz A Abend-Ausgabe. MlpMcr TagMM Anzeiger. Ämtsölatt des Königliche« Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Votizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. 388. Mittwoch den 31. Juli 1901. Anzeigen-PreiS Hie 6 gespaltene Petitzeile S5 Neelamen unter dem Redactionsstrich (»gespalten) 75 vor de» Familiennach» richten (S gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz rutsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (exel. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesürderuug ^l 70.—» Annahmeschluß fSr Anzeigen: Abend-AuSgab«: Vormittag» 10 Uhr. Morgea-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Vet de« Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeige« find stet» a« di, Expedition zu richte«. Di« Expedition ist Wochentag» unuaterbroche« geöffnet vo» früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck md Verlag vo» E. Pol» tu Leipzig SS. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Vuerilla-Kainpfc. Lord Kitchener telegraphirt au» Pretoria: General Walter Kitchener operirt nördlich von Middelburg gegen Ben Viljoen. Da» 19. Husarenregimrnt nahm nach scharfem Ritt ein Pompomgeschütz. Die 18. Husaren kamen gerade zur rechten Zeit heran, um bei der Wegnahme von 20 Wagen und bei der Gefangennahme von 32 Boeren mit zuhelfen. Fünf Boeren wurden verwundet, ebenso fünf Mann von den IS. Husaren. * Landon, 30. Juli. Lin« Depesche de» General» Kitchener au» Pretoria vom 29. Juli besagt: Seit dem Bericht von den verschiedenen Truppenkörpern vom 22. Juli wurden 49 Boeren theil» getödtet, theil» verwundet, 803 wurden gefangen genommen, 205 Wagen, 2700 Pferde und BorrSthe wurden erbeutet. General Gilbert Hamilton überraschte PotgirterS Lager in der Nähe von Wolmaran» und erbeutete alle dort befindlichen Wagen; 21 Boeren wurden getödtet. — General Bruce Hamilton be richtet, daß er Myburgh'S Commando in der Nähe von Dassiesport überraschte und 24 Boeren gefangen nahm, darunter Myburgh selbst, der gefährlich verwundet wurde. Iu der gestrigen Sitzung der EntschädigungScommisston verkündete der Vorsitzende die Entscheidung bezüglich der Angestellten der Niederländisch - südafrikanischen Eisenbahngesellschaft, indem er erklärte, durch die Thatsachen sei erwiesen, daß die Angestellten nicht neutral geblieben seien; jeder von ihnen, der Anspruch aus Entschädigung erhebe, müsse Nachweisen, daß er positive Schritte gethan, um seine Neutralität zu wahren, sonst habe er auf Entschädigung keinen Anspruch. Der Vor sitzende theilte sodann unter Bezugnahme auf die öster reichischen Entschädigungsforderungen mit, diejenigen der Staatsangehörigen Österreich», sowie jede» anderen Lande», die sich als genügend begründet herausstellten, würden der englischen Regierung in liberaler Weise zur Berücksichtigung empfohlen werden, müßten aber unverzüglich vor der Com mission festgestellt werden. Die Wirren in China. Aus Peking, 30. Juli, meldet Reuter's Bureau: Ein Edikt des Kaisers über die Reorganistrung des Auswärtigen Amtes ist hier eingetroffen, das, sowohl was Fassung wie Inhalt an betrifft, die fremden Gesandten befriedigt, da es dm von ihnen als Friedensbedingungen gestellten Forderungen be züglich dieses Punctes völlig gerecht wird. In der Ein leitung zu dem Edict wird angekündigt, daß die auswärtigen Angelegenheiten in Zukunft als die wichtigsten Staatsgeschäfte angesehen werden sollen. Das Auswärtige Amt erhält den Vor rang von 6 Aemtern, die früher einen höheren Rang als dieses einnahmen. Das Edict bestimmt ferner, daß di« Gesandten inderHalleempfangen werden sollen, die bisher nur die nahen Verwandten des Kaisers betreten durften. Auch über etwaige Feste, die vom Kaiser den Gesandten veranstaltet werden soll««, ist Näheres festgesetzt. — Der deutsch: Gesandte Mumm v. Schwarzenstein wurde beauftragt, gemeinsam mit den Commissionen, die über die verschiedenen zur Verhandlung stehenden Berathungsgegenstände berathen haben, ein Protokoll abzufassen. — Die Maßregeln bezüglich der Bestrafung der Urheber der Unruhen wurden allgemein als ungenügend angesehen. DK Liste der Schuldigen, die ursprünglich 160 Namen enthielt, ist auf 54 herabgesunken, da es in den meisten Fällen unmöglich war, den Schuldbeweis zu liefern. Völkische Tagesschau. * Leipzig, 31. Juli. Heber das Zolltnrifgesct; läßt sich heute ebensowenig auch nur ein vorläufiges Urtheil fällen, als am Tage nach seiner Ver öffentlichung. Der Tarifentwurf leidet an einem schweren Fehler; die z. Z. giltigen autonomen und Vertragssätzc sind den neuen Zöllen nicht beigesetzt, und da die gvnze Anlage des Tarifs eine von dem bisherigen durchaus abweichende, übrigens ohn« Zweifel zweckmäßigere ist, gestaltet sich das Einkommen und Vergleichen der Jndustriezölle zu einer schwierigen und zeitraubenden Arbeit. Die lan-dwirthschaftlichen Zölle sind aber in der Hauptsache schon früher bekannt gewesen und, auch von uns, erörtert worden. Die Stuttgart«: „Jndiscrction" war nicht vollständig, aber, wie sich jetzt herausstellt, in allen Angaben richtig. Da hinzu kommt, daß das Veröffentlichte noch nicht im Bundesrath durchberathen ist und di« Berliner Regierung diesen Umstand mit bedeutsamem Nachdruck halbamtlich hervorhebvn ließ, so findet ein« objective und zugleich fruchtbringende Beurtheilung zunächst eine nichts weniger als breite Unterlage. Die Extremen haben es natürlich leichter. Sie üben geschwinde Justiz. Links wird der Entwurf als ein „Monstrum", ein« Satire auf die Wrltpolitik, sowie, und zwar dies nicht zuletzt, als «ine Heraus forderung aller Staaten >oem Hasse und der Verachtung preis gegeben, und auf der äußersten Rechten erwartet man, wie schon mitgetheilt, auch die bescheidensten Landwirthe würden sich durch dies« Getreidezölle nicht zufrieden g«stellt fühlen; die Vieh- und Fl«ischzölle finden, was beiläufig bemerkt sei, mehr Gnade vor den Augen der Gewaltigen an der Spitz« des Bundes der Lanv- virthe. Die Uebertreibungen und Treibereien können besonnene Politiker um so weniger anfechten, als berufene Organe der Land- wirthschaft, auch der Großgrundbesitzer, und ebenso publicistische Wortführer weiter und wichtiger industrieller Kreise sich im Ganzen und Großen zustimmend äußern. Es will denn auch scheinen, als ob der Entwurf als Grund lage der Erweiterung acceptirt werden könnte und dies um so mehr, als es eben nur der Entwurf einer Bundes rathsvorlage ist, die Regierungen selbst also noch nicht für alle Einzelheiten einstehen und deshalb die öffentliche Kritik, soweit sie sachlich ist, auf sich wirken lassen können, ohne „Nach giebigkeit" zu zeigen. Der Entwurf steht auf dem Boden der „Sammlung", im nicht mißbräuchlichen Sinne des Wortes, er bemüht sich, die widerstreitenden Interessen so gut, wie dies überhaupt möglich, zu versöhnen. Wie weit dies Pestreben von Erfolg gekrönt ist, bedarf sehr reiflicher Prüfung. Es wird zu untersuchen sein, ob dem Export nicht da und vor! unnöthig hohe Schranken durch unmäßig hohe Forderungen an das Ausland gezogen sind, und nicht minder sorgfältiger Prüfung bedarf die Frage nach der ausreichenden Wahrung der Inter essen der Consumtion, die ihr Recht auf Berücksichtigung hat, wenn auch Nichtsalsconsumenten nicht vorhanden sind, und die Beachtung der unumstößlichen Wahrheit, daß Mangel an lohnender Erwerbsgelegenheit schlimmer ist, als eine etwaige engbegrenzte Vertheuerung der Lebenshaltung, als oberste Pflicht gegenüber der deutschen Arbeiterschaft im Auge behalten werden muß. Ob beispielsweise die Fleisch- und Viehzölle des Tarifs der gebotenen Berücksichtigung der Verbraucher hinlänglich Rechnung tragen, ist vorläufig ebensowenig dargethan, wie sich die Frage bejahen läßt, ob man gleichfalls beispielsweise, mit der Beseitigung der Zollconten für fast alle Maaren und der einem Verbot nahekommenden Pestimmung über die gemischten Transitlager dem Handel gerecht wird. Auf den ersten Plick erscheint es nicht so, und die Landwirthschaft selbst wird viel leicht durch zu hohe Bemessung der Zölle auf gewisse Futter mittel, wie z. B. Mais, unangenehm überrascht worden sein, und in der Industrie erheben Berufe, und zwar aus ein leuchtenden Gründen, das Buchbindergewerbe, die Album- unv ^'ü!sfabri*anten, Klage über die außerordentlich starke Er höhung der Zölle auf benöthigte Materialien und setzst eigene Ganzfabrikate, von deren nicht ge botener allzu kräftiger Peschützung man Repressalien befürchtet. Für die Beurtheilung dieser und zahlreicher anderer Einzelheiten müssen der unbefangenen Presse und dem Reichstag Grundlagen durch verständige, maßvolle Rede und Gegenrede der Vertreter der entgegenstehenden Interessen geboten werden, wozu reichlich Zeit vorhanden sein wird. Die grundsätzliche Opposition aber und die wilden Formen, in denen sie sich zur Geltung bringen zu können glaubt, sind, und dies sollen sich alle Interessenten ge sagt sein lassen, von Uebel, sie verwirren, verbittern und mindern Neigung und Fähigkeit zum sachlichen Prüfen. Die Festsetzung von Zöllen ist ein nüchternes Geschäft, zu dem man mit der Auf stachelung der Leidenschaft auf die ungeeignetste Weise vor bereitet. Auch die mit immer gesteigerter Lungenkraft in die Welt gerufene Behauptung: „Mit solchen Mindestgetreide zöllen macht man keine Handelsverträge", gereicht etwaigen, vom Tarif in der That bedrohten Interessen nicht zum Vortheil. Wir haben schon wiederholt der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, der Reichskanzler, der den Doppeltarif und seine Sähe gebilligt hat, werde Wohl kaum Lust gehabt haben, sich die Losung einer wichtigen Aufgabe durch das Aufthllrmen eines unübersteiglichen Hindernisses unmöglich zu machen. Es war von Anfang an klar, daß Graf Bülow die Wirkung der Mindestsätze, die die Socialdemokraten und Freisinnigen ihnen zuschreiben, nicht be fürchtet haben kann. Nun hat Minister Möller dies für Rußland bestätigt, und was Oesterreich-Ungarn angeht, so imponiren die Absage-Artikel der Wiener und Pester Blätter, sowie die Auf sätze des Herrn von Matlekowics nicht im Mindesten. Diese sind Parteischriften eines unyärischen Patrioten, der für sein Land — natürlich — so viel als möglich heraus schlagen möchte, und jene Hetzartikel sind z. Th. kamerad schaftliche Dienste, die ausländische Vertreter einer gewissen Clique den Berliner Klünglgenossen leisten. Tie völkerrechtlichen Vrgcbiiissc der Haager JricdenS- confere»; unterzieht Professor K. v. Stengel, bekanntlich einer der Delegirten de» Reiche» bei der Haager Berathung, in der „Deutschen Iuristen-Ztg." einer zusammensassenden Betrachtung, von der folgende Schlußsätze von besonderem Interesse sind: „Nachdem so eia formeller Abschluß der Arbeiten der Conferenz erreicht war, hat der deutsche Reichskanzler nunmehr die drei Con ventionen und die drei Declarationen im französischen Urtexte mit deutscher Uebersetzung am 9. Mai 190l dem Reichstage zur Kenntniß vorgelegt. Eine Einholung der Genehmigung des Reichstages war nicht erforderlich, da es bei den in Rede stehenden Abmachungen sich lediglich um internationale Angelegenheiten handelt, die nicht in die Zuständigkeit des Reichstage» fallen. Von den drei Declarationen hat nur die über da» Verbot der Anwendung der sogenannten Dum-Dum-Geschosse eine größere Tragweite; dagegen enthalten die Abkommen über da» Kricgsrecht und die Ausdehnung der Grundsätze der Genfer Con vention auf den Seekrieg einen bedeutsamen Fortschritt auf dem Gebiete des Völkerrecht» bezw. Krieg-recht» und werden sicherlich im Laufe der Zeit auch bei denjenigen Staaten Anerkennung finden, die auf der Haager Conferenz nicht vertreten waren und daher die selben bisher nicht unterzeichnet haben, denselben aber jederzeit bei treten können. Weniger günstig muß das Urtheil über die sogen. Schied»- gericht-convention lauten. Denn auch zugegeben werden kann, daß durch dieselbe die Möglichkeit, Streitigkeiten unter Staate« gütlich beizulegen, gefördert worden ist, so ist doch andererseits nicht zu verkennen, daß manche Bestimmungen der Convention, nament lich der zweite Titel über die guten Dienste und die Vermittelung, nicht unbedenklich sind, da sie mächtigen Staaten die Handhabt geben können, sich in die Zwistigkeiten kleinerer Staaten in einer der«« Unabhängigkeit beeinträchtigenden Weise einzumtschen. E» wird sich daher erst in der Zukunft zeigen müssen, ob sich die Bestimmungen der Convention bewähren und ob dieselben wirklich in dem Maße zur Beseitigung kriegerischer Conflicte beitragen werden, wie die» von mancher Seite erwartet wird." Die am Sonntag in Frankreich vollzogenen Stiche Wahlen für die Äencralriithc haben nicht blos neue Er« folge für das Ministerium Waldeck - Rousseau ge bracht, sondern auch gezeigt, daß die s o c i a l i st i s ch e Partei, insofern sie sich gegenüber dem Verbleiben ihres früheren Ge nossen Millerand in der Regierung ablehnend verhält, keineswegs vöm Wahlglücke begünstigt wurde. Allerdings ist die Streit frage, ob ein Socialist in ein „Bourgeois-Ministerium" eintreten dürfe, auf den Partcicongressen keineswegs gelöst worden. Die Gegensätze haben sich jedoch in dieser Hinsicht gerade im focia- listischen Feldlager verschärft, und dies gelangte auch be! den jüngsten Stichwahlen zum deutlichen Ausdrucke. Auch der frühere Conseilpräsident Meline und dessen Parteigänger mußten sich soeben überzeugen, daß die Wähler trotze des Vereinsgesetzes durchaus nicht auf ihrer Seite stehen. Die jüngsten Stich wahlen erstreckten sich auf 93 Kreise. Die Republikaner eroberten 14 Sitze der Conscrvativen und Nationalisten, die Radicalen und die Socialisten 13 Sitze der gemäßigten Republikaner. Im Ganzen gewannen die republikanischen Parteien 27 Sitze und verloren 6. Da in den Hauptwahlen der Gewinn der Republi kaner 50 Sitze betrug, so haben sie nunmehr 71 Sitze erobert. Besonders unglücklich waren die Socialisten in Lille, wo der bekannte Maire Delory und zwei andere Parteiführer durchfielen. Diese Niederlage dürfte dem heftigen Kampfe zu zuschreiben sein, den die französische Arbeiterpartei, der die Socialisten von Lille angehören, gegen die regierungstreuen Radi calen geführt hat. Auch die regierungsfeindlichen gemäßigten Republikaner haben zwei schwere Verluste erlitten. In Lyon wurde der MeliNistische Abgeordnete Fleury-Ravarin geschlagen und in Montauban der Abgeordnete Maurice Lasserne, der Meline noch näher steht. In Pelfort siegte Philippe Äerger, der Nachfolger Renan's im College de France, als Republikaner über den bisherigen monarchistischen Generalrath und ehemaligen Ab geordneten Keller. Die vier regierungsfreundlichen Abgeordneten und Senatoren Delobeau (Finistöre), Graf d'Annay (Niövre), Allombert (Ain) und Weil-Mallez (Nord) wurden wiedergewählt. Die Angaben der „Agence Havas" weichen etwas von denen des Ministeriums des Innern ab. Sie zählt 83 Republikaner und 11 Conservative und meldet, daß die Republikaner 17 Sitze ge wonnen und 7 verloren haben. llm Geld. Roman von F. Ilex. Nachdruck verdeten. Nachdem er abgelegt, und zwar in dem Zimmer des Vaters, dem ersten rechts vom Eingänge, wo man die besten Möbel untergebracht und für seinen Gebrauch ein Bett aufgeschlagen hatte, fing er an, mit gemischten Gefühlen die Ueberreste einer vergangenen, besseren Zeit zu betrachten. Die Polstermöbel trugen noch dieselben Bezüge, wie er sie sich aus seiner frühesten Kindheit erinnerte. Hier stand der Schreibtisch des Vaters, in etwas veralteter Form, aber wohlerhalten und blank. Dar über das Bild des Königs — jetzt des Kaisers — in geschnitztem Nahmen, von der Königskrone überragt —, das Hochzeits geschenk des alten Regiments seines VaterS. Die Oelbilder der beiderseitigen Großeltern in breiten Goldrahmen; die Photo graphien der Eltern als Brautleute, allerdings schon merklich abgeblaßt und selbst bis auf den Schnitt der Uniform veraltet. Alles machte den Eindruck des mit der größten Sorgfalt vor weiterem Verfalle Behüteten, was aber nicht verhindern konnte, daß sich ein Hauch der Schäbigkeit trotz alledem über jedem Gegenstand breit gemacht hatte. Der Teppich war abgetreten und verblichen: Tischdecke und Sophakissen trugen jene verdächtigen Schoner, die dem kundigen Auge, durch ihre Anwesenheit allein schon, ihren Zweck, Mängel zu verdecken, statt abzuwehren, zu verrathen pflegen. Die Vorhänge zeigten wahre Meisterwerke von Flickarbeit, so daß es wie em Wunder erschien, daß sie überhaupt noch zu sammenhielten. Weit behaglicher, weil den Stempel deS Bewohnten tragend — waS bei dieser ersten Stube nicht der Fall —, war da» so genannte Eßzimmer, in welchem sich die Familie den Tag über aufzuhalten pflegte und welches durch eine schmale, einfache Thur mit dem Zimmer deS Vater» verbunden war. Hier stand noch dar alte wohlbekannte Büffet, der breite Ausziehtisch, zwischen dessen Füßen sich so manche Scene de« frühesten Jugendlebens abgespielt hatte. Hier begrüßte er da» Nähtischchen der Mutter mit seinen tausend Schublädchen und Geheimfächern, die mit allerhand schönen Sachen, wie Knöpfen, Perlen u. s. w., angefüllt, so oft die Begehrlichkeit des Knaben angeregt. Wie gut erinnerte er sich noch, daß er zu Füßen der Mutter geseffen, Garn gewickelt oder sonst sich nützlich ge macht und dabet den Geschichten gelauscht, die der damals noch nicht so von Sorgen umwitterte Mund so schön zu erzählen gewußt! Hier war auch noch das Centimetermaß, das so schnell in sein Gehäuse schnappen konnte, wenn man den Knopf losließ! Oben auf dem Schranke stand noch die alte Garnwinve in Ge stalt eines Carroussells, mit dem einen, durch seine Schuld zu kurz gewordenen Arme, von dem die Wolle dann so gerne herunter zu fallen pflegte! Nach diesen Streifzügen setzte er sich wieder zur Mutter, die ab und zu geschäftig zwischen Küche und Wohnstube hin und her eilte, und erzählte ihr und den aufhorchensen Schwestern bunt durcheinander, was ihm in den Kopf kam, wober selbst verständlich die letzten Erlebnisse, besonders während der Reise, in erster Linie Berücksichtigung fanden. Das rege Interesse, welches er an seiner Reisegefährtin genommen, konnte dabei seiner Zuhörerschaft nicht verborgen bleiben, und freundlich neckend zogen ihn die Schwestern mit seiner verkappten Prin zessin auf, die wohl nächstens mit dem Diadem im Haar in der niederen Hütte erscheinen werde, um dem jungen Beschützer Hand und Scepter anzubieten. Für die Schwestern war heute Feiertag. Elisabeth, die ältere, batte erst Nachmittags ihre Unterrichtsstunden zu geben, und Marianne, die mitten in der Vorbereitung zum Lehrerinnen examen stand, erklärte rund heraus, heute Vormittag wenigstens „Ferien" zu haben. So nahte die Essenszeit heran. Während die jüngere Schwester den Tisch deckte, machte sich Frau v. Steinberg! in der Küche zu schassen, „um", wie sie sagte, „nach dem Rechten zu sehen". Paul war zu sehr daran gewöhnt, seine Mutter von früh bis spät, nicht nur im Hause, sondern auch in dcr Küche, ihätia zu sehen, als daß ihm dabei etwas ausgefallen wäre. Als jedoch auch das Aufträgen der Suppe durch die Hausfrau selbst ge schah, und sich bei dem Abnehmen der Teller eine der Schwestern erhob, da stieg es ihm bei der Frage: „Habt Ihr denn kein Mädchen mehr?" doch heiß vom Herzen auf. Mit einem freundlichen Blick, begleitet von einem zärtlichen Streicheln seiner Hand, wurde ihm die Antwort: „Nein, mein lieber Sohn, wir behelfen unS jetzt, wo beide Schwestern er wachsen sind, mit einer Stundenfrau für die gröbere Arbeit und befinden unS sehr wohl dabei, ganz abgesehen davon, daß die Ansprüche der Dienstboten gar nicht mehr zu befriedigen sind." Paul quoll der Bissen im Munde, und um so mehr, als er bemerkte, daß von dem kleinen Braten, den man offenbar ihm zu Ehren bereitet, Mutt«r und Schwestern sich nur kleinste Scheibchen vorgrlcgt, während er, in seine n jugendlich gesunden Appetit und vom Officierscasino an reichliches, wenn auch ein faches Essen gewohnt, gleich tüchtig zugegriffen hatte. Ihm war dic Lust am Essen vergangen, und auch der Wein — eine jedenfalls noch viel seltenere Erscheinung auf diesem Tische —, von dem die Seinen auch nur genippt, schmeckte bitter wie Galle. Als Paul sein Glas erhob, um auf den ab wesenden Vater anzustoßen und ihn das Auge der Mutter mit wehmüthigem, wie von Thränen verschleiertem Blick traf, da hielt er es nicht länger aus, heiße Thränen stürzten auch ihm aus den Augen, und, aufspringend, schloß er sein Mütterchen in die Arme, als müsse er es vor einer unsichtbar drohenden Gefahr beschützen. Frau v. Steinbergk faßte sich zuerst — mit sanfter Hand strich sie über das Gesicht ihres Aeltesten, glaubte sie doch, ihn trösten und aufrichtcn zu müssen, da sie nicht ahnen konnte, unter welchen seelischen Qualen ihr so zärtlich geliebtes Kind litt. In ihren Augen war es nur das reinste Mitgefühl, welches sich in dieser überquellenden Weise äußerte, und in dieser Sohnesliebe glaubte sie den reichsten Ersatz für alle Entbeh rungen und Enttäuschungen und gleichzeitig die Gewähr zu finden, daß der Sohn, der so mit den Eltern empfinden konnte, sich und seiner selbst auch fürderhin nicht untreu werden könne. Die Schwestern hatten tapfer die Thränen niederaekämpft, und namentlich Marianne, welche die sogenannten besseren Tage überhaupt nicht mehr gekannt, und den Eltern durch ihren guten Humor schon über so manche trübe Stunde hinweggeholfen Hatte, fand auch jetzt wieder ein passendes Wort, die aufsteigen den Wolken zu bannen. Doch die, unter dem Eindrücke des Wiedersehens freudig erregte Stimmung des Vormittags war gestört! Das einfache Mahl wurde unter mühsamem Zusammenraffen der einzelnen Betheiligten, sich möglichst unbefangen zu geben, wehmüthig ernst beendet, da sich die auf jedem Einzelnen wie ein Druck lastende Abwesenheit des Vaters immer fühlbarer machte. Paul's Frage nach der Adresse desselben, und ob er ihn nicht noch vor Sonntag besuchen könne, wurde von der Mutter — nicht ohne Verlegenheit — theils mit Stillschweigen übergangen, theils entschieden verneint. Der Äater sei durch die neue Thätiakeit so in Anspruch genommen, daß er ausdrücklich den Wunsch ausgesprochen habe, nach keiner Richtung gestört zu werden. Diese für die Zukunft sehr günstige Aussichten eröffnende Stellung habe sich erst in der allerletzten Zeit gezeigt, doch habe der Vater seine Gründe, dar über nicht zu sprechen, um nicht durch einen möglicher Weise dadurch entstehenden größeren Wettbewerb um den gewünschten Erfolg gebracht zu werden. Au« diesem Grunde habe die Mutter selbst den Schwestern nicht» Nähere» mitgetheilt. Paul möge eS ihr daher auch nicht als Mangel an Vertrauen auS- legen, wenn sie auch ihm gegenüber dem Wunsche des Vater» nachkomme und dasselbe Stillschweigen beobachte. So sehr Paul auch mit seinen eigenen trüben Gedanken be schäftigt war, so entging ihm dieses Mal doch nicht, in welch' stockender, geradezu verlegener Weise diese Mittheilungen er folgten; er war jedoch viel zu wohl erzogen und zu voller Achtung vor der Mutter, um mit weiteren Fragen in sie zu dringen oder gar an der Wahrheit des Gehörten zu zweifeln. Elisabeth war unterdessen zu ihrer Schule gegangen, wäh rend Marianne, nachdem sie in Gemeinschaft mit der Schwester den Tisch abgedeckt, in einer Ecke des Zimmers saß und mit zugehaltenen Ohren fleißig französische Zeitwörter zu wieder holen schien. In der Küche hörte man die Stundenfrau mit dem Geschirr klappern. Paul wußte aus Erfahrung, daß seine Mutter nach Tisch etwa» Ruhe bedurfte, und hatte sich daher in das ihm zu gewiesene Zimmer zurückgezogen, wo er mit dem Auspacken und Unterbringen seiner Reisegeräthschaften begann. Der Regen, der den ganzen Vormittag Alles grau in grau gemalt, hatte nachgelassen, so daß Paul nach Beendigung seiner Arbeit, schon um auf andere Gedanken zu kommen, die freie Stunde zu benutzen beschloß, um sich etwas in Berlin und gleich zeitig nach einer Wohnung für sich umzusehrn. Sein Quartier bei den Eltern aufzuschlagen, verbot sich, schon in Rücksicht auf die Beschränktheit deS Raumes, der nicht das kleinste Gelaß für den Burschen übrig ließ, ganz von selbst, abgesehen davon, daß es Paul sowohl, wie seinen Angehörigen nicht minder im höchsten Grade peinlich gewesen wäre, dem fremden Menschen Einblick in die innersten Familienverhältnisse zu gestatten. Was würde der sonst ordentliche und anhängliche, aber gewitzigte Rheinländer zu der Enge und Dürftigkeit der elterlichen Woh- nung gesagt haben? Allein schon der Mangel eine» Weib- lichen Dienstboten würde dem tapferen Vaterlandsvertheidiger naturgemäß in allererster Linie ausgefallen sein und zu allen möglichen — von der Wahrheit voraussichtlich nicht allzu weit abliegenden — Vermuthungen Veranlassung gegeben haben! Ebenso wäre e» Paul, bei der nothwendiaen Angabe seiner Wohnung im Geschäftszimmer der Tun Anstalt, peinlich ge wesen, e» in den Kreisen seiner Kameraden bekannt werden zu lassen, daß seine Eltern in dieser abgelegenen, nichts weniger als eleganten Straße wohnten. Steinbergk war weit davon entfernt, sich feiner Angehörigen zu schämen, er würde den bloßen Gedanken, daß man ihm eine derartige Charakterlosigkeit zutrauen könne, weit von sich ge wiesen haben, ex war sich — im Segentheil — bei diesen Er«
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