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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.08.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000804018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900080401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900080401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Gröbere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer and gtsferusatz nach höherem Tarif. Ptztra-Veilaoen (gefalzt), nur mit d« Morgen»Ausgabe, ohne Postbrförderuu» 60.—, mit Postbesürderuug ^i 70.— Annahmeschluß für Aiyri-err; Abrnd»Au»gabe: vormittag» 10 Uhu Margen-Au»gabe: Nachmittag» »Uhr. Vei dm Filialen und Annahmestelle» je «Nm halb« Stund« früher. Anzeige« find stet» an di« Erpedttto» zu richt««. Druck und Verlag von L Polz in Leipzig 382. Sonnabend den 4. August 1900. 9t. Jahrgang. Die Colonialarmee. Hk. T. O. Die „Deutsche Colonialzeitung" vom 2. August veröffentlicht den Schluß des Aufsatzes Herrn v. Wsss- mann's über die Schaffung einer deutschen Uebersee- truppe. Der Anfang des Artikels stanld in unserer Nr. 377. Der Verfasser geht von den bisher angewendeten praktischen Gesichtspunkten zu den moralischen über und sagt: „Haben wir nicht die absolute Verpflichtung, unsere Lands leute draußen zu schützen vor der Mörderihand aufgeregter, wilder Massen? Haben wir nicht die Schuldigkeit, deutsche Arbeit und deutsches Eigenthum in Schutz zu nehmen, wo der Schutz des Landes, in dem der Deutsche arbeitet, es nicht vermag? Diese Verpflichtung sollte auch jedem Gegner unserer Colonialpolitil als unumgänglich nöthig einleuchten; denn auch, wenn wir keine Colonien hätten, so würden doch viele Tausende von Deut schen in allen Thülen der Welt, bedroht an Eigenthum und Leben, hilfesuchend nach dem Vaterlande blicken, so würde doch der große Welthandel, der heute von einer Großmacht nicht zu trennen ist, unter dem Schuhe des Vaterlandes stehen müssen, wenn wir nicht materiell und moralisch den anderen Großmächten gegenüber eine jämmerliche Stellung «innehmen wollten. Der hier ruhig unter dem starken Hohenzollern-Scepter im Genuß aller Freuden der Civilisation lebende Deutsche soll sich doch ein mal, wenn er seine Morgenzeitung liest, beim Kaffee und einer Pfeife Tabak, vergegenwärtigen, in welcher furchtbaren Angst und Sorge in milden Ländern bedrohte Deutsche mit Weib und Kind nach Hilfe von der Heimath ausschaurn, wie schrecklich sie zu leiden haben, wenn Tag für Tag ein grausiges Schicksal sich Mann, Weib und Kind immer mehr nähert, in welcher Ver zweiflung sie vielleicht ihren Landsleuten daheim fluchen weiden, sich sagend, daß die in aller Ruhe und Sicherheit zu Haus Sitzen den sich nicht aufschwingen können, täglich ein Glas Bier weniger zu trinken, um für ihre Flagge und für ihre Landsleute draußen «inen genügenden Schuh Lu bewilligen. Wer wie ich noch die Zeit unseres eigentlichen Aufschwunges von den ersten Anfängen einer Colonialpolitik draußen in frem den'Erdtheilen verfolgt hat, hat noch recht oft Gelegenheit gehabt, zu hören, wie sehnlichst man erwartete, daß sich einmal auch Deutschlands Macht draußen zeige, um nicht von den anderen Nationen über die Schulter angesehen zu werden und dadurch auch materiell zu lüden. Wie oft habe ich gehört, daß mit einer gewissen Resignation Vie Landsleute draußen sich sagten, der Reichstag bewilligt ja doch nicht die Mittel dazu, daß auch wir, wie andere Nationen, uns darauf verlassen können, daß wir im Falle der Gefahr und Noth von der Heimath beschützt werden! Wie viel mehr wird das jetzt in C h i n a der Fall gewesen sein! Welch' furchtbare Angst und Sorge hat wohl mancher Familienvater um die Seinen ausgestanden! Mit welch' fester Hoffnung wird er zuerst, mit welch' brennender Ungeduld dann Hilfe vom Vaterlande erwartet haben! Mit welcher Verzweiflung und welchem Jammer hat er dann sehen müssen, daß er einer wüihenden, mordgierigen, fanatischen Bande auf Gnade und Ungnade preisgegeben war; wie mancher Fluch mag wohl dem Verzweifelten entschlüpft sein, der sich gegen die richtete, die nicht versieben wollen, daß, um unser« Landsleute draußen zu schützen, Mittel nöthig sind! Wenn in England Forderungen für Truppenverstärkungen in den Colonien stets anstandslos be willigt werden, so ist das wirklich nicht in erster Linie eine Folge des „Krämergeistes", den man so häufig unseren angelsächsischen Vettern vorwirft. Es ist auch bei vielen Tausenden die Sorge um die Ihrigen, die draußen sind, ja, richtiger gesagt, wohl bei dem ganzen Volke die Sorge um das Schicksal ihrer Landsleute. Und das ist doch wieder fraglos ein edler, anzuerkennender treibender Grund. Man erinnere sich des Schicksals von Gor - donPascha und vieler anderer Fälle, in denen sich dies wahr haft vornehme Gefühl im englischen Volke kundgab. Das wird auch der heißblütigste Gegner Englands dieser Nation mit ihrem großartigen Patriotismus zugestehcn müssen. Sollen wir ihnen in so vornehmem Fühlen und Denken nachstehen? Und noch ein anderer Punct. Wo würde Deutschland in schweren Zeiten, in KreiegSzeiten, bleiben, wenn es nicht seine Bedürfnisse auch von außerhalb her decken könnte? Wir sind ja in den letzten Monaten zur Genüg« belehrt, daß kaum eine Macht der Erde beute ohne Gefahr sich ganz auf ihre eigenen Hilfsmittel verlassen kann. Wir müssen uns für alle Fälle, selbst abgesehen von Colonien und Interessen im Ausland, den Weg offen halten, unsere Be dürfnisse auch von der Fremde her beziehen zu können. Daß die Beweise für dieNothwendigkeit einer starken Flotte überwältigend waren, das zeigt der schnelle Umschlag in den Verhandlungen des Reichstags für die Vermehrung der Flotte. Es hat nur kurze Zeit gedauert, den deutschen Bürger von berufener Seite aufzuklären über die Nothwendigkeit. Daß die Flotte allein nicht ihre Aufgabe erfüllen kann, glaube ick' oben bewiesen zu haben durch die Erfahrungen, die wir selbst schon in unserer geringen Praxis gemacht haben. DaS beweist täglich die Geschichte, besonders Englands, so eklatant, daß nur der, der nicht sehen will, nicht zu überzeugen ist. Also mit der selben zwingenden Nothwendigkeit, mit der wir uns entschließen mußten, unsere Flotte zu vergrößern, mit derselben Nothwcndig- keit müssen wir im Stande sein, stets und schnell nach allen Gegenden der Welt eine Macht zu schicken, die die Flotte dort unterstützt, wo sie allein nicht mehr hinreichen kann. Es klingt dies bedenklicher, als es ist; denn die großen, wirklich mächtigen civilisirten Nationen schützen auch die Fremden, die unter ihrer Flagge wohnen, schützen sie an Leben und Eigenthum, selbst im Kriege. Nur tief unter unserer Cultur stehende und meist im Verhältniß zu unS schwache Mächte bedrohen deutsche» Leben und deutscher Eigenthum in ihren eigenen Gebieten. Die mächtigste dieser tiefer stehenden Nationen, die chinesische, hat diese» jetzt gethan, und e» ist vielleicht für unsere fernere Ge schichte ein Glück, daß wir gleich mit einer solchen Macht zu thnn haben, un» für solche Fälle vorbereiten müssen, obgleich der Fall noch sehr viel ernster liegen könnte, wenn Deutschland allein be leidigt und geschädigt wäre und allein sich Genugthuung ver schaffen und seine Landkleute schützen müßte. Gerade de»halb, mein« ich, ist e» gut, daß wir jetzt eine Schule in größerem Verhältniß durchmachen. Wir werden darin weit mehr lernen, al» in unseren biiherigen colonialen Kämpfen, in denen unsere Feinde doch nie so zahlreich waren, wie in dem Riesenreiche Ostasien». Trotz aller Gegenmeinungen, trotzdem man vielen Beurtheilern vorwirft, daß sie die chinesische Armee unterschätzt haben, glaube ich doch Voraussagen zu können, daß man am Ende der Kämpfe in China darüber klar sein wird, daß der Chinese ein schlechter Soldat ist, die chinesische Armee, abge sehen vielleicht von ihrer Zahl, hinter allen Kämpfern aller Länder unseres Erdballes weit zurücksteht. Ich kenne nur wenige Chinesen und kenne sie als Soldaten persönlich gar nicht. Wenn ich aber die, die ich kenne, vergleiche mit allen anderen wilden oder halbcivilisirten Völkerschaften, so scheint es nur doch, daß es kein Volk der Erde giebt, das nicht an Feigheit, Un entschlossenheit und Mangel an kriegerischer Begabung vom Chinesen noch übertroffen wird. Natürlich ist die Masse in Verbindung mit dem Fanatismus, immerhin bedrohlich. Nur diese beiden Factoren vereint machen d:e Lage heute schwierig; denn wenn man den chinesisch-japani schen Krieg mit seinen geradezu im Verhältniß zur Kämpferzahl lächerlichen Verlusten in Vergleich zieht, wenn man sich klar macht, daß doch immerhin die japanische Armee, die ja weit über schätzt wird, wie ich von vielen guten Kennern derselben erfahren habe, spielend mit den großen Horden Chinas abrechnete (damals fehlte allerdings die heute treibende Kraft: der Fanatismus), so muß man als Resultat auf meine obige Behauptung kommen. Ich möchte mit alledem sagen, daß der Steuerzahler nicht bloß vor Furcht und Schrecken zu sein braucht, wenn man von ihm den Stamm für «ine Truppe fordert, die überall auf d^r Welt das deutsche Leben und deutschen Besitz schützen soll. Es wird eine solche Anforderung immerhin noch leicht, ja, ohne daß er es merkt — möchte ich fast sagen —, vom deutschen Steuer zahler zu tragen sein. Es wird dieses nöthige Opfer auch nicht annähernd an die Ausgaben für die Flotte heranreichen. Sollten wir einmal später größere Besitzungen im Auslande haben, die größerer, in der Kolonie stationirter Truppen bedürfen sollten, so wird auch diese Kolonie die Kosten dieser Truppen tragen müssen. Da man zur Verstärkung eines Stammes für Colonial truppen auch noch die Truppenkörper, die man heute nach China gesandt hat, also die Scebataillone, heranziehen kann, da man eventuell die von der Heimath ansgesandten Truppen noch durch deutsche Colonialtruppen mit farbiger Mannschaft verstärken kann, so wird wirklich nicht eine ganze Colonialarmee vonnöthen sein, um stets schlagfertig überall die Ehre der schwarz-weiß- rothen Flagge, das Leben der in unsicheren Ländern lebenden Deutschen und ihr Eigenthum zu schützen. Das sollte sich ein Jeder klar machen: mit geringen, kaum fühlbaren Opfern kann er den Vorwurf von sich abweisen, daß er nichtswürdig nicht sein Alles an die Ehre seiner Nation gesetzt habe, daß er deutschen Unternehmungsgeist und Fleiß, der auch ihm tausendfach zu Gute kommt, nicht geschützt habe gegen — wie es wohl stets nur der Fall sein wird — weit tiefer stehende, weit schwächere Nationen." Ebenso wie Herr v. Wissmann, spricht sich auch unser Reichs tagsabgeordneter Herr Professor Hasse eingehend über die Schaffung einer Colonialarmee aus, und zwar in den „All deutschen Blättern", denen wir im Nachfolgenden die beiden markantesten Stellen des Artikels entlehnen: „Wir würden demnach Vorschlägen, unter Aufhebung der Jn- spection der Marine-Infanterie und der ihr unterstellten 3 See bataillone eine deutsche Colonialarmee unter der Ober leitung des Reichs-Marineamtes an den Küsten der Nordsee aufzustellen und ihr eine dreifache Aufgabe zu stellen: einmal als Stammformation zu dienen für die Schntztruppen in den deutschen Colonien; zum zweiten als Stammformation zu dienen für über seeische Expeditionen aller Art, und drittens in ihrer Gesammtheit bereit zu sein, in einem etwaigen Seekriege des deutschen Reiches als Landungsarmee an beliebigen feindlichen Küsten verwendet zu werden. Wir halten es für selbstverständlich, daß die Neuorganisation durch ein Reichsgesetz erfolgt, schon um in diesem alle Zu- ständigkcitSfragen außer Zweifel stellen zu können, darunter auch die angebliche Streitfrage, ob der Kaiser befugt 'ei, nichtfcei- willige Mannschaften der allgemeinen Wehrpflicht in sogenannten friedlichen Zeiten, d. h. in Zeiten, in denen keiner fremden Macht formell der Krieg erklärt ist, außerhalb des Landes zu verwenden. Für uns ist diese Frage zwar keine Streitfrage, wir halten den Kaiser nach Verfassung und Gewohnheitsrecht hierzu berechtigt. Aber es ist immer besser, die Nörgeleien der Gegner unserer militärischen Einrichtungen und unserer über seeischen Politik auf verfassungsmäßigem Wege zum Schweigen zu bringen." Die Wirren in China. -l> Leider ist man in Europa in Bezug auf den mit größter Spannung erwarteten Marsch auf Peking auf uncontrolirbare Nachrichten angewiesen. So wird heute gemeldet: * Shanghai, 8. August. Hier verlautet, daß nur Vie Russen und Japaner in Stärke von 23 000 Mana jetzt nach Peking abmarschiren werden. * London, 3. August. (Telegr.) Eine Tientsiner „Time»"« Drahtung vom 27. Juli meldet, «in« russische Streit kraft, bestehend au» drei Compagnien Infanterie und einer Schwadron Cavalieri« unternahm heut« Morqen einen Auf« kläruog-zug tu der Richtung auf Peitsang, sie fand die chinesischen Vorposten verschanzt vor und trieb sie nach ihrem Lager zurück, dessen Stellung euthüllt wurde. Die Stärke de» Feinde» wird auf 3000 Mann geschätzt. Die russischen Vorposten halten di« eroberten Schanzen. Di, Stärke de« Feinde» zwischen Tientsin und Peking ist wahrscheinlich klein, ernster Widerstand gegen den Vormarsch der verbtlndeten Truppen ist unwahrscheinlich. Eine Drahtung de« „Daily Expreß" au« Tschifu vom 1. August besagt, die kaiserlichen Truppen, die von Peking den Verbündeten Streitkräften rntgegenrücken, haben di« Christenstadt in der Nähe von Peking gänzlich zerstört und fünf fremde Priester, sowie zehntausend Christen niedrrgemetzelt. Directe Meldungen über den Vormarsch lagen auch gestern Abend in Berlui nock nicht vor und e» wird deshalb zweifel haft, ob der Zug schon begonnen bat. Tie Lage der Gesandten in P-king ist mittlerweile keine hoffnungsvollere geworden. Der Londoner „Standard" veröffentlicht einen Brief von ter japanischen Legation in P k>ng vom 22. Juli. Er rntbält einen herzzerreißenvru Aufruf um Entsatz. Nur noch 25 Patronen seien für den Mann vorhanden und die Rationen reichten nur für fünf Tage. Man fürchte, die Chinesen winden die Belagerung wieder aufnebmen. Zwar wird aus Tsckifu unterm 3. August gemeldet, ter Gouverneur von Schau tun g telegrapdirte am gleichen Taae an die hiesigen Coniuln: Ein soeben eingegangenes Schreiben deS Tsung li Ha men vom 30. Juli besagt, daß die Gesandten und der deutsche Geschäfts träger in Peking mit dem Stabe wohlbehalten und mit Lebens Mitteln versehen seien. Es bestehe ein gegenseitiger freundschaftlicher (!) Verkehr. Die Verhand lungen wegen teS Abzugs der Gesandten nach Tientsin unter Schutz zum zeitweiligen Aufenthalte dort seien dem Abschlüße nahe — allein daS ist wohl zum Theil chinesische Schönfärberei, deren man sich bedient, um den Marsch gegen Peking hintaiizuballen, ebenso wie die neuer liche Erklärung des Bicckönigs Liu und des berüchtigten Eiseiibabndirectors Scheng, die Gesandten würden als Geiseln „gehalten" und, falls die verbündeten Streitkräfte auf Peking marschirtcn, getövlet werden, nur als Schreckmittel bienen soll. Die Weißen hielten sich am 23. Juli noch, und alles kommt darauf an, ob sie sich noch bis zur Einnahme Pekings durch die Mächte werden ballen können. In der Provinz Tchantuna wird die Lage ebenfalls von Tag zu Taz prekärer, woraus es sich erklärt, daß der größere Theil der deutschen Truppen zur Deckung KiautschauS Ordre erhalten hat. Der „Boss. Ztg." w rd berichte!: * Loudon, 3. August. (Telegramm.) Tuen, ein Unter« befehl.Haber der Truppen VuanSkihkai» meldet aus Tetschau, er hatte rin ernstes Treffen mit einer starken Streit« macht von Boxern. Zwei seiner Osficirr« und 20 Mann wurde, von den Rebellen getödtet, viele wurden ver wundet. Es sei unmöglich, die Ordnung in der Provinz Schantung aufrecht zu erhalten. Schon habe sich die von den deutschen Officieren gedrillte chinesische Cavallerie empört und Auanskihkai» Befehlen den Gehorsam ver weigert, smJe dessen Osficiere bedroht und sei zu Len Boxern übergegangen. Im ganzen Umkreis von Tschifu seien die Chinesen vorbereitet, an einer allgemeinen Erhebung theilzunehmen. Die Lage der Fremden werd« unerträglich. Tie Haltung der vereinigten Staaten. Der „Frkf. Zlg." wird aus New Aork, 2. August, ge kabelt: Der CabinetSrath beschloß, nicht auf Li-Huug- Tschang'S Vorschläge einzugehen, sondern von der chinesischen Regierung zu verlangen, daß der Gesandte Congcr sofort in Stand gesetzt werde, mit seiner Re gierung in Verbindung zu treten, und daß die chinesische Regierung für die Sicherheit desselben verantwort lich zu macken sei. Die Tonart dieser Botschaft klingt viel schärfer al» bisher. Weitet« Meldungen. * Shanghai, 2. August. („Reuter'S Bureau") Eine Bekannt- machung der chinesischen Behörden besagt: Infolge der Un ruhen im Norden sind noch mehr Soldaten eingestellt worden, um das 3 Meilen westlich der Fremdenniederlassungen gelegene Arsenal gegcu Ruhestörer zu schützen. Da die fremden Kaufleute durch Schießübungen beunruhigt wurden, hat der Director des Arsenals die Anweisung erhalten, das Schießen einzustelleo. Die Behörden bossin, daß sich die Ausländer keinen grundlosen Besürch- tungen hingehen. * Hongkong, 3. August. Der österreichisch-ungarische Kreuzer „Maria Theresia" und der italienische Kreuzer „Fieramosca" sind nach Shanghai in See gegangen. Sin Voxer-Placat. Unter den letzten von Sir C. Macdonald an Lord Salis bury übermittelten Schriftstücken befindet sich auch die Ueber- setzung eines in der Weststadt von Peking angeschlagenen Placats der Boxer folgenden Inhalts: In einer Straße Peking» sahen einige Boxer um Mitternacht plötzlich einen Geist in ihre Mitte hinabschwrben. Der Geist schmiex eine lange Zeit und die Versammelten fielen auf die Kniee und beteten. Dann hörten sie «ine schreckliche Stimme sagen: „Ich bin niemand anders al» der große Pütt (Gott der unsichtbaren Welt) und bin in eigener Person hrrabgekommen. Du ich wohl weiß, daß ihr alle mir ergeben seid, bin ich zu euch gekommen, um euch zu sagen, daß jetzt die Zeit großer Unruhe gekommen ist. Bon den fremden Teufeln habt ihr Böle» zu erwarten; überall gründen sie Missionen, bauen Tele- graphru und Eisenbahnen, glauben nicht an di« heilige Lebre und lästern die Götter. Ihre Sünden sind zahllos, wie die Haare auf dem Haupte. Daher zürne ich und meine Donner grollen. Tag und Nacht habe ich an dies« Dinge gedacht. Hätte ich meinen Generälen befohlen, zur Erde zu kommen, so hätten selbst sie nickt einmal da» Schicksal wenden können. Daher sage ich euch, daß ich an der Spitz« aller Heiligen und Geister zur Erde kommen werde und daß überall, wo die Jhotschüan (Boxer) versammelt sind, die Götter mitten unter ihnen sein werden. Ick hMe auch allen Gerechten in de« drei Welten bekannt zu geben, daß sie eine» Sinne» sein und den Cultu» der Boxer pflegen müssen, so können sie den Himmel gewinnen. Sobald die Uebung der Boxer zur Vollendung gebracht ist, wartet 3 Mal 3 oder 9 Mal 9, 9 Mu. 9 oder 3 Mal 3 (Bedeutung unverständlich). Daun soll di« fremden T-ufel ihr Schicksal treffen. Der Wille de» Himmel» ist, daß zuerst dir Telegraphendrähte zer schnitten, dann die Eisenbahnschienen ausgerifsen, und dann die Teufel enthauptet werden. An jenem Tage soll die Stunde ihre» Unheils hereinbrcchen. Die Zeit de» Regen» ist noch fern, und Alles wegen der fremden Teufel. Dies gilt allen gerechten Leuten, alle sollen sie einmüthig die fremden Teufel auszurotten sich bemühen, und so den Zorn des Himmels abwenden. Das soll euch als wohlgethon angerechnet werden, und am Tage, wenn es gethan ist, werden Regen und Wind noch eurem Wunsche kommen. Daher befehle ich euch ausdrücklich, die» an jedem Platze bekannt zu machen. Ich sah dies mit eigenen Augen und schreibe daher, was sich ereignet hat. Wer es nicht glaubt, der soll schuldig sein. Wen» ich salich geredet habe, will ick von fünf Donnerkeilen ver- nichlel werden. Im 4. Monat nm 1. Tage (29. April 1900)." Tie evangelisch« Mission in China. In der „Tagt. Rundsch." schreibt Professor vr. Witte: „Der katbolstche Professor der Theologie, Or. Englert in Bonn, wiewohl er in seinem Vortrag „DaS Floltcuprogramm im Lichte der Socialpolitik" sieben Seiten lang über die Vor- theile redet, welche der Mission von einer starken Flotte zuflicßni würden, kennt eine evangelische Mission überhaupt nicht. Mil keinem Worte werden die Leser darauf hingewiesen. Laß eine solche auch nur besteht. So konnte er freilich auch nicht der Versuchung erliegen, der evangelischen Mission, wie cs mit einem Male guter Ton in der Presse geworden zu sein scheint, die eigentliche Hauptschuld an den Ver folgungen zuzuschreiben, die sich schon, al» er redete, an einander reihten, und die nun in fürchterlichen Grwalt- tkaten gegen alle Europäer ausgebrochcn sind. Ich denke nicht- daran, die katholische Mission für das elementare Hervorbrechen dieses infernalischen Hasses gegen die Fremden in China verantwortlich zu machen, wenn sie auch, sollte einmal abgerechnet werden, zu diesem Hasse unendlich mehr beigelragen bat, als die evangelische. Die Gründe für tie furchtbare Explosion liegen zum Theil sechzig Jahre zurück. Mit dem Opiumkriege Englands 1840 begann das Feuer zu schwülen; materielle Einbußen, schwere Kränkungen und Deniüthigungen des stolzesten aller Völker; mit aujchaurn müssen» wie fremde Ingenieure Telcgrapbenlinieu legten, Eisenbabnen baute», Bergwerke gruben, durch die der Almen Ruhe in den Grabern gestört wurde; zuletzt die Länvervcrluste an Frankreich, Deutschland, Rußland und England und die Drobungen von Westen her, das ganze Kaise.reick aufzu- theilen. Das Alles führte dem lodernden Groll Nahrung zu, und nun ists aufgeflamml wie ein sprühender Vulcan. Unglaubliche Kurzsictuigke.t oder frivole Böswilligkeit ist es. wenn man der im Stillen arbeitenden, nie heimst chcn Staatsschutz begehrenden oder nach gewaltsamer Sühue erlittener Unbill schreienden evangelischen Mission die Schuld an dem so lange vorbereiteten Unheile zuschiebcn will." ZUM Tode König Humbert's. Neue Verhaftungen Am Donnerstag Abend wurde, wie unS der Telegraph aus Nom meldet, in Neapel ein Unbekannter verhaftet, der erklärte, er sei Seidenarbeiter und in Bencvent ge boren; er habe viele Jahre in Amerika gearbeitet und sei von dort zurückgekehrt, um sich über Paris nach der Lom bardei zu begeben. Mau beschlagnahmte bei ibm ein Notiz buch mit Adressen von Ausländern. Die Polizei bält ihn für einen Anarchisten. — Die Anarchisten Lanner und Quintavalli und die Geliebte Brcsci's Emma Quazza wurden von der Polizei nach Monza gebracht. Mangelhafte Polizeiaufsicht. Gegen die Mailänder Polizeibebörden macht sich ein; allgemeine Entrüstung geltend, die leider nur zu t.br gerechtfertigt ist. In Prato verweigerte man dem Atten täter Bresci den verlangten Waffenschein, weil er als ein gesäb.lickes Individuum bekannt war. Während fast zweier Monate aber konute sich der Verbrecher ohne irgendwelche bebördliche Aufsicht in verschiedenen Städten, Städtchen und Dörfern Oberitaliens frei bewegen, und um das Maß der Unachtsamkeit und Sorglosigkeit voll zu machen, duldete man ihn noch zwei volle Tage lang in Monza, einer Stadt von dreißigtausend Einwohnern, in der der König sich frei zu bewegen pflegte, ohne auch nur den geringsten Ver dacht zu schöpfen. Italienische Anarchisten in Amerika. In Paterson, der New Jerscyer Fabnkstadt, in deren großen Seidenwebereien und Schuhfabriken Tausende von Italienern beschäftigt werden, soll der Mordplan ausgeheckt worden sein, dem König Humbert von Italien in der alten lombardischen Krönungsstadt Monza zum Opfer gefallen ist. Gaetano oder Angelo Brcsci scheint eia eifriges Mitglied deS anarchistischen italienischen Geheimbunde» gewesen zu sein, der überall in den Vereinigten Staaten blüht, wo immer Italiener iu größerer Anzahl beisammen sind. In der soeben verflossenen Dekade hat die italienische Einwanderung in den Vereinigten Staaten sich versechsfacht. Bei der Volkszählung im Jahre 1890 belief sich die Zahl der in der nordamerikanische« Union an sässigen Italiener auf 183 000 Köpfe. Zu Huuoert- tausenden sind sie seither an den Gestaden der Ver einigten Staaten gelandet, und heut« schätzt man ihre Kopfzabl — die genauen Ziffern der am I. Juni vorgenommenen VolkSzäblung liegen noch nicht vor — aus 665 000. Die Mebrzahl von ihnen ist in den großen Städten sitzen geblieben. Sie Monopol,siren dort den Obsthanvrl, und zu Hunderten kann man sie mit ihren Körben und Karren in den Straßen umherziehend und ihre Bananen, Apfel sinen, Citronen u. s. w. auSrufend antreffen, in ewigem Kampfe mit der Polizei, die nickt duldet, daß sie nut ihren Karren die Straßenübergänge versperre». Sebr viele von ihnen haben auch in dra großen Fabriken deS Osten» Beschäftigung gefunden in den Kohlen- bergwerken Pennsylvanien« und den Gold« und Silbergrubra
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