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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.08.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000807014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900080701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900080701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-08
- Tag1900-08-07
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Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffern!«» nach höherem Taris. Extra-veilaaeu (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördrruag 60.—, mit Postbesörderuug 70.—k Fnnahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Lormittag« 10 Uhr. Marge «-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Erpe-ttta« zu richten. Druck «ad Verlag von E. Polz tu Leipzig Dienstag den 7. August 1900. 94. Jahrgang. Bebel's Traumbilder. Auf dem letzten socialdemokratischen Parteitag gab eS eine harte Nuß zu knacken. Die grundlegenden Theorien des Erfurter Programms, die man für alle Zeiten als wissenschaftlich be gründet gepriesen, hatten sich vor der Kritik der eigenen „wissen schaftlichen" Vorkämpfer der Partei als unhaltbar erwiesen. Die berühmte „Verelendungstheorie", der zufolge die Armee der über schüssigen Arbeiter sich immer mehr vergrößert und das Prole tariat und die Mittelschichten immer tiefer ins Elend sinken, er wies sich als durchlöchert. Denn gerade in Ker Zeit, in der all gemeiner Zusammenbruch der bestehenden Gesellschaftsordnung bestimmt in Aussicht gestellt war, trat der gegenwärtige große Arbeitermangel in Industrie und namentlich der Landwirthschaft zu Tage. Dabei hatte sich augenfällig die Lebenshaltung der arbeitenden Elasten in überraschendem Maße gehoben, und statt der Verminderung der unabhängigen Existenzen hatte eine Ver mehrung der selbstständigen Betriebe im Mittelstand an Zahl unld neuen Formen stattgefunden. Statt der programmatisch festgelegten „Zunahme der Unsicherheit der Existenz, des Elends, des Drucks, der Knechtung, der Erniedrigung und der Aus beutung" hatte sich als erfreuliche Wirkung der Arbeiterschutz- und Versicherungsgesetzgebung ergeben, daß gerade der tüchtige Arbeiter eine weit gesichertere und unabhängigere und befriedi gendere Stellung behauptet, als zahlreiche Schichten des „kapita listischen" Mittelstandes. Außerdem aber hatte sich die bestehende Staatsordnung als so fest erwiesen, daß die Zuversicht, in einem unbewachten Augenblick jenes Haupthinderniß bei der Herbei führung der Zukunftsordnung über den Haufen zu werfen, auf unbestimmte Zeit vertagt werden mußte. Das war ein harter Schlag für die Partei, und härter noch die Thatsache, daß die von dem Parteiführer Bebel ausgearbeitetc Resolution, der zufolge für die Partei kein Grund vorliege, weder ihre Grundsätze, noch Grundforderungen, noch ihre Taktik, noch ihren Namen zu ändern, in der Partei selbst zahl reiche Zweifler fand. Von diesem Gesichtspunkte ist ein Aufsatz Bebel's zu betrachten, der soeben in einem für das Jahr 1901 herausgegebenen Parteikalender veröffentlicht wird und die stolze Ueberschrift „Die Aufgabe des 20. Jahrhunderts" trägt. Dieser Aufsatz, der als Auftakt für .den diesjährigen Mainzer Parteitag zu betrachten ist, stellt sich vor Allem zur Aufgabe, bas Endziel zu retten, von dem der bedeutendste social demokratische Theoretiker, der Genosse Bernstein, gesagt hatte: „Die Bewegung sei Alles, das Endziel nichts." Mit einer Zu versicht, die sonst nur dem Fanatismus eigen ist, hält Bebel am „Endziel" fest und stellt der Bernstein'schen Doktrin als eigene gegenüber: „Die Bewegung wird — darin liegt ihr Wesen und ihr Leben — nur dadurch ihr Ende fiüden, daß sie ihr „Endziel" erreicht". Getreu der bisherigen Uebung, mit der gerade Bebel sich berufen gefühlt, diesem Endziel einen bestimmten Termin zu setzen, der zuerst auf das Jahr 1889 anberaumt, und dann unter steigender Heiterkeit skeptischer Parteigenossen vergebens um fünf Jahre, und schließlich auf das Jahr 1898 prolongirt wurde, fügt Bebel die Prophezeiung hinzu: die großen Ziele der Socialdemo kratie zu verwirklichen, das sei die „Aufgabe, die das 20. Jahr- bundert zu lösen hat und lösen wird" — eine Prophezeiung, die ibren Urheber mit einem Schlage aus aller Fährlichkeit rückt, sich noch einmal vor allem Volk, wie das letzte Mal in Hannover, wegen falschen Wettermachens auslachen zu lassen. Den socialdemokratischen „Theoretikern" sei überlassen, sich kierüber mit ihrem Parteiführer auseinanderzusetzen und Uber seine Behauptung, daß es ein Entwickelungsgesetz der bürgerlichen Gesellschaft sei, wie bei relativer und absoluter Abnahme der Elemente der herrschenden Classen die Masse der Proletarier zu nehme, und ob wirklich, wie alle Arbeitsmittel, so auch der Grund und Boden in gesellschaftliches Eigenthum überführt werden kann, ohne daß die zur Erhaltung der Gesellschaft erforderliche Production sich vermindert. Wir wenden uns den Traumbildern zu, die Bebel über die künftige Gesellschaftsordnung entwickelt, in der kein Zwang herrscht und Alles nur Freiheit und Glückseligkeit athmet: Bilder, die so schön sind, daß wir nicht anstehen, den socialdemokratischen Führer, wenn er ernsthaft daran glaubt, als eine Seele von Menschen, als den Mustermenschen in diesem irdischen Jammerthal zu bezeichnen. Alle sollen die gleichen Rechte, die gleichen Pflichten erhalten, aber Keiner erlangt Rechte ohne Pflichten, Genüsse ohne Arbeit; Jeder, ohne Unterschied des Geschlechts — denn auch die volle Gleichheit der Geschlechter ist eine Forderung der Socialdemokratie — soll nicht nur das Recht, sondern auch die Möglichkeit haben, alle Fähig keiten, die die Natur ihm gab, entwickeln und ausbilden zu können. Alles soll beseitigt werden, was jetzt die Menschen drückt, insbesondere sollen die gegenwärtigen, in aller Schärfe bestehen den Gegensätze zwischen Industrie und Landwirthschaft, zwischen der Städte- und Landbevölkerung in Zukunft ihren natürlichen Ausgleich finden, genau wie die vorhandenen Gegensätze zwischen den Geschlechtern. Und nun bitten wir, sich aller der Borurtheile zu entäußern, daß zu einem Beruf besondere Begabung und Nei gung und langjährige, unverdrossene Uebung und mitunter müh selig erwobene Specialkenntniß gehören, um dann würdig an der Hand Bebel's folgendes Paradiesgärtlein zu betreten: Insbesondere wird die Landwirthschaft durch ein« entsprechende Organisation die angenehmste und fruchtbringenste Beschäftigung bilden. Fliehen gegenwärtig die Bewohner deS Landes au« ihrer Vereinsamung und wegen ihrer harten und schlecht lohnenden Be schäftigung nach den Städten und Jndustriebezirken, so wird als dann da? Umgekehrte eintreten. Thatsächlich hat schon die Flucht aus den Großstädten in ihre Vorort» begonnen, allerdings, wir überall in der bürgerlichen Welt, unter Bedingungen, die wesentlich ungünstigere sind, al« jene, di« künftig gelten werden. Denn einst wird eS allein al» menschenwürdig angesehen werden, daß land- wirthschaftliche und industrielle Beschäftigung in Wechselwirkung stehen. Der Städter von heute findet al»dann auf dem Lande, wa» ihm jetzt fehlt: gesunde und angenehme Wohnung, landwirthschaft- liche Thätigkeit, ohne die gegenwärtig« U«b<ranftr«ngung, aber g«. wür,t mit all d«n Fortschritt««, w«lch« dir Wissenschaft de» Boden baue» ermöglicht, die gegenwärtig verhältnißmätzig so wenig an gewandt werd«» können, wril d«m vod«nbau«r allermeist dazu sowohl die Mittel, al» die Kenntnisse fehlen. Umgekehrt findet der Bodenbebauer alsdann in den Städten, was er gegenwärtig auf dem Lande vergeblich sucht: angenehme, den Geist anregende Gesell schaft und Unterhaltung, höhere Schulen, Theater, Museen. Zur Erleichterung der gegenseitigen Beziehungen der Menschen werden die überall in umfänglichstem Matze zur Anwendung gelangenden vorgeschrittensten Verkehrsmittel sorgen. In Summa: „Es handelt sich um die Hebung der Cultur auf die möglichst höchste Höhe". Nun ist aber selbst Bebel der An sicht, daß dies von dem Maß und der Masse der Lebens- und der Culturmittel abhängt, über die seine Gesellschaft verfügen wird, rnd so setzt er für Jeden die „Pflicht" voran, in einer seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechenden Weise an der Herstellung dieser Lebens- und Culturmittel mitzuwirken. „Ziel" der ge jammten Gesellschaft „muß" sein, so sagt er, in ihrer ganzen Thätigkeit mit der geringsten Kraftanstrengung die höchste Leistung zu erreichen. Wie wird nun dieses „Muß" verbürgt? Oh, ungeheuer einfach! Es ist eben, meint Bebel, „ein Ziel, das zur Folge haben muß, daß, weil Alle ohne Ausnahme dabei inter- essirt sind, Jeder sich anstrengt, Erfindungen und Entdeckungen zu machen, die die Anstrengungen der Arbeit erleichtern und ihre Erzeugnisse verbessern und vermehren." Das ist allerdings ein wunderkräftiges Ziel, und Herrn Bebel mag gewünscht sein, daß unter den Arbeitern, die seine Partei zu den ihrigen zählt, ob sie nun local-organisirt oder gewerkschaftlich-cartcllirt sind, sich hundertundzwei finden, die diese Einschätzung der Menschennatur aus ihrer eigenen Erfahrung bestätigen mögen. Jndcß, gleichviel, Genosse Bebel glaubt es, und so versichert er, daß das 19. Jahr hundert alle Vorbedingungen geschaffen, und daß es Aufgabe des 20. Jahrhunderts sei, zu vollenden, was das 19. begonnen; die Entwickelung schreite nicht mehr, sie „stürme nach vorwärts". Alles dies weiß er ganz genau, nur Eines nicht, nur „Eines ent zieht sich seiner Kenntniß und Beurtheilung": Ob es auch in diesem Kampfe zu Katastrophen komme, wofür die bisherige Ge schichte so viele Beispiele kenne, und welcher Art diese Katastrophen sein würden; wenn schließlich die socialistische Bewegung eine so gewaltige Macht erlange, daß sie schließlich ihren Willen Jedem aufzwingen könne, dann gebe es allerdings keinen Widerstand mehr. Das ist eine Offenheit, für die ihm Alle danken werden, die über der socialdemokratischen Aufklärung der Köpfe und ihren Friedensidyllen vergessen könnten, daß dahinter schließlich doch die brutale Gewalt lauert, und daß der Mörtel, mit dem die Grundsteine jenes „Zukunftsstaates" gefestigt werden sollen, wenn nicht anders, mit Königs- und Bürgerblut angerührt wer den soll. Die Wirren in China. -p. Nun ist thatsächlich, auS welchem Grunde weiß man nicht recht, der Vormarsch aus Peking wieder verschoben worden und eine Nation macht die andere dafür verantwortlich; bis jetzt aber ist noch nickt dementirt, daß England an der vielleicht sehr verbängnißvollen Ver zögerung Schuld ist. ES sind genügend Truppen vorbanden, aber sie sind nicht sämmtlick marschbereit. Englische Blätter lassen sich telegraphiren. Nichts sei geregelt, der Feind halte eine über fünf Meilen lange, stark verschanzte Stellung südlich von Peitsang; seine rechte Flanke stutze sich auf Sumpfland, seine linke sei in einiger Entfernung jenseits der fünften Eisenbabnbrücke, wo er ein großes Lager habe. Die Nüssen recognoScirten diese Stellung am 28. Juli. Sie schätzen die Chinesen zwischen Tientsin und Aangtsun auf 8000 Mann. Die Japaner veranschlagen die Stärke des Feinde« auf 11 000 Mann Infanterie und 300 Mann Cavallerie. Vor der Ankunft deS russischen Generalleutnants Lnnewitsch dürfte kein Entschluß betreffs deS allgemeinen Vor marsches gefaßt werden. » Zur Lage schreibt die „Daily Mail": Die Unverschämtheit der Chinesen findet thatsäcklick keine Grenzen. Nicht zufrieden damit, die Gesandten sechs Wocken lang von jeder Verbindung mit der Außenwelt abzuschneiden, haben sie zu dem Verbrechen eines Angriffs auf die Vertreter der Mächte durch ihr System, abwechselnd gute und schlechte Nachrichten auSzustreuen, die kaum weniger schwere Beleidigung hinzugcfügt, mit den Gefühlen der civilisirten Welt zu spielen. ES ist jetzt durchaus klar, daß der Angriff auf die Gesandtschaften von der chinesischen Regierung gut ge heißen und geleitet worden ist. In demselben Augenblick, wo die letztere der Außenwelt versicherte, daß sie Alles zum Schutz der Fremden thäte und sie mit Früchten und NabrungS- mitteln versehr, beschossen die chinesischen Truppen vie Ge sandtschaften und machten verzweifelte Angriffe, um dieselben zu zerstören. Mit einer echt orientalischen Doppelzüngigkeit erließ die Regierung an einem Tage Edicte, die die Boxer zur Ausrottung der Christen anspornten, während am nächsten Tage Decrete erlassen wurden, die behaupteten, daß die Ge- waltthätigkeiten von Aufständischen vollbracht worden seien, und in denen die fremden Mächte um Hilfe bei der Unter drückung der aufständischen Unterthanen angerufen wurden. Nach einer derartigen Handlungsweise ist e« nicht länger möglich, den Glauben aufrecht zu erhalten, daß die chinesische Regierung den Mächten nicht feindlich gesinnt sei. Die Haftung der Vicekonige in den südlichen und mittleren Provinzen ist noch äußerst unentschieden, und e« ist klar, daß sie nur die Ereignisse der nächsten Tage im Norden abwarten. Wenn die Ver bündeten sich einen Weg nach Peking erzwingen können, so werden diese zweifelhaften Herren alle Feindseligkeiten abstreiten. Aber wenn die verbündeten Truppen ernsten Widerstand, oder gar Niederlagen erfahren sollten, so kann man sicher sein, daß sie die MaSke fallen lassen werden. Die Gefahre« der Lage werden noch durch die unaufhörlichen Hilferufe, die von den belagerten Gesandtschaften kommen, erschwert. Niemand kann sich be ruhigen, so lange die Gesandten der Gnade der Chinesen überlassen sind. Die verratherische und grausame Regierung in Peking und die aufrührerischen Soldatenhaufen sind zu jedem verbrechen fähig. Wie sie di« Europäer behandelten, die 1850 in ibre Hände fielen, ist nicht vergessen worden. Der einzige Grund zur Hoffnung ist, daß sie die Rache deS Westens fürchten, und zweifellos haben sie auS diesem Grunde bisher die Fremden geschont. Aber wenn sie gewahr werden, daß Europa nichts weniger als entschlossen ist, auf Peking vorzumarschiren, so mag ein heftiger Rückschlag bevorstehcn. Tie Kämpfe in der Mandschurei. * Petersburg, 6. August. (Telegramm) Nach Nachrichten des Gencralstabs telegrophirt General Grodekow aus Chabarowsk unter dem 4. August über Recognoscirungen zweier Schwadronen auf der Straße gegen Niugata, die von einer chinesischen Colonne von 1000 Mann Infanterie, 2 Geschützen und 250 Reitern an gegriffen wurde: Als eine weitere Schwadron nebst Infanterie und zwei Geschützen zu Hilfe gekommen war, entspann sich ein hart näckiger Kampf auf den Höhen von Zeche. Die zurückgeschlagenen Chinesen flohen in der Richtung aus Niugata und räumten Zeche. Unser Verlust beträgt 8 Todte und 8 Verwundete. Die chinesischen Gcschütze waren neuer Construction. Die Kämpfe um Aigun wurden am 3. August fortgesetzt. Unsere Truppen rückten aus dein rechten Amur-Ufer gegen das Dorf Kolufchan, wo der Feind in starken Stellungen verschanzt war, aus denen er von einer Colonne des Obersten Petschenken vertrieben wurde. Kosaken erbeuteten zwei Stahlgeschütze nebst Munition, sowie Fahnen, von denen die eine mit der Aufschrift „Volk der großen Faust" versehen war, und die zweite die Ausschrist „Helfet die Europäer vernichten I" trug. General GribSki lobt die Bra vour der Kosaken. Aigun brennt, die Chinesen flieben in der Richtung auf Tsitsikar. Unsere Verluste beziffern sich auf 6 Todte und 25 Ver wundete, die der Chinesen betragen 200 Todte. General Orlow berichtet nachträglich über ein Gefecht vom 30. Juli, in dem 5000 Chinesen fochten und LOO getödtet wurden oder im Chailar-Flusse ertrunken sind. Die Kosaken erbeuteten ein Geschütz. Die Stadt Chailar wurde genommen und mit drei Schwadronen und einer Batterie besetzt. — AuS Port Arthur berichtet man, daß Sen- jutschen besetzt und russische Verwaltung daselbst «ingeführt worden ist. * Shanghai, 5. August. Die Nachricht von dem Selbst morde Li-Hung - Tschang'S bestätigt sich nicht. — Admiral Seymour ist aus Nanking hierher zurückgekehrt. — Auf einen Ausländer, der vor einer Veranda saß, wurden von einem Chinesen drei Kugeln abgeschossen. Diese durchbohrten ein Buch, in welchem der Betreffende las. — Chinesische Truppen gehen selbst aus de» fremdenseindlichen Provinzen durch den Kaisercanal nach Norden ab. (Wdhlt.) * Simla, 6. August. (Telegramm.) Die 4. Indische Brigade bat Befehl erhalten, nach China zu gehen. * Wen««, 6. August. (Telegramm.) Die nach China be ¬ stimmte Abtbeilung der deutschen Vereine vom Rothen Kreuz ist heute hier eingetroffen. Tie Abtheilung Genua des italienischen Rothen Kreuzes giebt der deutschen Abtheilung Abends ein Festessen. Die Ereignisse in Italien. Bcgräbnitzfeierlichkcitcn. Nach einem zwischen ver königlichen Familie und dem Cardinal-Vicar getroffenen Uebereinkommen wird der Pfarrer des Kirchspiels, in dem sich das Ouirinal befindet, sich mit den übrigen Priestern und Mönchen bei der Ankunft der Leiche deS Königs Humbert nach dem Bahnbofe begeben und sie nach dem Pantheon begleiten. Hier wird der Sarg vom Erzbischof von Genua, der eine besondere Einladung des Königs erhalten hat, umgeben und vom Capitel vor dem Pantheon empfangen werden. Derselbe Erzbischof wird am Freitag im Pantbcon in Anwesenheit der Fürstlichkeiten, des diplomatischen Corps und der Ver treter der Staatsbehörden eine feierliche Mess; lesen. Prinz Heinrich von Preußen trifft Mittwoch früh ru der Beisetzungsfeierlichkeit in Rom ein und reist Donnerstag Abend wieder ab. ParlamciitScröffnttttg. * Rom, 6. August. (Telegramm.) Kammer. Die Tri- bünen sind überfüllt. Die Sitze des Präsidiums und des Mini- steriums, sowie die Tribünen sind mit Trauerschmuck versehen. Alle Minister sind zugegen, desgleichen Crispi, Zanardelli, Giolitti, di Rudini und Sonnino. Um 2 Uhr 35 Minuten wird die Sitzung eröffnet; alle Deputirten, einschließlich die der äußersten Linken, erheben sich. Der Präsident feiert unter großem Beifall und unter den Rufen: „Es leb« der König!" in längerer Rede daS Gedächtniß König Humbert'S. Der Minister präsident Saracco schließt sich mit bewegten Worten den Aus- führungen des Präsidenten an. (Lebhafter, langanhaltender Beifall.) Depeschen au« Mailand zufolge ist der Mörder BreSci, der bisher nur eine bockmüthige Haltung zur Schau trug, jetzt sehr jähzornig. Die Wärter mußten ihn gestern auf zehn Stunden dir Zwangsjacke anlegen. BreSci rief zwei Mal mit lauter Stimme den Gefängnißdirector. — Der Genfer General-Procurator theilte gestern auf eine Anfrage, um Auskünfte über eia etwaige» Complot zur Ermordung des König- Humbert von Luccheni zu erlangen, mit: Luccheni ist nicht zu bewegen gewesen, irgend welche Mittheilungen über «in etwa bestehenveS Complot zu machen. Der größt« Criminalist Italien« und frühere Justiz minister, Senator Pessina, der al« Abgeordneter der Linken für die Abschaffung der Todesstrafe plaidirte, beginnt jetzt durch einen offenen Brief eine Campagne zur Wieder einführung deS Galgen« „al« einzigem Mittel, Italien davor zu schützen, daß e« ewig da« Land der Briganten und politischen Meuchelmörder bleibe". Zugleich leitete der „Popolo Romano" «in« Propaganda ein, die bezweckt, daß verboten werde, in Wort und Bild Reclame für einen Attentäter zu machen. * Chicago, 6. August. (Telegramm.) Gestern stießen hier Anarchisten mit Polizeibeamten zusammen. Diese gingen scharf vor. 25 Personen wurden arg zugerichtet, b verhaftet, darunter Vie Wittwe des seiner Zeit in Chicago Hingerichtete« Anarchisten Parjoat. (Wiederholt.) König Humbert ohne ärztlichen Beistand. 6. L. Man schreibt uns au« Mailand: vr. Vercelli, der erste von den Aerzten, die die Leiche des ermordeten Königs von Italien untersuchten, erhebt im „Corriere della Sera" schwere Anklagen gegen die Personen, die für die Sicherheit des Monarchen zu sorgen hatten. Er kommt zu dem Schluffe: der erste beste Bürger, der von einer elektrischen Bahn überfahren wird, hat weit größere Wahrscheinlichkeit, sofort in ärztliche Behandlung zu kommen und gerettet zu werden, als der König von Italien, der für die Waffen der Fanatiker eine weithin sichtbare und leicht zu erreichende Zielscheibe ist. Wenigstens eine von den Schuß wunden, die König Humbert davongetragen hat, war unbedingt löbtlich, und menschliche Kunst hätte das Geschick nickt abwenden können; es braucht sich in diesem Falle Niemauv Gewissensbisse zu machen. Aber das tragische Ereigniß hätte sich auch „etwas" anders abspielen können; wenn die Wunde nur l cm höher ober tiefer gelegen wäre, hätte sich das ganze Bild der Eventualitäten mit einem Schlage ändern können, „wenn sofort ärztliche Hilfe zur Stelle gewesen wäre." Die Hilfsmittel der Chirurgie sind heutzutage sehr groß, und lelbst ein sehr schwer Verwundeter hat Aussicht auf Rettung, wenn er in den ersten fünf Minuten in die Hände des Arztes kommt. Selbst Verwundungen der Herzkammern sind nicht mehr durchaus tödtlich; ein deutscher Arzt hat nachgewiesen, daß von ihnen wenigsten« 25 Pro cent geheilt werden können. Natürlich muß aber in der Nähe de« Verwundeten schon eine vollständige Hilfs organisation vorbanden sein; der Mann der Wissenschaft muß, in jeder Hinsicht gerüstet, bereit sein, sofort helfend beizuspringen und daS Gewicht einer ganzen Wissenschaft auf die Waage de- Schicksals z» werfen. Auf dem Turnplatz zu Monza aber war nur rin einziger Arzt, und zwar ganz zufällig (der Leibarzt deS Königs war in Piemont, der Hofarzt kam erst gegen 11'/, Uhr ins Schloß!); und dieser Arzt stand weit hinten, mitten unter der Menge. Als er nach dem Attentat freiwillig dem könig lichen Wagen zueilte, um die erste Hilfe zu bringen, wurde er von den Carabinieri mindestens fünf Minuten lang zurückgehalten, und als er dann nach dem Schlosse lief, vergingen wieder mehrere kostbare Minuten, bevor man ihm den Eintritt gestattete, vr. Vercelli, der Chefarzt des Hospitals von Monza, sah die Leiche deS Königs erst eine Viertelstunde nach der Auflösung. Es sei noch einmal wiederholt: die Wunde am Halse war unbedingt tödtlich, aber es muß constatirt werden, daß die Wissenschaft mindestens l5 Minuten zu spät am Sterbebette des Königs von Italien eintraf. Wenn die Wunde nicht „absolut", sondern nur „relativ" tödtlich gewesen wäre, hätte cS sich in diesen l5 Minuten um Sein oder Nichtsein des Königs von Italien handeln können. Deutsches Reich. */* Leipzig, 6. August. Leipziger Criminalbeamte er« mittetlen, vaß am Sonntag Nachmittag eine geheime Versammlung von Anarchisten auS mehreren größere» Städten Deutschlands in der O bst w ein sch än ke zu Leutzsch abgchalten wurde, wovon der Wirth des betreffenden LocalS allerdings keine Atmung hatte. Die Versammlungstheilnehmer — ungefähr 15 Mann — wurden von der Polizei überrascht und unter Mitwirkung ver Leutzscher OrtSbehörde und Gendarmerie zum Zwecke der NamenSseststellung dem Gemeiudeamte zugesuhrr, nach Feststellung ihrer Personalien aber wieder entlassen. Nur der Leiter der Ver sammlung, ein bekannter Anarchist auS Berlin, wurde, da er sich der Visitation widersetzte, in Haft genommen. * Leipzig, 6. August. Wieder einmal gehen „dem Vernehmen nach" bei den Regierungen Listen um, welche be zwecken, eine Aufstellung jener Mcoicamente zu Stande zu bringen, welche als Geheimmittel zu bezeichnen sind. Dies« Medicamente sollen den Vermerk „Geheimmittel" außen auf der Verpackung sichtbar tragen. Diese Maßregel soll auf dem Verwaltungswege Gesetzeskraft erhalten. — Wir können un« leider nicht erinnern, wie oft schon diese Ge« Heimmittel-Listen angekündigt worden sind — geseheu hat sie aber noch Niemand. Nur wer einmal selbst für den Jnse- ratentheil einer Zeitung verantwortlich gezeichnet, hak wird unseren Schmerz varüder zu würdigen wissen. 4t Berlin, 6. August. (Die Einrichtung von Haftpflichtversicherungen.) Während der Reichs tag aus dem Entwürfe der Unfallversicherungsnovelle, wie er von den verbündetenRegierungen vorgelcgt war, die vorge schlagene Erweiterung der Competenz der Berufsgenossen schaften zur Errichtung paritätischer Arbeitsnachwerse strich, hat er die Vorschrift, welche den Genossenschaften das Recht zur Ein richtung von Haftpflichtversicherungen gtebt, nicht nur gebilligt, sondern sogar erweitert. Bom 1- October d. I. ab werden also die Berufsgenoffenschaften in der Lag« sein, einen ganz neuen Dhätigkeitszweig aufzunehmen. Ob viele von der ihnen «r- therften Ermächtigung Gebrauch machen werden, bleibt abzu warten. Jedenfalls sind in einzelnen Berufszweigen auch unter der Geltung der Unfallversicherungsgesetzr recht viele und recht schwer wiegende Haftpstichtsälle vorgekmnmen, welche die ein zelnen, nicht durch eine Versicherung gedeckten Unternehmer sehr hart belasteten. Mit der Einführung der Unfallverstcheruna»- gesetze war nämlich das Haftpflichtgesetz durchaus nicht beseitigt, e» ist im Gegentcheil vielfach vorgekommen, daß sich Arbeiter mit den «ihnen auf Grund der UnfallversicherungSgesetze bewilligten Entschädigungen nicht zufrieden gaben, sondern auf Grund des HafkpflichtgesetzeS geaen di« Arbeitgeber vorgingen. Bald nach dem Beginn der Thätigkeit der Beruftgenossenfchaften begannen
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