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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000808029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900080802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900080802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-08
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Der Rest der Chinesen ist durch Uebcrfluthung von Grund und Boden gedeckt und thatsächlich unangreifbar. Die Japaner, die Engländer und die Amerikaner, etwa 10000 Mann stark, griffen westlich vom Flusse den rechten Flügel der Chinesen in der Flanke an. Die anderen Truppen- körper, Franzosen und Russen, etwa 4000 Mann stark, gingen auf der entgegengesetzten Seite zwischen dem Fluß und der Bahnlinie vor. Die Stellung der Chinesen ist anscheinend stark. Ein chinesisches Heer von angeblich 30000 Mann be- findet sich zwischen Peitsang und Aangtsu oder am Uebergang der Straße über den Peiho; das Ziel dieses Heeres ist Dangtsu. Die amerikanischen Streitkräfte belaufen sich aus etwa 2000 Mann mit einer Batterie. Tas sechste Cavallerie- regiment bleibt in Tientsin zum Schutz der Stadt bis die Pferde «iutreffen. Ueber den AuSgang des Kampfes vom Sonntag, sind bekanntlich amtliche Meldungen noch nicht eingetroffen. Nichtamtlich verlautete, die Chinesen hätten sich zu rückgezogen, die Coalirten aber 1200 Mann verloren. Es scheint, daß große Massen Chinesen von allen Seiten heranrücken, um Peking zu decken. Dies deutet in Verbindung mit anderen Nachrichten darauf hin, daß der Vormarsch in größerem Maße, trotz der von uns mitgetheilten amtlichen englischen Meldung und trotz des obigen Telegramms, überhaupt noch nicht angetreten ist, und daß der Vorstoß nach Peitsang ebenso wie die Erkundungen der Japaner nur Maß regeln sind, um Tientsin zu sichern. Die Lage der Gesandten. Der belgische Minister des Auswärtigen erhielt ein Telegramm aus Peking vom 2. d. M., unterzeichnet: Joostens, belgischer Gesandter. Es lautet: Vom 4. Juni bis 16. Juni vertheidigten wir mit 8 österreichischen Marinesoldaten unsere Gesandtschaft, ohne sie retten zu können. Die österreichische, die holländische und die italienische Gesandtschaft sind gleichfalls niedergebrannt, die französische ist in Trümmern. Alle Fremden sind in der englischen Gesandtschaft versammelt, wo sie von chinesischen Truppen belagert werden. Seit dem 20. Juni bis heute wurden von den Marinesoldaten 58 ge- tödtct und 70 verwundet. Die Angriffe haben seit dem 17. Juli aufgehört. Die Lebensmittel sind fast erschöpft. Alle Belgier in Peking sind wohlbe halten. — Nach dem Telegramm des amerikanischen Generals Chaffee waren die Gesandten am 28. Juli noch Wohl auf. Daß sie nebst allen Fremden unter Escorte von Peking nach Tientsin aufgebrochen sein I sollen, wird wieder aus Shanghai gemeldet, bleibt aber un-1 Wahrscheinlich. Es soll am 2. August geschehen sein; dann < aber hätte doch der belgische Gesandte, der sein Telegramm! am gleichen Tage absandte, das wichtige Ereignis; erwähnt. Am Unntsc-Äinng scheint die Lage nach und nach auch bedenklich zu werden. So berichtet daö Reuter'sche Bureau aus Shanghai, 8. August: Die gestrige Beschlagnahme des Flußdampfers in Tscbinkiang war durch den Capitän des Kriegsschiffes „Rosario" angeordnct worden, der den dortigen britischen Agenten angewiesen hatte, dieses Schiss oder irgend einen anderen Dampfer der China Navigation Company so lange mit Be schlag zu belegen, bis er, der Capitän, die Genehmigung zur Abfahrt ertheile, und die außerhalb der europäischen Nieder lassung wohnenden Europäer zu veranlassen, sich in diese zu begeben und sich aus ein eventuelles schnelles Ver lassen der Stadt einzurichten. Diese Verordnung rief hier große Erregung hervor, da sich anö ihr crgiebt, daß daö Iantse-Gebiet nicht sicher ist. Weitere Nachrichten: * Brüssel, 7. August. Ter belgische Consul in Shanghai meldet: Lipin gheng, dessen Anwesenheit in Peking als sehr be unruhigend angesehen wird, shat Peking verlassen, um die Eisenbahnlinie Peking-Hankou zu decken, un§ auf die die Japaner in der Nähe Paotingfu's einen Angriff beabsichtigen sollen, um Len Chinesen den Rückweg abzujchneidcn. — Der osterreichisch-ungarische Admiral hat die Weisung erhallen, mit 300 Seeleuten an der Expedition thcilzunehinen. (Wiederholt.) * London, 7. August. Nach Woolwich ist der Befehl ergangen, eine große Menge von Kriegsvorräthen in Bereitschaft zu stellen. — Tas Unterhausmitglied Pritchard Morgan ersuchte Li-Hung-Tschang telegraphisch, feinen Einfluß dahin zu verwenden, daß zur Abwendung des Krieges die europäischen Truppen nach Peking Hineingelaffen und die dortigen Fremden nach Tientsin gebracht werden, von wo aus die künftigen Verhandlungen zu führen wären. Li-Hung-Tschang erwiderte, dies sei unmöglich. Wenn die ver bündeten Truppen vorrückten, müßten die Chinesen kämpfen. * London, 7. August. Das amtliche Blatt veröffentlicht eine königliche Bekanntmachung, durch welche die Ausfuhr von Waffen und Munition nach China vom 7. d. M. ab ver boten wird. I» der Haltung der Bercinigtr» Staaten gegenüber der Pekinger Negierung scheint ein erfreulicher Wandel eingetreten zu sein. Man ist in Washington der chinesischen Verlogenheit überdrüssig geworden und will cs jetzt statt der bisher befürworteten Milte mit Strenge ver suchen. Der Staatssekretär Hay hat seinen Depeschenaustausch mit Li-Hung-Tschang, der sich bekanntlich stark gemacht hatte, cr werde die Gesandten wohlbehalten in Tientsin ablicscrn, wenn die Mächte den Marsch aus Peking aufgäben, der Leffcui- lichkeit unterbreitet. In seiner Antwort weist Herr Hay jede Bedingung, die an den unbehinderten Verkehr zwischen ihm und dem amerikanischen Gesandten geknüpft werde, zurück; er verlangt diesen Verkehr nicht als ein Zugeständnis, sondern als sein Recht und betont, daß Amerika cs als eine Kriezshanolung betrachten werde, wenn die chinesische Negie rung aufhöre, die amerikanische Gesandtschaft zu schützen und daß dadurch die amerikanische Regierung nicht nur veranlaßt werde, die Ordnung wiederberzustcllen, sondern auch strafend einzuschreilen. Wie ein Privat-Telegramm der „Kölnischen Zeitung" aus New Aork mittheilt, wird in Amerika diese Antwort Hay's im Allgemeinen als Ausdruck der An sicht ausgefaßt, daß, falls China die Gesandten nicht weiter schützen sollte, dies als Ursache eines wirklichen Krieges gegen die chinesische Negierung angesehen werden würbe. Staatssekretär Hay sei sicher, daß seine Politik von allen Mächten übernommen werden müsse, und deshalb würbe China, wenn es die Gesandten nicht weiter schütze, einen Krieg nicht nur mit den Vereinigten Staaten, sondern mit allen Mächten herausfordern; gerade das aber sucht Li-Hung-Tschang durch seine Vorschläge zu verhindern. Die Vereinigten Staaten seien der trügerischen chinesischen Politik überdrüssig, die Regierung in Washington habe auch gesunden, daß eine sanfte Behandlung Chinas nicht volkslhümlich wäre, sie wolle nun zeigen, daß ihre Geduld erschöpft sei, indem sie die strengsten Maßnahmen empfehle. Das Hay'sche Blatt, die „New Jork Tribüne", sagt, die Note Hay's dürfte einen ausgezeichneten Eindruck in Europa machen; sie beweise, daß die Vereinigten Staaten, obwohl sie vorangegangen seien bei dem Versuche, die Wirren auf friedlichem Wege zu beendigen, nickt die europäischen Interessen unbeachtet und sich von China zu keinem Schritte verleiten ließen, der nicht in vollem Ein vernehmen der Mächte liege. Auch unser Berliner Vertreter schreibt: Gegenüber der Auffassung einiger deutscher Blätter, die Vereinigten S t.aa t en würden sich von den verbündeten Mächten trennen und China gegenüber ein entgegenkommendes Verhalten ein schlagen, wird eö an un terrichteter Stelle als zweifellos bezeichnet, daß die Vereinigten Staaten in Cooperation mit den übrigen Mächten die Entsetzung Pekings sich werden angelegen sein lassen. König Humbert -s. Tas Königspaar ist gestern Abend gegen 9 Uhr nach Rom abgereist. Wie es heißt, bcgiebt sich der König, sobald er dort angekommen sein wird, nach dem Bahnhof, um den Sarg mit dem Leichnam des Königs Humbert in Empfang zu nehmen. Er wird ihm mit den Prinzen des königlichen Hauses zu Fuß nach dem Pantheon folgen. Am Freitag wird der König die fremden Missionen empfangen. Zum Ehrendienst bei dem Prinzen Heinrich von Preußen ist außer dem Admiral Dilrocchstti Oberst Guerrero commanbirt worben. Kundgebung. Die „Wiener Abendpost" berichtet, daß ans Befehl des Kaisers die Kriegsmarine vcm Brkanntwerden der Nachricht vom Tode deö Königs von Italien an bis zur Beerdigung des Königs die Flagge aller Kriegs schiffe auf Halb topp führe. Dieses zur See übliche Zeichen der tiefsten Trauer gelte nach dem Reglement sonst nur als Traucrkundgebung für den eigenen Souverän. Unter den mannigfachen Nachrufen, die dem König Hnmbcrt gewidmet werden, scheint ein Geschehniß, das auf seine militä rische Befähigung Lickt wirst, übersehen worden zu sein. Es ist durch keinen Geringeren bezeugt als durch Heinrich v. Sybel. Es war, wie die „Köln. Ztg." in Erinnerung bringt, am Tage von Custozza, den 24. Juni 1866, an dem Erzherzog Albrecht sich plötzlich von Norden her auf die unter Lamarmora ins Festungsviereck tollkühn eingedrungenen Italiener warf, die einen Angriff des Feindes nur aus östlicher Richtung, aus Verona, erwarteten und deshalb gegen die 80 bis 90 000 Mann Oesterreicher nur etwa 60 000 Mann, unter rascher Umkehr ihrer Front, zur Stelle bringen konnten. Da war es Kronprinz Humbert, der als 22jäbriger Jüngling begriff, auf was eö ankam. Wenn man mit aller Wucht gegen den linken österreichischen Flügel vorstieß, der die Verbindung mit Verona aufrecht hielt, so konnte man den Erzherzog zwingen, von dem italienischen Centrum abzulassen und die Schlacht retten. Humbert stand mit seiner Division auf dem italienischen rechten Flügel und fragte sofort bei dem Obergeneral an, ob er die erwähnte Bewegung ausführen dürfe. Aber der Obergeneral war nirgends zu finden! Völlig verwirrt durch den unerwarteten Angriff des Erzherzogs verließ Lamarmora den festen Standpunct, den er als Obergeneral inne haben mußte, um, um etwaigen Anfragen erreichbar zu sein, und rill nach Verstärkungen suchend umher — gerade als wenn er selber ein simpler Ordonnanzofsicier wäre! So ging die Scklacht verloren, trotz aller Tapferkeit der Italiener mußte sie verloren gehen. Dem Kronprinzen aber gebührt die An erkennung, daß er in der ersten und einzigen großen Schlacht, der cr je beigewohnt hat, Kaltblütigkeit und strategischen Blick bewahrte. Brcsci'S Gcständnitz soll beinahe vollständig sein. Er nannte angeblich eine Reihe seiner Complizen und gab auch eine Beschreibung, wie das Complott beschlossen wurde. Die Details werden von der Behörde aber aus taktischen Gründen geheim gebalten. Brcsci gab sein Geheimnis; unter der Bedingung preis, daß er die Zwangsjacke, die er seit Freitag durch zehn Stunden täglich tragen mußte, ablegen dürfe. Sein Benehmen ist inkonsequent; er läßt des öfteren den Gefängnißbirector holen, er wolle sein Gewissen erleichtern und Wichtiges ge stehen; wenn der Direktor aber kommt, erklärt er, von nichts zu wissen. Manchmal verweigert er die Nahrungsaufnahme. Gestern durste er, da er dringend danach verlangte, seiner Frau nach Amerika schreiben. Einem Telegramm der „Tribuna" aus Monza zufolge soll Bre sei tatsächlich mehrere bomplicen haben. Nachdem er verhaftet worden war, hörte man die Rufe: „Laßt ihn! Laßt ihn!" Während der Wagen des Königs abfubr, fragte General Ponzicvaglia: „Wo ist der Mörder?" Ein Unbekannter antwortete: „Es giebt keinen Mörder!" und verschwand darauf. Aus einer dem Tbatorte benachbarten Brücke wurde ein Arbeitergewand gesunden, das zur Verkleidung bestimmt war. Dies läßt annehmen, daß Bresci's Flucht von Mitschuldigen begünstigt wurde. Wenn man das Herumstrcifen Bresci's im königlichen Park in Betracht zieht, muß man daraus schließen, daß das Complot selbst in Monza bestand. Wegen Vertheidignng des Königs Mordes wurden Ginlio Amertcro in Chiavari zu 8 Monaten Gesängniß und der Apotheker Carlazzi in Perugia zu 17 Monaten Gesängniß verurtheilt. — Francois Niccoli wurde aus der Rückkehr von Paterson in Nieti und Salvatore I Tiscione gleichfalls auf der Rückkehr von Paterson in Caserta I verhaftet. — Domenico Barghesio aus Turin wurde I zu 10 Monaten Gesängniß verurtheilt. Feuilleton. q Gold und Llut. Roman »us Südafrika von O. Elster. tiuck verboten. Der Entsah mußte ja kommen. Jenseits des Tugela sammelte General Buller im Lager von Fröre seine Streitkräfte, mit denen er die Linien der Boeren durchbrechen würde, um sich mit General White in Ladysmith zu vereinen. Aber der Angriff Buller's auf Colenso scheiterte an dem furchtbaren Feuer der Boeren, die alle Hügel am Nordufer des Flusses besetzt hatten; mit großen Verlusten wurden die Eng länder zurückgetrieben, ganze Bataillone waren aufgerieben, und ehe die Armee Buller's wieder kampffähig war, mußten Wochen vergehen. Und wie in Natal, so hatte auch im Westen der Freistaaten die Tapferkeit der Boeren gesiegt. Mafeking und Kimberley, die Diamantenstadt, waren von ihnen eng eingeschloffen, und am Modderriver bei Magersfontein hatte der tapfere General Cronje das tollkühne Vorgehen des britischen Generals Lord Methuen blutig zurückgewiesen. Jetzt war ein gewisser Stillstand in den Operationen ein getreten. England sandte seine besten Truppen und besten Generäle nach Südafrika; Lord Roberts, der Besieger der Afghanen, der greise Feldmarschall, dessen einziger Sohn in der Schlacht bei Glencoe gefallen, sollte den Oberbefehl übernehmen, und ihn begleitete als Generalstabschef der General Lord Kitchener, der Ueberwinder des Mahdi und der Derwische im Sudan. HanS von Ehrenstein hatte in allen Kämpfen in Natal tapfer mitgefochten, ohne verwundet worden zu sein. Jetzt lag er mit einer Abtheilung deS deutsch-holländischen Freicorps, ivelcher durch den deutsches Kommandanten Kranz geführt wurde, in Acton Home-, elfter kleinen Ortschaft an der großen Straße von Ladysmith nach dem Van-Reenen-Paß und Harry- smiH, um die Verbindung mit der Besatzung dieses Passe» auf recht zu erhalten und die Landstraße zu beobachten, welche der Thalsenkung des Sand-Spruit (Bach) folgend hier nach dem Tugela, und zwar nach der UebergangSstelle von TrichardS Drift, führte. Im Norden von Acton Homes breiteten sich meilenweite dichteWälder aus, die nur durch ganz vereinzelte halbverwackiene W«ge durchschnitten wurden; im Süden erhob sich der vielfach zerMftete und massige Felsenberg, der Spion-Kop, welcher durch die Thalscnkung des Venter-Spruit nach Osten zu von dem Tambamyama-Berge getrennt wurde. Schroff fielen diese felsigen kahlen Berge zum Thale des Tugela ab, den hier zu beiden Seiten eine schmale Ebene be gleitete. Beide Berge waren von den Boeren befestigt und durch stärkere Commandos beseht, um den Engländern den Uebergang des Tugela bei Pont Drift und Trichards Drift zu verwehren. Es war eine kühle, sternenklare Nacht. Die Pferde erschauer ten unter ihren Decken, und die Soldaten schürten die Feuer zu höherer Gluth an. Ein eisiger Lufthauch wehte aus den Schluchten des Spion-Kop und der Tambamyama-Berge über die Hochfläche, auf der das Lager von Acton Homes lag, während aus den Wäldern im Norden feuchte, kalte Nebel emporwallten und gleich einem Wolkenmeer die Schluchten und Thäler erfüllten. Lautlose Stille herrschte. Der Donner der Schlachten, welche hier in diesen Bergen seit Wochen getobt, hatte die wilden Thiere verscheucht, die weiter in die Wälder und Berge geflüchtet waren. Die Dörfer und Farmen aber waren zum weitaus größten Theile von den Einwohnern verlassen. Die Holländer und Boeren hatten sich nach Pretoria und Johannesburg ge flüchtet, wenn sie nicht in die Reihen der Burghcrs getreten waren, die Engländer hatten sich nach Pietermaritzburg oder Durban zurückgezogen, und die Schwarzen waren in die dichten Wälder, in die KraalS ihrer noch in der Wildniß lebenden StammeSgenossen, geflohen. Die Dörfer und Farmen rings um Ladysmith waren in Flammen aufgegangen. Die Felder zer treten und zerstampft, die Heerden zerstreut oder als willkommene Beute der Krieger geschlachtet. Der Dämon des Krieges schwebte mit bluttriefendem Flammenfittich über dem unglücklichen Lande. Hans von Ehrenstein saß mit dem kleinen Grafen Sellien und einigen anderen deutschen Officieren am Wachtfeuer. Man hatte von der alten Heimath geplaudert und gemeinsamen Kameraden. Durch welche Lsbensschicksale man nach Südafrika verschlagen war, danach fragte Keiner den Anderen. Niemand sprach davon, nur der junge Graf Sellien bekannte offen, daß ihn nur dir Begeisterung für das HeVdenvotk der Boeren in da» Heer derselben geführt. Leutnant von Barnewitz lächelte trübe und finster bei den Worten de» jungen Grafen, auch ihn beseelte Begeisterung für dl« gerechte Sache der Boeren, ckber man merkte c» seinem finsteren, wortkargen Wesen an, er suchte nicht Aben teuer, er suchte den Tod. Mit einem toMühnen Muth stürzte er sich in daS Gefecht, und wenn di« Boeren all« geschützt hinter den Deckungen lagen, dann stand er aufgerichtet da, sein« lange, breischukterig« Gestalt den englischen Geschossen al» Scheibe bietend. Er legte sich niemals nieder iw Gefecht und ein Wunder war es zu nennen, daß er noch nicht verwundet oder getödtet war. Auch Hans von Ehrenstein war nicht aus Lust an Aben teuern, am Kriege selbst in das deutsche Freicorps der Boeren eingetrekcn. Aber während des Krieges war er ein Anderer ge worden; eine ehrliche Begeisterung für die Sache der Boeren erfüllte ihn, ihre ruhige, leidenschaftslose Tapferkeit, ihre tiefe Vaterlandsliebe, ihre Frömmigkeit und ihre Milde gegen den besiegten Feind erweckten in seiner Seele die größte Achtung vor diesem Volksstamm, der wie die alten Deutschen gegen die Römer, ihre heimischen Sitten, ihre Freibeit und Selbstständigkeit gegen das Weltreich der Briten vertheidkgte. Und zu dieser ehrlichen Begeisterung für die Sache der Boeren kam die Liebe zu Mary Walter hinzu, um die letzten Schlacken aus seinem Herzen und seiner Seele zu entfernen und das lautere Gold seines Charakters zu Tage zu fördern. Als Abenteurer, um Reichthum rasch zu erwerben, war er nach Südafrika gekommen, in dem Freiheitskamps der Boeren, in der Liebe zu Mary war er geläutert zu einem reinen, edlen Charakter, der hohe und sittliche Ziele verfolgte. Wohl dachte auch er an den Tod, als Mary seine Liebe zu rückwies, er wollte sterben — aber dann lebte in seiner Seele die Hoffnung auf, daß er durch sein Leben beweisen könnte, wie unrecht ihm Mary gethan. Er wünschte sich jetzt nicht mehr den Tcid, sondern er wünschte zu leben, um gut zu machen, was er gefehlt. Das Schnauben und der Hufschlag galoppirender Pferde unterbrach die Stille der Nacht. Der Mond schien so hell, daß man schon von Weitem die auf der Straße rasch näher kommende Patrouille erkennen konnte. Barnewitz, der hier der älteste Officier war, erhob sich „Woher kommt Ihr?" rief er der Patrouille entgegen, die jetzt ihre dampfenden Gäule parirte. „Aus dem Sand-Spruit-Thal, Capitän", entgegnete der Führer der Patrouille, eine kräftig-schlanke, jugendliche Boer«n- gestalt. „Wer commandirt hier?" „koinmaftdant Krantz!" „Die Wache commandire ich. Die ganze Stellung der Kommandant Krantz." „Wo ist er?" In dem zerstörten Gehöft dort in Acton Home ist sei» Quartier." „Gut — ich weiß zu finden " „Aber wollt Ihr mir nicht sagen, ob Ihr vom Feinde etwa» gesehen habt?" „Die Engländer überschreiten bei Trichards Drift den Tugela — Kavallerie und berittene Infanterie befindet sich schon diesseits des Flusses im Marsch auf Bethany. Morgen früh haben wir die Briten in unserer rechten Flanke." „Pah, der Spion-Kop ist gut besetzt." „Freilich — hütet Euch aber nur, daß Euch die englische Cavallerie nicht hier bei Acton Home über den Hals kommt." „Wir werden sie schon gehörig empfangen." „Na — dann gute Nacht." „Gute Nacht." Die Boeren gaben ihren Pferden die Sporen und galoppirten nach dem halbzerstörten Acton Home. Barnewitz wandte sich seinen Kameraden zu. „Morgen giebts Arbeit", sagte er mit finsterem Lächeln. „Die Engländer haben den Tugela überschritten." Der kleine Graf Sellien sprang auf. „Alle Wetter, so wollen sic es doch noch einmal wagen? Na, das soll ihnen schlecht be kommen." „Die Engländer scheinen unsere rechte Flanke umgehen zu wollen", fuhr Barnewitz fort. „Wie sie aber über den Spion- Kop kommen wollen, ist mir unerfindlich — vorausgesetzt, daß General Joubert den Berg stark besetzen läßt." „Mir thun die armen Burschen leid", sagte Graf Sellien, „die den Spion-Kop stürmen sollen." Man unterhielt sich noch über die Chancen eines Kampfes auf dieser Seite der Boerenstellung, als Commandant Krantz mit einigen Officieren in den Lichtschein des Feuers trat. Die deutschen Officiere erhoben sich. „Sie lbaben gehört, meine Herren", sagte der Commandant, „daß die Engländer bei Trichards Drift den Tugela überschritten haben. Ich habe verschiedene Patrouillen in da? Thal gesandt, um den Vormarsch zu beobachten. ES kommt jetzt darauf an, unsere Stellung gegen eine Ueberrumpelung zu sichern. Nehmen Sie Stellung auf dem kleinen Hügel nördlich deS Spion-Kop, der den Weg nack Ladysmith deckt. Sie kennen die Stellung Herr von Barnew tz?" „Jawohl, Herr Commandant." „Nun gut, so marschiren Sie mit Ihrer Abtheilung sofork dahin ab. Acton Home werde ich mit dem Haupttrupp besehen." Er grüßte leicht und wandte sich wieder Acton Home zu. Barnewitz alarmirte seine Abtheilung; in wenigen Augenblicken saß man im Sattel und trabte der bezeichneten Stellung zu. Dort grub man sich ein uftd schickte Vie Pferde zurück.
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