Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.08.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000818017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900081801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900081801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-08
- Tag1900-08-18
- Monat1900-08
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Morgen-Ausgabe erscheint »« Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag« am b Uhr. LrLaclion un- Lrveditto«: zotzanni-RNffe 8. DieErpeditio» ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von ftüh S bi« Abend« 7 Uhr. Filiale«: Alfred Hahn von», v. Klemm'« Lsrtt» UniversitStSstraßr 3 (Paulinum), Laut« Lösche, LaHariaeastr. 1«. »art. nntz KönigSplatz 7. vezrrgSPxpr- A der Han-texpeditio» aber den im Stadt» tztttrk nnd de« Vororte« errichteten Au«' aabestellen ab geholt: vierteljährlich^ 4.üO, bei tweimaliaer täglicher Zustellung in« Han« —<>. Durch die Post bezogen für Dentschland und Oesterreich: vierteliährlich . Direkte tü,l!ch« Kreuzbandienduag in« Ausland: monatlich 7.SO. Morgen-Ansgabe. KiWMrIlllgMatt Mzeiger. NmtsMtt des Äönigtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nottzei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petit-eile 20 Pfg. Reklame« unter dem Redaction«strich (4 ge spalten) bO><z, vor den Familieunachrichtr» (6geipalten) 40/4- Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsah nach höherem Tarif. Extra-Bcilaaeu (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Innahmeschluß für Änzeigea: Ab end «Ausgabe: vormittag« 10 Uh«. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. vei Len Filialen und Annahmestelle« je ein« halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Bolz tu Leipzig 418. Sonnabend den 18. August 1900,' 84. Jahrgang. Kaiser Franz Joseph. Z u m 18. A u g u st. Wenn heute die vielsprachigen Stämme' der habsburgi schen Monarchie vom Böhmerwalde bis zur Adria den 70. Ge burtstag ihres Herrschers feiern, so tonnen sie von dem frohen Gefühle erfüllt sein, daß an diesem Tage weit über die Grenzen des Kaiserstaates hinaus des greisen Monarchen gedacht wird, insonderheit natürlich im deutschen Reiche, in dem ihm seit langer Zeit schon die lebhaftesten Sympathien gehören. Diese Sympathien entspringen ganz und gar nicht etwa ledig lich dem, wir möchten sagen, Nützlichkeitsstandpuncte, der in der Erwägung liegen würde, daß Kaiser Franz Joseph der Herrscher eines seit mehr als zwei Jahrzehnten mit Deutfchland eng ver bündeten Staates ist. Nicht lediglich auf dieser praktisch-politi schen Auffassung baut sich die lebhafte Antheilnahme an dem Herrscher auf, sondern auf einem herzlich-menschlichen Empfin den, auf dem Gefühle einer Verehrung, die durch die vielen schweren Schicksalsschläge, die der greise Herrscher erfahren hat, nur gesteigert worden ist. Wenn irgend ein Fürst als Beispiel dafür dienen kann, daß hinter dem Glanz der Krone manche schwere Sorge, manches Leid verborgen ist, so ist es Kaiser Franz Joseph. Unsäglich viel Trübes hat er in feinem Leben erfahren, von dem Augenblicke an, wo er in einem Alter, in dem andere Prinzen ein Alleres und sorgloses Leben in einer Universitätsstadt oder als junge Offi- ciere im Kreise ihrer Kameraden fühlen, auf den Thron gelangte, bis zum heutigen Tage. Er ist wahrlich berechtigt, jene Worte zu sprechen, die Englands größter Dichter den nachmaligen König Heinrich V. sprechen läßt, indem er die Krone apostro- phirt: Die ein so unruhvoller Bettgenoß. O glänzende Zerrüttung, gold'ne Sorge, Die weit des Schlummers Pforten offen hält In mancher wachen Nacht! Wenn Kaiser Franz Joseph die schweren Schicksalischläge, die ihn als Herrscher und als Familienhaupt getroffen haben, verwinden konnte, so verhalf ihm dazu neben seinem außerordentlichen Pflichtgefühl die bewunderungswerthe Fähigkeit/ sich ohne Murren mit den That- sachen abzufinden, jene Fähigkeit der Resignation, wie sie nur einem wahrhaft vornehmen Charakter eigen sein kann, der nicht an sich denkt, sondern an daS Wohl der Anderen. Nur zwei Beispiele: er, der kirchlich gesinnte und durchaus konservativ gerichtete Mann, hat seit dem Ausgleiche mit Ungarn, also seit mehr als einem Menschenalter, in Ungarn gemeinsam mit der liberalen Partei regiert, und so manches Gesetz — wie beispiels weise die vielumstrlltenen Kirchengesetze von 1894 — loyal voll zogen, obgleich er sich sicherlich mit seinem Herzen auf der Seite der Opposition gegen diese Gesetze befand. Aber er wollte es cben vermeiden, Conflicte heraufzubeschwören, die für das Ge deihen deS ungarischen Staates gefährlich sein mußten; und so ordnete er seine Anschauung dem Willen der Mehrheit der unga rischen Nation unter. Ebenso hat er erst vor wenigen Monaten wieder daS Beispiel der Selbstbezwingung gegeben. Kaiser Franz Joseph ist erfüllt von dem Ahnenstölze eines Geschlechts, daS seit mehr als sechs Jahrhunderten eine erste Rolle auf dem europäi schen Continente gespielt hat. So hat ihn sicherlich der Wunsch feines Neffen und designirten Nachfolger-, eine zwar einem edlen Geschlechte entstammende, aber nach den HauSgesetzen uneben bürtige Gattin heimzuführen, auf das Schmerzlichste berührt. Aber auch hier wieder stellte er sein per sönliches Empfinden zurück gegen das Gefühl, dem Glücke der Anderen nicht im Wege stehen zu sollen. Und er hat sich seine Zustimmung zu dieser Ehe nicht etwa nach heftigen Scenen ab trotzen lassen, sondern sie ohne Zorn und ohne Groll ertheilt. So ließ er nicht feinen Neffen unter der Enttäuschung, die dieser ihm bereitete, leiden, sondern er litt al» vornehmer Mann, der die Dinge mit sich selbst abmacht, still für sich. Mit diefer Fähigkeit der Resignation und deS stillen Duldens darf man aber nicht schließen, daß Kaiser Franz Joseph eine passive Natur sei. Er hat bei der Regierung seines ausgedehnten Reiches r» wahrlich nicht an Energie fehlen lassen. Wenn die habsburgische Monarchie, die bei dem Regierungsantritte Kaiser Franz Joseph'» wirthschaftlich vollkommen zerrüttet war, sich heute de» besten Gedeihen» erfreut, so ist dies mit in erster Reihe dem Herrscher zu danken, der an der kulturellen und wirthschaft- lichen Erschließung deS bi» dahin recht vernachlässigten Staate» den regsten Antheil nahm. Auch in der äußeren Politik hat Kaiser Franz Joseph zu gleich seine Fähiakeit der Resignation, wie seine Energie bethätigt. Manch anderer Fürst hätte nach den Ereignissen von 1866 zeit lebens einen heftigen Groll gegen den siegreichen Nachbar im Busen getragen. Er aber verstand eS nicht nur, den Groll zu verwinden, sondern als ihm der frühere Gegner die Hand zu einem engen Bündniß bot, schlug er herzhaft ein. Und seit dieser Zeit ist er innerhalb der habsburgischen Monarchie die zu verlässigste Säule diese» Bündnisse» geblieben. E» hat wahrlich nicht an Jntriguen gefehlt, ihn von der engen Freundschaft mit Deutschland wieder abzuziehen, aber al« echter Edelmann hält er in unverbrüchlicher Treue sein gegebene» Wort. Darum friert man ihn an vrm heutigen Tage auch in Deutsch land aufrichtigen Herzen» al» den verbündeten Monarchen nicht nur, sondern auch al» den edlen Menschen und den wahrhaft vor nehmen und ritterlichen Cavalier. Der „interparlamentarische Friedenskongreß" bat diese« Jahr im Feuer exercirt. Bildlich gesprochen natürlich. Die Herren kamen in Pari« zusammen, wo trotz aller Anarchisten schrecken selbst eine so prominente Persönlichkeit wie Herr vr. Hirsch nicht« z« fürchte» hatte. Aber ei» besonderer Mntb oder eine selten« Widerstandönnflhiakeit Hege» die Ver lockungen der Seinestadt gehörte doch dazn, Haag 'M Rücke» und Traa«vaal vor sich, eine Palmttveiaprocession zu unternehmen »nd der Welt zu versichern: früher oder spater, wir ivter- Varlamentarischrn Götter «erde» es schon machen; hat jeder von »,« doch auch schon z« Hause Große« erreicht." Di, Botschaft hat bekanntlich bisher »och wenig« Gläubige gefunden, aber Eine« muß auch der Skeptiker anerkennen: dieser Friedenskongreß von 1900 verlief weniger »«friedlich al« die meisten seiner Vorgänger; nicht einmal gegen Deutschland scheinen unfreundliche Worte gefallen zu sein. Vielleicht, und da« will viel sagen, trug man Scheu, daS wegen China erzielte Einvernehmen von so autoritativer Stelle zu stören. Die Geschichte verlief also, wenn auch unbeachtet, so doch großartig. Um so tiefer muß eS empöre», daß ein den Congreßmitgliedern mindesten- congenialer Herr, der früher mit ihnen zusammen gewirkt bat, abtrünnig geworden ist und, wie Renegaten ja leider häufig thun, daS alte Bekenntniß herabsetzt. Herr Gebeimrath Professor vr. Virchow will nichts mehr von den Friedenskongressen wissen. Er, der zwischen 1866 und 1870 überzeugt war, durch die Abrüstung NorddeutswlandS, die er denn auch beantragte, der Welt den ewigen Frieden zu schenken, er setzt jetzt sein ganzes Vertrauen auf die Heere befehligenden Regierenden! Herr vr. Virchow hat sich in Paris, wie unsere Leser wissen, von einem Zeitungsmanne ausholen lassen und, obwohl der Ausfrager Vertreter eines der radikalsten deutschen Blätter gewesen, mit Len FriedenS- lräumenschonungSloSaufgeräumt. „Die internationale Friedens campagne", so rief er auS, „du lieber Himmel! Einmal habe ich mich ja auch an ihr betbeiligt, zur Zeit habe ich aber ein Vertrauen mehr. Es ist nichts. Die Regierungen ind heutzutage für den Frieden, aber die Völker wollen ibn nicht." Den letzten Satz wiederholte Professor Virchow, nachdem er gefragt worden war, welchen Eindruck die von ihm kurz vorher mit dem Präsi denten der französischen Republik geführte Interhaltung bei ihm hinterlassen: „Welchen Eindruck? Wie ich Ihnen schon sagte, die Regierungen wollen den Frieden, aber u. s. w." Prof. Virchow hat sich auch durch WeltausstellungSlirbenSwürdiglriten nicht täuschen lassen. Er and, daß ein einflußreicher Theil der französischen Presse auch etzt den Frieden so wenig ehrlich will wie vor einigen Jahren, wo diese Presse ihren Einfluß bewährte-, indem sie e« mittels einer ordentlichen Hetze dabin brachte, daß kein ein.izer Pariser Mediciner —zwei von der Regierung entsandte ausgenommen — e« wagen durfte, den internationalen medicinischen Congreß, als dieser auf deutschem Boden stattfand, zu besuchen. Virchow versieht sich gleicher Feindseligkeit auch heute. Er erklärte: „Nun Pasteur nicht mehr unter den Lebenden weilt und ihm daraus bei seinen Landsleuten keine Unannehmlichkeiten mehr erwachsen können, kann ich eS wohl sagen, daß daS Verhältniß zwischen ihm und mir niemals einen Bruch erfahren hat." Also einem großen französischen Gelehrten würde eS auch jetzt noch schlecht ergehen, wüßte man, daß er sich mit einem Berussgenossen, der ein Deutscher ist, nicht entzweit. Für dieses Durchdringen der Weltauöstellungs- settschicht, die man geschickt über die unveränderte fran zösische Revanchestimmung gebreitet bat, darf man dem Berliner Gelehrten aufrichtig dankbar sein. Herr Virchow hatte, zum Unterschied von etwa 999 pro Mille der deutschen Parisfahrer, Gelegenheit, mit Leuten Zusammenkommen, die nicht von seiner Anwesenheit pekuniär profitiren wollen. Wenn er trotz seiner großen Berühmtheit, die den Franzosen wieder eine Zurückhaltung anderer Art auferlegt, den alten Haß lodern sieht, so ist das Zeugniß werthvoller, als daS eines höflich bedienten Kunden oder eines nicht unhöflich behandelten deutschen OmnibuSfabrgasteS. Wahrscheinlich auch brauchbarer als das deS österreichischen Historikers und Reichstagsabgeordneten Prof. vr. Fournier. Dieser Herr hat die Weltausstellung und den interparlamen tarischen Friedenskongreß frequentirt und will dabei eine „Wandlung in der französischen Volksseele" ermittelt haben. Die Franzosen, so scheint der fremde Geschichtsschreiber zu glauben, haben Sedan und Elsaß-Lotbringen vergessen und denken nur noch an Faschoda, Waterloo (wo aber fataler Weise auch krussisos „dabei" waren) und Agincourt. Das macke iu Verwanz ruft in ihnen, den Franzosen, Helles Entzücken wach: „Sie sehen darin einen heimlichen Bundesgenossen in der Gegnerschaft wider England. Vor ihren Augen öffnet sich eine Perspective auf ein künftige- Continentalsystem, ähnlich demjenigen Napoleon-, doch ohne Druck und Unterdrückung, auf einen RegenerationSproceß der romanischen Festlands staaten im Bunde mit Deutschen und Slawen." Wir wollen abwarten. Bis auf Weitere« glauben wir, daß der Sekt, den die Franzosen trinken und empfänglichen Gästen vorsetzen, immer noch brfser ist al- ihre Gesinnung gegen Deutschland. L2 Die Wirren in China. —p. Obwohl noch keine amtliche Bestätigung vorliegt, scheint doch auf Grund der eingelaufrnen übereinstimmenden Meldungen al- sicher angenommen werden zu dürfen, daß Pektn« Genommen ist und die Gesandte« ebenso wie die übrigen Weißen gerettet sind. Folgende Nachrichten gehen na- zu: * Lantzan, 17. August. (Telegramm.) Die Abendblätter veröffentlichen folgend« Telegramm«: Shanghai» 17. August, 10 Uhr IS Mi«. Morgen«. Di« hiesige« Mandarin« erhielte« di, Nachricht, daß die Katsarin-Vittw«, Prinz Tua» und der kaiserlich« Hofstaat mit dem tzanpttheil de« Heere« und de« Boxer« am 7. d. M. Peking verlasse» und sich nach tzeianf« begeben habe«. Di« verbündeten Trnppen be- gaanea di« Operationen gegen di« Manern von Peking am 1b. d. M. nnd erwarte« bei»«» längeren Widerstand. * Shanghai 17. «ugost, 11 Uh- 40 Mi«, vorm. (Tel«, gramm.) Li« verbündete« Trnppen zogen am 14. d. M. in Peking et»; r« wird geglaubt, daß die Truppen Puanschikai« «ach Sch an ft gegangen sind, um di« auf der Flucht befindlich« Kaiserin z» schütze«. In Bezug auf die auS chinesischer Quelle stammende, den Entsatz meldende Nachricht, welche wir gestern durch Extra- blatt verbreiteten, wird unS auS Berlin berichtet: ». Berlin, 17. August. (Privattelegramm.) A» unterrichteter Stelle wird eine chiucsische Meldung vom Einrücken der Verbündete» in Peking nnd dem Entsatz der Gesandten für glaubwürdig gehalten. Ueberall wird die hocherfreuliche Nachricht, ihre Richtig keit vorausgesetzt, mit Jubel und berechtigter Genugthuunz ausgenommen werden. Macht sie Loch dem viele Wochen hindurch währenden Sorgen und der peinigenden Ungewißheit über daS Schicksal der schwer geprüften weißen Bewohner Pekings, vor Allem der Gesandten Europas und der Vereinigten Staaten ein Ende! Gerettet nach furcht baren Äengsten unter den Geschütz- und Gewehrmündungen fanatischer, grausamer, blutgieriger Bedränger, nach entsetz lichen Entbehrungen aller Art, nach fast übermenschlichem Widerstand, nach manchem verzweifelten Nothschrei, gerettet, nachdem schon mehr als einmal die Hoffnung auf die Er haltung des Lebens dieser Tapferen aufgegeben war! In den letzten Tagen war eS ja im Hinblick auf daS rasche und energische Vordringen der internationalen Streitkräfte immer wahrscheinlicher geworden, daß der Widerstand der Chinesen zusammengcknickt war, aber immerhin mußte uian sich noch darauf gefaßt machen, daß eine langwierige Belagerung Pekings nöthig sein werde, und die Befürchtung ließ sich nicht unterdrücken, daß während der selben die Fremden doch noch ihr Leben lassen müßten. Nun ist die Stadt rascher gefallen, als man annchmcn konnte. Wahrscheinlich haben die Verhandlungen über den von Len Chinesen erbetenen Waffenstillstand sich zerschlagen, La keine genügenden Garantien für die absolut sichere Ueberlicferung der Gesandten gegeben wurden und die Commandanten der verbündeten Truppen haben dann kurzen Proceß gemacht. Ob die chinesischen Machthaber jetzt, nachdem sie Peking aufgegeben haben, den Widerstand an einer anderen Stelle wieder aufnehmen werden — sie scheinen ihre Truppen in der Provinz Schonst zu concentrireo —» muß abgewartet werden. Vielleicht erneuern sie ihr Gesuch um Waffenstill stand, und eS steht der Annahme desseiben jetzt sicher nichts mehr im Wege, da ja der Stein deS Anstoßes — die Ge fangenhaltung der Fremden in Peking — beseitigt ist. Hoffent lich ist dann der Waffenstillstand die Einleitung deS Friedens. ES steht zu erwarten, daß die Einnahme der Reichs hauptstadt und die Flucht der Kaiserin mit sammt dem ganzen Pekinger Bandurenheere die Einbildungskraft der Chinesen erheblich dämpfen und den Großsprechereien und Hetzereien ihrer Mandarinen und Geheimen Gesellschaften wirksam den Boden abgraben wird. Daß der Fall Pekings von großer Wirkung auf das Land sein muß, beweisen die unablässig wiederholten Versuche, bald im Guten, bald im Bösen, bald durch Drohungen, bald durch Versprechungen, durch große Truppenmassen oder durch Verhandlungen die Besetzung der Stadt durch die Verbündeten hintanzuhalten. Es wird sich nun fragen, ob die Befehlshaber der Entsatz truppen in Peking bleiben oder sich damit begnügen werben, die Fremden nach der Küste zu geleiten. DaS dürfte im Wesentlichen davon abhängen, ob genügende Truppen ge- landet werden, um die rückwärtigen Verbindungen Peking« zu sichern. DaS scheint ja nun thatsächlich der Fall zu sein, und so werden wohl die weiteren Verhandlungen mit der chinesischen Regierung von Peking aus weitergesührt werden. Ueber die Zustände in Peking gegen Ende Juni, also zur Zeit der verbrecherischen Ereig nisse, für die die Verantwortlichkeit noch festzustellen sein wird, veröffentlichen die „Times" einige Nachträge auS der Depesche ibr-S Berichterstatters vom 21. Juni. Danach war schon damals die östliche Kathedrale der Lazaristen zerstört; 200 ein geborene Christen waren ermordet und viele verbrannt. Die Gebäude der Londoner und der amerikanischen Mission waren ebenso wie die von den Angestellten deS Seezolldienstes bewohnten Häuser in der Oststadt niederzebrannt. Die bei Europäern angestellten Chinesen waren nicdergemetzelt worden, vr. Morrison, der Vertreter der „Times", macht kein Hehl daraus, wen nach seiner Ansicht die Verantwortung für die Pekinger Schandthaten trifft, denn er führt zwei Erlasse der Kaiserin an, die er „schmählich" nennt, weil der eine (vom 13. Juni) behauptet, der japanische Kanzlei beamte Sujziyama sei von „unbekannten Schurken" ermordet worden, während erwiesen sei, daß die Soldaten Tungfuh- siangS ibn erschlagen hätten, und weil der andere behauptet, die Zerstörung fremden EigenthumS sei nicht von Boxern, sondern „von schlechten Menschen verübt worden, die sich betrügerischerweise in eine fanatische Gesellschaft eingeschlichen" hätten. Diese kaiserlichen Erlasse liegen inzwischen im Wort laut vor; sie sind ein wertbvolle« Material für die zukünftige Abrechnung. Noch werthvoller aber ist in dieser Hinsicht der Erlaß vom 20. Juni, den vr. Morrison damals noch nicht kannte. Darin wirft die Kaiserin die Ma-ke ab, erklärt, daß der Kampf zwischen China und den Mächten begonnen habe, und fährt dann fort: „Die Vicekönige und Gouverneure der verschiedenen Pro vinzen haben vom Throne reiche Güte erfahren, unsere Be ziehungen zu ihnen sind stet« gütige und nahe wie zwischen Verwandten gewesen. Daher ist es jetzt, wo da« Reich an einem solchen Punkte angelangt ist, ihre Pflicht, Alle-, was in ihrer Macht steht, zu thun, um da- Reich zu retten. Mögen sie sich nun über Mittel und Wege einigen mit Rücksicht auf die drei wichtigen Fragen, fähige Officiere au-zuwählen, gut geschulte Soldaten einzustellen und z» ihrer Unterhaltung Geld zu sammeln. Sie mögen darüber Nachdenken, wie da- Reich am besten geschützt werden kann, und wie die Fremden verhindert werden, ihre Raubsucht in China zu befriedigen; sie mögen daher ent scheiden, wie Peking gerettet werden und die Bewohner de- Palaste« mit einer Belagerung verschont werden können. Die Vicekönige und Gouverneure deS Jangtse und der Seeprovinzrn müssen auch für die Sicherheit ihrer Bezirke sorgen, nach deren Besitz die fremden Nationen schon lange strebe«. Da» ist sehr wichtig, wenn aber diese hoben Beamten in ihrer Gleichgiltigkeit beharre», so gefährden sie täglich mehr die Sicherheit de« ReicheS und veranlassen unabsehbare Zerstörung. Die Sicher heit unseres Reiches hängt von diesen Vicekönigen und Gouverneuren allein ab, ihre Pflicht ist es daher, sich zu einigen und den Frieden wieder herzustellen. Die Lage ist jetzt sebr drückend und wir hoffen ernstlich, daß sie alle unserem Befehl gehorchen werden. Dieser Erlaß ist Lurch Boten, die täglich (?) 600 Li (345 Kilometer) zurücklegen, zu verbreiten. Eile, Eile, damit Alle diese unsere Befehle vernehmen!" Dieser Erlaß der Kaiserin-Regentin ist sebr lehrreich. Er zeigt, waS von den angeblichen freundlichen Gesinnungen der chinesischen Negierung zu halten ist, er zeigt aber andererseits auch, wie hilflos Vie Pekinger Regierung sich ohne die Unter stützung der großen Provinzialbeamten vorkommt. Antiquirt sind wohl folgende weitere Meldungen: * London, 17. August. (Telegramm.) „Neuier's Dureau" meldet aus Hongkong vom 16. d. M.: Tie Zollbehörden in Canton haben eine Depesche erhalten, der zufolge Robert Hart Peking unter chinesischer Eskorte verlassen hat. Ein Kreuzer wurde entsandt, um ihn aufzunchmen, wenn er die Küste erreicht. * Pari-, 17. August. (Telegramm.) Eine Note der „Agence Havas" besagt: In Beantwortung einer erneuten Mit- theilnng Li-Hung-Tschang's erklärte der Minister des Aeußern Delcasss, die Entschließungen der Regierung könnten erst ab geändert werven, wenn die Befreiung der Gesandten eine vollendete Thatsache sei. Der Krieg in Südafrika. Mit jedem Tage wird die Hetzjagd der englischen Generale hinter Christian De Wet inter essanter, und die Telegramme des IÄdmarschalls Lord Roberts werden in London mit einer Spannung und einem Eifer er wartet, wie man seit Wochen kaum irgend welchen Berichten vom Kriegsschauplätze «ntgegengesehen hat. Bis jetzt fallen die sämmtlichen Ehren dieses Hetzsportes selbst nach Ansicht vieler englischer Blätter unbedingt dem Boerengeneral zu, und die Be wunderung für sein« außerordentliche taktische Gewandtheit geht so weit, daß die „Daily News" sich den sarkastischen Vorschlag leistet, man solle General De Wet, den di« britischen Truppen ja doch nicht fangen oder unschädlich machen könnten, die ehren volle Offerte machen, eine Professur in Kriegswissenschaften und Taktik an der englischen Kriegsakademie anzunehmen, um dadurch einem sehr fühlbaren Mangel in der Ausbildung britischer Officiere abzuhelfen. Es ist auf jeden Fall ein brillanter strategischer Erfolg, wie De Wet es verstanden hat, dem nachdrängenden Lord Kitchener zu entgehen, die Methuen'sche Division im Westen einfach zu vermeiden und schließlich auch noch dem im Norden lauernden General Smith-Dorrien vorbeizulaufen, ohne daß dessen in Ge waltmärschen vorgeschobenen Regimenter auch nur einen Mann von De Wet's Streitmacht zu sehen bekommen hätten. Es scheint zuerst die Absicht des Boerenführers gewesen zu sein, nach dem Osten durchzubrechen, um sich möglicher Weise mit General Louis Botha zu vereinigen, und auf Grund dieser Idee und Voraussetzung hat anscheinend Lord Roberts den General -Smith-Dorrien «derartig postirt gehabt, daß D« Wet diesen Plan aufgeben mußte, und sich in Folge dessen direkt in nordwestlicher Richtung einen neuen Weg -suchte, auf dem ihm die Vereiniguing mit dem sehr aktiven Commandanten Delarey der erst -in voriger Woche die englische Besatzung von Elands- River-Station unter Oberst Hoare aufhob, möglich sein wird. Es ist dabei durchaus nicht überraschend und sicherlich kein Ver dienst der Engländer, als welches sie es gern auslegen möchten, daß De Wet sich gezwungen sieht, einige 30 ausgepumpte Pferde auf einer Farm zurückzulassen, sowie zwei oder drei Wagen mit entbehrlichem Inhalt in die Luft zu sprengen, wenn sie ihm lästig werden und doch nicht in die Hände der britischen Soldaten fallen sollen. Es ist den Engländern natürlich sehr viel daran gelegen, Generäl De Wet zu fangen, aber was von noch viel größerer Wichtigkeit für sie wäre, ist die Möglichkeit, den bei De Wet's Truppe befindlichen Präsidenten Steijn in ihre Gewalt zu bringen. Deshalb wird auch eine Division nach der anderen in Eilmärschen gegen diesen letzten klein«» Rest der Freistaatker- Armee gehetzt, und sogar Commandant Delarey im unbe strittenen Besitz des ganzen Marico-Districtes gelassen, in welchem vor Monatsfrist noch kaum ein bewaffneter Boer zu sehen war. Sogar von sehr wichtigen Orten wie Rustenburg, Zeerust, Lichtenberg u. s. w. hat Roberts seine Garnisonen zurückgezogen, anstatt durch deren Behauptung den ganzen Bezirk für seine Ope rationen zu sichern. Dies Alles beweist, welch' wichtige Fak toren Christian De Wet und Präsident -Steijn in dem Kriegs plane des englischen Hauptquartier» bilden. Der bekannte Correspondent de» „Daily Telegraph", Mr. Bennet-Burl«igh, hat es fertig gebracht, wie «r an sein Blatt kabelt, von dem äußersten englischen Posten bei Middelburg aus durch die -Stellungen der Transvaaler bi» in daS Hauptquartier deS Cstneralcommandanten Botha zu gelangen, wo er von dem Letzteren auf» Freundlichste begrüßt und bewirthet wurde. Botha befand sich mit Commandant Viljoen und ca. 300 Burgherr in Belfast und machte dem Engländer gegenüber gar kein Hehl darau», daß di« TranSvaaler nicht mehr daran denken könnten den britischen Truppen im offenen Felde entgegenzutrrten, daß sie aber noch «ine ganz beträchtliche Zeit indenBergenvon Lydenburg auszuhalten gedächten. Mr. Burleigh berichtet des Weiteren, daß fortwährend ganz« Eisenbahnzüge voll von bedürftigen Boerenfrauen und -Knrdern von Johannesburg aus in die Stellungen der Doeren gesandt würden, wa» allerdings für die Engländer der bequemst« und billigst« Weg ist, um sich ihrer Pflichten al» Eroberer den nothleidendrn Angehörigen ihrer in die Flucht geschlagenen Gegner gegenüber zu entledigen. — Es soll dir feste Absicht der Transvaaler unter Botha sein, nord-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite