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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.09.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000915013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900091501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900091501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-09
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Sie behaupten, daß der russische Kaiser sicherlich nach Paris gekommen wäre, wenn nicht an der Regierung Männer wären, denen die Hand zu schütteln einem anständigen Mann und besonders dem russischen Kaiser nicht angenehm sein könne. Diese Behauptung wird durch eine Meldung des „Berliner Tageblatts" unterstützt, nach welcher der russische Botschafter in Paris dem Zaren höchst Ungünstiges über das sich auf den äußersten Radikalismus stützende und die Armee angeblich desorganisirende gegenwärtige Cabinet gesagt habe. Wir pflegen diplomatische Nachrichten des „Berliner Tage blatts" immer nur mit Vorsicht zu genießen und können deshalb den angeblichen Bericht des russischen Botschafters keineswegs als eine Gewißheit ansehen. Sollte aber Fürst Urussoff einen derartigen Bericht nach Petersburg gesandt haben, so würde der Bericht an sich nicht unzutreffend sein, aber doch den Mangel haben, daß er ein bestimmtes Cabinet in einer Weise charakterisirt, die auf die französische Republik überhaupt zutrifft. Denn wenn man den russischen Kaiser damit schrecken will, daß unter den gegenwärtigen französischen Ministern sich S o c i a l i st e n be finden, so sollte man ehrlicher Weise hinzufllgen, daß zu den wüthendsten Gegnern dieses radicalen Cabinets Männer gehören, die in den Schrecienszeiten der Commune eine hervorragende Nolle gespielt haben. Und schließlich ist der Socialismus doch immer noch eine mildere Tonart, als der Communismus. Mit Recht haben die Anhänger der gegenwärtigen Negierung auf den wüthenden Artikel des „Eclair", nach welchem nur die gegen wärtig an der Regierung befindliche Bande die Schande des Nichtbesuchs verschulde, mit der Erinnerung geantwortet, daß der Leitar.'ikelschreiber des „Eclair" vor neunzehn Jahren die Er mordung des Großvaters des gegenwärtig regierenden Zaren als eine Heldenthat gefeiert und den Vater des gegenwärtigen russi schen Kaisers zu seinem Regierungsantritte mit einem gemeinen Schmähartikel begrüßt habe. Wenn also ein russischer Kaiser überhaupt nach Paris kommen will, so wird er nie allzu wähle risch sein dürfen, sondern sich immer mit dem Gedanken ver traut machen müssen, etwelche» Männern die Hand schütteln zu müssen, denen der „Tyrannenmord" wenigstens in der Theorie als etwas durchaus nicht Gruseliges erscheint. Demgemäß glauben wir auch kaum, daß derartige Gründe den Zarenbesuch verhindert haben. Wir meinen viel eher, daß, so sehr Paris als Stadt — und ganz mit Recht — den russischen Kaiser entzücken mag, die lärmhafte und aufdringliche Huldi gungsart der Pariser seinen fein organisirten Nerven nicht be- hagt; er dürfte sich wohl auch gesagt haben, daß während des Jahrmarkttrubels einer Weltausstellung der Lärm noch ein schimmerer sein würde, als in normalen Zeiten. Dazu kommt, daß der Attentatsversuch auf den Schah von Persien den russischen Kaiser daran erinnert haben mag, daß auch auf seinen Großvater Alexander II. während des Besuches einer Pariser Weltausstellung ein Attentat ausgeübt worden ist. Alles in Allem: Die Zusammensetzung der gegenwärtigen französischen Regierung, die ja, beiläufig bemerkt, auch gar keine andere ist, als sie es auch schon geraume Zeit vor dem Beginne der Ausstellung war, ist sicherlich nicht daran Schuld, daß die Pariser Weltausstellung nicht ihre Krönung durch den russischen Kaiserbesuch empfängt. Etwas ganz Anderes aber ist es, ob diese Schuldlosigkeit dem Ministerium etwas nützen wird. Den Franzosen ist nun einmal eine große Täuschung bereitet worden, und es widerspräche ganz ihrer Art, nicht nach einem Sünden bock zu suchen. Der großen Masse kommt es nicht auf den inneren Zusammenhang der Dinge an, sondern auf das, was ihr sinnlich vor Augen steht. Sie sieht, daß der russische Kaiser nicht nach Paris kommt, und sie sieht, daß Herr Millerand Minister ist. Wer für sie also einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Thatsachen construirt, dem wird sie zustimmen. Nun braucht ja das Ministerium das Geschrei der nationalistischen Zeitungen nicht zu fürchten, denn es ist seit dem Beginne seiner Amtirung daran gewöhnt, von dieser Presse angegriffen und verleumdet zu werden. Viel gefährlicher aber wird es sein, wenn beim Wieder zusammentritt der Deputirtenkammer die Gegner des Ministe riums sich des dankbaren Themas des unterbliebenen Kaiser besuchs bemächtigen. So viel Stürme das Ministerium auch schon ausgehalten hat, diese Attacke wird die gefährlichste sein, weil sie sich auf den wichtigsten Punct der auswärtigen Politik Frankreichs bezieht. Ob der Hinweis des Ministeriums auf die dem Präsidenten Loubet durch den Zaren gewordene Auszeich nung und auf das herzliche Handschreiben des Kaisers gegen den Vorwurf, das Bündniß mit Rußland geschwächt zu haben, der Kammer gegenüber genügen wird, ist noch sehr die Frage. Die Wirren in China. Lt Hlins-Tschang gedenkt, wie er unterm 14. September an den chinesischen Gesandten in Washington telegrapdirt, Shanghai an diesem Tage zu verlassen, um sich nach Norden zu begeben. Die» wird durch ein Telegramm de» amerikanischen ConsulS j» Shanghai, Goodnow, da- vorgestern im Staatsdepartement zu Washington eingegangen ist, bestätigt. Friedensverband- lungen können nach Li'» letzter Erklärung der Zweck der Reise nicht mehr sein. Der chtnefische Kaiser soll, wie man in Tokio wissen will, Paotingfu zu seiner provisorischen Residenz gemacht haben, aber der Hof sei bereit, nach Schanst zu flüchten, falls da« durch die Umstände notbig werden sollte. Diese Meldung ist im Augenblick nicht recht verständlich, da die nach Paotingfu bestimmte militärische Expedition der Verbündeten heute vor acht Tagen von Peking abgegangen ist und eine andere Expedition Tientsin verlassen bat, um die Boxer in dem Gebiet südwestlich der Stadt, also auch in der Richtung nach Paotingfu zu zerstreuen. E» ist doch nicht anzunehmen, daß der Kaiser sich mitten in daS Heerlager des Feindes begiebt oder daß seine militärischen Vormünder ihm dies gestatten. Vielleicht liegt eine OrlS- verwechselung vor. Räumung Pekings. Aus Taku wird unterm 12. d. MtS. nach Tokio gemeldet: Die politische Lage in Peking ist wenig verändert. Die Russen beginnen mit der Räumung der Gesandtschaft und fangen an, den Abzug der Truppen vorzubereiten unter Hervorhebung der Schwierigkeiten ter Verpflegung im Winter. Abgezogen sind sie bis beute noch nicht, und nach Li'S Erklärungen dürsten sie sich auch so sehr nicht beeilen. Außerhalb Pekings werden die Nüssen auf alle Fälle auch während des Winters stark vertreten sein. So berichten die „Times" aus Peking unter dem 4. d. M.: Bei ter letzten Zusammenkunft ter Befehlshaber der inter nationale» Truppen theilte der russische General mit, die Zahl der während des Winters zurück bleiben den Truppen werde 15000 betragen. Der deutsche Befehlshaber erklärte, die Zahl der deutschen Truppen werde die gleiche sein; der japanische General sagte, Japan beabsichtige, 22 000 Mann znrück- zubehalten. Der englische Commandirende konnte keine Erklärung abgeben. Die Notbwendigkeit, starke Truppenkörper in China zu belassen, zeigt jeder Tag von Neuem. Melden toch eben wieder die „Times" aus Schanghai unter dem 12. d. M.: Admiral Hua ng und GencralLi, die Oberbefehlshaber der Streitkräfte zu Wasser und zu Lande in Nanyang, beide fremdenfeindlich, wurden kürzlich zu dem Vicekvnig be rufen, um sich niit ihm über die Verlheidigungsmaß- regeln zu berathen. — Beträchtliche Mengen militäri scher Vorräthe sind aus dem Arsenal von Kiangwan nach Nanking geschickt worden. Und weiter besagt ein „Neuter"- Telegramm aus Schanghai vom 13. September: Meldungen aus Tschiating »nd Suifu im Westen der Provinz Szitsckwar» zufolge ist daselbst daS einem Ausländer ge hörige Besitzthum ausgeplündert und niedergebrannt worden. In Suifu wurden alle Ausländer aufgefordert, sich unter behördlichen Schutz zu stellen. Aus Taku wird vom gleichen Tage nach Tokio berichtet: Bald nach der Einnahme von Peking zogen sich die in Peking und in der Nähe von Peking befindlichen chinesischen kaiserlichen Truppen zurück, die Boxer blieben aber um Tientsin herum. Die Einwobner Tscbingbais (?), südlich von Tientsin, baten um eine provisorische Verwaltung und darum, 1000 Mann japanischer Truppen zur Unterdrückung der Boxer zu schicken. Darauf verließen am 8. d. M. die All iirten in Stärke von 3000 Mann Tientsin, um gegen die Boxer vorzugehen. Tie Politik Deutschlands. Die „Kölnische Zeitung" erhält aus Berlin unter dem 13. September eine Widerlegung der falschen auslän dischen Darstellung der deutschen Politik in China, in welcher eS zum Schluffe heißt: „Schon wieder holt ist versucht worden, Deutschland ehrgeizige und selbst süchtige Pläne im Iangtse-Tbale unterzuschieben. Des halb ist es vielleicht nicht unnütz, noch einmal zu betonen, daß Deutschland in diesem international hochwichtigen Ge biete keinerlei Sonderinteressen verfolgt, und sich hier voll kommen eins weiß mit den Mächten, die, wie in Bezug auf das übrige Cbina, so auch auf das Jangtse-Thal die Politik der „offenen Thür" als ihre erste Richtschnur hingestellt haben. Wenn an der Mündung des Jangtse eine größere Ansammlung von deutschen Kriegsschiffen stattgefunden hat, und wenn Deutschland, dem Beispiele der anderen Mächte folgend, eine Compagnie des 1. ostasiatischen Infanterie- Regiments in Shanghai landete, war diese Maßregel vollauf gerechtfertigt durch die ernsten Besorgnisse, die von den Angehörigen aller Nationen in Shanghai ausgesprochen worden sind. Das Vorhandensein bedeutender deutscher wirtschaftlicher Interessen an dem mittleren Laufe deS Jangtse, und die Nothwendigkeit, unseren dortigen Angehörigen Schutz zu gewähren, erklärt auch die Hinaufsendung zweier kleinerer Kriegsfabrzeuge nach Hankau." Der Pekinger Regierung gegenüber gelinde Saiten auf- zuziehen, kann den deutschen Vertretern natürlich nicht zu- gemuthet werden. Als die Mandschn-Minister am 30. August die Gesandtschaften besuchten, um für die Wieder herstellung der Ordnung in der Stadt und im Palaste zu danken, wurden sie in der deutschen Gesandtschaft nicht empfangen. So berichtet wenigstens die Londoner „Morning Post" auS Peking. In der That kann deutscher seits mit chinesischen Ministern, an deren Händen das Blut unseres Gesandten klebt, weder gesellschaftlich verkehrt noch gar unterhandelt werden. Sonst ist noch zu berichten: * Tokio, 13. September. Aus Taku wird unter dem 12. dS. Abends gemeldet: Der Kaiser von Japan schickte seinen Ad- jlltanten General Okazawa nach Nord-China mit einer kaiserlichen Botschaft an dir japanischen Truppen und die dorthin com- mandirten Civilbeamten, nach deren Gesundheitszustand der Kaiser sich erkundigt. Der General war beauftragt, die ihm vom Kaiser gespendeten Baben, brstehrnd auS etwa 100000 Flaschen Wein und Mineralwasser und 750000 Cigarren und Cigaretten, an die Truppen zu vertheilen. Die Sendung von Mineralwasser erfolgte auf kaiserlichen Befehl in Anbetracht de- schlechten TrinkwasserS auf dem Kriegsschauplätze. * Pari», 14. September. (Telegramm.) Ter Marine minister Lanessan hat heut« Berichte de« Obersten Prlacot über die Kämpfe um Tientsin am 11. und 13. Juli erhalten. Die französischen Verluste betrugen 30 Todt« und 142 Verwundete. Der amtliche Bericht über die Erstürmung der TaknfortS. Von zuständiger Seite ist auf Grund de» amtlichen Materials der Verlauf der Kämpf« um die Taku-Forts und der Antheil, den mit den übrigen Schiffen da» deutsche Kanonenboot „Jlti»" und da» Landung»corp« an diesen Kämpfen gehabt hat, mitgetheilt worden. Die „Nationalliberale Correspondenz" bemerkt dazu: Schlicht und einfach wird der Hergang erzählt. Der Bericht läßt nur die Thaten sprechen, und dennoch kann Jeder daraus entnehmen, daß die deutschen Schiffe und Mannschaften Hervor ragendes geleistet und sich so verhalten haben, wie es von deutscher Pflichttreue erwartet werden muß. Die Nothwendigkeit der Eroberung der Taku-Forts wird nur flüchtig berührt. Die Vor gänge der letzten Monate haben den Beweis erbracht, daß ohne diese That weder dem vom Admiral Seymour commandirten Expeditionscorps hätte Hilfe gebracht, noch die Gesandtschaften in Peking hätten befreit werden können. Die Einnahme der Taku-Forts, die von dem Landungscorps, nachdem die Schiffe die Befestigungen erfolgreich unter Feuer genommen hatten, mit verblüffendem Erfolge bewerkstelligt wurde, hat, wie wir hinzufiigen, erst die Voraussetzungen für die seither erfolgten und erfolgreichen Actionen geschaffen. Weder die Verbindung mit Tientsin, noch die spätere schnell durchgeführte Befreiung der in Peking widerrechtlich zurückgehaltenen Gesandtschaften und übrigen Europäer wäre ohne diesen Erfolg möglich gewesen. Die Voraussetzungen dieses Erfolges wiederum waren der wohl vor bereitete Landungsplan und das bis ins Kleinste vorbereitete Zusammenwirken von Schiffen und Landungscorps und die schnelle Ucüerführung der gelandeten Mannschaften durch die bereitgestellten Boote von einem Ufer des Peiho zum anderen. So giebt der Bericht zugleich eine Vorstellung von der Be deutung, die das Eingreifen der Seewehr für militärische Operationen und für die Entscheidung kriegerischer Expeditionen auch zu Lande zu gewinnen vermag. Außerdem aber ist der Bericht mittelbar lehrreich durch das, was er nicht sagt. Nicht ein einziges Wort der Kritik, ge schweige denn abfälliger Veurtheilung trifft darin den Vorstoß des Admiral Seymour; denn, wenn er auch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mannschaften nicht zum Ziel gekommen ist, die Anerkennung bleibt, daß er ritterlich dem aus Peking nach der Küste gelangten eindringlichen Hilferuf zu folgen versucht hat, und bei dem früheren Verhalten der Chinesen berechtigt war, die Widerstände recht gering einzuschätzen. Weiter vermissen wir in diesem Bericht mit Befriedigung auch di« leiseste Sput der Ruhm redigkeit, die so manchem der privaten Chinaberichte und China briefe als eine für deutsche Gewöhnung recht unliebsame Beigabe anhaftet. Die Anerkennung im amtlichen Bericht beschränkt sich darauf, daß jeder Mann seine Schuldigkeit voll und ganz gethan hat und nicht allein die kämpfenden Officiere und Mannschaften, sondern auch das Maschinen- und Heizerpersonal, dem die Anerkennung zu Theil wird, daß es in seiner exponirteu Lage mit Ruhe und Kaltblütigkeit seinen Verantwortlichen Dienst versehen hat. Mit Worten besonderer Anerkennung hebt der Bericht das waffenbrüderliche Verhalten der Schiffe der übrigen Nationen hervor, nud erkennt an, daß diesem Verhalten, wie dem treuen Zusammenwirken von Landungs corps und Schiffen ein voller Antheil an den Erfolgen des Tages zukommt. Wenn vielleicht auch manchem der in China Kämpfenden, der die heißen Stunden durchgefochten und Alles lebensvoll vor sich entwickeln sah, dieser Bericht schmucklos Vorkommen mag: wir können nur wünschen, daß diese Art der Berichterstattung, die wir aus den großen Kriegen als mustergiltig überkommen haben, beibehalten bleibe und damit im deutschen Volke das Bewußt sein bleibe, daß, wo Pflichttreue und Thaten vernehmlich sprechen, es vom Uebcl ist, wenn der Ueberschwang lobender Worte vorauseilt, und daß tönende Worte nur manchmal, die tapfere, in sich die Anerkennung tragende That aber immer zur Nach eiferung anspornt. Einst und Jetzt. Im Hinblick auf die mannigfachen neuen Kundgebungen gegen das Chine senthum bringt die „Volksztg." in Er innerung, wie ganz anders die Tonart vor vier Jahren war. Am 14. Juni 1896 erschien im königlichen Schlosse zu Berlin vor dem deutschen Kaiser in feierlicher Audienz als außerordentlicher Gesandter Herr Li-Hung-Tschang aus Peking. Der Vertreter Chinas hielt eine inhaltreiche Ansprache an den deutschen Kaiser. Es hieß darin u. A.: „China und das von Eurer Majestät vertretene Reich haben schon lange in Freundschaft gestanden, und diese freund schaftlichen Beziehungen sind so ausgezeichnet, wie mit keiner anderen Vertrag-Macht. Bei den vorjährigen Verhandlungen behufs Rctro- cession von Siid-Liang-Tung war es durch die machtvolle Hilfe Eurer Majestät Negierung, daß diese Angelegenheit durch ihre ver schiedenen Stadien zu einem (für China) günstigen Resultat ge führt wurde. Als ich zur Zeit meines Amtes als General- Gouverneur von Peh-Chih-li zur Einrichtung einer Militärschule schritt, war ich mir voll bewußt, daß die deutsche Armee die erste der Welt sei. Eure Majestät hatten damals die Gnade, die zu diesem Zwecke als I n ft r u c t e u r c n a ch C h i n a zu entsendenden Officiere zu bestimmen. Die Lhätigkeit dieser Herren ist für die unter meiner Verwaltung stehende Armee von großem Vortheil gewesen. Beim Ankauf von Kriegsschiffen und von Kriegsmaterial jeder Art hat sich China im Laufe vieler Jahre an die deutsche Industrie gewandt, und Deutschland ist uns ohne Rückhalt und in vollem Maße entgegengekommen.» Der Kaiser erwiderte auf diese freundschaftlichen Worte: „Es gereicht mir zu hoher Freude, als außerordentlichen Bot schafter Seiner Majestät deS Kaisers von China einen in lang jähriger und hervorragender Arbeit bewährten Staatsmann zu begrüßen. Gern erblicke ich in Ihrer Entsendung einen neuen werthvollen Beweis der freundschaftlichen Gesinnungen, welche Ihr mächtiger Gebieter mir und dem deutschen Reiche cntgegenbringt. Ich erwidere dieselben mit auf richtigem Herzen, daß die in der Vergangenheit erprobte, a u s gleichen Interessen der Friedens und der Kultur beruhende Freundschaft zwischen China und Deutschland, für deren Erhaltung und Festigung Sic, Herr Bot schafter, alle Zeit eingetreten find, in Zukunft unvermindert fort bestehe, und daß die darauf gegründeten mannigfachen Beziehungen sich zum Segen beider Länder weiter entwickeln mögen, ist auch mein Wunsch und meine zuverfichtliche Hoffnung.» Zum Schutze Waldersee'». Kurz vor seiner Abreise nach dem ostasiatischen Kriegsschau platz ist Graf Walder see in Wilhelmshöhe in » längerer Audienz vom Kaiser empfangen worden. Von den Ge sprächen, die zwischen dem Monarchen und seinem Feldmarschall dort geführt wurden, ist bisher nichts in die große Öffentlichkeit gedrungen. Bei einer dieser Privatunterhaltungen kam, wie jetzt eine Berliner Localcorrespondenz mitiheilt, die Rede unter Anderem auch auf die Sicherheit des Grafen, und der Kaiser sagte: „Mein lieber Graf! Ihr Leben wird von dem Vaterlande und Mir sehr hochgeschätzt. Zum Beweise dafür will ich Ihnen zur ständigen Begleitung zwei Meiner Leibgen darmen zur Verfügung stellen!" In der That befinden sich, so heißt es weiter in der Correspondenz, in der Begleitung deS Feldmarschalls die beiden Vicewachtmeister Müller und Nasser, jener von der Kaiserin, dieser von des Kaisers Leib-Gendarmerie. Der Monarch hat die Beiden persönlich aus dem Verbände der Leibgendarmen ausgesucht und ihnen mit getheilt, daß sie für das Leben des Grafen Waldersee persön - lieh haftbar seien. In ihrer Instruction befindet sich den auch ein Passus, daß sie den Grafen Waldersee stets und ständig zu begleiten haben, es sei, wo es wolle, und zwar mit scharf geladenem Revolver. Sobald dem Feldmarschall nur die geringste Gefahr droht, haben sie die Waffe zu ziehen und gegebenen Falles sofort auf etwaige Angreifer scharf zu schießen. Die beiden Wachtmeister erhalten demzufolge ihr Qartier in unmittelbarster Nähe des bejahrten Feldmarschalles, über dessen Befinden dem Kaiser fortlaufend Specialbericht er stattet wird. Eine RemtntSceuz. Im Pariser „Temps" berichtet ein Augenzeuge Einzelheiten über die Einnahme von Tientsin in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli. Um 3 Uhr früh, erzählt er, näherten sich die Franzosen und die Japanesen dem Westthore. Die Japanesen sprengten mit Dynamit das erste Thor, die Franzosen zer trümmerten das zweite und tödteten die chinesischen Vertheidiger der Mauer. Keine andere Truppe half bei dieser glänzenden Waffenthat. Gleichwohl war die erste Fahne, die auf den Mauern der eroberten Stadt wehte, die englische. Während die Franzosen und Japaner kämpften, schlüpften drei oder vier englische Soldaten hindurch und hatten nichts Eiligeres zu thun, als die englische Fahne auf der Mauer aufzupflanzen. Dazu bemerkt der „Matin": Wir haben oft gesagt, daß die Geschichte sich wiederholt. Das ist wahr, selbst unter Alliirten. Im Jahre 1860 wurde die Besetzung Pekings diplomatisch ge regelt, indem die beiden alliirten Oberbefehlshaber Cousin- Montauban und Lord Elgin übereinkamen, daß ihre Generalstabschefs sich gleichzeitig präzis Mittags 12 Uhr an das Haupthor begeben sollten; dann sollten die beiden Flaggen gleichzeitig auf den Mauern aufzepflanzt werden; der französische Generalstabschef Oberst Schmidt kam 5 Minuten vor 12 Uhr am Thore an, und war nicht wenig überrascht, als er die englische Fahne berests über der Mauer wehen sah. Der englische General Napier war eine halbe Stunde früher gekommen und hatte das Geschäft allein verrichtet. Diesem Wortbruch lag übrigens für England eine politische Noth wendigkeit zu Grunde. Lord Elgin hatte dem chinesischen Unter händler Prinz Kong eingeredet, daß die Franzosen nur als Söldner Englands nach China gekommen seien, und auf diese Weise erntete England die Hauptvortheile von einem Kriege, dessen Hauptlasten die Franzosen getragen hatten. Die Chinesen selbst würden heute eine solche Fabel nicht glauben. Aber diese Eilfertigkeit, nach einer gemeinschaftlichen Action die englische Flagge allein aufzupflanzen, ist ein Symbol der ganzen Politik dieser Nation: die Ersten bei der Ehre und beim Profit zu sein und von den Anstrengungen anderer Nutzen zu ziehen." Ein nettes Urtheil über — „Alliirte"! Der Krieg in Südafrika. Bei der unabwendbar bevorstehenden Liquidattan der Transuaalgeschäfte wird unserer deutschen Negierung keine ganz leichte Aufgabe zufallen. Durch alle beschwichtigenden Artikel der englischen Presse klingt doch deutlich genug das Verlangen hindurch, den deutschen Wettbewerb auf dem Wirthschaftsmarkt der südafri kanischen Republik auf eine möglichst billige Weise bei Seite zu schieben. Die Actionäre der Niederländisch-Südafrikanischen Eisenbahngesellschaft in Transvaal sucht man bereits ins Bocks horn zu jagen, indem man von einer thätigen Unterstützung des „Aufstandes" durch die Gesellschaft spricht, mit der sich diese so vollständig ins Unrecht gesetzt habe, daß sie glücklich werde sein können, wenn sie einen anständigen Preis für ihre Ansprüche erhalte. Den Interessenten der Minenindustrie und den Con- cefsionsinhabern aber wird mit der bevorstehenden Revision der Concessionen gedroht, mit der am 1. October eine für diesen Zweck eingesetzte Commission beginnen soll. Es wird, schreibt die „Magdb. Ztg.", nöthig sein, allen diesen Ankündigungen und Androhungen gegenüber ruhiges Blut zu behalten. Was den Aufstand in Transvaal betrifft, der durch die niederländische Bahngesellschaft unterstützt worden sein sollte, so hat die englische Regierung selbst mit ihrer Anerkennung der südafrikanischen Republik als einer kriegführenden Partei die Haltlosigkeit dieses Einwandes dargethan. Es würde daher auch vollständig unberechtigt sein, aus einer etwaigen Unter stützung der kriegeischen Unternehmungen der Republik durch die Niederländische.« Eisenbahngesellschaft Ansprüche herleiten zu wollen, welche den Rechtsstand der Actionäre zu verschlechtern geeignet wären. Aber die stattliche Betheiligung deutschen Capitals an der niederländisch-südafrikanischen Bahn und anderen deutschen industriellen Unternehmungen, sowie der land- wirthschaftliche Betrieb durch deutsche Unternehmer tritt, ob wohl auch er ganz beträchtliche Werthe darstrllt, doch ganz zurück gegenüber den Summen, die im Bank- und Handels geschäft, vor Allem aber in den Minenunternehmungen Trans vaals stecken. Amtliche Berichte schätzen den Werth der Capital-, i Credit- und Geldactienbeträze, einschließlich der selbstständigen I deutschen Unternehmungen, auf 730 Millionen Mark. Für »ganz Transvaal wird dir Sesammtsumm« deutscher Werth«
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