Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.09.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000918011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900091801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900091801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-09
- Tag1900-09-18
- Monat1900-09
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis W h«r tzauptexpedition oder den iin Stadt« dezirk und den Vororlen errichteten Ausi ookesteven abgeholt: vierteljährliche4.50, vri zweimaliger täglicher Zustellung ins tzaus ^.50. Durch die Post bezogen siir »eulschlaud und Oesterreich: vierteljährlich e 6.—. Direkte täullchr Kreuzbandiendung iv- Ausland: monatlich e 7.50. Die Morgeri-Au-gcibe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Redaktion und Expedition: Johannis,affe 8. Dir Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm's Tsrtim. Universitütsstraße 3 (Paulinum), Laui» Lösche, katbarinenstr. 14. »art. und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. KipMr TaMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Auzeigen-Pr«tiS ' die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 g— spalten) 50^, vor den Famlliennachrtcht»« <6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ztffrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-veilaaen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbesSrdenmg 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Jinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uh4 Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Erpe-ttta» zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig 475. Dienstag den 18. September 1900. 94. Jahrgang. Die Schwenkung Rußlands in der Chinafrage. V. 8. Die Großmächte sind über den russischen Vorschlag, die Truppen aus Peking zurückzuziehen, noch nicht zu einer Eini gung gelangt. Die Diplomaten verhandeln und geben sich Mühe, einen Mittelweg zu finden, der zu einem Ausgleich der entgegen gesetzten Ansichten führen kann. Je länger es dauert, desto be stimmter werden die Aussichten, daß schließlich ein Einverständ- niß zu Stande kommt und di« gemeinsame Action tm fernen Osten nicht mehr gestört wird. Bei der Lage der Dinge war es verständlich, daß Rußlands Note, die Niemand zu dieser Zeit erwartet hatte, Befremden, ja Mißstimmung hervorgerufen hat. Die Franzosen und die Engländer, welche so gern die deutsche Politik verdächtigen, glaubten sofort «den direkten Anlaß des Vorgehens des Zaren erkannt zu haben: es sei angeblich ein Schlag gegen Deutschland beabsichtigt gewesen. Mit der An regung der Räumung der Hauptstadt Chinas habe Rußland vor Allem feinen von Deutschlands Haltung abweichenden Stand- punct deutlich und klar zum Ausdruck bringen wollen. So konnte man in englischen und französischen Blättern lesen. Für diese willkürliche Annahme spricht aber im Grunde äußerst wenig. Sie beruht auf einer Verkennung der zarischen Politik, die unentwegt ihre Ziele verfolgt und sich gewiß nicht durch vor übergehende Empfindungen und durch persönliche Verstimmungen beeinflußen läßt. Immerhin hat der Schritt der Petersburger Regierung so viel Aufsehen gemacht und dürfte die Actionen der europäischen Großmächte so nachhaltig beeinflussen, daß eine sachliche Prüfung der Gründe, di« ihn veranlassen konnten, jetzt doch wohl am Platze ist. Rußland hat vom Beginn des Ausbruchs der Mrren in China das unzweideutige Bestreben bekundet, die Ereignisse nicht zu einem Bruch mit der offiziellen Pekinger Regierung zu benutzen. Dieses Bestreben entspricht einer lange geübten, bewährten Taktik und wird durch die mannigfachen politischen und wirt schaftlichen Interessen bedingt, die beide Reiche miteinander ver binden. Alles, was Rußland während vergangener Zeiten im Reiche der Mitte errungen hat, ist ihm weniger durch eigentlich« Kriege, als durch einzelne Handstreiche und dann durch das Geschick seiner Diplomaten zugefallen. Die Erwerbung des ausgedehnten Amurgebietes erfolgte in den Jahren 1854—1858 durch «den damaligen Generalgouverneur von Ostsibirien Murawjew. Derselbe fuhr plötzlich mitten im Frieden mit einer ansehnlichen Truppenabtheilung den Amur hinab, angeblich, um Kamschatka zu verproviantiren. Die Einwendungen der Chi nesen fanden keine Beachtung; eine rege Einwanderung, sowie Städtegründungen der Russen folgten, und schließlich sahen sich die Chinesen genöthigt, im Vertrage von Aigun, am 28. Mai 1858, die tatsächliche Herrschaft des Zarenreiches am Amur rechtlich anzuerkennen. Aehnlich ging die Abtretung des Ussuri- gebietes vor sich. Im Juli 1860 setzte sich eine russische Truppen abtheilung an der Usiuri-Bucht, in der Nähe des Platzes, wo j.tzt Wladiwostok liegt, fest, und bereits im November desselben Jahres konnte der Gesandte Jgnatiew die von den Chinesen zu gestandene Annexion des Gebietes nach Petersburg melden. Aus den letzten Jahren sind der Bau der ostchinesischen Bahn, die die Mandschurei in vollste Abhängigkeit vom Zarenreiche bringt, und »ie „Pachtung" der Häfen Port Arthur und Ta- lienwan zu erwähnen. In beiden Fällen war es nur das staats männische Geschick des Fürsten Lobanow, sowie dec Grafen Fassini und Murawjew, di« Rußlands Grenzen nach Osten er weiterten und ihm einen ansehnlichen Machtzuwachs brachten. Militärische Operationen sind hierbei nicht einen Augenblick nöthig gewesen. Schon darnach wäre es nicht wunderbar, wenn Rußland bei seinem weiteren Borgehen im Osten Asiens der alten Praxis, die weniger gefahrvoll und kostenreich ist und das Ziel mit Sicherheit zu erreichen pflegt, treu bleiben will. Es sind aber doch noch andere Momente, die die Zurück haltung des Zarenreiches aus bedeutsamen Erwägungen erklär lich machen. Di« wirtschaftlichen Interessen Rußlands in China unter scheiden sich wesentlich von denen der übrigen europäischen Mächte. Rußland ist vorwiegend ein ackerbautreibender, nicht ein Industriestaat, wie Deutschland, England, Frankreich, Japan und Amerika. Sieht man sich den Außenhandel Chinas an, so kommt man dabei zum Ergebniß, daß auswärtige Fabrikate in großer Menge eingeführt werden und Rohstoffe in hervorragender Anzahl zur Ausfuhr gelangen. Es liegt nun sicher im Inter esse Chinas, die Einführ der Fabrikate herabzudrücken und sie in Zukunft selbst anzufertigen. Rußland ist an diesem Handel nur in geringem Maß« betheiligt. Im Jahre 1891 betrug sein Umsatz nicht mehr als etwa 58 Millionen Mark. Es liegt ihm aber entschieden daran, in China «inen Markt für di« Erzeugnisse seiner Landwirthschaft, überhaupt für Nahrungsmittel, zu finden. Deshalb ist es wahrscheinlich, daß es zunächst, so lange seine Industrie noch in den'Kinderschuhen steckt, die Entwickelung derselben in China fördern und Sibirien und den Amur, über haupt die sämmtlichen angrenzenden Gebiete, ihr öffnen wird. Die Petersburger Staatsmänner würden dafür di« erleichterte Einfuhr russischer Bodenerzeugnisse fordern und auch zuge- standen erhalten. Die Amurländer, di« Mandschurei und ein großer Theil Sibiriens würden ihr« reichen Ernteergebnisse in Zukunft in China absetzen können. Darauf hat man lange schon hingearbeitet und Vie Herstellung eines großen Fluß schifffahrtsnetzes, sowi« die billigen Eisenbahntarif« werden die Verwirklichung dieser wirthschaftlichen Pläne nach Möglichkeit begünstigen. Endlich find China und das Zarenreich durch den Theehandel eng aneinander gefesselt. Derselbe nimmt die erste Stelle unter den zur Ausfuhr gelangenden Nahrung-- und Ge- nußmitteln ein, und Rußland ist hierbei der Hauptkonsument. Dies« kurzen Ausführungen dürft«n genügen, um darzuthun, wie sehr das Zarenreich daran interessirt ist, das Zerwürfniß mit China nicht auf die Spitze zu treiben und einen gütlichen Ausgleich der schwebenden Differenzen herbsizuführen. Daß man daneben dir Möglichkeit kriegerischer Zusammenstöße nie mals aus den Augen gelassen, das beweist 'die Zusammenziehung der russischen Truppen im fernen Osten. Dies« militärische An häufung wird namentlich seit dem Frieden von Shimonoseki, im Jahr« 1895, energisch betrieben, und sie hat ohne Zweifel nicht wenig zu den Erfolgen der zarischen Diplomatie beigetrag«n. Di« zahlreichen Druppenmassen an der chinesischen Grenz« haben auch während der gegenwärtigen Mrren ihren Zweck erfüllt. Das russisch« Gebiet hat bereits jetzt ein« ansehnliche Erweiterung erfahren, und die Chinesen, die sicher für die Anreger zur Zurückziehung der Truppen aus Peking Dankbarkeit empfinden, werden nicht zögern, di« neue Ausbreitung der zarischen Macht anzuerkennen. Wenn man in der Presse neuerdings oft von gemeinsamen Interessen der europäischen Staaten in China gesprochen hat, so bezieht sich das nur theilweise auf Rußland. Die zarischen Inter essen laufen im Gegentheil den allgemeinen Europas vielfach ent gegen, und es ist doch nur selbstverständlich, daß die Peters burger Diplomatie erstere vor Allem wahrzunehmen sucht. Zum Glück ist Deutschland bei dieser Frage weniger betheiligt, als Japan und England, und braucht den Russen deshalb Nicht ent- gegenzutreten. Das mögen die Engländer thun, wenn sie dazu Lust verspüren. Mr werden unsere Genugtuung für die Er mordung des Herrn v. Ketteler und Sicherheiten für unseren Handel auch ohnedies erlangen. Die Wirren in China. -g. Trotz aller friedlichen Versicherungen kaiserlicher Decrete und Interview? chinesischer Würdenträger, dauern die Feindseligkeiten chinesischerseits ununterbrochen fort. Auch unser deutsches Schutzgebiet hat wieder etwas davon zu erfahren be kommen. Wir haben schon ein kurze- Telegramm über den Kampf bei Liang veröffentlicht. Die ausführlichere Meldung lautet: * Berlin, 17. September. (Telegramm.) „Wolff'S Telegr.-Bnrcan" berichtet unter Vcm 17. September: Nach einer amtlichen Vcntschr» Meldung ans Tientsin wurde am 11. September Liang von den deutschen Sebatatlloncn erobert und nicdcracbrannt. 40 bengalische Lanzcnrciter batten sich den deutschen Truppe» angcschlosseu. 500 Boxer sind actödtct worden. Die in der Stadt Liana aewescucn regnläreu chinesischen Truppen, etwa 100 Mann, waren vor her entflohen. Auf deutscher Seite ist 1 Mann todt, 5 sind verwundet. Liang liegt an der Südgrenze des Kiantschaugebietes, nahe dem Meeresstrande. Unsere blauen Jungen haben ganze Arbeit gemacht und sich tapfer geschlagen mit verhältnißmäßig ehr geringen Verlusten. Der Kampf zeigt, daß nach wie vor reguläre chinesische Truppen mit den Boxern gemeinsame Sache machen und daß von den chinesischen Machthabern, weder vom Kaiser, noch von der Kaiserin-Wittwe, noch vom Prinz Tuan Befehl zur Einstellung der Feindseligkeiten gegeben ist. Das wird bei den bevorstehenden FricdenSverbandlungcn, wenn sie überhaupt noch zn Stande kommen, schwer ins Gewicht allen. Auch auf der Strecke Tientsin-Peking herrscht noch Kriegszustand. So , erfährt „Neuter'S Bureau" aus Tientsin unter dem 14. d. M.: Eine Compagnie amerikanischer Infanterie gerieth in ein heftiges Gefecht mit 2000 Boxern bei Ma ton, südöstlich von Tungtschan. Die Amerikaner leisteten tapferen Wider- tand, bis eine Abtbeilung bengalischer Lanzenreiter zur Hilfe äm. Die Lanzenreiter zersprengten den Feind, griffen einen Nachtrab an und tödteten 200 Boxer. — Weiter wird berichtet: * Frankfurt a. M., 17. September. (Telegramm.) Die „Frkf. Ztg." berichtet unter dem 16. September aus Shanghai: Ter dritte russische Angriff auf dir Forts von Peitang (nördlich der Peiho-Mündung) ist zurückgeschlagen worden. Ossiciere des „Centurion" erzählen, daß, als gestern die Forts von Wusung (Nangtseking-Mündung) sich zum Gefecht anschickten, der „Centurion", der fertig war, um in Thätigkeit zu treten, dem deutschen Geschwader signalisirte. Dieses machte für alle Fälle den Kreuzer „Schwalbe" bereit, nach Hankau zu gehen. (Wdhlt) Wie schon in einem Theil der Auflage unseres gestrigen Abendblattes gemeldet wurde, theilte Sir Robert Hart, der (englische) Verwalter des chinesischen Zollwesens, den Generalen in Peking mit, sie sollten sich auf bevorstehende Feindselig keiten vorbcreiten; die chinesischen Truppen zögen sich zu sammen und bedrohten die Verbindungslinie. Er glaube, daß im Laufe des November weitere Zusammenstöße zu er warten seien. Unter solchen Umständen ist eS unverständlich, wie Rußland nun doch sich ansckickt, seine Truppen, wenn auch nicht alle, aus Peking abcommandiren und sich auch diplomatisch von dort zurückzuziehen. Man berichtet uns: * London, 17. September. (Telegramm.) Die „Times" berichten aus Peking unter dem 7. September: Der russische Ge- sandte v. Giers hat seine Abreise um einige Tage verschoben. Die russischen Truppen haben Befehl erhalten, alle Vor bereitungen für ihre Ueberwinterung in Peking ein- zustrllen. * Petersburg, 17. September. (Telegramm.) Wie die „Nowoje Wremja" berichtet, werden die* russischen Truppen Peking sobald al- möglich verlassen. Der Gesandte v. Giers wird in Tientsin Wohnung nehmen, jedoch als einziger Vertreter Rußland» die Verhandlungen mit den chinesischen Ver tretern führen. Wenn eS erforderlich ist, wird v. GierS sich zu diesem Zwecke nach Peking begeben. (Wdhlt.) * London» 17. September. (Telegramm.) „Reuters Bureau" berichtet: Die Russen stellen zur Zeit die Arbeiten an der Eisenbahn nach Peking ein. — Die russische Gesandt- schast ist angewiesen worden, Peking zu verlassen. Ten FriedcnSverhnndlungen kann man nach den neuesten Telegrammen nur ein sehr fragwürdiges Prognostikon stellen. CbinesischerseitS gibt man sich den Anschein guten Willen-, aber die Vertreter der Mächte und deren Regierungen mißtrauen den Lügen diplomaten doch zu sehr, als daß sie ohne Weiteres sich zu Verhandlungen entschließen könnten. In dieser Hinsicht wird uns berichtet: * Peking, 17. September. (Telegramm.) Reuter's Bureau. Die fremden Gesandten hielten heute eine Ver sammlung ab, in der sie sich darüber schlüssig machten, daß sie keine Vollmacht hätten, mit dem Prinzen Tsching zu verhandeln. Auch die Generale der Verbündeten sind der Ansicht, daß sie nicht mit ihm verhandeln können. * Köln, 17. September. (Telegramm.) Die „Köln. Ztg." berichtet aus London unter dem 16. September: Gegen die, wie cs scheint, nachträglich von China beabsichtigte Ernennung Aunglu's zum dritten Bevollmächtigten werden sehr schwerwiegende Bedenken geltend gemacht. Wie sich jetzt herausstellt, haben nämlich die Truppen Punglii's sich nicht nur an demAngrisf auf die Gesandtschaften betheiligt, sondern es ist dies auf die Weisung Bunglu's erfolgt, der später allerdings den Fremden sich günstiger zeigte. An dem Angriff auf die Ge sandtschaften waren auch die Truppen Tsching's betheiligt, die sein Banner trugen, doch fehlt in diesem Falle ein bestimmter Anhalt, ob dies mit oder ohne Einwilligung Tsching's geschehen ist. Bei der sonst sremdenseindlichen Haltung des Prinzen wird das Letzte angenommen. * London, 17. September. (Telegramm.) Die „Times" berichten aus Shanghai unter dem 16. September: Vor seiner Abreise richtete Li-Hu ng-Tschang telegraphisch an den Thron eine Denkschrift, in der er gegen die Prinzen Tu an, Tschuang und Tsailan, Tuan's Brüder, sowie Kangji und Tschavschlitschidao Anklage erhebt. Unter die Denkschrift hat l er auch die Namen der Vicekönige von Nanking und Wutschang I und Juanschikais gesetzt, die er aber wegen Mangels^ an Zeit vorher darum nicht befragt hatte. Der Vice könig von Nanking, Liukunji, hat nachträglich diesen Schritt Li-Hung-Tschangs gebilligt, während der Vicekönig von Wutschaug, Tschangtschitung, Einspruch erhoben hat.— Der amerikanische Kommissar Rockhill hat Li-Hung- Tschang überzeugt, daß jegliche Erörterung behufs Regelung der chinesischen Frage nutzlos sei, wobei die Bestrafung der Kaiserin-Regentin und ihrer ersten Nathgeber ausgeschlossen sei. * London, 17. September. (Telegramm.) Die Zeug nisse hoher Beamten weisen unzweifelhaft nach, daß die Kaiserin die Ermordung aller Gesandten geplant hat; der Anschlag sei nur durch die verfrühte Er- mordung des deutschen Gesandten Freiherrn v. Ketteler ver eitelt worden. Es wäre ein pietätvoller Act, wenn die Mächte an der Stelle des Mordes ein internatio nales Denkmal errichteten; denn die Aufopferung des einen Lebens habe das der übrigen gerettet. — Als Prinz Tsching die Gesandten besuchte, empfing ihn der italienische Gesandte in der Ahnenhalle der Dynastie, einem geheiligten Gebäude, das bisher niemals von einem Fremden betreten worden war. Prinz Tsching schien unfähig, sich die Lage des Landes klar zu machen und bat um die Er laubnis;, daß die chinesischen Beamten ihre Functionen in Peking wieder aufnähmen. Er meint, olle Mächte könnten durch Ent schädigungen befriedigt werden. Wo oie Hauptperson, der vielgewandte, verschlagene Li- Hung-Tsckang, sich augenblicklich befindet, weiß man gar nicht. Folgende zwei sich widersprechende Meldungen liegen vor: * London» 17. September. (Telegramm.) „Morning Post" berichtet aus Shanghai unter dem 16. September: Li-Hung-Tschang befindet sich noch immer dort an Bord des britischen Dampfers „Anping", La seine Abreise wegen schlechten Wetters verzögert worden ist. Nachdem der Vorschlag, Li- Hung-Tschang auf einem russischen Kriegsschiffe nach Taku zu bringen, nicht durchgedrungen war, schlugen die Russen vor, dem britischen Dampfer „Anping" ein russisches Begleitschiff zu stellen. Admiral Seymour lehnte es ab, das britische Schiff von einem russischen begleiten zu lassen. Die Russen bestreiten entschieden, solche Vorschläge gemacht zu haben. * Tientsin» 17. September. (Telegramm.) („Reuter's Bureau".) Li-Hung-Tschang befindet sich in Taku an Bord eines russischen Kriegsschiffes. Ans den vorstehenden Meldungen erhellt unzweideutig, daß die Mächte sich, offenbar auf Grund der Berichte der Pekinger Gesandten, immer mehr davon überzeugen, daß die Kaiserin-Wittwe nebst Tuan und den übrigen Prinzen — selbst Tsching ist verdächtig geworden — durchaus verant wortlich für Alles gemacht werden muß, was geschehen ist, daß allesammt schwere Schuld trifft und daß ihre Bestrafung die eonckitio »ins gun non für die Einleitung von FriedenSverhandlungen bildet. Wir legen besonderes Gewicht darauf, daß diese Ueberzeugung auch in Washington durchgedrungen ist. Dort will man auch nichts mehr von einer voreiligen Räumung Pekings wissen. Das bezeugt die folgende Meldung: * Reto Vork, 17. September. (Telegramm.) Eine vom „New Aork Herold" veröffentlichte Depesche berichtet aus Washington: General Chaffee hat die Weisung erhalten, keiner Entscheidung über die Lage in Peking zu zustimmen, durch die nicht die Sicherheit der in der Haupt stadt unter dem Schutze der amerikanischen Missionen befindlichen eingeborenen CH risten gewährleist et würde. Geradezu verblüffend ist die „Naivetät" des Prinzen Tsching, der gar nicht fassen zu können scheint, daß fast unsübnbare Verbrechen begangen sind, und in kochmüthiger Bornirtheit meint, eS könne Alles mit Geld wieder gut gemacht werden. Oder ist dieser „erste" Unterhändler schlauer, al- man glaubt? Vielleicht hält er sich berechtigt, den Mächten mit solchen Anschauungen auszuwartcn, weil er vorauSsiebt, daß sie dock nie einig werden. Im Hinblick auf Rußland- Haltung könnte er so unrecht nicht haben Unendliche Schwierigkeiten und kaum lösbare Probleme birgt die chinesische Frage auf alle Fälle noch. Hunderterlei ist klar zu stellen unv, wie man die Chinesen kennt, werden sie es meisterlich verstehen, Alle- so unklar und verworren wie möglich zu machen. Ist eS doch schon wieder zweifelhaft ge worden, wer unseren Gesandten inPeking ermordet hat. So berichtet „Reuter's Bureau" auS Peking unter dem 11. September etwas schwer verständlich: „Die japanische Gesandtschaft glaubt nicht, daß der Mann, der sich als Mörder des Gesandten v. Ketteler bekannt hat, der wirkliche Schuldige sei, sie glaubt vielmehr, daß er von Leuten bezahlt worden sei, die darauf auSgehen, de» Prinzen Tsching zu verdächtigen. Di« Japaner begünstigen den Prinzen Tsching, die Russen Li-Hung-Tschang." Truppentransport. * Berlin, 17. September. (Telegramm.) Ter Kreuzer „Fürst Bismarck" ist mit dem Chef des Kreuzergrschwaders, Viceadmiral v. Bendemann, am 15. September in Taku an gekommen. * Berlin, 17. September. (Telegramm.) Tas Kriegs ministerium theilt mit: Der Dampfer „Hannover" ist am 16. September in Port Said und „Straßburg" am 17. Sep tember in Hongkong eingetrosfen. — Nach telegraphischer Mit- theilung ist der Dampfer „Prinzregent Luitpold" mit der abgelösteil Besatzung S. M. S. „Cormoran", Transportsührer Oberleutnant zur See Schunr, am 16. September in Colombo an gekommen und am 17. nach Aden in See gegangen. Nach Privatnachrichten aus Aden hat der Reichspostdampfer „Sachsen", auf dem sich Graf Waldcrsee befindet, im Rothen Meere unter einer ganz ungewöhn lichen Hitze zu leiden gehabt, Vie dadurch noch verschlimmert wurde, daß ein leichter, in der Richtung der Fahrt wehender Wind den durch die eigene Geschwindigkeit des Schiffes ver ursachten Luftzug völlig aufhob. Die Folge davon waren eine ganze Reihe von Hitzschlägen, von denen zwei tödtlich verlaufen sind. Die anderen Kranken, die zum großen Theil dem Heizer personal angehören, befinden sich auf dem Wege der Besserung. Graf Walderfte soll die geradezu furchtbar« Hitze mit Ausdauer und gutem Humor ertragen haben. Ueber die Haltung der deutschen Truppen und Matrosen bei den Kämpfen in China schreibt der Bericht erstatter «des „Temps" aus Tientsin: „Die beiden deutschen Ka nonenboote „Iltis" und „Jaguar" nahmen ein«n entscheidenden Antheil an 'dem Sturme auf die Tatuforts und an ihrer Be setzung, wobei sie starke Verluste erlitten. (Der „Jaguar" war damals noch nicht vor Taku.) Sie pflanzten das kaiserlich« Banner auf die Süvforts auf und bemächtigten sich eines Tor pedobootes, sowie einer bedeutenden Menge Flußschiffmaterials. In Tientsin beschützten 300 Matrosen die deutsche Concession, und ihre geringe Zahl erlaubte ihnen nicht, einen bedeutenden Antheil an dem Angriffe auf die Chinesenstadt zu nehmen. Die meisten dieser Matrosen wurden in das Seymour'sche Corps einverleibt und bildeten den festesten Kern desselben. Dieser her vorragende Geist der Disciplin verleugnete sich nicht «inen Augen blick, und trat besonders bei den 'tief beklagcnswerthen Plünde- rungsscenen hervor, deren Schauplatz Tientsin nach dem 13. Juli war; denn man kann keinen Fall dieser Art einem einzigen deut schen Matrosen nachweisen." Tie Maßnahmen Ser militärischen Befehlshaber in China haben sich bisher immer als wohlbedacht und auch poli tisch zutreffend erwiesen, was um so höher einzuschätzen ist, als vom Anbeginn die Vielgestaltigkeit der internationalen Armee und der Mangel eines gemeinsamen Oberbefehls — der ja sts ckaato auch noch heute besteht — nicht unberechtigte Be fürchtungen hinsichtlich einheitlicher und zielbewußter Ver wendung der vereinigten Truppen aufkommen ließ. Von den mannigfachen, fast täglichen Wandlungen, welche die politische Sette der Krise seit dem Entsatz« der Legationen durchgemacht, sind die militärischen Commandanten und deren Maßnahmen erfreulicher Weis« unberührt geblieben. Während die Cabin«tle sich gegenseitig Räumungs- und Compromißoorschläge unter breiten und sich fast täglich vor neue Situationen gestellt sehen, sind die militärischen Operationen vom Beginn« de- Vormarsches auf Peking nicht nur mit überraschendem Erfolge, sondern auch mit anerkennen-wetther Einheitlichkeit in einem Zuge und aus einem Gusse durchgeführt worden. Auch in den Operationen nach der Einnahme von Peking, die auf die Erweiterung und Sicherung des Okkupationsgebietes und deren Verbindungen abzielten, ist in dem Verhalten der einzelnen Contingente nichts wahrzunehmen, was die wechselnde politisch« Constellation und die zum Theil noch gar nicht bekannten, aber gewiß verschiedenen politischen Endzwecke der Mächte verrathen würde. Es ist ein nicht geringes Verdienst des russischen Generals Lenewitsch, der bis zur Ankunft des Grafen Walderfe« das Commando über di« gemischte Streitmacht führt, daß er bisher alle politischen Einflüsse fernzuhalten gewußt und hinsichtlich der militärischen Operationen thatsächlich nur Vie militärischen Gesichtspunkte im Auge behielt. Auch wird in den Depeschen aus Peking ausdrücklich hervorgehoben, daß unter den Ossi eieren der Verbündeten die größte Harmonie herrsch«, und daß auch die Soldaten gegenseitig nebeneinander leben und arbeiten, als ob sie nur einer einzigen nationalen Armee angehören würden. Der Krieg in Südafrika. Präsident Krüger. Die Münchner „Allgem. Ztg." widmet dem greisen, schwer geprüften Manne folgenden schönen Nachruf: „Präsident Krüger hat die Grenze Transvaals überschritten — ein besiegter Mann, besiegt nicht durch seinen englischen Gegner, sondern durch die Verhältnisse im eigenen Heer, durch die Reihe von Fehlern, die anfangs von den Boeren gemacht wurden und im^Verlauf des Krieges nicht mehr verbessert werden konnten. Noch ist der Krieg nicht zu Ende, noch immer hat England mit seinen' 225 000 Mann die 35 000 Boeren nicht endgiltig niederwerfen können — aber der langjährig« Präsident Paul Krüger, der sein
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite