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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.10.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001004010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900100401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900100401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-10
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Eine Menge von Projecten, die Rußland mit Persien nach den ver schiedensten Richtungen verbinden sollten, trat alsbald an die Öffentlichkeit und schien in der That den ehrgeizigen Plänen der Petersburger Diplomatie die erforderliche reale Grundlage zu geben. Allmählich aber legte sich die Besorgniß der Briten. Man zog in Erwägung, daß die Bahnbauten ungeheure Summen kosten würden, Summen, die der Finanzminister Witte nicht ohne Weiteres aufbringen könnte. Die Hoffnung, daß bis zur In angriffnahme der Bauten eine längere Zeit verstreichen müsse, erhielt durch den Umstand eine gewisse Berechtigung, daß die russische Presse ebenfalls offen die Unmöglichkeit hervorhob, die weit angelegten Verkehrsplänc rasch zu vierwirtlichen. Die chronische Geldnoth im Zarenreiche schien dieses Mal den Eng ländern zu Statten zu kommen. Man hat sich aber offenbar arg getäuscht. Während alle Welt glaubte, daß die Russen durch die chinesischen Wirren voll ständig in Anspruch genommen seien, hat man in Petersburg in der Stille die Vorbereitungen getroffen, um die Bahnbautcn, die seine Oberherrschaft über Persien sichern sollen, in Angriff zu nehmen. Die Linie Alexandropol-Eriwan, die bereits in der Ar beit ist, wird demnächst eine Fortsetzung nach Persien, zunächst bis Tabris, und dann bis zur Hauptstadt Teheran erhalten. Das ist eine Thatsache, die heute nicht mehr bezweifelt werden kann und die nur insofern Gegenstand von Verhandlungen ist, als die endgiltige Richtung und namentlich der Ort, an dem die persische Grenze überschritten werden soll, vorläufig noch nicht festgestellt ist. Ueber das Alles wird man in nächster Zeit im Verkehrs- und im Finanzministerium zu Petersburg die Ent scheidung fällen. Es liegen verschiedene Projecte vor. Die erste Untersuchung wurde im Herbste 1898 veranstaltet. Damals empfahlen die Ingenieure eine Fortsetzung der Strecke Alexandropol-Eriwan in gerader Linie. Der Bahnkörper sollte in der Nähe von Dschulfa die Grenze Persiens überschreiten. Allmählich aber erwies sich, daß das dortige Gelände fast unüberwindliche Schwierigkeiten bietet und für eine Eisenbahn Eriwan-Tabris- Teheran ungeeignet ist. Gerade bei Dschulfa ist der Boden äußerst gebirgig. Würde man tatsächlich darauf bestehen, die Bahn nach dieser Richtung weiter zu führen, so wäre eine Menge von Tunnelbauten nöthig, die die Kosten jedenfalls erheblich ver- theuern würden. In Folge dessen sandte man im Herbste des vorigen Jahres an die russisch-persische Grenze abermals Ingenieure, die denn auch bald zu einem anderen Resultate ge langten. Es wurde vorgeschlagen, die Bahn eine Strecke weiter nach Osten auf russischem Boden fortzufllhren und sie entweder bei Schachtacht oder bei dem entfernteren Nachitschewan über die persische Grenze zu leiten, wo das Gelände eben ist. Bei den bevorstehenden Konferenzen in Petersburg wird es sich eigentlich nur um die beiden letztgenannten Projecte handeln. Die Fortführung der Linie Alexandropol-Eriwan über Dschulfa kann aus den bereits erwähnten Gründen als abgethan angesehen werden. Wahrscheinlich wird man sich für Nachitschewan ent scheiden, denn bei Schachtacht würde die Eisenbahn eine öde, wasserarme, unfruchtbare und wenig bevölkerte Ebene durch ziehen, während die Verhältnisse bei Nachitschewan ungleich günstiger liegen. Dort ist es ein reiches und blühendes Land, dem die Segnungen eines besseren Verkehrs zu Theil werden würden, ein Land, in dem für entschlossene Unternehmer außer ordentlich viel zu machen wäre. Allerdings würde sich die Bahn strecke verlängern, aber das kann gegenüber der Zukunft der Linie, ihrer wirthschaftlichcn Bedeutung und ihrer Rentabilität unmöglich ein ernstes Hinderniß bilden. Es muß natürlich abgewartet werden, wie die Herren in Peters burg sich entscheiden. Die wahre Bedeutung dieses Bahnbaues liegt aber weniger in der «inen ooer der anderen Richtung — es ist das mehr eine innere Frage des Zarenreiches, — als in dem Beginne der Verwirklichung des russisch-persischen Eisenbahn netzes. Daran wird man jetzt energisch gehen. In England wird das jüngste russische Eisenbahnunternehmen sicherlich große Erregung verursachen. Denn wenn der Anfang des wirthschaft- lichen Eindringens der Russen in Persien sich einstweilen in be scheidenen Grenzen hält, so weiß man in London ganz genau, daß es dabei nicht bleiben wird und daß man die verschiedenen in Frage stehenden Bahnen früher, als die Meisten vermuthen dürften, vollendet haben wird. Zunächst handelt es sich um die Verbindung Rußlands mit der persischen Hauptstadt. Schon darin ist die Gewähr ent halten, daß der russische Einfluß im Reiche des Schah über kurz oder lang der maßgebende wird. Dann wird man alsbald zur Vollendung der weiteren Pläne schreiten, die die Festsetzung in Siidpersien am Indischen Ocean und an der Straße von Hormur betreffen. Somit bedeutet der Bahnbau von Eriwan nach Teheran einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Beziehungen Persiens zu Rußland und in der Politik, welche das letztere so erfolgreich in Mittelasien betreibt. England kann nichts dagegen thun; es muß thatenlos zusehen, wie sein mächtiger Nebenbuhler immer weiter am Boden gewinnt und seine Macht auf Kosten Großbritanniens ausdehnt. Wenn es endlich die Hände frei bekommt, wird es voraussichtlich zu spät geworden fein, um dem russischen Fortschreiten Einhalt zu gebieten. Die Vorherrschaft in Mittelasien wird einst jedenfalls dem Zaren reiche und nicht England zufallen. Die Wirren in China. Die Antwort de» deutschen Kaiser» findet in England sympathische Aufnahme. Wie un» der Draht auS London meldet, schreiben „Daily Newö": Ohne Zweifel wird die civilisirte Welt die Aufrichtigkeit und Wucht der Antwort deS deutschen Kaiser» auf da« Tele gramm de» Kaisers von China vollauf würdigen. Uebcr die Berechtigung der Ansichten de» Kaiser« kann bei den West mächten nur eine Meinung sein. Di« chinesischen Eröffnungen anzunehmen wär« Selbstbethörung. Der versuch, die Uedel- tbäter zur Rechenschaft zu ziehen, sollte unverzüglich gemacht werden. „Daily Telegraph" sagt: Inmitten der vielen schwankenden und verwirrenden Dinge in der chinesischen Frage ragt der Brief des deutschen Kaisers als ein festes, entschlossenes Document hervor. Der Brief beweist, daß Deutschland entschlossen ist, Sühne zu verlangen für die Europa zugefügte Schmach. Es ist schwer genug, das europäische Concert in Bewegung zu bringen, aber sobald eine beherrschende Gestalt dein sittlichen Empfinden der Menschheit Ausdruck verleiht und ihr den Weg weist, wird es voraussichtlich den Zaghaften leichter, zu folgen. Die Fremden in China sind stets für energische Maß regeln cingetreten und so wird auch jetzt, wie der „Standard" ans Tientsin, 29. September, berichtet, die öffentliche Meinung dort pflichte entschieden der Haltung Deutschlands bezüglich der geforderten Bestrafung der Urheber des Aus bruchs der fremdenfeindlichen Bewegung in China bei. Eine in London vorliegende Washingtoner Draht meldung besagt, die Antwort des deutschen Kaisers an den Kaiser von China Werde in Washington als thatsäcklicher Beweis dafür angesehen, daß Deutschland geneigt sei, der Führung der Unionstaaten zu folgen (!!); man glaube, daß diese Antwort einen einheitlichen Actions plan der Mächte zur Folge babcn dürfte, welchem die nord amerikanische Regierung bcitreten könnte. Die Wiener Blätter besprechen den Depeschenwechsel zwischen dem Kaiser von Cbina und dem deutschen Kaiser. Die „Neue Freie Presse" schreibt, die Antwort des deutschen Kaisers laute entschieden und nachdrücklich, berechtige aber doch zu der Hoffnung, daß die Mächte sich wieder mehr zusaminenschließen würden. — Das „Fremden blatt" findet besonders bemerkenswerth die Thatsache, daß in der kaiserlichen Antwort die Beschwerden im Namen aller Völker, ja der ganzen Menschheit, erhoben werden, und daß die Nath- geber des Kaisers von China verantwortlich gemacht werden. — Das„Neue Wiener Tagblatt" bezeichnet die Antwort als „kräftig, doch weise gemäßigt". Die Antwort ent halte keine Forderung, der sich nicht alle Mächte, China in begriffen, rückhaltlos anschließen könnten. — Tie „Oc^-r- reichische Volkszeitung" sagt, die Antwort sei ein großer Schritt auf dem Wege zur Herstellung des Friedens. — Tie „Deutsche Zeitung" schreibt, der Kaiser konnte und durfte nicht anders antworten. Die Mächte sollten im eigenen Interesse in der Frage der Sühne fest zusammensteben. — DaS „Neue Wiener Journal" schreibt, die Antwort weiche in ihrer maßvollen Fassung nicht von den früher aus gestellten deutschen Forderungen ab. Kaiserliche „Tcgradirnngcn". Neuerdings wird unter den letzten Edicten des kaiser lichen Hofes auch ein solches erwähnt, das den Gouverneur von Schansi, Jühsien, seines Amtes enthebt. Dieser Herr hat bekanntlich kurz vor der Eroberung von Peking durch die Fremden eine Anzahl der in Schansi thäligen Missionare in das Negierungs-Iamen in Tayensin ein geladen, und dann, als etwa 50 Personen arglos der Ein ladung Folge gegeben batten, sie alle durch seine Truppen erbarmungslos niedermctzcln lassen. Er hat sich dann dieser verrätberischcn That in einer Eingabe an den kaiserlichen Hof ganz besonders gerühmt und um Belohnung gebeten und sein Erfolg soll die Kaiserin veranlaßt baden, ein ähnliches Manöver auch gegen die Fremden in Peking zu versuchen, wenn auch glücklicherweise erfolglos. Es ist Wohl anzunehmen, daß dem erfindungsreichen Gouverneur von Schansi eine Belohnung nickt entgangen sein wird: sicherlich ist ihm keine Bestrafung zu Tbeil geworden, denn der chinesische Hof bat sich nack der Flucht aus Peking in seinen Schutz begeben, und Jühsin hat die begonnene Ausrottung der fremden Missionäre mit ihren Weibern und Kindern seitdem unent wegt fortgesetzt, wie dies wiederholt constatirt werden mußte. Und jetzt ist er Plötzlich mit „Absetzung bestraft worden"! Es ist das ein neuer starker Beweis dafür, wie wenig ernsthaft alle diese sogenannten „Bestrafungen" von der chinesischen Regierung gemeint sind. Es ist schon lange Praxis am Hose zu Peking gewesen, daß Mandarine, deren Bestrafung Lurch fremde Regierungen gefordert wurde, ihre augenblicklichen Stellungen zwar verloren, nach kurzer Zeit aber in anderen und wichtigeren Acnitern wieder auftauchten. Ein sehr bezeichnendes Beispiel dafür war Lipingheng, der als Gouverneur von Schantung auf Verlangen der deutschen Regierung entfernt wurde, anscheinend in Ungnade fiel, und doch kurz darauf in Nanking eine hohe Stellung erhielt, von der auS er dann im Sommer der Regierung in Peking zu Hilfe kam und sehr rasch dort zu den hervorragendsten und einflußreichsten Führern der Boxer gehört). Lipingheng ist allerdings nachher bei der Entsetzung von Peking durch die Verbündeten gefallen, aber irgend eine Strafe bat er, abgesehen von der augenblicklichen Entfernung von dem Gouverneursposten in Schantung, nie erlitten, ja er ist erst kürzlich noch nach seinem Tode besonders „geehrt" worden. Daß eS mit der jetzigen angeblichen Bestrafung Tuan'S und Hühsien'S ähnlich gehen wird, steht Wohl außer Zweifel! Deutsche Ttrafexpedition. „Neutcr'S Bureau" berichtet aus Peking unter dem 26. September: Generalmajor v. Höpfner ging gestern mit 2000 Mann und einer Feldbatterie zu einer Slrafexpedition nach dem nördlichenTheile de« Kaiserlichen IagdparkeS ab, da Tag« vorher eine Patrouille angegriffen worden war. Die Deutschen steckten mehrere Dörfer in Brand, wo Waffen gefunden wurden, und rückten bis Nan-bung-men vor. Boxer, die außerhalb der Stadt angetroffcn wurden, wurden nach kurzem Kampfe zersprengt. Die feindlichen Truppen waren tbeil« mit Gewehren, thellS mit Piken und Schwertern bewaffnet. Einige chinesische Soldaten, die sich bis auf 20 Schritt den deutschen Truppen näherten, wurden niedergemacht. Vier Deutsche sind verwundet worden. Mandschurei. Die „Nowoje Wremja" meldet an« Wladiwostok: Die Telegraphenlinie Eharbin-Tsitsikar iss ausgebessert worden; sie war nur unbedeutend von den Chinesen beschädigt worden. Der telegraphische Verkehr auf der Linie Wladi- wostok-Pogrenitschnaja-Ninguta und Omosso-Kirin ist eröffnet worden. TchiffSbewcgnngcn und Truppentransporte. London, 3. October. (Telegramm.) „Neuter's Bureau" berichtet aus Wei-hai-wei unter dem 1. October: Die englischen Kreuzer „Terrible" und „Arethusa", sowie die dritte indische Brigade sind unmittelbar nach erhaltenem Befehl von hier nach Taku abgegangen. * Berlin, 3. October. (Telegramm.) Das Kciegsministerium thcilt über die Bewegung der Truppentransporlschiffe mit: „Roland" ist am 2. October in Colombo cingetrosfen. Tic Maßnahmen zur Schaffung einer feste» Basis für die operirrnde Armee an der Küste haben in den letzten Tagen erhebliche Fortschritte gemacht. Durch die Einnahme der Peitang-Forts und 'der Be festigungen von Lutai haben sich die Verbündeten die Straße und Eisenbahn, welche von Taku in nordöstlicher Richtung über Kaiping und Tschangli und weiterhin längs der Küste nach Kintschau führt, eröffnet und seither auch die Kohlenwerke von Kaiping in Besitz genommen, deren Betrieb jetzt unter der Leitung des freundschaftlichen Directors Changyinnan wieder ausgenommen wurde. Die Kohlen der Kaiping-Minen bilden einen der wichtigsten Ausfuhrartikel der Provinz Pctschili, und die vorerwähnte Eisenbahn wurde im Jahre 1888 für denKohlen- transport von Kaiping nach Taku und Tientsin erbaut, und erst vor wenigen Jahren über Kaiping hinaus bis Kintschau an der Südküste der Mandschurei weitergefiihrt. Die Besitz nahme dieser Werke bedeutet für die Verbündeten nicht nur eine Erweiterung des occupirten Küstengebietes im Rücken, sondern auch die Sicherstellung eines ausgiebigen Brennmaterial-Vor- rathes für die 'bevorstehende Ueberwinterung. Nach einer Meldung aus Shanghai hätten die Verbündeten inzwischen auch Lchanhaikwan besetzt, den größten Hafen an der Ostküste des Liautong-Golfes, der etwa in der Mitte zwischen Taku und Kintschau (westlich Niutschwang) liegt, und mit beiden Städten durch Straße und Eisenbahn verbunden ist. Eine spätere, aus Tientsin kommende Meldung stellt die Thatsache dec Besitznahme dieser Stadt aller dings wieder in Zweifel, denn sie besagt, daß die Deutschen und Russen, theils zur See, theils zu Land, erst im Begriffe seien, dahin vorzurücken. Es mag einigermaßen überraschen, daß die verbündete Streitmacht, die am 20. September vor Peitang ge standen, bereits nach dem 160 Kilometer davon entfernten Schanhaikwan vorgedrungen sein soll- Gleichwohl ist aber diese Nachricht nicht geradezu unwahrscheinlich, denn bei einer durch schnittlichen Marschleistung von 20 Kilometern täglich kann diese Entfernung binnen zehn Tagen, worunter zwei Rasttage, immer hin zurückgelegt werden. Eine feindliche Störung des Marsches kam in der ganzen Gegend östlich von Kaiping nicht zur Geltung. Jedenfalls ist Schanhaikwan vermöge seiner Eigenschaft als Straßen- und Eisenbahnsperre, Handelsplatz und befestigter Hafen für die Verbündeten werthvoll genug, um den gemeldeten combinirten Angriff zu rechtfertigen. In Deutsch-China bleibt es auch weiterhin anscheinend ruhig. Gelegentlich eines Streifzuges des von Tsingtau nach Kiautschau entsandten De tachements wurden zwar Ende August, wie die soeben eingetrof fene letzte Nummer der „Deutsch-Asiatischen Warte" vom 20. August mittheilt, zwei Dörfer in der Nähe von Tapotu durch sucht und dabei verschiedenes Eisenbahnmaterial sowie Waffen und Munition gefunden, auch wurden wieder mehrere verdächtige Chinesen in Tsingtau eingebracht, aber von bewaffnetem Wider stand oder Zusammenstößen mit chinesischen Banditen verlautet nichts. Auch wurde eine Razzia veranstaltet, bei der 160 Chi nesen verhaftet wurden. Sie stehen im Verdacht, sich an den in letzter Zeit wieder häufiger vorgekommenen Diebstählen betheiligt zu haben, einige von ihnen wurden indessen bereits wieder in Freiheit gesetzt. Tie Flocht der Missionare ans Tchonsi. Der Missionar Alex. R. Saunders theilt über seine Flucht aus Pingyas in der Provinz Schansi durch die Provinzen Honon und Hupei nach Hankau, über die wir schon berichteten, noch folgende Episode mit: „Wir wanderten durch viele Dörfer und Städte hindurch, und in dieser Gegend erreichten unsere Leiden ihren Höhepunkt. Dieses ist nämlich eine der Gegenden, in der das Peking - Syndicat die Anlage von Berg werken und Eisenbahnen geplant hat, und das Vor gehen eines Agenten dieses Syndikates, der im vorigen Jahre die Gegend studirt hat, scheint die Bevölkerungau f- gebracht zu haben. Dadurch, daß er seine geologischen Auf nahmen machte, soll er die diesjährige Trockenheit herbeigeführt haben. Unglücklicher Weise glaubte man, ich sei diese Person, und an dem Tage hätte ich sicherlich mein Leben verloren, hätte ich nicht in jedem Dorfe, durch welches wir zogen, beweisen kön nen, daß ich nicht die Person war, für die man mich hielt. Während wir die Landstraße entlang zogen, folgte uns immer ein ganzer Volkshaufe, und häufig lagen die meisten von uns auf der Erde, und Männer lagen auf ihnen, die sie ganz unbarmherzig mit Stöcken und sogar mit Mauersteinen bearbeiteten. In den Dörfern schrie die heulende Volksmenge: „Ja, das ist er! TödtetihnISchlagtdenfremdenTeufeltodt!" In jedem Dorfe mußte ich ein paar grauhaarige Männer heraus suchen und ihnen Folgendes sagen: „Diese Männer glauben, daß ich der Mann bin, der voriges Jahr hier war, um nach Mine ralien zu forschen, aber ich kann beweisen, daß ich es nicht bin: Erstens konnte er nicht chinesisch sprechen, und ich kann es, und ihr versteht mich, zweitens war sein Haar kurz geschnitten, und ich habe einen Zopf, und ein Zopf wie der meinige kann, wie Ihr Alle wißt, nicht in einem Jahre wachsen." Dies überzeugte die Leute, und so rettete der Zopf mein Leben." Der ausführliche amtliche Bericht über die Theil- nahme de« „IlliS" und deS deutschen Landung«- corp« an der Einnahme der Ta kn fort« liegt jetzt vor. Es kann sich hier nur noch um die Ergänzung einzelner interessanter Einzelheiten handeln. Zunächst ist viel leicht bemerkenswerth, daß die Armirnng des „Iltis" durch zwei Maschinenkanonen von S. M. S. „Hertha", die einige Tage vorher picotirt waren, verstärkt worden war. Zu einem wohlgezielten Feuer war d i e Nacht zu dunkel. Die Undeutlichkeit der Ziele und der Rauch einiger mit rauch starkem Pulver schießender anderer Schiffe erschwerten das Zielen. Wie außer ordentlich wirksam trotzdem das Feuer der Maschiuen- Kanonen des „Iltis" war, geht daraus hervor, daß die chinesischen Geschütze, wenn das Feuer der ersteren 1 bis 2 Minuten gewährt batte, das ihrige einstellten, wahrschein lich weil die Bemannung nicht Stand halten konnte. Erst nach einer Pause fingen sie dann wieder zu feuern an. Die befeh lenden deutschen Ofsicierc melden übereinstimmend, daß Jedermann seine Schuldigkeit getban hat. Es gilt dies nickt allein von Len kämpfenden Osficicren und Mannschaften, sondern auch von dem Maschinen- und Heizerpersonal auf S. M. S. „Iltis", das in seiner cxponirten Lage mit Ruhe und Kaltblütigkeit seinen verantwortlichen Dienst versah. Viel Neues enthält, wie gesagt, der ausführliche amtliche Bericht nicht, ein ziemlich umfangreicher Auszug ist ja seiner Zeit schon osficiös (Norddeutsche Allg. Ztg.) veröffentlicht worden. Oer Krieg in Südafrika. Tas Elend des Krieges. Aus Capstadt, 10. September, wird der „Welt.-Corr." geschrieben: Capstadt beherbergt jetzt auch viele Deutsche, die aus dem Transvaal ganz völkerrechtswidrig ausgewiesen sind. Aus dem kleinen Städtchen Stan der t on in Transvaal sind z. V. a ch t D e u t s ch c ausgcwiesen, die glücklich noch genügende Mittel fanden, nachdem sie Be schwerde bei dem deutschen Consul eingereicht, die Heimreise an treten zu können. Vielen der Ausgewiesenen fehlen aber die Mittel zur Heimreise, und nur der angestrengten Privat iv o h l t h ä t i g k e it d e r D e u t s ch e n a m C a p ist es bisher einigermaßen möglich gewesen, für so Viele ein vorläufiges, nothdürftiges Unterkommen zu finden. Die Behandlung dieser Ausgewiesenen unterwegs hierher übertrifft ja alle „xrievauces", über die die englischen llitlanders zu klagen ein vermeintliches Recht hatten und weshalb angeblich England das Schwert ge zogen hat. So wurde mir u. A. ein Fall erzählt, daß eine: dieser Unglücklichen sechs Tage ohne Nahrung zu bringen mußte. Die Behandlung der bei Prinzloo's Ucbergabe Gefangenen, die, wie Vieh zusammengedrängt, in offenen schmutzigen Vieh Waggons in der Hitze des Tages und Kälte der Nacht mehrere Tage lang stehend die Reise bis nach dem Cap aushalten mußten, war vom englischen Militär ja kaum anders zu er warten. Wer aber gesehen hat, wie ermattet die Heldengreise unter diesen Gefangenen bei ihrer Ankunft in Capstadt dahin sanken, wo sie die übliche Verhöhnung des berüch tigte nPöbelsin Cap st adt zum Schluß noch zu ertragen hatten, der kann den Anblick, der gegen alle menschlichen Gefühle angeht, doch nicht vergessen. So weit englische Truppen in Transvaal vorgedrungen, hören die P o st v e r b i n d u n g e n mit der Kolonie und über haupt mit der Außenwelt so ziemlich auf; jedenfalls ist es eine Seltenheit, wenn einmal ein Bries durchschlüpft. Selbst die letzten Telegramme Lord Roberts' brauchten zwei volle Tage, hierher zu gelangen, obschon von Pretoria drei Linien (über Mafeking-Kimberley, Natal und Bloemfontein) ihm zu Gebote stehen sollten. De Wct und andere Führer sorgen eben dafür, daß Eisenbahn- und Telegraphenlinicn immer zerstört werben, trotz der scharfen Bewachung derselben. Dagegen dringen durch die Ausgewiesenen (und auf andere, hier jetzt nicht näher zu--zeichnende Weise) zuverlässige Nach richten über die schauerlichen Zustände in den Republiken hier ein, die gewöhnlich im Streite sind mit den Depeschen Lord Roberts'. In welcher Verfassung die englischen Truppen dort sein mögen, davon macht man sich kaum eine richtige Vorstellung. So z. B. erzählt ein Augenzeuge (Di-. Hoffmann) des Einzugs der Truppen in Pretoria, wie die Kleider Mancher mit Steck nadeln nothdürftig zusammengehalten wurden, wie Andere an Stöcken heranhumpelten, wie Alle zu der recht schmutzigen Uni form noch schmutzigere Unterkleider trugen, die, seit vielen Monaten nicht gewaschen, eine Herberge und Brutstätte für Tausende von Ungeziefer bildeten; dazu ging ein luftverpcstender Geruch von ihnen aus, der Schaulustige fernhielt. Aber auch jetzt noch werden die Soldaten in Pretoria und Johannesburg so von Ungeziefer geplagt, daß Manche daran erliegen. Die Läuse- krankheit grassirt geradezu dort, den Beulen am ganzen Körper, wenn offengekratzt oder ausgeschnitten, entschlüpfen Würmer. Die Zufuhr von Lebensmitteln muß sehr mangelhaft sein, da Hungernothpreise in den Hauptstädten herrschen, z. B. ein Sack Kartoffeln bis 100 ckk, ein Pfund Butter 13,50 c/k kostet. Der Vandalismus der Truppen zeigt sich in der Verwüstung der Häuser, und es ist nicht gerade der Mangel an Brennholz, der auch zur Vernichtung der Kirchenbänke führt, denn an Orten wie zum Beispiel Kroonstadt, wo die Kirche auch ruinirt ist, giebt es sogar Holz in Ueberfluß an dem schönen Flußufer. — Das muthwillige Nicdcrbrennen der Bauernhöfe durch das englische Militär, die Mißhandlung und Vertreibung der Frauen und Kinder aus ihrem Heim, Gefangen nahme von so vielen Predigern, Schändung und Vernichtung der Kirchen, die Deportation der Gefangenen nach Ceylon, und Aehn- liches machen nur, daß sich neue Schaaren zu De Wet fügen — um für ihre Freiheit zu kämpfen. * Johannesburg, 28. September. «Reuter'« Bureau.) Der Militär-Gouverneur benachrichtigte daS Hauptquartier, er habe Veranstaltungen für die Rückkehr von Flüchtlingen von je 3000 b>S 4000 wöchentlich vom 10. October ob getroffen. Deutsches Reich. — Berlin, 3. October. Angeblich, um die katholische social« Bewegung mit erneuter Kraft in Fluß zu bringen, ist vor einigen Wecken ein „Hirtenschreiben des am Grabe veS heil. Bonifaciu« zu Fulda versammelten
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