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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.08.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000823019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900082301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900082301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-08
- Tag1900-08-23
- Monat1900-08
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Reclame« unter dem Redactionsstrich (»g» spalten) 50/g, vor den Famtlieauachrichte» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzetchniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-veilaaeu (gefalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhl. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je eins halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Ex-töttioa zu richten. Truck nud Verlag von E. Polz kn Leipzig St. Jahrgang. Die deutschen Gewerkschaften. Die Führer der Socialdemokratie, die in letzter Zeit trotz heftiger Mißbilligung von Seiten theoretischer Parteigenoffen sich für die „Neutralität" der Gewerkschaften ausgesprochen, haben dafür ihre guten Gründe gehabt. Es war nicht allein das Zutrauen zu der unter socialdemokratischer Leitung stehenden Hamburger „Generalcommission der Gewerkschaften Deutsch lands", daß diese die unter der Flagge der „Neutralität" eingefan- genen, revolutionären Tendenzen abholden Arbeiter allmählich doch für die Zwecke der socialdemokratischen Agitation hinreichend präpariren würde. Weit durchschlagender war für die neue Mauserung ein anderes realpolitisches Moment, worüber die socialdemokratische Parteiführung freilich weit früher unter richtet sein konnte, als irgend ein Anderer, nämlich: die That- sache, daß die Gewerkschaften an Anhang und Geldmitteln sich gerade jetzt in einem auffallenden Aufschwung befinden, während die socialdemokratische Parteicaffe die Minderung des Interesses an der politischen Agitation an dem Rückgang ihrer ordentlichen Einnahmen um die Hälfte beklagt. Neber dieses neue Moment in der Calculation der social demokratischen Parteiführung erhält man jetzt nähere Auskunft durch den Rechenschaftsbericht, den die Führung der sogenannten neutralen Gewerkschaften soeben für das Jahr 1899 veröffentlicht und der dadurch, daß bis zum Jahre 1891 zurückgegangen wird, ein anschauliches Bild von der gesammten Gewerkschaftsbewegung überhaupt giebt. Danach belief sich im Jahre 1899 die Gesammt- zahl der diesem Verbände angeschloffenen Centralorganisationen auf 55 mit einer Gesammtmitgliederzahl von 580 473, worunter sich 19 280 weibliche Mitglieder befanden. Im Jahre 1891 hatten diese socialdemokratischen Organisationen kein weibliches Mitglied und 277 659 männliche Mitgieder. Gegen das Jahr Jahr 1898 ist ein Gesammtzuwachs von 89 000 Mitgliedern erfolgt, das sind rund 18 Procent. Nur fünf Organisationen, die Barbiere, Porzellan- und Tabakarbeiter, Cigarrensortirer und Hafenarbeiter sind zurllckgegangen, letztere um 1450. Wie im Jahre 1898 ist auch im letzten Jahre der Zuwachs bei den Organisationen am stärksten gewesen, die mit dem Baugewerbe in Beziehung stehen. Wir lassen die Hauptzahlen dieser und der an Zahl stärksten Gewerkschaften für 1899 und ihre Zunahme gegen 1898 in nachstehender Uebcrsicht folgen. Bauarbeiter: 11149 (gegen 1898 -ft 3283); Bergarbeiter: 33 000 (-s- 5700); Brauer: 8681 (-s- 1036); Buchbinder: 7631 (-ft 1033); Buchdrucker: 26 344 (-ft 2324); Fabrik- und gewerb liche Hilfsarbeiter: 22 592 (-s- 4420); Former: 8817 (-ft 2662); Holzarbeiter: 62 570 (-s- 13 582); Maler: 9540 (-ft 1249); Maurer: 74 535 (-ft 14 350); Metallarbeiter: 85 013 (-ft 9582); Schneider: 12173 (-ft 2678); Schuhmacher: 16 922 (-ft 212); Textilarbeiter: 37 617 (-ft 8610; Zimmerer: 23 719 (-ft 1615). Dazu kommen dann noch von größeren Gewerkschaften die Porzellanarbeiter mit 8660, die Steinarbeiter mit 10 000 und die Tabakarbeiter mit 18 401 Mitgliedern. Um die Macht stellung dieser Organisationen würdigen zu können, seien die Ausweise über die übrigen gewerkschaftlichen Organisationen in der Stärke des Jahres 1899 angeführt: Locale Vereine (focialistiscke) . . . 15946 Mitglieder, Hirsch-Duncker'iche Gewerkvereine . 86777 - Christliche Gewerkschaften .... 1l2 160 - Unabhängige Vereine 68994 - Nach der Zählung vom 3. Juni d. I. hatten die christlichen Gewerkschaften freilich bereits eine Gesammtmitgliederzahl von 152 615, ein Zuwachs, der natürlich die „neutrale" Gewerk- schaftsführung in einige Verlegenheit setzt; daher weist sie an der einen Stelle „ausdrücklich darauf hin", daß für den ge werkschaftlichen Kampf im wahren Sinne des Wortes nur auf die auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung stehenden Central-Organisationen zu rechnen sei, während die anderen Or ganisationen als ein Hinderniß in diesem Kampf bezeichnet werden müßten. An anderer Stelle wird dagegen den letzterwähnten Gewerkschaften die „Aufgabe" zugeschrieben, „die bisher absolut indifferenten Arbeiterschichten aufzurütteln und mit gewerk schaftlichem Geist zu erfüllen" — so daß sie schließlich von selbst den „Centralisirten" zuwachsen würden. Wenn auch die Ge- sammtzahl der in den gewerblichen Betrieben Deutschlands be schäftigten Arbeiter rund 570 000 beträgt, so marschiren doch, Alles in Allem genommen, die socialdemokratisch geführten Ge werkschaften mit Zahlen auf, die sorgsame Beachtung verdienen; sie bekunden vor allen Dingen, wie sehr es die Gewerkschafts führung verstanden hat, die Gunst der aufsteigenden Conjunc- turen und die Erhöhung des Einkommens der Arbeiter zur Ver stärkung der Organisationen des Classenkampfes zu benutzen, und der für diese Zwecke zu verwendenden Betriebsmittel. Ueber die für die Zwecke der Gewerkschaft aufgebrachten Geldmittel wird weiterhin eine eingehende Nachweisung ver öffentlicht. Danach sind in den Jahren 1891 bis 1899 von den gewerkschaftlichen Organisationen, aus „Arbeitergroschen", 32 Mill. Mart aufgebracht und 27,6 Mill. Mark ausgegeben worden. Auf das letzte Jahr allein kommt eine Einnahme von 7,7 Mill. Mark und eine Ausgabe von 6,4 Mill. Mark, je zwei Millionen Mark mehr als im vorangegangenen Jahre. Davon wurden 0,6 Mill. Mark für die Verbandsorgane ausgegeben; für Agitationen 201000 --4k; für Streikunterstützungen 2,1 Mill. Mark, beinahe das Doppelte wie im vorangegangenen Jahre; an Gehältern und Derwaltungsmaterial 330 000 Dazu kommen noch für Rechtsschutz und Gemaßreglten-Unterstühungen je 55 000 -4k, und für Reise-, Arbeitslosen-, Kranken- und Jn- dalidenunterstützungen 1260 000 °4k. Das sind enorme Summen, die vermittelst eines gutorganisirten Steuersystems aufgebracht werden. An Eintrittsgeld rst in der Regel 50 H zu zahlen; bei den Brauern, Buchdruckern und Handlungsgehilfen 1 °4k; die Seeleute gehen bis 1,50 <^k, die Hutmacher bis 2,25 und die Kupferschmiede sogar bis 5 osk. Dazu kommen Wochenbeiträge, die in der Regel 15 bi» 50 H, bei den Buchdruckern 1,10 be tragen. Dazu kommen noch „Delegirtensteuer" und Extra beiträge für BerbandStage, für Streik- und sonstige Zwecke, die stellenweise bi» 2 -»k im Monat betragen; ferner da» Abonne ment für da- VerbandSorgan, auf das jedes Mitglied abonniren wuß. In Folge dessen hat beispielsweise ein Maler in dem ersten ?ahre zu bezahlen: 80 H Eintrittsgeld; 25 H Wochenbeitrag; ferner 12 osk Streikbeitraa im Jahre und 4,80 für sein Ver bandSorgan, daS sind zusammen 17,60 an .Gewerkschaft», steuern". Ein Buchdrucker zahlt 1 °4k Eintrittsgeld, 47 -4k Jahresbeiträge, Extrab,iträge unter Umständen bi» zu 26 «4k im Jahre, wozu dann noch 2,60 «4k für das Verbandsorgan kommen; das sind insgesammt 76,60 «A und zu normalen Zetten. In der socialdemokratischen Presse würde sich ein Schrei der Entrüstung erheben, wenn eines Tages ein Staat oder eine Ge meinde nur den zehnten Theil dieser Summe für öffentliche Zwecke auf dieselben Personen neu umlegen würde. Eindringlich mahnen diese Zahlen die bürgerliche Gesellschaft daran, welche Opferwilligkeit zur Sicherung der Gesellschaftsordnung geboten ist, wenn so groß die Opferwilligkeit Derer ist, die mit ihren Hoffnungen auf den Umsturz von Staat und Gesellschaft hin gewiesen werden. Masuren und Polen. Je naher die Tagung der Generalversammlung deutscher Katholiken heranrückt, um so größer wird der ServilismuS der CentrumSpresse gegenüber den Polen. Vor wenigen Tagen erst erklärte die „Köln. Volksztg.", die preußische Polenpolitik sei einem boxermäßigcn Fremdenbasse entsprungen, jetzt bezeichnet sie den Haß gegen die Polen als „wesentlich confessioneller Natur", weil man den protestantischen Polen, den Masuren, „nichts thut". Die Tbatsacke, daß für die Masuren die polnische Nationalität lediglich von kultureller Bedeutung ist, und zu einer politischen, nationalpolnischen Agitation nichl gemißbraucht wird, baß mithin cer preußische Staat keine Veranlassung hat, den Masuren „etwas zu tbun", läßt die „Kölnische Volkszeitung" nicht nur nicht gelten, sondern kehrt sie sogar vollständig um. Das rheinische CentrumSblatt behauptet nämlich: wenn die Masuren so wenig staaisgefährlich und so viel lenksamer seien, „so kommt das eben von der „liebevollen Behandlung", die man ihnen angedeihen läßt". Dieselbe „liebevolle Behandlung" wird vom Centrum natürlich für die katholischen Polen gefordert — auf dem bevorstehenden Katholikentage wird man noch mehr davon hören. Deshalb ist es nützlich, mit kurzen Worten noch die unnmstößlickien Erfahrungen der Geschichte zu zeigen, Welche Früchte die „liebevolle Behandlung" der Polen Zug um Zug gezeiligt bat. Der Urheber dieser „liebevollen Behandlung" ist bekannt lich König Friedrich Wilhelm IV. Er hat sehr bald nach seinem Regierungsantritt den rechskräflig verurtheilten Erz bischof von Dunin begnadigt, er hat den Ober präsidenten Flottwell aus Posen versetzt, er hat durch die CabinetSordre vom 15. Januar 1841 angeordnet, baß alle Civilprocesse in der Sprache des Klägers verhandelt werden sollten, er hat gestattet, die von der Regierung aufgekauften überschuldeten Landgüter auch an Polen zu veräußern, er bat die Schulinspcction häufig an polnische Priester übertragen lassen, er hat einen polnischen Geistlichen zum Rector des Posener Mariengymnasiums ernannt, er Halden Warschauer Officieren ihre verwirkten Pensionen wieder auSbezahten lassen. Sind in folge aller dieser „liebevollen" Maßnahmen die Polen lenksamer und weniger staats gefährlich geworden? Nicht im Geringsten! Die einzige Antwort, welcke die Polen für das Ent gegenkommen Friedrich Wilhelm's IV. hatten, war ihr Ansturm wiber das Deutschthum. Sie bean tragten, die Eröffnungsreden auf dem Posener Landtage in beiden Sprachen zu halten, sic forderten eine theologisch philosophische Facultät für die Stadt Posen, indem sie den Besuch deutscher Hochschulen grundsätzlich verwarfen, sie ver langten für die Provinz mehrerer Gymnasien mit vorherrschend polnischem Unterricht und für alle Ortschaften, wo die polnische Bevölkerung überrage, die polnische Scbulsprache in den Volks schulen, scheuten sich nicht, das Recht der Erwählung der Landrälhe als einen Schutz für das Großberzogthum Posen zurück zufordern, damit die Provinz, wie H von Treitschke treffend bemerkt, sich durch ihre eigenen Beamten gegen die deutsche Krone vertheidigen könne, sie unterhielten mit der „Centralisation" der polnischen Propaganda in Paris einen geheimen Verkehr, obwohl die „Centralisation" schon seit dem Jahre 1842 den Aufstand vorbereitete, sie gab schon damals die Losung auS, nur bei Landsleuten zu kaufen, und sie hielten im Frühjahr 1846 den Augenblick zum Vor geben mit bewaffneter Hand für gekommen. Trotz dieser Erfahrung wurde den Polen 1848 eine nationale Verwaltung zugestanden; die Antwort hierauf bestand in mörderischen Ueberfällen der Polen auf ihre deutschen Landsleute! Dabin bat die „liebevolle Behandlung" der Polen, wie Friedrich Wilhelm IV. sie begann, geführt. Wer trotz alledem immer aufs Neue die gleiche Politik gegenüber den Polen empfiehlt, der liefert lediglich einen neuen Beweis dafür, daß ihm die Geschichte nichts gelehrt hat. Je einflußreicher die Partei ist, die der Geschichte gegenüber unbelehrbar bleibt, um so eindringlicher müssen die übrigen Parteien sammt der Regierung die Lehren der Geschichte sich gegenwärtig halten. Die Wirren in China. * Aus Tsckifu Wird unterm 22. August nach Tokio ge meldet: Die japanischen Truppen besetzten den Kaiserpalast in Peking. Am 16. d. MtS., etwa vier Tage vor der Besetzung von Peking verließen die Kaiserin-Wittwe, der Kaiser und die Minister unter einer Escorte von 3000 Mann Truppen de« Generals Tungusian Peking. DaS Ziel soll, wie vermuthet wird, Singanfu in Schensi sein. In Peking herrschen große Wirren. Die Stadt wurde in verschiedene Sektionen eingetheilt. Die eine Hälfte der Tatarenstadt auf der nördlichen Seite wurde unter die Aufsicht der japanischen Truppen gestellt. Von den be treffenden alliirten Truppen wurden verschiedene ComiteS ernannt, die die Ruhe in der Stadt aufrecht erhalten sollen. Diese Comit-S stellen Japan, Rußland, England, Amerika und Frankreich. Der japanischen Abtheilung ist eS gelungen, die innerhalb deS KaiserpalasteS gefangenen Fremden, Missionare und chinesischen Christen zu befreien. Die Japaner verloren 200 Todte und Verwundete. Der Verlust des Feindes beträgt 600 Todt«. Weitere Kämpfe scheinen noch in Aussicht zu stehen. Wenn auch kaum daran zu zweifeln ist, daß der Straßenkampf in Peking schließlich mit der Niederlage der Chinesen enden wird, so ist der hart näckige Widerstand der Chinesen um so weniger völlig un bedenklich, als ja dem Befehle der chinesischen Regierung an die südlicheren Provinzgouverneure, möglichst rasch Hilfs truppen nach Peking zu schicken, mehrfach Folge geleistet worden ist. Die Truppen, die seiner Zeit Lipingheng nach Peking geführt halte, waren solche von Nang-tse-kiang, und daß von Hunan und anderen Provinzen gleichfalls solche Hilfesendungen aufgebrochen waren, ist bereits vor einiger Zeit gemeldet worden. Die Truppen aus Hunan sollen bereits in der Nähe von Peking eingetroffcn sein, indem sie von Sung-lin-chin aus, einer Stadt etwa auf der Höhe von Largfarg zwischen den Bahnlinien Peking — Tientsin und Peking—Hankau gelangten und nun die Riickzugslinie der Ver bündeten bedrohen, und zwar sowohl in Peilsang wie in Tung- tschou. Auch Dangtsun wird noch jetzt für bedroht angesehen durch chinesische Truppen am Kaiscrcanal. Man erinnert sich, daß schon bei dem Aufbruch der Verbündeten nach Peitsang und Aangtsun viel von einem chinesischen Heere die Rede war, daS gar nicht weit von Tientsin entfernt, elwa 15 000 Mann stark am Kaiserkanal lagern sollte, und daß dieses Heer als ein Hauptgrund dafür angesehen wurde, daß man anfänglich nicht auf einen Vormarsch der Verbündeten über Aangtsun glauben wollte. Von diesen chinesischen Truppen hat seitdem nichts mehr verlautet, sie scheinen aber nur ignorirt worden zu sein von den Verbündeten und könnten daher jetzt Miene machen, ernsthaft in den Kampf noch nachträglich einzugreifen. Vielleicht kommen die Truppen des Generalmajors v. Höpfner gerade zurecht, um die Straße nach Peking vor den neuen Angreifern zu schützen. Ueber die deutschen Truppennachschübe wird uns berichtet: * Berlin, 22. August. (Telegramm.) Der zweite Admiral des lüreuzergeichwaders meldet ob Taku vom 19. d. Mts.: Starke R^pengüsfe hielten den Vormarsch des CapitänS Pohl auf, so daß er erst am 16. d. M. von Maton vorgegaugen ist. Aus un verbürgter Quelle in Tientsin höre ich, daß Pohl am 17. d. M. Abends in Peking eingetroffen ist. Generalmajor v. Höpfner meldete, das; er am 17. d. M. das 1. Bataillon und einige Reiter vorausschicken und am 18. d. M. mit dem 2. Bataillon folgen wird. Tas Scheitern der FricdenSuntcrhandlnngen. Während verschiedene Londoner Blätter einen Ausgleich mit der Kaiserin-Wittwe befürworten, prolestiren der „Voss. Ztg." zufolge die „Times" kräftig gegen die Anknüpfung irgend welcher Unterhandlungen mit ihr und schreiben: Sie war entweder als Haupttriebfeder oder Mitschuldige verantwortlich für daS Ereigniß, welches die Mächte nöthigte, in Cbina einzuschreiten, oder sie war macht los in den Händen der reaktionären Partei und deren Werkzeuge, der Boxer. In ersterem Falle habe sie sich einer Reihe unverzeihlicher Vergehen gegen dasVölker- recht schuldig gemacht und habe nicht den min desten Anspruch auf Nachsicht. Im anderen Fall sei ihr Anspruch, die Vertreterin der chinesischen Regierung und des chinesischen Volkes zu sein, ein hohler Vorwand und sie besitze kein Anrecht darauf, als Herrscherin behandelt zu werden. Ihr die Autorität wiederzugeben, die sie durch den Staatsstreich mit dem Beistände der Reaktionären erwarb, würde heißen, die ganze Politik der verbündeten Mächte lächerlich zu machen. Wenn die Kaiserin geflüchtet ist, welche Ermächtigung könne Li-Hung-Tscbang besitzen für seinen Vor schlag, mit den Mächten zu unterhandeln. Wir selbst erhalten folgende Information: L. Berlin, 22. August. (Privattelegramm.) Nachdem Amerika dos VermittelungSgesuch Li'S abgelehnt, gilt die Action Li's an unterrichteter Stelle als gescheitert. Was schon lange befürchtet wurde, scheint jetzt einzu treten: daS Hinüberfluthen der ausständischen fremdenfcind- lichen Bewegung nach Korea. Hierüber wird uns berichtet: * Aokohama, 22. August. (Telegramm.) Der japanische Viceconsul in Soengtsching in der Nähe von Gensan berichtet: 1000 koreanische Aufrührer hätten Soengtsching ange- griffen und die Häuser der Beamten zerstört und verbrannt. Die japanischen und koreanischen Beamten haben sich nach Gensan zurückgezogen. Dadurch wird die Lage, namentlich für Japan und Ruß land, die beide Korea als ihre Einflußsphäre ansehen, nicht unwesentlich complicirt. Die deutschen Schiffe. (-) Kiel, 21. August. Nack Eintreffen des Panzerkreuzers „Fürst Bismarck" in Tsingtau Mitte dieses Monats hat der deutsche Geschwaderchef, Viceadmiral Bendcmann, seine Flagge auf diesem Schiffe gebißt. Von Bord des „Fürst Bismarck" aus werden also in Zukunft die Operationen der deutschen Seestreitkräfte in Ostasien geleitet. In Schanghai, wohin sich Viceadmiral Benvemann mit dem neuen Panzerkreuzer begeben hat, befinden sich zur Zeit der Kreuzer „Gefion" und das Kanonenboot „JltiS". Zur Verstärkung ist in Begleitung des „Fürst Bismarck" der von Australien nach China berufene kleine Kreuzer „See adler" nack Schanghai abgegangen, während der von Ost afrika nach China beorderte kleine Kreuzer „Schwalbe" in wenigen Tagen ebenfalls dort eintreffen wird. Wohin die „Brandenburg"-Division, welche gestern in Singapore anlangte, sich begeben soll, ist noch nicht bekannt. Da indessen im nördlichen China das eigentliche Operationsfeld für die Landstreitkräfte ist, scheint die Concentrirung der Seestreit- kräsle in Shanghai und im Mündungsgebiet de« Dang- tse-kiang sehr wahrscheinlich zu sein, zumal da die Mächte eine Sperrung dieses Riesenstrome« nicht zulassen werden. Der von Westamerika nach Ostasien gerufene kleine Kreuzer „Geier" hat die Reise über den Großen Ocean von Mexiko nach Japan in 35 Tagen auSgeführt. Ueber die klimatischen Verhältnisse an den Küsten des Golfes von Petschili macht daS Augustheft der „Annalen der Hydrographie" auf Grund langjähriger Beobachtungen in Peking und der regelmäßigen meteorologischen Beobachtungen, die während eines achtmonatigen Aufenthaltes in Tientsin vom August 1884 bis April 1885 an Bord S. M. Kreuzer „Nautilus" angestellt wurden, bemerkenS- werthe Mitthcilungen. Danach sind im Sommer Windstillen und leicht veränderliche Winde aus dem südlichen Halbkreise des Horizontes vorherrschend, im Winter beständige und stärkere Winde aus dem entgegengesetzten Halbkreise, die manchmal zu Stürmen anwachsen. Im Sommer ist das Wetter meistens schön, nicht selten kommen Regen und Ge witter vor. Ter Winter ist bisweilen sehr kalt, mit meist heiterem Himmel und gelegentlichen Schneefällen. Zur Zeit der Herbst- Tag« und Nachtgleichcn ist das Wetter unbeständig, westliche Winde überwiegen, oit als Stürme. Im October fällt die Wasserwärme um etwa 10 Grad Celsius, scharfe Nachtfröste treten ein. Ende October schon sind im Norden des Lian-Tung-Golfes, des nord östlichen Theiles des Golfes von Petschili, Schneefälle häufig, vor der Peiho - Mündung erst Ende November. Während der Beobachtungszeit auf dem „Nautilus" bildete der Monat Octobrr die Uebergangszeit des Windes aus der südlichen Richtung des Sommers in die nördliche des Winters. Vom November bis in den März hinein nahmen die Winde oft einen stürmischen Charakter an. Sie führten zuweilen große Mengen von Sand mit sich, was sich durch Ausfteigcn braungelber Staubwolken am nördlichen Horizont an kündigte. Bei solchen Staubwolken werden trotz des das Schiff nach oben abschließenden Wetterdaches die Tecks und selbst die Gegenstände in verschlossenen Räumen des Schiffes in kurzer Zeit mit einer Schicht feinen Staubes bedeckt. Die aus Norden einsetzenden Stürme führten meist ein starkes Steigen des Barometers und große Trockenheit der Luft herbei. Der Hitze und Dürre de» August» und Septembers folgt in Tientsin ein sehr gemäßigter und ebenfalls trockener Herbst und Winter. Im Oktober und November wurde nur Nachtfrost beobachtet. Auch während des größten ThetlS des Decembers stand in den Mittag, und Nachmittagslunden das Thermometer über Null, erst gegen Ende de» Monat» trat an- dauernde Kälte ein, jedoch fiel die mittlere Temperatur.im December bis Februar nur wenige Grade unter den Gesrierpunct. Der Fluß fror am 16. Teceinber in der Gegend von Tientsin zu, ani 3. März kam das Eis wieder ins Treiben. Der Peiho ist in brr Regel Mitte Delembrr für die Schifffahrt durch Ei- geschloffen. Anfang Januar ist das Meer bis ans 5 Seemeilen vom Lande mit einer Eisfläche bedeckt, gegen Ende dieses Monats Hal Las Küsten eis eine Breite von 20 bis 30 Seemeilen erlangt bei einer Dicke von 0,6 bis 0,9 Meter, während Treibeis vor der Flußmündung bis auf einen Abstand von 75 Seemeilen angetroffen wird. Die ganze westliche Bucht des Golfes von Petschili bekommt ebenfalls einen Eisjaum, aber nicht so breit, wie bei dem Peiho. Der Krieg in Südafrika. Zur Verschwör»»« in Pretoria wird un« aus London noch geschrieben: Der standgericht- liche Proceß gegen den Leutnant in der Staatsartillerie Hans Kordua bringt allerdings einige interessante Einzel heiten zu Tage, im Großen und Ganzen gestehen aber selbst schon einige englische und südafrikanische Zeitungen zu, daß das ganze fürchterliche Complot wirklich nichts mehr ist, als es von Lord Roberts in seiner ersten bezüglichen amtlichen Meldung bezeichnet wurde, nämlich ein plumpes, unqualificir- bares Unternehmen, das dem Feuereifer und dem Enthusiasmus eines begeisterten Anhängers der Boerensacke entsprungen zu sein scheint und niemals irgend welchen thaisächlichen Erfolg hätte haben können. Außerdem stellt sich heraus, daß der Agent der britischen Geheimpolizei, Detectiv Gano, den wüthigen Spitzel mit großem Erfolge dargestellt und dem Leutnant Kordua nickt nur aus jede denkbare Art und Weise in seinem tollköpfigen Plane angefeuert, sondern ihm sogar Uni form und Passepartout eines englischen Spähers verschafft hat, damit Kordua durch die englischen Linien in daS Haupt quartier des Generals Botha und wieder nach Pretoria zurück gelangen konnte. Kordua behauptete in seiner Verlhcidigung sogar, daß Gauo in weitgehendster Weise für da« ganze Complot verantwortlich nnd an der Urheberschaft betbeiligl sei. Der Herr Geheimagent und Agent Provokateur ver wahrte sich hiergegen natürlich mit sittlicher Entrüstung und erklärte, daß' ihm einzig und allein das Verdienst zufiele, das Complot überhaupt entdeckt zu haben. Hoffentlich sind die Ofsiciere, welche da« Kriegs gericht bilden, hinreichend unparteiisch und „gentlemanlike", um ohne Weiteres berauSzufinden, waS auf die schönen Redensarten des Gano zu geben ist. In der Presse und im Publicum wird schon eifrigst die Frage erörtert, ob HanS Kordua zum Tode verurtbeilt werden wird, wa« durchaus nickt ausgeschlossen erscheint, zumal da die britischen Behörden an Hand ter neuesten Roberts scken Proklamation vielleicht ein warnendes Exempel statuiren wollen. Kordua soll übrigen«, wie die Zengcnvcrnebmung ergeben bat, ein sehr aufgeregter und theilweise sogar ein unzurechnungsfähiger Charakter sein, der außerdem, wahrscheinlich in verzweifeltem Enthusiasmus unter dem Einflüsse geistiger Getränke steht, waS der Spitzel Gano denn auch mit besonderer Vorliebe auszunutzen gewußt hat. Wenn die Engländer vernünftig sind, so sperren sie den jungen Mann bei Wasser und Brod ein, damit er bei klarerem Verstände zu der Ueberzeugung kommt, daß ein einmal geleisteter „Vasalleneid" auch den Feinden seines Adovtiv - Vaterlandes gegenüber nicht gebrochen werden darf, und daß thvrichter Uebereifer der Boeren- sache nur empfindlich schaden kann. — Der Boeren-Advocat Berrange, der die Vertheidigung Kordua'« übernommen hat, wie« in einer glänzenden Rede auf die schwachen Pnncte der Anklage hin und betonte vor Allem, daß eS dem Angeklagten ja überhaupt nicht gelungen sei, irgend welche thatsachltchrn Helfershelfer für seinen Verschwörung-plan zu ge winnen, daß er in dieser Hinsicht durchau« erfolglos geblieben sei, und daß mithin der Begriff „Complot" überhaupt hinfällig würde, da da« Gesetz eine „Ver schwörung" nicht anerkenne, wenn au derselben nur eine einzelne Person betbeiligt sei. Herr Berrange legte besondere« Gewicht auf die Thatsache, daß dem Polizeiagentrn Gano bereit« in seinem Amt« von seinen Borgesetzten ge kündigt gewesen sei, und zwar al- Bestrafung für ungehörige« dienstliche« Verhalten, und daß er deshalb sich bemüht habe,
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