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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000926021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900092602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900092602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-09
- Tag1900-09-26
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AlS erste Folge der amerikanischen Politik ist nun wohl zu betrachten, daß Prinz Tu an von der Kaiserin in das erste Staats amt berufen ist. Offenbar ist durch die amerika nische Note den Chinesen der Muth so sehr gestärkt worden, daß sie ihre Lieblingsspeculation auf die Un einigkeit der Mächte wieder anfnehmen durch eine Hand lung, die, wie die Ernennung deS Prinzen Tuan, der ganzen Welt ins Gesicht schlägt. In dieser Berech nung dürfen die Chinesen sich aber ebenso täuschen, wie in mancher anderen. Selbst angenommen, daß die active Arbeit gegen China nur einem Theile der Mächte überlassen werden sollte, so wird dieser Theil stark genug sein, China seinen Willen auf; »erlegen. Wenn auch etwa ein Staat tbeilnahmlos zur Seite stehen sollte, so wird er des halb noch lange nicht daran denken, dem Werke der Gerech tigkeit entgegenzutrclen, das von den anderen ausgeübt wird. Es ist nicht zu verkennen, daß die Ernennung Tuan's, die nach Ansicht der beslnnterrichteten Mächte thatsächlich erfolgt ist, der Lage ein veränderles Aussehen gegeben hat. Manche Mächte, sicherlich mehr als eine, werden sich die Frage vor legen, ob es überhaupt möglich ist, mit einem Staate in diplomatische Verhandlungen zu treten, an Lessen Spitze ein Mann steht, gegen den der dringendste Ver dacht vorliegt, sich der schwersten völkerrechtlichen Verbrechen schuldig gemacht zu haben. Die amerikanische Regierung, die in dieser Angelegenheit ihre eigenen Wege geht, besmäftigt sich jetzt, laut einer Depesche aus Washington, damit, Weisungen für ihren Gesandten Cong er festzu stellen, der sich mit L i - H u n g - T s ch a n g und T s ch i n g über den Ort einigen wird, an dem dieselben mit den Ver tretern der übrigen Mächte Zusammentreffen sollen, nm die ersten Verhandlungen zu erledigen nud gewisse große Gcsichts- puncte für die Conferenz aufznstellen. Man darf gespannt sein, wie dicVerhandlungcn zwischen Conger und denBevollmächtigten deS Prinzen Tuan verlaufen werden. Conger hatte Gelegen heit, während der Belagerung der Gesandtschaften in Peking die Methode kennen zu lernen, die Tuan gegen die Vertreter von Großmächten anwendet. Die neuerlich bewiesene Nach giebigkeit Amerikas gegenüber China dürfte den chinesischen Prinzen nicht weicher gestimmt haben, der nun möglicher weise die Vorbedingung stellen wird, daß die amerika nischen Missionare in Zukunft aus China ausgeschlossen sein sollen. Wenn in der Washingtoner Depesche gesagt wird, daß Conger sich mit dem Prinzen Tsching und Li-Hung-Tschang über den Ort einigen will, an dem sie mit den Vertretern ter übrigen Mächte znsammentresfcn sollen, um die ersten Verhandlungen zu erledigen und gewisse große Gesichtspunkte für die allgemeine Conferenz aufzustcllen, so muß bemerkt werden, daß hier von einem sür solche Verhandlungen Amerika ert keilten Mandat nicktS bekannt ist. Wir können uns mit diesen ebenso sachlichen und ruhigen, wie entschiedenen Auslassungen nur einverstanden erklären. Es hat den Anschein, als ob die Vereinigten Staaten über haupt die Leitung der ganzen Friedensaction in die Hand nehmen wollten. So erhalten wir folgende Nachricht: * London, 25. September. ,,G!obe" meldet ans New Dort: Gestern wurde dem Gesandten Conger tele graphisch eine Weisung übermittelt, nicht nur über einen unabhängigen Friedensvectrag zwischen Amerika und China zu verhandeln, sondern auch die Vermittelung der amerikanischen Regierung zwischen den Mächten und China anzubieten. Menn die an General Chaffee er gangenen Befehle des ktriegödcpartemenls durchgesührt werden, daun werden die amerikanischen Truppen am 1. Oktober ans Peking zurückgezogen. Vier Transportschiffe sind von Nagasaki nach Taku adgegangen, um bereit zu sein, die amerikanischen Truppen nach Manilä zn bringen. (Wdrhlt.) Das ist der Wunde Punct, an welchem Amerika im gegen wärtigen Augenblick krankt. Auf den Philippinen stehen die Dinge durchaus nicht zum Besten und auch auf Cuba gälirt cS. Viele Pfeile bat die Union nicht zu versenden und muß Laber darauf sehen, so wenig wie möglich Feinte zu haben. Daß bei den „Friedensverhandlungen", auch wenn sie wirklich in Gang kommen sollten, nicht viel beranökomnicn wird, er- giebt sich auch auS der folgenden Melkung: * New ?)ork, 25. September. („Neuter's Bureau") Eine aus Tientsin eiugetrosfene Depesche vom 23. September berichtet: Li-Hung-Tschaug geht in einigen Tagen nach Peking. Er ver bleibt unter strenger Bewachung; es ist schwer, Zutritt zu ihm zu erlangen. Im Laufe einer Unterredung sagte er, er glaube nicht, daß eine baldige Regelung wahrscheinlich fei, in Anbetracht der zahlreichen Nationen, mit denen verhandelt werden müsse. Nach seiner Ansicht sei die Lage durch den An griff auf die Peilangsvrts nicht verwickelter geworden (Wdrhlt.) Danach geht offenbar die Taktik von Li und Genossen darauf hinaus, mit jeder der betbeiligtcu Mächte gesondert zu verhandeln. Hoffentlich verrechnet er sich bei dieser Calculation trotz der amerikanischen Sonderbündelei. Der Londoner „Daily Expreß" läßt sich aus Berlin melden. Laß die deutsche Negierung mit Zustimmung säniintlicker Großmächte — abgesehen von den Vereinigten Staaten — die Einsetzung eines ittteriiationalcn (Gerichtshofs zur Aburtbeilung der an der fremdenfeindlicken Bewegung schuldigen Chinesen beschlossen habe. Diese Meldung dürste jedoch (wie die „Post" schreibt) den Thatsachen wesentlich voraus eilen; denn zuvor muß eine Einigung zwischen den Cabinetteu darüber erzielt werde», weiche Persönlichkeiten als schuldig zu betrachten sind, ehe man der Bildung eines internationalen Gerichtshofs näher treten kann. Tie japanische Regicrunn wird, wie daS genannte Berliner Blatt ofsiciös erfährt, nach dem sie der deutschen Note zugestimml bat, an ihren diplo matischen Vertreter in Peking die Weisung ergeben lassen, ihr diejenigen Chinesen zn bezeichne», welche er für die Haiipl- anftifter und Leiter der gegen die Fremden gerichteten Be wegung hält. Ueber die Haltung Vcr chinesische» Regierung werden absichtlich widersprechende Nachrichten verbreitet, um die Mächte im Unklaren zu lassen. So meldet „Standard" aus Shanghai unter dem 2 l. September: Hiesige chinesische Beamte berichten: Namens der Kaiserin Regentin hat Prinz Tuan ein Gebeimedict erlassen, in dem er allen hohen Behörden im ganzen Reiche miltheilt, der kaiserliche Hof habe beschlossen, den Krieg gegen die fremden Mächte um jeden Preis sort- zusetzen. Tas Edict droht jedem nicht die Mandschus unterstützenden Beamten an, er werde als Verrälhec geköpft, seine ganze Familie vernicklet und die Gräber seiner Ahnen würden zerstört werden. Andererseits tritt in Peking die Behauptung auf, der Kaiser habe sich von der Kaiserin-Mutter getrennt und halte sich in Ta-lung, 250 Kilometer westlich von Peking, auf. Tas ist ebenso glaubhaft wie die andere Meldung, nach welcher L i -Hiin g - Tschaug nach Shanghai telegraphirr, seine Truppen hätten ein Dutzend Führer der Boxer gefangen, die eine Sliinde später öffentlich enthauptet worden seien. Li meldet auch, er habe Befehl ertheilt, für die Sicherheit der in Chengting und Paoling noch aushaltenden katholischen Missionare zu sorgen. Man wird gut thnn, als Richtschnur festzuhalten, daß besouters Herrn Li so wenig wie möglich zu glauben ist. Tic Lutai-Aorts sollen »ach der einen Version am Sonntag von den Nüssen, nach der andern von den Deutschen erobert worden sein. Tas Letztere meldet die ostasiatiscke Nachrichten-Expedition deS Teiitschen Flotten-Vereins in folgendem Telegramm: * Taku, 24. September. Die deutschen Truppen haben die chinejijchen Forts von Lntai (40 km nördlich von Peitang am Fluß gleichen Namens gelegen) erobert. ES wurde kein ernstlicher Widerstand geleistet. Tie Befestigungs-Werke von Lntai stellen den nördlichen, am linken Ufer des Tsckaofliisses gelegenen Theil der so genannten Peitang-Forts bar, deren südliche, am rechten Flnß- ufcr gelegene Gruppe bekanntlich schon am 20. d. von den Verbündeten gestürmt wurde. Sie bilden demnach einen integrirenben Bestandtheil der Befestigungswerke zur Be streichung und Vertheikigung der Hafenanlagen von Pei- tang, obwohl sie ihren Namen der 25 Kilometer flußauf wärts gelegenen Stadt Lntai entlehnten. Ihre Lage an einer schmalen Landzunge ermöglicht eine Umgehung fluß auswärts und einen Rückenangrifs von der Landseito her, besonders seitdem die Verbündeten sich in den südlichen Werken festgesetzt baben. Aus dieser Ursache scheinen die Chinesen die Lulai-FortS freiwillig geräumt zu haben. * Petersburg, 25. September. Beim Generalstab ist die Nachricht eingelaufen, Laß General Sucharow am 12. Sep- tember die Stadt Ch ul austchen am Sungari - Flusse ein genommen hat. Sechs Geschütze und eine Anzahl Gewehre seien erbeutet worden. Die russischen Truppen hätten keine Ver luste gehabt. (Wiederholt.) Der Krieg in Südafrika. Die Nachrichten über den so bald nicht erwarteten Zttsammcttbruch von Botha s Heer und den Uebergang zahlreicher Boerenschaaren über die portu giesische Grenze erregen allgemeine Befriedigung und kommt be sonders den Ministeriellen am Vorabend der Neuwahlen gelegen. — Nach einer schon erwähnten Meldung des „Daily Telegraph" aus Louren^-o Marques vom Montag gingen am Sonntag dort 81 Waggons mit Mauserbüchsen - Munition ein, die von den Boeren abgeliefert worden waren. Commandant Goehe mit 250 Mann habe sich von Komatipoort nordwärts gewandt, Vil joen, Botha und Stcijn seien mit einer großen Ab teilung nordwestlich den S e l a ti f l u ß aufwärts gezogen. Beiden Schaarcn werde man den Weg zu verlegen versuchen. Ten Boeren in Lourenc.-o Marques, die theils in Easernen untergebracht seien,theils außerhalb derselben campiren, sei volle Bewegungsfreiheit gestaltet. Tie Erhaltung der Bahnbrücke bei Komatipoort soll durch die von dem britischen Consulate ange regte Verwendung Krüger's erzielt worden sein. Das den Boereu abgenommene Kriegsmaterial ist viele Tonnen schwer; es wird auf einem Kriesschiffe nach der Insel Mozambique gebracht. Den Flüchtlingen wird die Abreise nach Europa so viel wie möglich erleichtert, und Denjenigen, welche nicht abreisen wollen, mitgetheilt werden, daß sie außerhalb der Provinz Mozambique untergebracht würden. Krüger und die Staatscassc. In London macht sich lebhafter Einspruch dagegen vernehm bar, daß Krüger mit der Staatskasse und dem Staatsarchiv des Transvaalstaates unbehelligt auf einem holländischen Kriegsschiffe nach Europa abdampfen soll. In einer Zuschrift, die heute in den „Times" an hervorragender Stelle veröffentlicht wird, erklärt der Einsender, gegen Krüger's Reise und die Be förderung seines Privateigenthums sei nichts einzuwenden, daß er aber Staatsgelder und das Staatsarchiv auf einem neutralen Kriegsfahrzeuge entführen wolle, sei nicht zu dulden. Wenn die holländische Regierung Krüger noch als Haupt eines kriegführen den Staates betrachten wolle, müsse sie sich darüber klar sein, daß die Entführung des Staatsarchivs und der Staatsgeloer einer kriegführenden Partei für ein neutrales Kriegsschiff einen schreienden Neutralitätsbruch darstelle. Wenn aber andererseits Krüger einfach als ein hochgestellter Ausländer betrachtet werde, der Erholung und Luftveränderung suche, so sei es nicht zulässig, daß. er werthvolles Staatseigenthum im Reisegepäck mit sich führe. Für diesen Besitz sei England heute nach Einverleibung Transvaals mit verantwortlich, und es würde durchaus in seinem Rechte sein, wenn es darauf bestände, daß die portugiesischen Be hörden auf dieses Gut die Hand legten und es England auslieferten. Die Sacke sei von nicht geringer Wichtigkeit und erheische schnelles Einschreiten, wäre es auch nur der armen Be amten des weiland Transvaalstaates wegen, denen man ihre rück ständigen Gehälter vorzuenthalten suche (?). In holländischen Kreisen Londons verlautet, der Kreuzer „ G e l d e r l a nd " werde Krüger nach Genua bringen und dort landen. Nach einer Meldung des „Daily Telegraph" aus Louren^o Marques wird die „Gelderland" in 14 Tagen die Delagva-Bai verlassen. politische Tagesschau. * Leipzig, 26. September. Nachdem die zollpolitischc Meistbcgünstigttng, insbesondere die von Deutschland einseitig Len Vereinigten Staaten von Nordamerika gewährte, auch auf dem socialdemokratischen Parteitage Harle Angriffe erfahren hat, giebt es, vom Frei sinn abgesehen, in Dentsckland kein politisches Lager mehr, in dem diese Form internationaler Handelsvereinbarungen keine Gegner zählte. HandelsvertragSsrcunte, sogar Frei händler begegne» sich hier mit de» „Aulouomisten". Aus dem Mainzer Tage verflieg sich zwar Frl. Fenilletsn. ns Der neue Tag. Roman von Klara Zahn. !>!.1<! druck rcrbclcn. Und eines Tages stand er doch vor seiner Atelierthür. Vor sichtig, wie ein Dieb, drehte er den Schlüssel herum und öffnete. Ein Brief, der zwischen dem Thürspalt gesteckt hatte, fiel vor ihm nieder. Er öffnete ihn. Er las ihn — wieder und wieder. Der Brief war von Anny. Wie schrieb sie dem Geliebten! — Ueber ihren gekränkten Stolz hatte die zitternde Angst um Fred den Sieg errungen, in Tönen grenzenloser Liebe sprach hier ein reines Menschenherz zu ihm. Und über den Brief ge beugt saß Fred, aus seiner Brust kam es hervor wie ein Aechzen, und dann, dann erschütterte ein Schluchzen den Mann und heiße, befreiende Thronen stürzten aus seinen Augen. „Ich bin ja Deiner nimmer werth", das war das Einzige, was er denken konnte. — Lange saß er regungslos. Ein Klopfen schreckte ihn endlich auf. Das Modell kam nachzufragen, ob der gnädige Herr ihn nun wieder brauche. „Nein, — nein!" rief Fred mechanisch. „Brauchens mich denn gar nie wieder?" fragte der Bube kläglich. Ein peinigender Gedanke fuhr Fred durch den Sinn: „Be kommst wohl noch Geld von mir?" fragte er. „Bewahre Gott, Euer Gnaden! Sie hatten mir ja doch Vorschuß gezahlt, weil mein Mutter! so krank war, nu ist's wieder wohl auf, — acker rückzahlen kann i noch nit." „Laß nur, das macht nix", wehrte Fred und wartete, daß der Bursche sich entfernen sollt«. Verlegen trat dieser von einem Fuß zum anderen und stotterte endlich: „Möcht' halt recht schön bitten, gnä' Herr, zeigen's mir doch amal das fertige Bild, wo i drauf bin." Der dumpfe Druck, der auf Fred's Bewußtsein lag, ließ ihn jedem Entschluß gegenüber schwerfällig erscheinen. — Es war etwas Automatenhaftes in seinem ganzen Wesen. Man bat ihn um etwas, also mußte er's thun, weiter gelangten seine Re flexionen nicht. Der Bursch bemerkte die Bereitwilligkeit in den Mienen des Herrn und trat rasch zum Licht« vor, das Bild war noch immer unbedeckt. Mit einem Ausrufe des Staunens blieb der Bursche stehen. Fred trat ganz unwillkürlich neben ihn. Aber schon sah er das Modell nicht mehr, sein Bild stand vor ihm! Dort die dämmernden Fernen des Hintergrundes, die Arbeit der letzten Nacht vor seiner Flucht, sie sahen jetzt, wo die Farben eingetrocknet waren, wunderbar gut aus. Uno der Tropenzaubec athmete doch aus dieser glühenoen Landschaft und webte uns lebte von heißer stiller Luft um den einsamen Jüngling. Die Gestalt! — Ob er es noch einmal versuchte? „Komm morgen, — nein, wart' einmal, hast Zeit? Eine Stunde kannst hier bleiben." Freudestrahlend sprang der Bursche hinter die Gardine, um sich zu entkleiden. Aber kein Feuer war angezündet im Atelier. Jndeß, der kleine eiserne Ofen gab rasche Gluth. Ungeheißen holte der Bub Feuerung herbei, schürte die Gluth und half Fred Pinsel und Palette in Ordnung bringen. Bald war der Maler am Werke. Nur langsam, nur wie im Traume arbeitete er, ofl sank die Hand müde herab, und schon nach kurzer Zeit legte er Pinsel und Palette nieder und sagte dem Modell: „Komm' morgen wieder." Kunz war noch verreist. Fred empfand das mit Erleichterung. Nur jetzt keinen Menschen sehen und sprechen müssen. Dumpf und stumpf brütete er vor sich hin. Endlich gegen Abend meldete sich der Hunger. Fred griff in die Tasche und zog die Hand leer heraus. Nicht ein Heller mehr war in seinem Besitze. Gleich- müthig ging er in seine Kammer und holte ein paar Andenken von einigem Werthe hervor, die den Weg zum Leihhause schon kannten. Mit einer Hand voll kleiner Silbermünze, einem Stück trockenen Brodes und einer Düte Aepfeln kehrte er zurück. — Mechanisch verzehrte er sein karges Mahl und warf sich zum Schlafe nieder. — Gegen Morgen erst verfiel er aus dem fieber haften Halbschlafe in wirklichen Schlummer. Das Modell weckte ihn. Er hatte die größte Lust, den Burschen wegzuschicken, es lohnte ja gar nicht, daß man aufstand. Er überwand sich. Und endlich saß er wieder an der Abeit, — noch müde, noch immer wie im Traume. — So ging es nun Tag für Tag. — Aber mit jedem Tage stieg der Arbeitseifer, wachte mehr und mehr ein leises Hoffen in ihm auf, und eines Tages, als er fleißig geschafft von früh bis spät, da klang ein Jubelruf von seinen Lippen: „Ich hab's! Ich hab's! So muß es werden." Die alte Idee blitzte ihm leuchtend entgegen aus dem Neu- geschaffenen, in reinerer Form, als er sie je zuvor mit seinem Geistesauge schaute. Wie aus dem Zauberschlafe erweckt, blühte und wuchs es um ihn her, seine Welt nahm ihn auf und schenkte dem Be gnadeten seine unerschöpflichen Seligkeiten. Das war ein Arbeiten! Weit über sich selbst hinaus trugen ihn die Schwingen des Genies. Hatte die Verzweiflung ihn niedergezogen in die dunklen, sumpfigen Tiefen des Lebens, so hob ihn die neuerwachte Schaffenskraft empor zur Sonnenhöhe des Mcnschenseins. Er lebte nur in der Empfindung, nichts war ihm der bedürftige Menscyenleib. Er spürte nicht Kälte, nicht Hunger noch Müdigkeit. Mit unglaublich wenig Nahrung kam er aus, und dennoch war er frisch und lebendig! Wie das vorwärts ging mit seinem Werke! Ein Schöpfer fühlte er sich, und beseligt klang in ihm das Schöpferwort wieder: „Er sah, daß cs gut war." Er dachte nicht an äußere Erfolge, nicht Ruhm oder Gewinn stand lockend vor seiner L>eele, einzig seinem Werke galt der Jubelrausch, in dem er lebte. Sein „Ich" fühlte er gereinigt und hervorgehoben aus dumpfer Lebensfluth durch die That des Geistes, die ihm sein Kunstwerk galt, lind dennoch fühlte er wieder sein „Ich" sich lösen von den Banden des Allzu- menschlichcn. Selbstischen, alle Seelenkräfte schienen ihm ein zumünden in den großen Strom des Alls, der durch die Welt geht und über der Welt weht, und sein Höchstes und Tiefstes einte sich ihm in der Harmonie der Weltenseele. So war ein Frieden und eine Freudigkeit in Fred, die ihn zum Glücklichsten der Sterb lichen machte. An seinem Werke schaffend, oder ausruhend und leise nachsinnend dem glücklich Vollendeten, hätte er mit keinem Weltenherrscher tauschen mögen. In, liebevoller Sorgfalt schob er immer und immer wieder die letzte Vollendung seiner Arbeit hinaus. Wie ein geliebtes Kind, dem man all sein Bestes geben möchte, ehe man es von sich giebt, so war ihm sein Werk, für das er immer und iizimer noch etwas zu thun fand. Seine Freunde hatten sich nach und nach wieder eingefunden. Ihre Bewunderung sprach sich rückhaltlos aus. Fred nahm dies volle Lob freudig auf, wie Blumen, die zu jedem Feste gehören, er feierte ja sein großes Auferstehungsfest aus Muthlosigkeit und Gram. Und wieder pochte ein Brief Anny's an sein Herzensthor. — Hatte seine Liebe geschlafen, während Geist und Wille neu er wachten? — Fast schien es so! — Kaum, daß er in all der Zeit der Geliebten gedacht hatte! Und nun stand sie doch wieder vor ihm, so jung lebendig, so innig vertraut, sein bestes, unver lierbares Seeleneigenthum. — Es that ihm weh bis ins Herz, als es ihm zum Bewußtsein kam, wie viel Kummer und Leid seine Liebe dem tief empfindenden Mädchen bereitet hatte. Und dennoch berauschte ihn der Gedanke, Herr zu sein über Leben und Tod einer ihm völlig ergebenen Menschenseele. Anny's Liebes klage war um so rührender für Fred, als ihm aus ihren Zeilen sichtbar wurde, wie sie bestrebt war, um den Preis des eigenen LebenSglückes den Geliebten von jeder Verpflichtung freizu sprechen. Was sie als ihr letztes Liebesrecht erbat, war Auf klärung über sein grausames Schweigen. — Er hatte nicht ge halten, was er ihr versprach beim Scheiden, dafür mußten Gründe vorhanden sein, die ihm ein Recht dazu gaben, denn unritterlich und wortbrüchig war Fred nimmermehr, daran konnte sie nicht glauben. Fred schrieb an Anny. — Alles, was er durchlitten und durchlebt in den Monaten seit ihrer Trennung, beichtete er der Geliebten, wie ein Kind sich flüchtet mit seinen Thräncn und mit seinen Sünden an das Mutterherz, so flüchtete er an das treueste Herz, das einzige, das er sein eigen nannte auf der Welt. Er verbarg und be schönigte nichts, und dennoch las Anny diese Beichte mit einem Gefühl unsäglicher innerer Befreiung. — Wer so zu leiden ver mochte unter den Schmerzen der Liebe, dem war sie nicht ein überflüssiges Spiel, wie sie bereits zu fürchten begonnen hatte- Ihr hatte die letztvergangene Zeit nicht geringere Prüfungen auf erlegt als Fred, nur daß ein Weiberhcrz das gleiche Leid anders trägt — nicht anders empfindet — als ein Mann. — Der Sonnenschein, der ihr Herz durchleuchtet hatte mit Fred's Scheidewort: „Ich liebe Dich!" — war längst untergegangen in Nacht und Wolken des Zweifels. Tie hatte gemeint, leben zu können von dem Bewußtsein, von diesem Manne geliebt zu wer den. Gewiß, — von dem ruhigen, unbeirrten Bewußtsein seiner Liebe hätte sich eine Seele wie diejenige Anny's eine Traumwelt erbauen können, die jeder Wirklichkeit trotzte. — Aber mit der langsam verrinnenden Zeit und der sich ins Grenzenlose steigernden Sehnsucht trat immer fordernder der Wunsch in ihrem Herzen auf, eine neue Bestätigung des süßen Glaubens zu erhalten. Was ist Liebe? Ein Gefühl, das täglich wachsen, immer neu sich aus sich selbst gestalten oder vergeben muß. Still stand kennt die Liebe nicht. Was gestern war, ist heute nicht mehr giltig. Weihnachten kam heran. Sie durfte einkanfen und Liebes gaben Vertheilen an ihre Buben, an den Vater, selbst an das Gesinde, nur Fred gegenüber hielt die bange Furcht sie zurück, eine Gabe aus ihrer Hand könne ihn verletzen. So sandte sie nur einen Korb duftender Rosen nach Innsbruck, — welk und ver blüht kam er nach den Festtagen als unbestellbar in ihre Hand zurück. Und kein Gruß von ihm, kein Zeichen, daß er noch unter den Lebenden war und ihrer gedachte. Die schrecklichsten Vor stellungen bemächtigten fick des armen Mädchens. Und Niemand, an den sie fick, Rath erbittend, hätte wenden können. Sie schrieb jenen Brief, den Fred bei seiner Heimkehr fand. Anny hatte den Brief von außen mit ihrer Adresse versehen. Da er nicht zurückkam, nahm sie an, daß Fred ihn empfangen habe. Und dennoch schwieg er noch immer? — Was bedeutete'das? — War er ihrer müde geworden? — War sie ihm nur eine Ueber- lästige noch, einst wohl ein Theil von ihm, nun aber abgethan,
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