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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.09.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000928013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900092801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900092801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-09
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Das kaiserliche Statistische Amt hat soeben die Er gebnisse der erwähnten Erhebungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Anordnung der Enquete durch den Reichskanzler datirt bereits vom 9. Dccember 1897. In dem betreffenden Rund schreiben ist darauf hingewiesen, daß aus den Untersuchungen der Gewerbeaufsichtsbeamten hervorgehe, daß die Kinderarbeit in den Fabriken, für welche die Gewerbeordnung einschränkende Be stimmungen vorsehe, in den letzten Jahren wesentlich an Be deutung verloren, im Handwerk, in der Hausindustrie und bei sonstiger gewerblicher Beschäftigung aber einen erheblichen Um fang angenommen habe, so daß dieser Angelegenheit im Interesse der Heranwachsenden Jugend die ernsteste Aufmerksamkeit zuge wandt werden müsse. Es sei dis Frage zu erwägen, inwieweit unter Berücksichtigung aller einfchlagenden Interessen, insbeson dere auch unter Schonung der elterlichen Befugnisse den hervor getretenen Mißständen abgeholfen und weiteren Unzuträzlichkeiten vorgebeugt werden könne. Die zu beantwortenden Fragen betrafen zunächst die Ge- sammtzahl der außerhalb der Fabriken gewerblich thätigen Kinder, wobei die in der Landwirthschaft, dem Garten-, Obst und Weinbau und im Gesindedienst beschäftigten Kinder aus geschlossen sein sollten. Weiterhin sollte festgestellt werden, welcher Art die gewerbliche Beschäftigung der in Frage kommenden Kinder ist. Dieses Material sollte durch Erhebungen vervoll ständigt werden, welche sich auf das Alter der beschäftigten Kinder, die Dauer und Lage der Arbeitszeit, die Beschaffenheit der Arbeitsräume, sowie auf die rechtliche Natur des Arbeits verhältnisses und die Höhe der Löhne erstrecken würden. Die Erhebungen erfolgten vom Januar bis April 1893. Leider sind sie keineswegs gleichmäßig angestellt worden; in Württemberg und Coburg-Gotha ist nicht einmal das ganze Landesgebiet in Betracht gezogen worden. Württemberg erholte statt für die sämmtlichen 64 nur für 24 OberamtsbezirEe An gaben, und Coburg-Gotha machte lediglich 63 Hausindustrieorte — die Gesammtzahl der dortigen Gemeinden beträgt 306 — zum Gegenstand der Untersuchung. Als Organe dienten bis auf Bayern und Bremen, welche die Polizeibehörden benutzten, durch weg die Lehrer der Volksschulen. Auch sachlich erfolgte die Er- lxcbung theils in engeren, theils in weiteren Grenzen, als sie im Rundschreiben des Reichskanzlers gezogen waren. Während man die Kinderarbeit soweit erfassen wollte, als sie in Gewerben, jedoch außerhalb der Fabriken stattfindet, beschränkte Coburg- Gotha die Ermittelung auf die in der Hausindustrie beschäftigten Kinder. Neben den Gcsammtzahlen der beschäftigten Kinder wurden Nachweise über das Geschlecht dieser Kinder von Preußen, Württemberg, Braunschweig, Lübeck und Elsaß-Lothringen er bracht. Bei anderen Staaten war dies überhaupt nicht, oder nur theilweise der Fall. Ferner trugen nur einzelne Staaten der im Rundschreiben des Reichskanzlers berührten Erwägung Rechnung, daß -die Zahlen über die Verbreitung der Kinderarbeit erst dann für gesetzgeberische Maßnahmen vollen Werth erlangen, wenn sie begleitet werden von Nachweisen über das Alter der erwerbs tätigen Kinder, die Dauer ihrer täglichen Beschäftigung unter Berücksichtigung von Tag- und Nachtarbeit, über die Beschaffen heit der Ärbeitsräume und endlich die Entlohnung für diese Thätigkeit. Erweist sich hiernach schon bezüglich der Gesichts- puncte, die überhaupt bei der Erhebung berücksichtigt sind, das eingegangene Material als höchst mannigfaltig und mitunter nicht einmal für die Bezirke des nämlichen Staates gleichwertig, so ist die Verschiedenartigkeit des gewonnenen Stoffes noch größer, was die Anordnung und Bearbeitung des Materials seitens der Einzelstaaten betrifft. Trotzdem wird man die Enquete als eine überaus wichtige bezeichnen dürfen, da sie wenigstens annähern den Aufschluß über eine der wichtigsten Fragen des socialen Lebens bietet. Ermittelt wurden bei der Erhebung im Jahre 1898 532 283 Kinder unter 14 Jahren, welche außerhalb der Fabriken gewerblich tätig waren, das sind unter Einrechnung der Kinder in den nicht der Erhebung unterworfenen Landestheilen 6,53 Procent aller schulpflichtigen Kinder. In dieser Zahl kommt, wie das Statistische Amt bemerkt, der Umfang der gewerblichen Kinderarbeit annähernd zum Ausdruck, freilich nicht vollständig, weil, wie erwähnt, einerseits gewisse Gebiete des Reiches in die Erhebung nicht einbezogen sind, zum Anderen der Begriff der gewerblichen Arbeit nicht allenthalben in gleicher Weise aufgefaßt wurde; auch ist von Belang, daß die Erhebungen theils noch in den Wintermonaten Januar und Februar, theils bereits im Frühjahr 1898 erfolgten, also zu einer Zeit, wo eine Anzahl sonst gewerblich beschäftigter Kinder zu Garten-, Feld- und anderen landwirthschaftlichen Ar beiten herangezogen werden konnten. Jedenfalls dürfte die er mittelte Zahl hinter der Wirklichkeit noch zurückbleiben. In den verschiedenen Staaten sind die Zahlen natürlich ver schieden; für Preußen wurden 269 598 gewerblich beschäftigte Kinder, das sind 5,18 Procent aller Schulpflichtigen ermittelt. Den höchsten Prooenksah erreicht Sachsen mit 22,80 Procent; den niedrigsten weist Waldeck mit 0,58 Procent auf. Es beruht das natürlich auf dem Unterschiede zwischen ländlichen und industrie reichen Gegenden. Von der halben Million gewerblich thätiger Kinder verrichtet über die Hälfte rein industrielle Arbeiten. Ein weiteres Viertel sind Austräger und Ausfahrer. 46,84 Procent der in der Industrie beschäftigten Kinder entfallen auf die Textil industrie. Als Folge der übermäßigen Kinderbeschäftigung zeigte sich mehrfach eine Beeinträchtigung der körperlichen wie geistigen Entwickelung. Nach «den Angaben der Volksschullehrer der Stadt Greiz (Neuß ä. L.) waren dort bei 56 oder 11,5 Procent aller gewerblich beschäftigten Kinder nachtheilige Wirkungen zu be merken; besonders traten solche bei den in der dortigen Weberei thätigen Kindern hervor. Selbstverständlich leidet auch der Schulunterricht darunter; auch wurde ein für die Sittlichkeit nachteiliger Einfluß der gewerblichen Kinderbeschäftigung viel fach constatirt. Gesundheitsgefährlich werden insbesondere zahl reiche in 'der Hausindustrie vorgenommene Beschäftigungen ge nannt, weil sie vielfach in dumpfen Räumen stattfinden, die nicht blos als Arbeit»-, sondern zugleich als Wohn- und Schlafräume dienen und besonders in den Wintcrmonatcn wenig gelüftet wer den. In einzelnen Fällen werden Kinder schon vom 4. Lebens jahre zur gewerblichen Thätigkeit herangezogen. Die Dauer der täglichen Beschäftigung wechselt sehr. In Preußen waren 41,05 Procent der Kinder täglich mehr als 3 Stunden beschäftigt. Es wurden aber auch Arbeitszeiten von 7, 9 und mehr Stunden festgestellt. Dabei sind die Löhne überaus kärglich. Darüber, wie es in Zukunft mit der Beschränkung ungebühr licher Kinderarbeit gehalten werden soll, sprechen sich nur wenige Negierungen aus. Die meiningische Staatsregierung hält eine reichsgesetzliche Regelung und Beschränkung der gewerblichen Kinderarbeit für geboten. Bayern bemerkt, daß, insoweit Miß stände hinsichtlich der Kinderarbeit ein behördliches Einschreiten nothwendig machten, solches mit Erfolg auf Grund von Para graph 120o der Gewerbeordnung versucht wurde. Jedoch sei bei der hausindustriellen Beschäftigung der meist zur Familie ge hörigen Kinder ein Eingreifen der Polizeibehörden ausgeschlossen gewesen. Jedenfalls möchte es sich empfehlen, den notwendigsten Schutz der Kinder vor Schädigungen der Gesundheit im Wege der landesgesetzlichen Vorschriften herbeizuführen. Wir sind der Ansicht, daß eine reichsgesetzliche Regelung mit Freilassung eines angemessenen Spielraumes für lande-gesetzliche, den verschiedenen Bedürfnissen angepaßte Ausführungs bestimmungen am Platze wäre. Wirren in China. Diplomatischen Kreisen Washingtons zu iMtzine amtliche Nachricht eingegangen, Prinz Tuan nicht zum Mitglied deS GroßsekretariatS, sondern zum Präsi denten des Geheimen Naths ernannt worden ist, also eine viel böbere Charge einninnnt. Alle bei den Unruhen be sonders hervorgetretencn Personen haben Ehrenstcllcn erhalten. * Paris, 27. September. (Telegramm.) Ter französische Consul in Shanghai meldet im Drahtwege unter dem 25. Sep tember: General Tung-fu-siang ist zum Oberbefehlshaber der West» und Nordarmee ernannt worden. Nachträgliche Ehrungen sind durch ein kaiserliches Dec:et Li-Ving-Hang verliehen worden. Nach Nachrichten aus chinesischer Quelle sollen den Vicekönigen und Gouverneuren vom Hose geheime kaiserliche Befehle zugegangen sein, durch die sie angehalten werden, die Fremden zu bekämpfen und zu vernichten. Die „Köln. Ztg." erkält folgende ofsiciöse Mittheiluug aus Berlin über das angebliche Ultimatum Waldersec'S: Die „Standard"-Meldung von dem geheimen Edict, daS Prinz Tuan im Namen der Kaiserin erlassen haben soll, hat durchaus nichts Unwahrscheinliches an sich, zumal da jetzt wieder von verschiedenen Orten von neuen Christenhetzen und von der Ermordung zahlreicher Missionare berichtet wird. Daß sich unter diesen Umständen auch der europäischen Bericht erstatter in China eine gewisse Nervosität bemächtigt, ist nicht unerklärlich, aber das darf cs doch nicht rechtfertigen, wenn von dort aus solche Nachrichten in die Welt telegraphirt werden, wie die von einem Ultimatum an China, in dem Graf Waldersee die sofortige Auslieferung von fünf Hauptanstiflern der fremdenfeindlichen Bewegung gefordert haben soll, widrigenfalls er — er giebt nur einige Stunden Bedenkzeit — an China den Krieg erklären werde. Ganz abgesehen von allen andern richtet sich diese Nachricht schon dadurch, daß bei der weiten Entfernung des chinesischen Hofes und den mangelhaften Verbindungsmitteln die bloße Uebermittelung des Ultimatums schon mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als für die Be antwortung gefordert wird. Wir lassen uns auf diese Frage gar nicht ernstlich ein, aber wir müssen hier die Bemerkung machen, daß auch hier wieder diese alarmirende Nachricht mit angeblichen Absichten Deutschlands auf den Jangtse in Verbindung gebracht wird. Wir haben schon so ost dar gelegt, welche Politik Deutschland im Iangtsethale befolgt und wie es dort, wie überhaupt in China, keinerlei Sonder ansprüche vertritt, welche die Interessen anderer Mächte schädigen könnten, daß wir auf eine Wiederholung deS Gesagten verzichten. Wir stellen nur fest, daß sich in dieser Beziehung an der Politik Deutschlands nichts geändert hat. Stellungnahme Frankreichs. Dem „Matin" zufolge hat der Minister des Aeußeren Del ta s s s eine Denkschrift an die Mächte gerichtet, worin er die wesentlichen Vorbedingungen des mit China abzu schließenden Friedensvertrages dahin formulirt: Schleifung der Forts der Vertragshäfen, Besetzung der strate gischen Puncte bis zur Erfüllung der verlangten Bürgschaften, Bestrafung derSchuldigen und ein besonderes Verbot des Verkaufs von Waffen und Munition an China. Amtlich ist Näheres hier über noch nicht bekannt geworden. Tie Antwort Englands. Der Washingtoner Correlpontent der Zeitung „Morning Post" erfährt, die britische Regierung babe beute die deutsche Note noch nicht amtlich beantwortet, aber dem Grafen Hatzfeldt wie dem amerikanischen Geschäftsträger Wbite wurde am DienStag im Auswärtigen Amte der Entwurf der Antwort gezeigt. Dem Bericht White'« an daS Staats departement zufolge stimme Salisbury grundsätzlich mit dem deutschen Vorschläge überein, daß die Leiter des Ausstandes bestrast werden müßten; aber er glaube nicht, daß die- die Anknüpfung von FriedenSnnterbandlungen beeinträchtigen sollte. Gleichzeitig sei er nicht abgeneigt, dem britischen Gesandten in Peking zu gestatten, über die Straf barkeit der Boxer zu berichten. Tic Vereinigten Staate». Nach einem New Iorker Telegramm der „Frkf. Ztg." ist die dortige Presse durchaus nicht von Mc Kinley'S neuer Clnuapolitik angenehm berührt, namentlich stramm republi kanische Blätter wie das „Journal of Commcrce" und „Commercial Advertiser" sind unzufrieden. Ter Kaiser von China. Der in Shanghai augekommcne Präsident der kaiserlichen Universität Peking Or. Martin erklärte, es sei wenig Hoff nung auf eine baldige Wiedereinsetzung des Kaisers vorhanden, da die reaktionäre Partei zu mächtig sei; das gegenwärtige Chaos dürfte noch geranme Zeit fortdauern. Tie Mandschurei anucctirt? Wir entnehmen den englischen Blättern die wichtige Mit theilung, daß General Gribsky, der M i l i t ä r g o u v e r - ncur des Amurbezirkes, an die Bevölkerung der Mandschurei folgenden Aufruf „in einheimischer Sprache" erlassen hat: „Bis vor Kurzem lebten die Russen und die Mandschu gut und friedlich zusammen. Es war dies von großem Nutzen und Vortheil, namentlich für euch. Vor etwa einem Monat jedoch begingt ihr die freche Thorheit, Blagowieschischensk und die russischen Einwohner anzugreifen. Ihr übersaht, wie furchtbar stark der große russische Zar ist an Land, Volk und Geschützen. Die Stadt Aigun und die an den Ufern des Amur gelegenen Dörfer, deren Bewohner die Russen zu überfallen drohten, sind verbrannt worden. Eure Streitkräfte sind vernichtet, und das Wasser des Amur ist durch Blaffen von Mandschuleichen ver unreinigt. Keiner der Mandschubewohner wird sich erkühnen, an diese Stätten zurückzukehren, ihr aber, die Einwohner der Städte und Dörfer, die sich nicht gegen uns wandten, braucht euch nicht zu fürchten und zu ängstigen. Die Russen werden binnen Kurzem in all' euern Städten und Dörfern er scheinen, dessen gebe ich euch feierlich mein Wort. Feuert nicht auf uns und thut unfern Truppen oder den bei der Eisen bahn beschäftigten friedlichen Arbeitern keinen Schaden, und wir werden euch nicht mit dem Finger berühren, und ihr könnt weiter in Frieden und Ruhe auf euern Feldern leben wie zuvor. Aber Unheil wird über alle diejenigen kommen, die es wagen, auf einen Russen zu schießen oder ihm anderes Leid anzuthun. Sein Dorf oder seine Stadt wird bis auf den Boden ver brannt und nicht ein Einwohner wird am Leben bleiben. Deshalb warne ich euch nochmals, in euren Häusern zu bleiben, ruhig wie zuvor zu leben und eurer Arbeit weiter nachzugehen. Der russische Zar liebt diejenigen, die ihm gehorchen. Bleibt taub gegenüber den üblen Nathgebern, die euch anspornen, gegen uns zu kämpfen. Sie alle sind unsere Feinde und werden euch den Untergang und den Tod bringen. Wehe euch, wenn ihr anders handelt, als wir euch befehlen." Diese bezeichnende Verkündigung, für die kein Datum an gegeben wird, wäre, nach den Ereignissen zu urtheilen, auf die sie anspielt, schon Mitte Juli ergangen. Die englischen Tele gramme berichten indeß auch von einer Reihe Verord nung e n, die General Gribsky auf Grund der Telegramme des Generals Grodekow, des Generalgouverneurs des Amurbezirks, erlassen hat, und die eine theilweise Besitzergrei fung der Mandschurei durch Rußland ver kündigen. Sie lauten: „1) Ich verkündige den Uebergang des Mandschugebietes im trans- sejaischen Bezirke und des von den russischen Truppen besetzten rechten Amur ufers an Ruß land. 2) Die Rückkehr chinesischer Unter- thanen nach dem transsejaischen Bezirk auf dem russischen oder linken Ufer des Amur ist verboten. Deren Land wird zur russischen Colonisirung verwandt werden. 3) Die frühere chinesische Stadt Aigun und die Niederlassung von Saghalin gehen mitsammt dem anstoßenden Gebiet zeitweilig an die russischen Militärbehörden über; allen Privat personen wird bedingungslos untersagt, sich darin nicderzulassen. 4) Die frühere Stadt Aigun und die Niederlassung von Saghalin dürfen nicht wieder aufgebaut werden. Von den er haltenen chinesischen Gebäuden werden nur diejenigen noch ver schont werden, die zur Unterbringung der russischen Truppen und der Lagerung der Vorräthe nothwendig sind. 5) Die Ver waltung des von den russischen Truppen am linken Amurufer besetzten Gebiets, sowie die vorläufige Verwaltung des Gebietes jenseits des Flusses Seja wird dem russischen Grenz- commissar unterstellt, bis das Gebiet einer durch aus russischen Bevölkerung übergeben sein wird. Der Amtssitz des Grenzcommissars wird sich in Aigun befinden." Auch für diese Verordnungen wird kein Datum angegeben. Wir dürfen nach dem Inhalt annehmen, daß sie gleichzeitig mit dem Aufruf an die Bevölkerung ergangen sind. Man wird sich nur fragen, wie weit die in russische Verwaltung genommene Zone geht und wie die Russen die Verhältnisse seit dem weiteren Vormarsch nach Chailar und Zizikar auffassen. Was den transsejaischen Bezirk betrifft, so ist zum Ver- ständniß des Erlasses Gribsky's zu bemerken, daß kraft des von Murawiew-Amursky am 28. Mai 1858 abgeschlossenen Ver trages von Aigun „die am linken — russischen — Ufer des Amur von der — von Norden nach Süden fließenden — Seja nach Süden bis zum Dorfe Chormoldsin befindlichen mandschurischen Bewohner für ewige Zeiten an den früheren Wohnplätzen unter der Verwaltung der mandschurischen Regierung zu belassen sind unter der Bedingung, daß die russischen Bewohner ihnen keinen Schaden anthun und sie nicht bedrängen." Seit der Er schließung der Goldgruben an der Seja waren zahlreiche Chinesen auf russisches Gebiet eingewandert, die das gewonnene, verdiente oder gestohlene Gold nach ihrer Heimath mitzunchmen pflegten und beim Ausbruch der jetzigen Unruhen, wie aus den damaligen Meldungen hervorging, offen und im geheimen die Russen be kämpft hatten. * Paris, 26. September. Betreffs der Einverleibung der Mandschurei durch Rußland bemerkt der „Matin", daß dieselbe nothwcndigcr Weise einen Austausch von Erklärungen veranlassen würde. Sollte eine Verständi gung unmöglich sein, dann habe Frankreich seinen AnspruchZ- theil bei der Hand, aber Frankreich ziehe mit allen Mächten da- Princip der Integrität Chinas vor. * Paris, 26. September. Die Annex ionderMand- s ch u r c i d u r ch N u ß l a n d hat die hiesig« Presse verlegen gemacht. Die Morgenblättcr besprechen sie in unent schiedenem Tone. Der „Matin" enthält sich einer eingehen deren Kritik und meint nur gutmüthig, die Annexion sei cine^ Antwort auf die Gefangenhaltung des Kaisers durch die Kaiserin und den Prinzen Tuan. Der „Gaulois" sagt, der russische Vorstoß sei eine Ueberraschung und erzeuge Beun ruhigung, er sei vielleicht der Anfang des großen Beute zuges. „Figaro" nennt ihn den ersten Schritt auf dem Wege der territorialen Erwerbungen. (Frkf. Ztg.) Aus Briefen vom Iltis.*) Tongkn, 28. Juli. Noch immer keine Post (sie war drei Wochen in Shanghai liegen geblieben), und eine Hitze zum Umfallen, neulich 42° Cels. im Schatten; heute den ganzen Tag schwere Gewitter, die die Temperatur aus 28° abkühlten, so daß cs möglich ist, in der Kammer zu schreiben. Im All gemeinen ist es zur Zeit ganz ruhig, die Chinesen haben sich bis Paugtsung zurückgezogen, die Europäer warten Ver stärkungen ab, um dann mit einer starken Armee den Vormarsch auf Peking auszuführen. Alle Nationen, besonders die Japaner, schicken Truppen nach Tientsin ab. Heute ging wieder ein großer Jng Shiko hmauf, d. b. Inder mit großen Turbanen und gelber Khakiunisorm. Die langen braunen Kerls mir ihren schwarzen Bärten sahen unheimlich aus. Am 21. Juli ließ ich mich auf 2 Tage nach Tientsin beurlauben und fuhr Nach mittag 4 Uhr mit einem Militärzug hier ab. Ter ganze Bahn- uud Tclegraphcnverkehr wird ron den Russen geleitet. Die ganze Bahnstrecke ist rechrS und links von Feldwachen und Patrouillen bewacktt. In Chang-lmng-chen war der erste Aufenthalt. Es ist dies die Station, wo die armen Russen so sehr bluten mußten und fast die Halste ihrer Leute verloren. Das Dors ist vollständig zerstört, und überall sieht man die Spuren greulichster Verwüstung. Jetzt ist die Station durch Verschanzungen mit Kanonen gesichert. Von hi,r ab war die Bahn größkeniheils rcnovirt, was an dem Schuckeln und der langsamen Fahrt deutlich zu merken war, es ging über Brücken mit halbzeriprcngten Pfeilern, wo die verkohlten Balken noch hcrumlagen, an zerschossenen Wagen und Locomotiveu vorbei. In unserem Zuge selbst waren Wagen, in denen ans dem Boden noch eine Reihe von Granatsplittern hcrumlagen und in deren Wänden Splitter und Gewehrgeichosse staken. Es sah sehr deutlich nach Krieg aus. Doch es sollte noch besser kommen. Langsam fuhren wir in den Bahnhof von Tientsin ein. Wo zur Rechten früher chinesische Häuser standen, waren heute nur noch wttd durcheinander geworiene, rauchgeschwärzte Steine, wo links das ziemlich umfangreiche Bahnhofsgebäude zu iehen war, da ragten kahle angesengte Manern mtt Fenster hohlen empor. Deutlich sah man in den Mauern die großen Löcher, welche die Granaten hincingerissen halten. Dutzende von Wagen standen und tagen herum, theils zerschossen, theils verbrannt, die Eisentheile krumm gebogen. Nichts Ganzes gab cs mehr. Alles zerschossen, zerschlagen oder vom Feuer zerstört. Der Bahnhof, als strategisch äußerst wichtiger Puuct, war natürlich Gegenstand dec heftigsten Angriffe gewesen. Auch hier hatten die Russen heldenmüthig gefochten und schwere Verluste gehabt. Da unser Zng nur sehr langsam fahren konnte, und in Chung-liang-cheng einen sehr langen Aufenthalt hatte, so kam ich erst gegen 8 Uhr in Tientsin an. Trotz der Dunkelheit konnte ich sehen, daß das französische Settlement, welches der Chineseustatt am nächsten liegt, furchtbar zu gerichtet war. Die großen stattlichen Gebäude waren nur noch Ruinen, auch hier halten die Granaten Alles zertrümmert oder ist in Brand ge schossen. Von einer französischen Wache ließ ich mir einen Chinesen als Träger für mein Gepäck geben und wanderte dann aus dem mir bekannten Wege nach der sogenannten Universität, wo unsere Truppen eiugnartiert sind. Tie Siraßen waren wie ausgestorben; außer Militär sah man fast nichts, hier und da ein Paar unter Aussicht von Soldaten arbeitende Chiuesen. Als ich über einen größeren freien Platz ging, wurden ein Paar herrenlose Hunde frech, so daß ich zu meiner Mauserpistole greisen mußte. Im Lssiciersraum der Universität wurde ich sehr freundlich und mit dreimaligem Hurrah empfangen. Ein früherer Bekannter, Leutnant Röhn, nahm sich meiner an und bewirthete mich, so gut eS eben ging, sehr Vieles gab es nicht. Ta ich am anderen Morgen einen längeren Ritt machen wollte, so ging ich ziemlich früh zu Bett. An Schlaf war nicht viel zu denken, H'tze, Moskitos und ein schweres Gewitter, dazu ein Lager auf dem Boden. Leider mußten wir wegen Regens mit dem Abreiten bis Morgens 8 Uhr warten. Ich batte ein gutes kräftiges Pferd, daS aber ein wenig unsicher aus der Vorderhand war, da es lange ge standen hatte, es ging aber flott im Galopp. Unter Führung von Röhn rillen wir die ganzen Positionen ab, wo die Hauplkämpse stattgefunden batten. Entlang des großen Walls, der ganz T. um- gieb», kamen wir zunächst zu einem Arsenal, um das selbst hart ge kämpft worden und das drei Mal genommen werden mußte. Schon hier mußte man wiederholt au Pferde- und Menschenleichen vorbei. Noch schlimmer wurde es aus dein Wege vom Arsenal zum Süd- thor, wo der Kampf jo heftig war, daß das II. japanische Jnf.-Regl. die Hälfte seiner Leute verlor. Hier gab es grauenvolle Bilder, die ich lieber des Näheren nicht beschreiben möchte. Wir ritten I nun Lurch das Südtbor, welches sehr stark ist und von Len Japa- I nern mit Dynamitpatroncn gesprengt wurde, in die eigentliche Ctty ein. Die Stadtmauer, welche die ganze innere Stadt umgiebt, ist ca. 12—15 m hoch, aus Stein, und sehr dick. Wie in alten Zeiten wurde sie mit Leitern erstiegen; von oben gossen die Chinesen heißes Wasser und Ocl, und erst nach heftigem Handgemenge kamen die tapferen Japaner in den Besitz der Stadt. Was sich jetzt in der Stadt ereignete, soll an die Greuel des Dreißigjährigen Kriegs erinnert haben. Nichts wurde geschont, was bei der Erbitterung der Japaner begreiflich war. Mit den Japanern zugleich sollen die Amerikaner und ein Thcil Engländer ebenfalls sehr schneidig vorgegangen sein. Zn gleicher Zeit, während hier im Süden gekämpft wurde, hatten im Nordoslen vom Lstarsenal her, dem Lutai-Canal entlang, die Russen und unsere Truppen mit einigen Franzosen eine Batterie und dann die gelben Forts genommen. Tic Verluste hier waren bedeutend geringer, weil man im freien Gelände kämpfte und keine Barrikadenkämpfe zu bestehen hatte. Das sog. schwarze oder Citrssort machte keine Schwierigkeiten mehr, weil cs nicht mehr vcrtheidigt wurde. Die Chinesen zogen sich längs des Peiho in der Richtung aus Peking zurück. Bei diesem Angriff von N.O. wurden durch einen Granatschuß die Dynamitschuppen in die Luft gesprengt. Die Ex plosion war so heftig, daß in Taku bei uns, 25 Icm Luftlinie ab, das Schiff zitterte. In den gelben Fort- wurden wir von russischen Lsfic-eren sehr liebenswürdig empfangen und unS Alle- gezeigt. Ich wunderte mich sehr darübcr, daß in der City bereits wieder Tausende von Chinesen waren, die ihre verlassenen Häuser auf suchten und nachsahen, was noch übrig war. Viele fanden nichts mehr als einige rauchgeschwärzte Steine, andere konnten aber auch in ihr unversehrtes Haus sofort wieder einziehcn. Die letzteren begannen gleich wieder ihr Geschäft ausznmachen. Im Lstarsenal war außer einigen zerschossenen Häusern wenig zu sehen. Merkwürdigerweise hatten gerade hier die Chinesen sehr wenig energisch gefochten, wa- um so weniger verständlich *) Dem „SchwäS. Merkur" zur Verfügung gestellt. Oie —L>. Wie-MM^ wessen glauöt^M nach welcher
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