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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.09.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000928024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900092802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900092802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-09
- Tag1900-09-28
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Größere Schriften laut unserem Prris- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuuz 60.—, mit Postbesörderung 70.—. ?.nnahmeschlnß für Änzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen j» ei» halbe Stunde früher. Anreisen sind stets an die Vrpeditio» zu richten. Druck und Verlag von S. Polz tu Leip»!» 94. Jahrgang. Freitag den 28. September 1900. Die Wirren in China. Graf Waldersce nähert sich dem Schauplatze seiner Wirksamkeit, und ist wohl schon bei Taku ans Land gestiegen, um an Ort und Stelle das Commando über die aus Truppen beider Welten zu sammengesetzte Streitmacht zu übernehmen, die jetzt in der Provinz Petschili versammelt ist. Es wird uns gemeldet: * Shanghai, 27. September. Feldmarschall Graf Walder- fee ist auf S. M. S. „Hertha" am 24. Nachmittags vor Tschifu «»gekommen; Ankunft in Taku für den 25. Vormittags erwartet. Di: politische Lage, die während seiner langen Seereise manche Wandlungen erfahren, bat sich gerade jetzt dahin geklärt, daß sich dem greisen FeldmarsckaU in der Tbat ein weites militärisches Arbeitsfeld zu eröffnen scheint. Es wäre müßig, sich in Betrachtungen darüber zu ergehen, in welcher Weise Graf Walversee seine militärische Mission zu erfüllen, die Operationen zu eröffnen gedenkt. Für den Augenblick erscheint es ungleich wichtiger, daß die Stellung nahme der Mächte zur Note des Grafen Bülow baldigst entschieden, die Autorität des Oberbefehlshabers über die verbündete Streitmacht und die Frage der Mitwirkung oder Zurückziehung einzelner Contingente ehestens klar gestellt werde. Dies betrifft vor Allem die Contingente Großbritanniens und der Vereinigten Staaten. Letztere haben den deutschen Vorschlag entschieden abgelehnt und die Zurücknahme ihrer Truppen angckündigt. Gleichwohl soll zum Schutze der Gesandtschaft ein amerikanisches Con- tingent aller Waffen in Peking zurückbleiben. Ob letzteres dem Grafen Waldersce untersteht oder ob es direct nach den Weisungen der Regierung in Washington verwendet werden soll, ist noch nicht ganz entschieden. Die Antwort Englands auf den deutschen Vorschlag ist zwar noch nicht ossiciell in Berlin eingelaufen, wird aber unmittelbar, und zwar in zustimmendem Sinne erwartet. Nach dem heutigen Stande der Dinge sind dies die letzten politischen Fragen, die vor dem Eingreifen des Grasen Waldersce ihrer Lösung harren. Fortan dürften die rein militärischen in den Vorder grund treten. Der „Köln. Ztg." wird, wie schon in einem Theile der Auflage des heutigen Morgenblattes erwähnt, zur Haltung Englands ans Berlin unter dem 27. September tclegraphirt: Die außerordentlich scharfe (?) Stellungnahme der „Times" zu Gunsten des deutschen Vorschlages findet hier um so mehr Beachtung, als sie sich mit der Stimmung einer großen Mehrheit der englischen Blätter deckt. Wir sind nicht immer gewohnt, die deutsche Politik in den „Times" in wohlwollender Weise beurtheilt zu sehen. Bezüglich der Führung der Untersuchung gegen die verdächtigen Groß mandarine befürworten die „Times" eine gründliche Fest stellung des Sachverhalts vor einem unabhängigen Gerichte, das zwar Chinesen als Zeugen vernehmen, aber keinen Chinesen als Beisitzer haben soll. Bekanntlich ist der deutsche Vorschlag ganz allgemein gehalten und geht auf keine die gerichtliche Procedur betreffenden Einzelheiten ein. Diese werden erst später festgestellt werden müssen; es dürfte aber zum Mindesten, soweit Deutschland in Betracht kommt, kaum ein Bedenken bestehen, sich dem von den „TimeS" be fürworteten Verfahren anzuschließen. So außerordentlich scharf und unzweideutig haben wir die Aeußerunz der „Times" gerade nicht gefunden. Von großem Belang wäre es, wenn sich bestätigte, was über die Haltung Japans verlautet. Man meldet uns in dieser Hinsicht: * Wien, 27. September. Der „Politischen Correspondenz" wird bestätigt, daß sich die japanische Regierung der Circular- note des Staatssekretärs Grasen Bülow ohne Vor- behalt angeschlojsen hat. Die Antwort gehe iin Wesentlichen dahin, Japan stimme mit der Auffassung Deutschlands überein, wonach die Bestrafung der Schuldigen der Wiederaufnahme Les diplomatischen Verkehrs mit China vorausgehcn müsse; der japanische Gesandte in Peking werde entsprechende Weisungen erhalten. Wenn man irgendwo die Chinesen zu beurtheilen ver steht, so ist es in Japan. Entscheidet dieses sich für Bülow's Note, so darf man mit Sicherheit annehmcn, daß sie den Nagel auf den Kopf trifft. Tor kaiserliche Hof. Nach einem Pekinger Telegramm der „TimeS" hat der russische Gesandte von GierS an die Kaiserin eine Denkschrift gerichtet, in der er sie ausfordert, nach Peking zu rückzu kehren, und ihr den Schutz Ruß lands verspricht. Das ist das Einzige, was diese Dame nicht thun wird. Sie hält es unter ihrer Würde, mit den „Barbaren" direct zu verbandeln, und dics gar unter dem Schntz dieser Barbaren! Nach einer Lassan-Depesche ans Shanghai hätte die Denkschrift Li-Hun g-Tsckan g's und ter südlichen Bicekönige gegen den Prinzen Tu an infolge verzögerter Beförderung den Kaiser und die Kaiserin-Wit twe erst am 18. September in Taijucnfu erreicht, als die Prinzen Tuan und Tschwang schon befördert waren. Die Denkschrift blieb uneröffnet bis zur Sitzung des Geheimralhs am 20. dieses Monats. Außer dem Kaiser, der Kaiserin, den Prinzen Tuan und Tsckwang waren Wangwentschao, Kangyi und Tschihsiou zugegen. Der Kaiser las die Denk schrift zweimal, überreichte sie den Näthen und wandte sich mit bitterer Ansprache an Tuan und Tsckwang. Er erklärte sie als die Urheber der ganzen Wirren; sie wüßten nur Unheil anzustiften ohne Rücksicht auf die Folgen. Die beiden Prinzen saßen nebeneinander. Ter Kaiser deutete entrüstet mit dem Finger auf sie und rief auS: Ihr habt das ganze Unheil an gerichtet, Schmach auf den Hof und den Herrscher gebracht, ihr seid die Sckuld unseres Abzugs von Peking. Jetzt könnt ihr keinen Ausweg aus unseren Schwierigkeiten angeben. Der Kaiser sprach mit großer Bitterkeit. Als er geendet, wandte sich die neben ihm sitzende Kaiserin zn Wangwentichao mit dem Bemerken: Du bist der einzige verständige Mann im Rathe; wir müssen uns ganz auf dich verlassen, Pläne vorzu schlagen. Du erhältst den Befehl, eine Denkschrift vorzulegen, um den Ausweg aus unseren Schwierigkeiten anznzeigen. Sollte der Kaiser wirklich noch so selbstständig neben der Kaiserin-Regentin hervorzutreien wagen? Er ist doch längst kaum noch ein Schatten seiner Macht und eine Automalen- Puppe in der Hand der eigentlichen Herrscherin. Wir glauben überhaupt nicht an die Existenz dieser gegen die eigentlichen Machthaber in China gerichteten Denkschrift Li- Hnng-Tschang's, der Meldungen darüber offenbar nur ver breiten läßt, um sich in den Augen der Mächte als immer noch fremdenfreundlich und so als höchst geeignet für das Amt des HauptunterhändlcrS zu empfehlen. * Washington, 27. September. (Telegramm des „Neiitcr'jchen Bureaus".) Scheug thcilte dem Staatsdepartement mit, daß Prinz Tuan zum Groß jekretär Les Kaisers ernannt worden fei. Gegenüber der in der ausländischen Presse aus gestellten Behauptung, daß diese Ernennung Tuan's die dirccte Folge der Antwort Amerikas auf die deutsche Circularnote sei, wird von dem Staatsdepartement darauf hingewiesen, Laß Tuan's Ernennung am 23. d. M. bekannt gemacht und mehrere Tage vor diesem Datum vollzogen worden sei, während die Antwort Amerikas auf die deutsche Note am 23. September veröffentlicht worden sei und Loch erst mehrere Tage später an den chinesischen Hof gelangt sein könne. Li Hnng-Tschang. „Neuter's Bureau" berichtet auö Tientsin unter dem 2t. September: General Chaffee ist hier eingetrosfen. Er besuchte Li-Hnng-Tschang nichtosficiell und besprach mit ihm die Aussichten des Abkommens. Von den anderen Mächten bat bisher mir Rußland von Li-Hung-Tschang's Anwesenheit ossiciell Notiz genommen. Weitere Meldungen. * Wien, 27. September. (Wiener Abendpost.) Tas Commando des in Peking vereinigten Detachements der österreichijch- ungarischen Kriegsmarine, nngesähr ein Bataillon, hat der Linienschiffs - Capitün Bleß v. Sambuchi übernommen. — In Taku sind bisher 494 Mann der österreichisch-ungarischen Marine, 8178 Deutsche, 8353 Engländer, 5608 Amerikaner, 6575 Franzose», 2541 Italiener, 20 934 Japaner und 15 570 Russen gelandet worden. An der Expedition gegen Pei-ta-tschu hat außer Len Deutschen und Italienern auch eine Abtheilnng üsterrcichisch-unga- rischer Mariuetruppen theilgenomincn. (Wiederholt.) * Washington, 27. September. „Neuter's Bureau" berichtet aus Tientsin, 24. September: Wie verlautet, sind die Russen nach der Einnahme der Forts von Lutai eiligst längs der Eisenbahn »ach Norde» marschirt, um Schan-hei-kwan zu besetzen. (Wiederholt.) * London, 27. September. Dem „Reuter'schen Bureau" wird aus Taku, Len 24. d. M., berichtet: Die Russen planen einen sofortigen Vorstoß auf Tong-schan. Tics könnte zur Zer störung der dortigen Kohlenbergwerke, der britische» Eisen bahn und Eisenbahnwerkstätten führen. Man wünscht hier sehr, daß die Engländer unverzüglich Schritte thun zur Wahrung der wichtigen politischen und commerziellen Interessen, die mit dieser Eisenbahn verknüpft sind. * Berlin, 27. September. Laut telegraphischer Mitthcilung ist S. M. S. „Irene", Commandant Fregattencapitän Stein, am 27. September von Tsingtau nach Wusung in See gegangen. Der Krieg in Südafrika. Portugal und die Bocrcn. Auö Brüssel wird uns von einer der Transvaal- Gesandtschaft nahestehenden Seite geschrieben: Der Uebertritl eines Theils der Bocrenarmce ans portugiesisches Gebiet ist vorher zwischen dem Präsidenten Krüger und dem Gouverneur von Lourcntzo-Margues vereinbart worden. Der Letztere aber hatte vorher seine Regierung von allen Schritten in Kenntniß gesetzt, und in Lissabon wird man die Zustimmung nicht ge geben haben, ohne vorher in London ungefragt zu haben. Jedenfalls hat also die englische Negierung zugestimmt, daß diejenigen Boeren der Armee Botha's welche den Kampf nicht fortsetzen wollten, ihre Waffen an die portugiesischen Behörden abgabeu und daß die Boeren selbst bis auf Weiteres in Lourentzo-Marqncs bleiben sollen. In London war man ossenbar angesichts des augenblicklichen Wahlkampfes sehr frob, auf diese billige Weise einen vorläufigen Abschluß deS Kampfes bei Komati Poort zn erlangen, lieber daS weitere Schicksal der in Lonren^o-Margues befindlichen Boeren kann mit Sicher heit so viel gesagt werden, daß Präsident Krüger die portu giesische Regierung betreffs der Verpflegungskosten für einige Wochen gedeckt hat, während welcher Zeit darüber ver bandelt werden soll, ob sich diese Boeren aus portugiesischem Gebiet ansiedeln können oder ob die d eutsche Regier» ng deren Ueberführung nach Deutsch-Südwestafrika gestatten wird. Tic Reise Krngcr's nach Europa. Aus Amsterdam, 26. September, schreibt man der „Köln. Ztg.: Die Annahme deS Anerbietens der nieder ländischen Regierung seitens des Präsidenten Krüger bat diesseits und jenseits des Canals zahlreiche Federn in Be wegung gesetzt. Wie vorauözuseheu war, ist die Haltung der meisten englischen Blätter sehr unfreundlich, die sich, wie z. B. beim „Daily TeleAraph", bis zur Gehässigkeit und zu Drohungen versteigt; denn das Blatt sagt offen: „Daß Krüger die Reise nach Europa auf einem niederländischen Kriegs schiffe macht, wird in unserm Land: nicht so bald vergessen werden, und es könnte einst der Tag kommen, an welchem das niederländische Volk die sinnlose Feindschaft bitter bereuen könnte, welche eö während des Verlaufs dieses Krieges gegen ein Volk, das ein ganzes Jahrhundert lang stets und überall sein Freund gewesen ist, an den Tag gelegt hat." Auf die englische Freundschaft und ihre Betbälignng könnte man hier sicher mancherlei Glossen machen, im Allgemeinen aber brauchte man sich in Eng land über diesen Schritt der niederländischen Negierung nicht in der Weise zu ereifern, denn im Grunde genommen ist die Sache äußerst harmlos. Wie aus der in der Ersten Kammer abgegebenen Erklärung deS Ministers deS Aeußern de Beaufort hervorgeht, hat zwischen der englischen und niederländischen Regierung eine Verständigung statt gefunden dahin, das erstere nicktS dagegen einzuwenden hatte, daß dem Präsidenten Krüger ein niederländisches Kriegsschiff für die Reise nach Europa zur Verfügung gestellt wurde. Zudem hat der niederländische Consul in Lourentzo Marquez in seiner Depesche an den Minister de Beaufort ausdrücklich festgestellt, daß Krüger lediglich aus Rücksicht für seine tief erschütterte Gesundheit nach Europa gehen wolle, so daß also jedwede politische oder diplomatische Action seinerseits von vornherein ausgeschlossen ist. Irgendwelche Verlegenheiten werden und können der niederländischen Regierung also sicher nicht erwachsen, die öffentliche Meinung hier zu Lande stimmt mit der letzteren vollständig darin überein, daßalles, was auch nur den Schein einer Herausforderung Englands haben kann, sorgfältig vermieden werden soll. Als vor einigen Tagen der„Standaard" die Meinung vertrat und vertheidigle, daß alsbald, nachdem Krüger an Bord des niederländischen Kriegsschiffes gekommen sei, auf diesem die transvaalsche Flagge gehißt werden müsse, verwahrten sich andere Blätter sehr entschieden dagegen, daß eine solche Frage überhaupt aufgeworfen werde. Krüger wird zwar die Reise auf einem niederländischen Kriegsschiffe machen, aber eS ist sehr unwahrscheinlich, man darf sagen, vollständig ansgescklossen (?), daß er hierher kommt, denn Holland ist für einen kranken Greis, der ohnehin ein halb Feuilleton. i3i Der neue Tag. Roman von Klara Zahn. Nachdruck verboten. Und hiernach handelte er auch und erwarb sich die größte Zufriedenheit seiner Gefährten. Das gab ein fröhliches Er zählen, als sie der Abend im Hause des Goldschmieds versammelt sah. — Anny und die Knaben hatten noch auf ein Stündchen mit hinaufkommen muffen, und in vollem Behagen genoß nun Eva's Gatte die Nachempfindung des schönen Tages, die er mit der kleinen Gesellschaft nun theilen durfte. Als Eva müde in ihrem Bett sich dehnte und den Gutenachtkuß ihres Gatten freundlich erduldet hatte, kam ihr plötzlich der Gedanke „Wär' es wohl heut' so wunderhübsch gewesen, wenn ihr Mann an der Partie kheilgenommen hätte?" Und ebenso rasch beantwortete sie sich selbst diese Frage: „Nein." Warum aber nicht? Er war doch im Grunde gemächlich, und gönnte es ihr, wenn sie sich ein bischen den Hof machen ließ. Ja, ja. Aber das Gefühl der Freiheit, der völligen Unabhängig keit hatte sie nicht neben ihm, dieses luftige Mädchenempfinden, das von feder kommenden Stunde ein köstliches Wunder er wartet. Heute hatte sie das gehabt und jetzt kam es ihr zum Bewußtsein. „Wie das doch sonderbar ist", dachte sie, „verhei- rathet sein und sich ganz, aber ganz als Mädchen fühlen!" Ueber diesen Reflexionen entschlummerte sic friedlich. In Anny hatte der fröhlich verlebte Tag wehmüthige Erin nerungen geweckt. Die Sehnsucht, die oft bekämpfte, stieg aus ihrem heißen Herzen empor und umklammerte ihr Denken und Empfinden. Nur einmal, nur endlich einmal wieder in sein geliebtes Auge sehen dürfen, an sein Herz sich schmiegen und seine Küsse fühlen — o Gott — nur einen Trunk der Labe auf dem werten Dornenwege, den sie gehen mußte. Die Schmerzen der Sehnsucht packten sie mit physischer Gewalt und sie meinte in dem Aufruhr ihrer Empfindungen, daß sie den Vater zu Haffen beginne, der ihr so Schweres zu ertragen auferlegte. Als sic aber nach schlaflos durchkämpfter Nacht in des Rechtsanwalts müde, durchfurcht« Züge blickte, als sie gewahrte, wie stumpf und trübe der Blick seiner Augen, der ihr einst in fröhlicher Kinderzeit voll Güte strahlte, da wußte si« es, Haffen konnte sie den Aermsten nicht, nur mit ihm dulden und auf ein« Lösung harren. Um Eva beunruhigte sie sich nicht mehr. Sie nahm zu weilen Theil an ihren Ausflügen mit dem Vetter, saß zuweilen unter der großen Hängelampe an Eva's Salontisch unv plau derte und scherzte mit den Glücklichen, ihr selbst aber war es wie einst unter den ihr nun entfremdeten Freunden, das Heimathsgefühl wollte sich nicht wieder einstellen, das sie kurze Stunden lang empfunden, als das Wesen des Architekten eine Saite in ihrem Innern erklingen ließ, die einst voll und fröh lich tönte in Frc-v's Nähe. — So entging es ihr, daß das Stimmungsbild im Hause 'des Goldschmieos sich leise verschoben hatte. — Es ging fröhlich dort zu, gewiß, aber ein Jeder wollt: fröhlich sein, er war es nicht mehr aus innerstem Zwange. — Franz hatte die leise Veränderung in Anny's Wesen wohl be merkt und war eitel genug, sich selbst als die Ursache derselben -anzusehen. Ec meinte, es verdrieße Vie Stolze, Saß er scheinbar kein«n Unterschied mache zwischen ihr und seinem reizenden Cou- sinchen. So versuchte er die scheinbar verlorene Gunst durch unmerkliche und doch fühlbare Bevorzugung Anny'» zurückzu gewinnen. Leider gewahrte das Mädchen diese Bemühungen gar nicht, während sie Eva's raschem Spürsinn nicht verborgen blieben. Das war ein Stachel für die kleine Frau. Wäre Franz geblieben, wie er zu Anfang war, der sichtbar von Beiden ent zückte Mann, der huldigte, ohne zu begehren, so hätte Frau Eva's Herz volles Genüge daran gefunden. Sie hätte ihre Eitelkeit befriedigt, ihre Phantasie angenehm beschäftigt ge sehen und ihren Triumph, -dem einst so Spröden doch etwas ge worden zu sein, voll -ausgerostet, ohne mit ihrem Gefühlsleben in Conflict zu kommen. Nun aber! Zurückstehen zu müssen, trotz Allem! War Anny nicht gerade so gut „gebunden" durch ihre Liebe, wie si« selbst durch die Ehe? Braut oder Frau, macht das einen Unterschied? Freilich, Franz mochte zunächst nicht darum gewußt haben, dann hätte ihm aber doch Anny's stärkere Zurückhaltung die Sachlage deutlich machen müssen! Ihm schien es nur ein Sporn zu sein, und selbst ihre versuchte kleine Jn- discretion über «ine Herzensbeziehung der Freundin schien er nicht beachtenswerth zu halten. „Sie ist doch frei und unabhängig?" hatte er gefragt, und auf Eva's Bejahung kurz mit der Bemerkung das Thema ab geschlossen: „Ich glaube nicht, daß «in Mädchen, wie dieses, heim liche Wege geht!" Eva war «mpört. Es war ersichtlich, Anny vertraute er blindlings, während er ihr ohne Weiteres eine unrichtige Be hauptung zutraute. Die Klugheit rieth ihr, diese Niederlage nicht zu bemerken, die Eitelkeit aber verlockte sie, di« vermeint liche Kränkung zu rächen. — Sie sah es ja doch, daß sie dem Künstler gefiel, daß er ihre Nähe angenehm empfand. Sie wußte noch nicht, daß der Mann die Ein« lieben und dennoch die Andere begehrenswerth finden konnte, und darum legte sie der oft unbewußten Annäherung des Vetters, dem Behagen, das «r ganz ersichtlich in ihrer Nähe empfand, tiefere Gründe unter. Eva urtheilte mit dem Verstand ihrer Jahre und mit dem ihr selbst verschleierten Weibesempsinden, das für die bloße Regung der Sinne im Seelischen nach dem Ursprung sucht. Sah sie Franz zusammenzucken bei einer leisen, ungewollten Berüh rung mit ihr, so meinte sie, es sei das ein Zeichen seiner tieferen Empfindung für sie, und konnte stundenlang darüber nachsinnen, warum seine Augen bei einem kleinen töie-L-iöto so unruhig geworden waren. — Ein gefährliches Sinnen und Lauschen nahm von ihrem ganzen Wesen Besitz, gesteigert -durch die Em pfindungen der Eifersucht, die ihr Anny's Gesellschaft auf erlegte. — Sie suchte nach Vorwänden, die Gegenwart der Freundin in ihrem Hause einzuschränken, und mußte sic doch immer wiever selbst zu sich bitten, weil sie fühlte, daß sie doch der stärkste Magnet war, der den Vetter an ihr Haus fesselte. — In dieser qualvollen Stimmung litt Eva mehr, als sie selbst je geglaubt hätte. Ihre rasche Entschlußfähigkeit war ihr ganz abhanden gekommen, -das „entweder — oder", das sonst im Leben ihre Losung war, konnte sie für ihren Gemüthszustand nicht in Anwendung bringen. Um den kleinsten Hoffnungsrest noch würde sie gekämpft und geduldet haben. — Sie neidete Anny zum ersten Male ihre Vorzüge, die sie bis dahin liebend bewundert hatte. Sie lag heimlich auf der Lauer, Flecken und Häßlichkeiten auf ihrem Charakter zu entdecken — und der Neid hilft geschäftig, bald sah sie auch, was sie sehen wollte. Was war -denn diese Anny? Was that, was leistete sie Besonderes? Gar nichts! Muß man denn an schön« Gefühle und edle Gesinnung glauben ohne Beweise? Konnte denn nicht Alles Berechnung und Ver stellung sein? Natürlich! Die schönen Worte sind billig, und im Grunde, waren es nicht ihre schönen Worte, mit denen sie Alle bestach? Eva bedacht« nicht, daß «in edles Work zur richtigen Zeit auch eine That des Geistes ist, und daß nur das echte Wahrempfinden den Zauber besitzt, Herzen zu fesseln. Sie be dachte nicht, daß die schönsten und erhabensten Worte, die eine Sprache besitzt, zur leeren, widerlichen Phrase werden, wenn nicht der Geist sie lebendig macht, daß sie, wie nie zuvor Ge wesenes, aus dem eigensten Selbst Geborenes, den fühlenden Geist berühren. — Einst hatte Eva unbewußt selbst Fühlung gehabt für dies Höher« in Anny's Art, jetzt im Tumult er wachender Leidenschaft ging diese Empfindung unter und machte dem trüben Bodensätze der Schmähsucht Platz, der leichter auf gewühlt wird in flachen als in tiefen Menschenseelen. Eines TageS bat Franz Paulsen Anny, die nur für ein Biertelstündchen bei der Freundin vorgesprochen hatte, um die Erlaubniß, sie auf dem Rückwege nach ihrem Heim begleiten zu vürfen. Es sei ihm an dem „Nassauer Haus", an dem sie -doch vorbei müßten, «ine reizen»« Engelsstatue ausgefallen, unter einem Baldachin, und cs interessir« ihn, Anny's Meinung -dar über zu hören, ob und in welchem Zusammenhang mit dem Chor diese Statue gedacht sei. Eva errieth sofort, daß dies nur ein Vorwand des Vetters war, der Freundin einmal habhaft zu werven für ein kurzes Alleinsein. Sie hatte kurz zuvor von oringenden Wirthschaftsarbeiten gesprochen, die ihrer noch harrten, und konnte nun nicht wohl ihre Begleitung anbieten. Zwar früher, als sie noch unbefangen war, hätte Frau Evchen ein solcher Wiserspruch im Reden unv Thun nicht im Mindesten gestört, nun aber, da ihre Seele selbst durch Argusaugen blickte, glaubte sie sich auch bewacht von Späherblicken. So blieb sie in feindseliger Stimmung zurück. Kaum hatte Franz mit Anny das Goldschmiedshaus ver lassen, als er in sichtlicher Erregung das Mädchen fragte: „Was that ich Ihnen, mein Fräulein? Warum sind Sir so fremd gegen mich geworden? Darf ich Sie um eine ehrlich« Erklär-ung darüber bitten?" » , Anny war betroffen; völlig verständnißlos für die kritische Situation, sagte sie: „Mein Gott, war ich unartig? Verzeihen Sie mir. Ich weiß, es ist oft mein Fehler, theilnahmlos zu er- jcheinen im Kreise froher Menschen. — Ich bin eS nicht, — oder vielmehr, ich möchte es so gern nicht sein." „So haben Sie Gründe, Ihr Innenleben vor der Welt zu verschließen?" Anny sah dem Frager überrascht in die Augen. — Hatten denn ihre Worte dergleichen angedeutet? Sie begriff es gar nicht und war sich selbst nicht recht klar, ob der ihr eigentlich völlig Fremd« ein Recht zu solcher Frage besaß. Ausweichend meinte sie: „Die hat am Ende Jeder, der keine Neigung in sich spürt, seine Gefühle auf den Markt zu tragen." „Sie sind sehr schroff, — sehr hart zu mir", sagte Franz bitter, „zu schroff, als daß ich glauben könnte, ich sei völlig unschuldig an Ihrer veränderten Gesinnung." „Verändert?" fragte nun auch Anny erregt. „Ich begreife in der That nicht, inwiefern ich diesen Vorwurf verdiene." „Denken Sie nicht mehr jenes Junitages in Schloß Heils bronn? — Da hab' ich Sie anders gekannt. So heiter, so offen und liebenswürdig. Ich fühlte mich Ihnen nahe, wie ein Mensch dem Wesensverwandten. — Der Zug der Gemeinsamkeit, von dem Sie selbst so sinnig sprachen, mir schien eS, als ginge er auch durch unsere Seelen. Das hat mich sehr froh, sehr stolz gemacht. — Nun aber ist es so anders geworden zwischen un»,
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