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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.09.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000929029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900092902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900092902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-09
- Tag1900-09-29
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Reklamen unter dem RedactionSstrich (-ge spalten) LO^z, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40 Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuug 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschlnß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eim halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition z» richte». Druck and Verlag von E. Polz tu Leipzig 94. Jahrgang. 487. Sonnabend den 29. September 1900. Die Wirren in China. Bcrkehrtc Politik. Der „Kölnischen Zeitung" wird aus Berlin officiös telegraphirt: „Die Ernennung des Prinzen Tn an zum einslußreichsteu NegierungS-Auit kann ncinmebr als Tbatsache betrachtet werden, und hiermit stimmt eö vollkommen über ein, wenn aus französischer Quelle gemeldet wird, daß Tungfuhsiang und Lipingheng, die bezüglich der Ver folgung und Ermordung der Christen so Hervorragen des geleistet haben, durch hohe Ehrungen auSzeichnet worden sind. Wir können nicht umhin, festzustellen, daß dadurch eine Lage geschaffen ist, die auch denjenigen Mächten unduldbar erscheinen muß, die ter Ansicht waren, daß man durch das Mittel weitgehendster Nachgiebigkeit und Schonung am leichtesten und schnellsten zur Lösung der chinesischen Frage gelangen werde. Gleichzeitig wächst die Zahl der neuen Opser. Diesmal sind es die Franzosen, die die Verlustliste stellen. Zwei Bischöfe, eine große Anzahl Missionare und lOOO Christen sind im Bezirk von Mulden ermordet worden. Ans anderen Gegenden des Reiches werden ähnliche Nachrichten erwartet, woraus hervorgeht, daß die Metzeleien von einer Centralstclle eingcleitet sind, die mit Eifer der Auf gabe obliegt, die fremden Teufel und ihren einheimischen Anhang in allen Bezirken auszurotten, wo sie nicht unter dem Schutze der Kanonen der Mächte stehen. Wir stellen damit eine Lage fest, die unseres Erachtens auf alle be- theiligten Mächte einen riefen Eindruck auSzuüben nicht ver fehlen kann." Tas Ultimatum der (sicnerale. Nach einer Meldung der „Morning Post" auS Peking hat China bereits das Ultimatum der Admirale vom 16. Juni als casns belli betrachtet. In den Plenar- conferenzen der Prinzen und Minister am 17. und 10. Juni hätten nur drei Theilnehmer derselben die Boxer zu krilisiren, sowie Friedensvorschläge und den Schutz der Nicktcombat- tanten anzuempfehlcn gewagt. Diese drei Personen, von denen zwei Mitglieder des Tsung lc Manien waren, seien am l 1. August hingerichtet worden. Am' 20. Juni erschien ein Eriet, welches allen den Ländern, die in Peking Gesandtschaften haben, den Krieg erklärte und die Provinzen aufforderte, der Csntralregierung Beistand zu leisten. Am gleichen Tage seien derdeutsche Gesandte und ein en glischer Civilist Namens Idmer von chinesischen Soldaten getödtet worden. Der Kampf habe zwar jetzt aufgehört, indessen habe sich die Kriegspartei, unbesiegt und ohne Compromiß, zurück gezogen. Mau könne aber zwischen der Kriegspartei und dem übrigen China einen Unterschied machen. Der größere Theil Chinas habe sich geweigert, sich der Kriegspartei an zuschließen. Peking. Dem „Bureau Lassan" wird auS Peking gemeldet, daß die Chinesen behaupten, viele Boxer kämen in Verklei dung nach Peking zurück, sie sagten, daß sie ihre Zeit ab warten und dann doch gewinnen würden. — Die Kriegs gerichte verhängen Strafen von fünfzig Schlägen und harter Arbeit bis zur Todesstrafe. Alle gefangenen Boxer- Werden hingerichtet. Tie Russen in Per Mandschurei. Ueber weitere Operationen im Süden TsitsikarS wird nachträglich von dort berichtet: General Nennenkamps verfolgte auf sehr schwierigen Wegen nach Süden chinesische Truppen, die einige Male versuchten, sich zu widersetzen, aber- endlich in dieFlucht geschlagen wurden. Schwierig war daS lleber- setzen deS Sungari-FlusseS, was endlich der Cavallerie gelang, die Maizachäop ciniiahm. Das weitere Vorrücken wurde trotz der Regengüsse und schleckten Wege fortgesetzt, so daß die Cavallerie oft die Infanterie abwarreu mußte. Ohne Rück sicht auf diese ungünstigen Bedingungen rückte das Detache ment dcS Generals Neuncnkampf rasch vor, zwang die ge sammelten Chinesen zum Rückzüge und nahm die Stadt Bo dune ein, wo die Truppen deS Generals Pclow als Garnison bliebe». General Neuncnkampf setzte seinen Marsck gegen Girin fort, während das Detachement Fleischers in der Richtung nach Mulden dirigirt wurde. Weitere Meldungen. * Hamburg, 28. September. Wie der „Hamburg-Amerika- Linie" gemeldet wird, ist das Hospitalschiff „Savoya"' von Taku kommend, in Yokohama eingelroffcn. (Wiederholt.) Berlin, 28. September. Laut telegraphischer Meldung ist S. M. E. „Seeadler", Conimandant Corvettcn-Capitän Schack, am 28. September in Shanghai angekommcn. Ueber die Ausreise der Trnppcn-TranSportVampfcr »ach China liegen folgende letzte Meldungen vor: „Köln" (N. D. Lloyd.) 31. Aug. in Cbefoo. „Frankfurt" (N. D. Lloyd.) 2l. Sept, in Sa»Francisco. „Dresden" (N. D. Lloyd.) 21. - in Tsingkau. „Halle" (N. D. Lloyd.) 21. - in Tsingtau. „Gera" (N. D. Lloyd.) 24. - in Hongkong. „Straßburg" (N. D. Ltoyd.) 25. - in Tat». „Adria" (Hamb. A. L.) 2i. « in Taku. „H. H. Meier " (N. D. Lloyd.) 26. - in Nagasaki. „Phönicia" (Hamb. A. L.) 22. - in Taku. „Darmstadt" (N. D. Lloyd.) 27. - in Singapore. „Palatia" (Hamb. A. L.) 21. - von Colombo. Lügen und Zntrigucu. Aus London, 27. September, schreibt uns unser dortige: Mitarbeiter: Gestern meldete Reuter aus New Jork ohne Quellenangabe, Lord Salisbury habe dem Grafen Hatzfeldt erklärt, Deutschlands Vorschlag könne englischerseits nicht acceptict werden — heute erklärt die englische Regierung diese Meldung officiell für falsch. Der Vorgang ist symptomatisch, denn er scheint in unwiderleglicher Weise und officieller Form den Beweis zu erbringen, daß Reuter auch jetzt wieder, gerade wie im entscheidenden Augenblicke während des Boerenkrieges, nicht nur als englischer Officiosus seines Amtes waltet, sondern auch Coulissen-Einflüssen dient, deren Natur und Tendenz ja hinlänglich bekannt sind. Ein Seitenstück dazu von nicht geringerem Interesse bietet das Dementi, welches das Auswärtige Amt gestern einem Vertreter der Preß-Association officiöser Weise zustcllte und das die ganze sensationelle Meldung des Shanghaier Correspondenten der „Morning Post" über deutsche Äctionen am Aangtse nicht nur für völlig erfunden, sondern für das Stück einer Jntrigue erklärte, bestimmt, Deutschland und England zu ver hetzen, und „die so nothwcndige gemeinsame Action beider Großmächte" zu hintertreiben. Die „Morning Post", oder min destens deren Korrespondent in Shanghai (derselbe galt bisher für durchaus zuverlässig), werden damit also von der englischen Regierung selbst als Werkzeuge einer Eontrcmine entlarvt, die offenbar auch das obige Reutertelegramm aus New Dort in gleicher Absicht lancirte. Daß die „Times" seit lange und durch aus nicht erfolglos derselben Thätigkeit obliegen, ist zur Genüge bekannt. Da alle diese Machinationen ihre Spitze gegen die deutsche auswärtige Politik und Deutschlands Interessen richten, so erscheint es gerade jetzt doppelt wichtig, dieses Treiben auf das Sorgfältigste zu verfolgen und aufzudecken, um so mehr, als dieselben Kreise es jetzt wie früher nur zu gut verstehen, ihre Kuckuckseier auch in die Presse des Continents hinein zuschmuggeln und sich dabei, um ihr Spiel zu verdecken, nicht englischer Federn bedienen. Es ist nur natürlich, daß die Ge sandten Chinas in dieses Lügcnconcert eifrig mit ein stimmen. Da demcntiren sie vor Allein, daß Prinz Tuan zum Präsidenten des großen Rathes befördert worden, aber in ihrem Eifer, und da ihnen die Zeit zu vorheriger Verständigung fehlte, dementiren sie gleichzeitig ihp eigenes Dementi. Sir Lo Feng L u erklärt Tuan's Beförderung unmöglich, „weil ec eben erst in Ungnade vom Kaiserhofe fortgesandt worden". Sein Peters burger College weiß von dieser Ungnade nichts und erklärt nur diese Ernennung für unwahrscheinlich, weil die Alliirten gerade Tuan's Bestrafung forderten. Wu Ting Fang, der Gesandte in Washington, aber weiß einen viel besseren Grund, von dem seine beiden Kollegen offenbar keine Ahnung hatten, „die Ernennung ist unmöglich", sagt er, „weil kein kaiserlicher Prinz dem großen Rathe angehören kann." Wu-Ting-Fang steht eben noch auf dem Standpuncte, daß man in Europa gerade so, wie in Amerika, von chinesischen Dingen nichts versteht, und daß man deshalb selbst die crassesten Lügen unbesorgt Vorträgen kann, sofern das nur mit der bekannten eisernen Stirn geschieht. Wu wollte ebenso „in directer Ver bindung mit dem Kaiserhofe stehen, welcher sich gegenwärtig in Tai-Zuon-Fu befindet". Er konnte allerdings nicht ahnen, daß der Vertreter seines Kaisers in Petersburg um dieselbe Stunde behauptete, der Kaiser halte sich in Pao-Ting-Fu auf. Er behauptete das lediglich, um in Petersburg den Glauben zu er wecken, der Kaiser nähere sich bereits der Hauptstadt, um dem Wunsche der Alliirten, nach Peking zurückzukehren, entsprechen zu können. Bei der Behauptung dementirt der Londoner China vertreter mit der hübschen Enthüllung, kein Gesandter Chinas steht gegenwärtig resp. sei dem der Kaiserhof Peking verlassen, im Verkehr mit dem Kaiser, der Kaiserin oder deren Umgebung. Wir erhalten Weisungen und Berichte aus China nur und aus schließlich von Li-Hung-Tschang, dem auch alle unsere Berichte für die Regierung zugehen. Lu-Fcng-Lu versicherte das allerdings auch nur, weil er in die Ecke gedrängt war, und die Behauptung aufrecht erhalten wollte, er könne nicht Lord Salisbury's Mittheilungen dircct an den Kaiser oder den Tsung li Namen gelangen lassen, da er beider Aufenthalt nicht einmal kenne. Hat Lo' die Wahr heit gesagt, so beweist das mindestens, daß die Gesandten Chinas in Petersbu"g und Washington vertrauensvoll weiterlügen; wahrscheinlich logen sie alle Drei. Wie geschickt diese chinesischen Gesandten es verstehen, selbst die ausländische Presse in den Dienst Chinas zu stellen, zeigt ein langer Bericht des bekanntlich amerikanischen Nachrichtenbureaus Laffan, das genau in derselben Richtung arbeitet, wie die ein gangs erwähnten Depeschen „Rcuter's" und der „Morning Post". Laffan soll beweisen, nicht etwa wie die chinesischen Gesandten, daß Prinz Tuan und Genossen gar nicht befördert und heute all mächtig seien, sondern daß diese Beförderung selbst allerdings stattgefunden, aber nur deshalb, weil Li - Hung- Tschang's Eingabe an den Thron zu spät gekommen, in welcher die Entfernung Tuan's u. s. w. gefordert worden sei. Als dann das Promemoria Li's angelangi, habe der Kaiser das selbe im geheimen Rathe entgegengenommcn, zwei Mal gelesen, und darauf Tuan und Tschuang bitter angeklagt und für alles Unglück verantwortlich gemacht, worauf auch die Kaiserin die Ungnade der Boxerführer besiegelt habe. Dieser Geheimsitzung wohnten nach Laffan selbst außer den Genannten nur noch Wang-wan-Tschao, Kcmg-M und Tschi-Hsiu bei. Wer hat nun dem Amerikaner Laffan bis auf die leiseste Handbewegung der Kaiserin verrathen, was in diesem geheimsten aller geheimen Kronenräthe der Welt gesagt und gestikulirt worden? Auf alle Fälle kann das nur ein Chinese gewesen sein, der selbstverständlich mindestens ebenso gut zu lügen verstand, wie die Gesandten des himmlischen Reiches, und der wahrscheinlich niemand Anderes gewesen ist, als der berühmte Erfinder der Gesandtenmetzeleien, der oben beförderte Ex-Taotai von Shang hai, „M r." S ch e n g. Auch dieser hat die Darstellung natürlich nur, 'o. h. im allerbesten Falle, aus zweiter und dritter Hand, und man darf ohne Pessimismus ruhig annehmen, daß an der ganzen Sache kein wahres Wort ist. Ob das amerikanische Tele graphenbureau sich nun aus Geschäftsinteresse, oder, um den englischen Alarmnachrichten im Wahlinteresse der republikanischen Partei entgegenzutreten, sich zum Sprachrohr dieser chinesischen Tendenzlüge machte, oder ob sein Korrespondent es sich lediglich nicht versagen konnte, den „überaus interessanten Stoff" herüber zu kabeln, ist dabei schließlich ganz gleichgiltig. Um das Bild zu vollenden, braucht man in dasselbe nur noch oie düsteren Schatten der englischen Berichte einzuführen. Nach ihnen stehen wir auch heute wieder unmittelbar vor einem großen Volksauf stände ganz Chinas oder min destens vor einem Kriege bis aufs Messer. L>o meldet der zur Zeit wieder sich sehr officiös gerirende „Standard". Prinz Tuan habe Namens ber Kaiserin-Wittwe ein Geheimedict erlassen, durch welches alle hohen Würdenträger des Reiches benachrichtigt würden, daß der kaiserliche Hof beschlossen habe, den Krieg gegen die auswärtigen Mächte, gleichviel um welchen Preis, fortzu setzen. Das Edict bedrohe jeden kaiserlichen Beamten, welcher die Mandschus nicht unterstütze, mit Enthauptung als Landes verräther, Vernichtung seiner ganzen Familie und Zerstörung der Gräber seiner Vorfahren. Enthauptung und Ermordung der Frauen und Kinder sind in China bekanntlich keine ganz un gewöhnlichen Strafen. Beide wurden an den meisten derjenigen Reformer vollzogen, welche in die Hände der Kaiserin fielen. Aber die Zerstörung der Gräber der Vorfahren eines Verurteilten wird nur in ganz außerordentlichen Fällen verfügt, und ist dein Chinesen die furchtbarste Drohung und schrecklichste Strafe, welche er überhaupt kennt. Wenn dieses Geheimedict wirklich er lassen ist, und jene Strafandrohung enthält, so würden wir allerdings vor einem „Kriege bis aufs Messer" mit China stehen, dessen Ausdehnung auf die Südprovinzen des Reiches, selbst Liu, der Nangtinger Vicekönig, kaum verhindern dürfte. In dec That werden gleichzeitig bereits eine Reihe blutiger Krawalle und anti-christlichen Emeuten in der nächsten Umgebung Cantons gemeldet, wo die Trrad-Geheimgesellschaft 20 000 ihrer Mil glieder bei Tschung-tschuen versammelt haben soll, gerade wie die Boxer sich seinerzeit in Paotingfu concentirten, ehe sie auf Peking rückten. Aus diesem aber sendet heute der Korrespondent der „Morning Post" einen neuen Hilferuf. Die Regierung, sagt er, wird die Borer nie unterdrücken, sie ist nicht bereit, zu capituliren, und Tsching vertritt lediglich die Kaiserin und Prinz Tuan. Ser Krieg in Südafrika. Die Streitmacht der Boeren unter dem General Viljcon, welche die Absicht hat, im nördlichen Theil von Transvaal, in der Umgegend von Pietersburg, sich noch weiter zu b- Haupte», hat auf ihrem Marsch von Komatipoort, längs dcc Salati-Eiscnbahn, bereits den Salifluß überschritten. Der von der Besatzung des Spitzkops gemachte Versuch, den Marsch der Boeren aufzuhalten, scheint erfolglos gewesen zu sein. Wahrscheinlich ist der Versuch von dem fast 100 Kilo meter in westlicher Richtung von der Rückzugsstraße der Boeren entfernt gelegenen Spitzkop mit einer zu schwachen Abtheilung unternommen worden. Die Salati-Eisenbahn geht von Komati poort in nordwestlicher Richtung ab, überschreitet den Olifant» - fluß, einen rechten Nebenfluß des Limpopo, und führt dann in Fenilletsn. i4j Der neue Tag.. Roman von Klara Zah Nachdruck vcrbotcn. Franz war bestürzt. Daß ein Mädchen den Geliebten be sucht und dennoch unschuldig sei, kam ihm nicht in den Sinn. Im Grunde hatte er auch die Auffassung vom Leben, die die Forde rung einer gesunden Natur über die Forderungen der gesell schaftlichen Sittlichkeit stellt. Dann aber mußte ein Mensch mit allen Consequenzen einstehen für sein Handeln. Unsittlich er schien es ihm, zu sündigen und sich zu verkriechen unter den Deckmantel der Heuchelei. So köstlich rein und unberührt in allem Denken und Fühlen war ihm noch nie ein Weib erschienen, wie dieses Mädchen. Und dennoch sollte sie schuldig sein? Eine Verachtung ohne Gleichen stieg in ihm auf gegen Eva, die die Freundin kaltherzig verrieth, gegen Anny, an deren Maske er geglaubt hatte, und doch war noch ein Zweifel in ihm, als er fragte: „Kannst Du auch beschwören, was Du da sagst?" „Ich kann's beschwören", erwiderte Eva hart. „Dann begreife ich nur nicht, wie Du diese seltsame Tugend heldin zur Freundin behälft! Ihr seid doch sonst nicht gar so nachsichtig in Eurem behäbigen Bürgerstolze." Franz wußte gar nicht, wie bitter seine Rede klang. Eva zuckte die Schultern. „Mitleid', sagte sie, „es mochte Keiner mehr von ihr wissen." „So. Nach Mitleid von Deiner Seite sieht aber Euer Ver- hältniß nicht aus." „Das wäre auch nicht schön", meinte Eva listig, und als sie den überraschten Blick in Franzens Augen gewahrte, fuhr sie sorglos fort: „Ich verurtheile sie auch gar nicht. Was kann sie denn dafür, wenn sie Einen so über alle Maßen lieb hat und ihn doch nicht heirathen darf — ich kann das schon verstehen." „O Ihr Weiber, mit Eurer Tücke und mit Eurer Herzens güte!" lachte Franz auf, „ein Narr, der Euch anders begehrt, als Ihr nun einmal seid." Der Groll, der gegen Eva sich in ihm geregt hatte, legte sich. Sie ist doch wenigstens ehrlich, dachte er, und giebt sich nicht besser, als sie ist. Frau Eva hatte nicht zu klagen mehr über den Vetter. Zwar kamen ihr später Gewissensbisse, als sie bemerkte, wie kalt und fast verächtlich Franz der Freundin cntgegentrat. Sie beruhigte sich selber. Sic hatte ja doch die reine Wahrheit gesagt! — Welchen Eindruck sie einst selbst empfangen hatte bei Anny's freimüthiger Erklärung, wie fern ihr Anny's hoher Sittlichkeit gegenüber jeder leiseste Verdacht geblieben war — das hatte sie natürlich nicht eingestanden, das war eben doch nur ihre blinde Gutgläubigkeit gewesen. Sie hatte sich nasführen lassen von der Freundin, ein Anderer sah auf den ersten Blick das Verdächtige ihres Handelns, an das sie ersd so spät zu glauben vermochte. — Nun aber hielt sie in ihrem Innern mit allein Eigensinn an diesem „Verdachte" gegen die Freundin fest, sie brauchte diese „Ueberzeugung" gegen sich selber, um nicht zu erschrecken über die eigene Niedrigkeit. Anny sah in dem veränderten Wesen des Architekten nur den gekränkten Mannesstolz, der eine unausgesprochene, aber em pfundene Zurückweisung nicht verwinden kann. Sie vermied das Haus der Freundin, und bemerkte es zunächst kaum, daß sie auch von dieser gemieden wurde. Franz Paulsen hatte den Tag seiner Abreise festgesetzt, und weder des Goldschmieds gutmüthiges Zureden, noch Eva's viel sagende Traurigkeit änderten seinen Entschluß. Er hatte nun doch bemerken müssen, daß er dem Herzen der jungen Frau näher stand, als es für den Frieden des Hauses gut war. Das bestärkte nur seinen Wunsch, so bald wie möglich Nürnberg ver lassen zu können. Die wenigen Tage bis zu seiner Abreise dünkten ihm qualvoll lang. Wo war all der Reiz dieser ihm einst so sympathischen Häuslichkeit hingeschwunden? Lebt wirklich alles Geschehende ein Doppelsein? Ein wenig Thatsächliches, das der Spiegel unserer Seele auffängt und wiedergiebt nach seiner eigenen Beschaffenheit? Der Vetter in seiner immer gleichen, trägen Gutmüthigkeit, sein junges, unbefriedigtes Weib mit ihrer flatternden Sucht nach Glück, das sie jetzt in ihm zu erblicken meinte, — wie anders erschienen sic ihm, als an jenen ersten Tagen, da ihm zwei schöne seltene Frauen, wie holde Genien, den Tempel der Häuslichkeit zu beschirmen schienen. Mit Anny schien aller Glanz und alles Leuchten in diese schale All täglichkeit gekommen und mit ihr gegangen zu sein. Was nun zurückblieb, war des Genießen» nicht mehr werth. Zwar an jedem anderen Orte hätte ihn ei» Weib wie Eva wohl zu kurzem Rausche verlockt, hier, als der Gastfreund seines Vetters, nimmer mehr! Fast mit Verachtung sah er auf die kaum noch verhüllten Ge fühle des junge» Weibes. Was fiel ihr ein? Was dachte sie von ihm? Dem Künstler wird so gerne nachgesagt, seine sittlichen Grundsätze wären leicht. Wie thöricht! Er ist ein Mann wie andere auch. Aber er sucht das Schöne noch im letzten der Ge nüsse, und das Gemeine stößt ihn zurück, nicht um der Sünde, sondern um seine: Häßlichkeit willen. So wirv ein echter Künstler nie dahin gerathen, wohin ein niederer Sin» de» heuchlerischen Biedermann führe» kann. Freilich, für eine große Leidenschaft giebt es keine Gesetze, sie ist wie eine Naturgewalt, berechtigt um ihrer selbst willen, ob sie Segen bringt oder Verwüstung. Die kleinen Leidenschaften aber hält der rechte Mann am Zügel seines Willens. So dachte der Architekt, und es freute ihn, daß er Ge legenheit fand, diese seine Gesinnung gegen Eva auszusprechen. Es war einen Tag vor seiner Abreise. Er hatte Eva lange schon beobachtet, die ihre Unrast, ihre innere Aufregung zu ver bergen, sich gar nicht mehr bemühte. Eine Scene schien fast un vermeidlich, und Franz beschloß, einer etwaigen Gefühlsexplosion zuvorzukommen. Er saß behaglich in der Kaminecke, rauchte die Cigarre, für die er ein- für allemal die Erlaubniß erhalten hatte, und sagte zu Eva, die in geschäftigem Nichtsthun hin- und her ging: „Wärst Du für den Genuß einer guten Cigarre zu haben, Evchen, dann würde ich Dich zu einem beschaulichen Stündchen einladen. Du glaubst gar nicht, wie der verdampfende Stoff dieses Krautes die Gedanken löst und beschwichtigt zugleich." „Meinst Du, ich sei dessen so sehr bedürftig?" fragte Eva. „Ja, >das meine ich. — Komm, setz' Dich einmal gemüthlich zu mir. Deine Unruhe ist wirklich ansteckend, und ich denke, wenn man für lange, vielleicht für immer von Menschen scheidet, mit denen das Leben uns in freundschaftliche Beziehungen brachte, dann thut solch' kleiner, ruhiger Ucberblick gut. — Ich bin ein praktischer Mann und liebe es, mit glatten Bilanzen zu rechnen." Eva waren die Thränen nahe. Diese lächelnde, überlegene Ruhe empörte sie, und doch nagte ihr ein Schmerz im Herzen, ein Drängen und Fragen war in ihr, das nach „Abrechnung" begehrte, so wie «r sie vorschlug. Franz wollte ihr Zeit zur Sammlung lassen, und da sie auf dem ihr zugeschobenen Sefsel- chen Platz genommen hatte, fuhr er fort: „Ich fürchte, ich habe ganz unbewußt Euren Haushalt in eine ungewohnte Richtung getrieben durch mein langes Verweilen. Du erzähltest mir viel von Eurem Verkehr, den Ihr sonst gepflegt habt, ich habe wenig davon wahrgenommen. Wie kommt das? Bin ich daran schuld?" ' - „Wenn das eine Schuld wäre — nun ja. Du wolltest ja nicht unter die „Spießbürger", um keinen Preis, und mir — und uns war Deine Gesellschaft die angenehmere. Für unseren Geschmack bist Du ja nicht verantwortlich." Es klang bitter und gereizt. Franz machte eine Geste des Bedauerns. „Wie blind, wie selbstsüchtig man doch ist", sagte er traurig. „Nun wird's Dir gewiß einige Mühe kosten, die alten Be ziehungen wieder anzukiiüpfen?" „Ich weiß nicht! Mir steht nicht mehr der Sinn danach." „Evchen, laß mich meine Unbedachtsamkeit nicht entgelten!" Eva schaute überrascht in Franzens Augen. Bargen seine Worte einen tieferen Sinn? Sie konnte es nicht glauben, er saß so ruhig und gleichmiithig in seinem Lehnstuhl, und seine Augen blickten völlig frei, in freundschaftlicher Theilnahme zu ihr herüber. „Was kümmert es Dich, wenn Du fort bist", sagte sie trotzig „Viel würde es mich kümmern, wenn Du in einer raschen Laune Dir uno Deinem Manne Schwierigkeiten schaffen wolltest. Ihr habt ein schönes, befriedigendes Leben, zerstöre es nicht muthwillig, Eva. Deine Lebenspflichtcn sind so leicht, mache sie Dir nicht selber schwer." „Leicht, — sehr leicht! — Natürlich. — Ihr zählt ja nur, was ich habe und genießen kann, — was ich entbehre, wonach ich hungere in aller Fülle, das gilt ja nicht!" „Man kann sich sehr leicht Bedürfnisse anphantasiren, die gar nicht vorhanden sind", sagte Franz ein wenig rücksichtslos im Ton, — „gewöhnlich thun das die Uebersättigten, zu denen Du mit Deiner Frische und Natürlichkeit gewiß nicht gehörst. — Es wäre doch schade um Deine liebe Fröhlichkeit, die so recht eigentlich Deine beste Naturgabe ist, wenn Du Dich ins Lager der „Unbefriedigten" hineindenken und -dichten wolltest." „Du spottest! — Nun ja, warum nicht, — um Dich hab' ich den Spott schon verdient." »Ick spotte nicht. Mir ist sehr ernst zu Muthe. Wenn ich ein Kind am Brunnenrande spielen sehe, dann werde ich es fort führe» von der gefährlichen Stelle, wenn dies in meiner Macht steht. So möchte ich auch Dich warnen vor gefährlichem Spiel. Deine Phantasie soll nicht erkranken. Noch liegt es in Deiner Hand. Mit festem Willen uns mit Deinem Hellen Köpfchen kommst Du schon hinweg über die thörichten Spukgestalten, die Dir da unversehens in den Weg gelaufen sind."
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