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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.08.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000828021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900082802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900082802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-08
- Tag1900-08-28
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Do-trinä», d. h. eia kleiner Bru-thetl der Bevölkerung. . . Ich habe unser» Buade-rath nicht interviewt, aber verschiedene Anzeichen lassen daraus schließen, daß er sich nicht ablehnend verha"en würde. Er ist dem Königreich Italien aus Anlaß der Unruhen in Mailand weiter eutgegengekommrn, al- man von ihni verlangen konnte; er hat die vorjährige Eonferenz in Rom beschickt, nicht ohne Opposition, gewiß, aber die große Mehrheit de- Schweizer» Volke- stand hinter ihm und würde hinter ihm stehen, wenn er zu wirksamen Maßregeln die Hand böte. Wir sind ja eben auch an der Arbeit, unseren Niederlassungsvertrag mit Italien zu revidiren, um freie Hand zu schaffen, verdächtige Elemente fern zu halten." Um so befremdlicher ist das milde Auftreten der Behörden der ReichShauptstadt gegen die Anarchisten. Wiederholt haben Berliner Blätter ihrem Befremden darüber Ausdruck gegeben und darauf hingewiesen, daß der Anarchismus, das Bekenntuiß zu ihm und die Bethätigung in Versammlungen und Schriften ipso Lato eine vorbereitende Handlung zum Hochverrathe sei. Jetzt schreibt das Organ das Bundes der Laudwirthe: „Wir haben kürzlich von anarchistischen Versammlungen berichtet, dir hier stattgefunden haben und zum Thri! aufgelöst worden find. In einem hiesigen nationalliberalen Blatte finden wir Ausdrücke der Verwunderung darüber, daß die Ab» Haltung solcher Versammlungen noch geduldet wird. ES wird dir Forderung rrhobro, daß die Polizei alle anarchistischen Versammlungen grundsätzlich verbieten solle. Wir find fachlich damit rinverstanden. Auch wir haben es niemals begreifen können, daß Brr» fammkuugen, di« als anarchistische gekennzeichnet werden, ab gehalten werden dürfen. Der Anarchismus ist, mag er nun wildere oder zahmere Formen haben, die Partei obsoluterGesrtzlosigkeit. Versammlungen solcher Parteien darf eigentlich der Staat, als die Verkörperung der Gesetzmäßigkeit, nicht dulden. Wenn man aber consequent weiterdenkt, kann man bei dem Verbote der anarchistischen Versammlungen nicht stehen bleiben. Ist die anarchistische Partei staatsgcsährlich, so wird mau auch nicht dulden können, daß «io Staatsbürger sich öffentlich zu ihr bekennt. Dir selbstverständliche Folge des Bekenntnisses zum An» archiSmuS müßte mindestens der Verlust der Staalsbürgerrechte fein. Da sich nun liberale Blätter schon zu der Auffassung durch, gerungen haben, daß die anarchistischen Versammlungen unter allen Umständen zu verbieten seien, so dürfen wir wohl hoffen, daß sie auch zu den oben entwickelten Consequenzen sich bekennen werden." Jedenfalls wird die Angelegenheit im Reichstage nach seinem Wicderzusammentritte zur Sprache gebracht und dabei darauf hingewiesen werden, daß auf gemeinsame Maß regeln gegen den Anarchismus um so weniger zu hoffen sein wird, mit je größerem Rechte England sich daraus berufen kann, daß in Berlin die anarchistische Propaganda in Wort und Schrift gestattet wird. Die Haltung des Vatikans anläßlich der Cr- morvung 0cs Königs von Italien war, wie sich jetzt immer klarer herauSstcllt, eine sehr unrühmliche. Der „Frkf. Ztg." wird darüber aus Rom geschrieben: So schlimm, wie der officiose Telegraph mit der letzten Auslassung des Vatikans im „Osservatoro Romano" umgegangen ist, so schlimm hat sich selten ein ossiciöscs Bureau verfehlt. In der offi- ciösen Darstellung steht nur, »daß die katholische Geistlichkeit den Trauerfeierlichkeiten für König Umberto deshalb Ehren bezeugungen erwiesen habe, weil die geistliche Behörde gegen das verabscheuuugöwürdige Verbrechen protestiren wollte, und dann auch, weil König Umberto zweifellos religiöses Em pfinden und dieses namentlich in der letzten Zeit bei Gelegen heit deS Jubiläums bewiesen habe." Im Texte aber liest man anders, und auch der Ton des Textes ist ein anderer. Der „Osservatoro Romano" vom letzten Sonnabend sagte wörtlich: „Nicht wenige Leute in Italien, und noch mehr im AuSlande, haben wegen der Leicheuseierlichkeiten für König Umberto und wegen eines gewissen GebeteS für die Seelenruhe desselben Klage erhoben gegen die geistliche Behörde, gleichsam alS ob diese in irgend einer Weise die heiligsten Gesetze der Kirche ver letzt hätte. Wir müssen daher seststellen, daß die geistliche Behörde die Leichenfeierlichkelten geduldet hat, nicht nur um gegen daS nichiswürdige Verbrechen zu protestiren, sondern viel mehr noch wegen der persönlichen Verhältnisse Les Verstorbenen, der be sonders in den letzten Zeiten seiner Lebens unzweifelhafte Anzeichen religiösen GesühIS gegeben hat, soweit gehend, daß er, wie man sagte, gewünscht haben soll, sich in diesem heiligen Jahre durch die Sakramente mit Gott zu versöhnen. Alles dieses erwogen, kann man an nehmen, daß König Umberto in den letzten Augenblicken seines Lebens die unendliche Barmherzigkeit GotteS angerufen habe, und daß, wenn er Zeit gehabt hätte, nicht gezaudert haben würde, sich mit Gott zu versöhnen. Nun ist eS Gesetz der Kirche, das mehrere Male von der heiligen Penitcnzieria ausgestellt wurde, daß in ähn lichen Fällen da» kirchliche Begräbaiß au- d«m gestattet werden kann, dem »« eigentlich verweigert werden müßte, vorausgesetzt, daß der dem Range deS Verstorbenen gebührende äußere Pomp ge- mildert würde. Was dann noch daS bekannt« (!) Gebet anbetrifft, da» in einem Augenblicke der höchsten und mitleidenSwerthen Seelen- bedrängniß versaßt wurde, so ist eS, da rS nicht den Formen der heiligen Liturgie entspricht, niemals von der höchsten kirchlichen Autorität gebilligt worden, noch hätte rS je gebilligt werden können." DaS klingt ander-, wie die kurze Rote der „Agenzia Strfani", klingt auch anders wie der Bericht der katbolischen ..Germania" und der al» positiv wahr bezeichnete, daß König Umberto die letzte Woche vor dem Tode die Sakramente empfangen habe. Der Correspondent der „Germania" bat sicherlich in vatikanischen Kreisen seine Informationen geholt. Also nichts wie Unrichtigkeiten, Zweideutigkeiten und — Bosheiten; denn der Angriff auf die Königin Margherita und da- von ihr verfaßte und vom Bischof von Cremona, Bonomelli, approbirte Gebet ist eine Bosheit. Warum verschwieg der amtliche Telegraph diese Niedlichkeit? DaS hat nun die Königin - Wittwe davon, daß sie Jahrzehnte lang bis zur Bigottbeit klerikal war! Dank vom Vatikan? Die liberale Presse Italiens ist natürlich entrüstet über daS schöne Schriftstück des vatikani schen Amtsblattes. Dir „Tribuna" sagt: „Der Ekel ver hindert unS, daS Schriftstück so zu commentiren, wie dies eS verdiente. In diesem Augenblicke läßt sich der Vatikan weder durch die Trauer eines ganzen Volkes, noch durch den Schmerz einer Wittwe rühren. In einem Augenblick, da ein gemeiner Mörder das Princip der Autorität verletzt, findet die Kirche, die doch dies Princip schützen und zugleich Lehrerin der Barmherzigkeit sein sollte, nur kühle, verletzende, grausame Worte!" Ändere Blätter sind noch derber. So spricht die Mailänder „Alba" von CyniSmuS. „Al- Menschen fühlen wir, wie sich unser ganzes Innere empört." Als Italiener sagen wir: „Besser so!" — Es ist sehr erfreulich, daß die italienische Negierung gemäß dem Programm deS Königs ein wachsame« Auge auf die Haltung des Vatikans und des CleruS hat und fest zugreift, wenn eS nöthig ist. So meldet man uns: * Rom, 27. August. Wie die „Agenzia Stefani" berichtet, ist der Pfarrer pon San Sebastian (Rom) unter der Anklage der Verherrlichung des KönigSmordes verhaftet worden. Hoffentlich wird dem fanatischen Priester der Proceß energisch gemacht. Er soll bekanntlich in einer Weinstube geäußert haben: „BreSci bat gut daran gelbau, den König zu tödten, wir werden sehen, auf welche Weise sein Nach folger sterben wird." Deutsches Reich. Berlin, 27. August. Die Adresse der national liberalen Partei, die Herrn Geheimen Rath vr. Oeckel- bLuser zu seinem 80. Geburtstag gestern durch das Mit glied deS Centralvorstandes, Herrn Commerzienralb Holtz mann-Weißenbach, überreicht worden ist, hat folgenden Wortlaut: Hochgeehrter Herr Geheimrath! Lieber und werthgeschätzter Freund! Zur großen Freude Ihrer politischen Gesinnungsgenossen hat ein gütiges Geschick Ihnen beschicken, morgen ihr 80. Lebensjahr in be- neidcnSwerther geistiger Frische und körperlicher Rüstigkeit zu vollenden. Vergönnen Sie es uuS, unter den Ersten zu sein, die sich Ihnen an diesem glücklichen Tage mit herzlichen Glückwünschen nahen. Sie haben stets im Dienste de» Vaterlandes Ihre besten Kräfte für dessen politische, wirthschaftliche und geistige Entwickelung in weitestem Umfange eingesetzt und sich dankbare Liebe und ungetheilte» Ansehen in allen Kreisen unseres Landes erworben. — Nur Wenige unter den jetzt Lebenden können auf ein so leistungSerfüllte» und erfolgreiches Leben zurückblicken wie Sie. Der nationalliberalen Partei waren Sie von ihrer Entstehung an ein fester Stützpunkt und ein treuer Berather. Stets dursten die politischen Freunde auf Si« rechnen, wenn eS galt, für die ge- meinsame politische Auffassung rinzutreten, das Nationalgefühl zu kräftigen, dem Volksleben einen freiheitlichen Inhalt zu geben und die von der Gerechtigkeit und der Humanität getragenen Grundsätze der Socialgesetzgebung zu verfolgen und zur Geltung zu bringen. Dankbar erinnern wir uns Ihrer lebhaften Antheilnahme an den Arbeiten und Kämpfen der drei Jahrzehnte seit der Aufrichtung deS) deutschen Reiches und insbesondere Ihrer hervorragenden Thätigkeit al» Mitglied des Reichstags. Alle, die da- Glück hatten, mit Ihnen im öffentlichen Leben zu sammenzutreffen, sind bei den Gedanken an Sie von dem fesselnden Gesühl durchdrungen, daß Sie von hohen und idealen Gesichtspunkten aus vorurtheilSsrei und mit wcitschauendrm Blick da» Wohl deS ganzen Volkes onstrebteu und daß, nicht weniger, wie Ihr auf reicher Lebenserfahrung und vielseitigen wissenschaftlichen Studien gegründete» Urtheil, wahre Menschenliebe Sie in Ihrer öffentlichen Thätigkeit geleitet hat. Mit verdoppelter Zuneigung hängen Ihnen deshalb alle Vater- landsfreunde au und unzerstörbar ist Ihnen unser Dank gesichert. Mögen Sie, verehrter Freund, noch viele Jahre dem Vaterlande und uu» erhalten bleiben und möge eine erwärmende Sonne auch fernerhin Ihre LebeuStage beleuchten. In treuer Verehrung: Der leotralvorstand der Nationalliberalen Partei Deutschland», vr. Hommacher. * Berlin, 27. August. (Der Kaiser als Redner.) In der Zeitschrift „Der VolkSerzieber" plaudert Herr Schwan er über die Art de» Kaisers im Reden: „Einige meiner Freunde haben sich darüber gewundert, daß ich die letzte Chinarede (die Bremerhavener) unseres Kaisers so „optimistisch" und „harmlos" aufgefaßt. Sie schreiben meine Gutgläubigkeit dem Umstande zu, daß ich auf Reisen in Oberbayern war, wo man „wenig Gelegenheit hat, die Tageszeitungen genau" zu ver- folge» und infolge dessen Gefahr läuft, den Zusammenhang mit den neuesten Ereignissen zu verlieren. Wen» ich diesen meinen aufrichtigen Mitarbeitern hier antworte, so geschieht es nicht etwa, um mich zu rechtfertigen oder eine Richtung für den „Volkserzieher" anzugrbeu: ich steh« in Bezug auf die betreffende Kaiserrede noch genau auf demselben Standpunkt, den ich in Garmisch einnahm; und was den Kaiser selbst angeht, so habe ich auch da keinen Anlaß, irgend eine Ansicht von mir über ihn zu revidircn. Ich habe wieder holt den Kaiser fprrchen hören und einige seiner Reden nach geschrieben. Wer in der gleichen Lage mit mir ist, weiß, wie schwer eS ist, solch einer Rede zu folgen und gor, «ine richtig oachzuschreiben. Es kam vor,* daß unser Vier, jeder einzelne Vertreter eines besonderen Blattes, einen anderen Wortlaut niedergeschrieben hatten. Um die tollsten Widersprüche zu beseitigen, blieb unS nicht- Anderes übrig, als aus den vier Reden durch Nedigiren eine zu fixire». Es hat Niemand nachher gemerkt — auch das amtliche Wols'jche Bureau nicht —, „wie die neueste Taufrede Sr. Majestät" zusammengeschweißt war. Sie galt für echt vom ersten bis zum letzten Buchstaben! Und doch konnte sie r- nicht sein. Denn der Kaiser, der selten Allen verständlich spricht, redet zwar stets zu Anfang so langsam und deutlich, daß ma» bequem nachschreiben kann. Nach und nach beschleunigt sich aber das Tempo der meist improvisirlen Rede, um sich schließlich fast zu überstürzen. Dann heißt «S abwechselnd stenographiren. Jeder einen oder zwei Sätze, während der Andere gespannt ausmerkt! So entstehen die wortgetreuesten Kaiser reden. Wenn aber Jeder aus seine eigene Faust losschrcibt, wo- möglich mit halbem Ohre hört oder gor noch niederschreibt, was man vermuthet oder hofft, Laß eS „Majestät sprechen würden", so entstehen die Reden von „Pardon wird nicht gegeben". Da fehlt nur noch der Zusatz: „Weiber, Greise und Kinder werden auf gespießt!" . . . DaS angeführte Beispiel „Pardon wird nicht gegeben" ist nicht glücklich gewählt, da dieser Ausspruch auch vom „Reichs anzeiger" abgcdruckk, also doch wohl als tbatsächlich erfolgt zu betrachten ist. Im Uebrigen mag eS sich mit den Schwierig keiten einer korrekten Wiedergabe kaiserlicher Reden schon so verhalten, wie oben geschildert wird. — Zu dem heutigen Adlerschießen der Offiziere des 1. Garde-Regiments zu Fuß auf den Schießständen im Katha rinenholz bei Potsdam erschienen am Nachmittag auch der Kaiser und die Kaiseritz. Nachdem der Oberst des Regiments die Majestäten empfangen hatte, nahm das Schießen seinen Anfang. Den ersten Schuß auf den Adler gab der Kaiser ab, welcher sich sodann auch an dem Schießen auf den anderen Schießständen betheiligte. Gegen 7^ Uhr fiel der letzte Theil des Adlers. Die Kaiserin überreichte dem Schützenkönig Leutnant Frhrn. v. Ende persönlich den Preis, welcher in einer großen silbernen Schale bestand. An dem Schießen betheiligten sich auch der Kronprinz und die übrigen bei dem Regimente stehenden Prinzen. Das Kaiserpaar begab sich sodann nach dem Neuen Palais zurück. — Ein Geschenk von 100 000 hat der Kaiser aus seinem Dispositionsfonds der katholischen Schul gemeindezu Gnesenals Beihilfe zu den Kosten für den Bau eines neuen Schulgebäudes überweisen lassen. — Der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe wird, wie jetzt bekannt wird, gegen Ende der Woche in Berlin erwartet. — Den Vorsitz in der heutigen Sitzung des Staats- Ministeriums führte Minister v. Thielen. — Die Prinzen Friedrich August von Sachsen, a la suils des Garde - Schützen - Bataillons, und Johann Georg, a la suite des 2. Garde-Ulanen-Regiments, werden am Sonnabend nach Berlin kommen, um der großen Herbstparade des Gardecorps beizuwohnen. — Die zum Jubiläum des Sultans nach Konstanti- nopel bestimmte deutsche Specialmission ist zu- sammengesetzt aus dem commandirenden General des 11. Armee corps von Wittich, dem Flügeladjutanten Grafen Moltke, dem Hauptmann von Unruh und dem Oberleutnant von Wittich. — Den Angehörigen der zum deutschen Schutz- Detachement in Peking gehörigen Mannschaften, die durch die Eroberung der chinesischen Hauptstadt aus ihrer gefährlichen Situation befreit worden sind, ist diese erfreuliche Nachricht amtlich mitgetheilt worden. Da» an den Korb- machermeister Günther in Hamm von der Inspektion der Marinc-Jufanlerie gerichtete Schreiben lautet: „Nach einem Telegramm de» AdmiralstabeS der Marine ist da» in Peking ringeschlossene Seesoldaten - Detachement am 15. dieses Monat« befreit worden. E- gereicht mir zur besonderen Freude, Ihnen mittheilen zu können, daß Ihr Soh» sich nicht unter den Gefallenen oder schwer Verwundeten befindet. Ob er unter deu leicht Verwundeten ist, konnte noch nicht festgestellt werden, indeß ist auch dann noch keine Ursache zur Be- sorgniß für Sie vorhanden, weil nach den eingegangenen Nach- richten die leicht Verwundeten schon auf dem Wege zur Besserung sind. Die wohlverdiente Anerkennung für da» heldenmüthige Aus- harren der braven Seesoldaten wird nicht au-bleibeu. Die Marine- Infanterie ist stolz auf diese tapfere» Kameraden, zu denen auch Ihr Sohn zählt. Der stellvertretende Inspekteur Rüder, Oberstleutnant ä I» suito deS 1. Seebataillons." — Das deutsche Hilfscomits für Ostasien theilt mit, daß der Staatssekretär des Reichspostamtcs v. Podbielski sämmtliche Postanstalten Deutschlands angewiesen hat, Geldbeträge für die in Ostasien kämpfenden Deutschen anzunehmen. — Durch diesen Erlaß ist den Bewohnern der großen, wie der kleinen Städte und des Landes Gelegenheit gegeben, ihre Beiträge auf bequeme Weise an die Sammelstelle der Postämter gelangen zu lassen. — Daß diese Verfügung ihren Zweck nicht verfehlt, beweist die Thatsache, daß täglich bei dem Deutschen Hilfscomits für Ostasien in Berlin 200—400 Anweisungen von Postämtern aus allen Theilen des Reiches im Betrage von 2—5000 eingehen. — An den Geheimrath Prof. vr. Virchow hat aus Anlaß seiner goldenen Hochzeit die LandtagSfraction, der er angehvrt, das folgende Glückwunschschreiben gerichtet: Hochverehrter Herr College! Zu den vielen Ehrungen, mit denen Ihre selbstlose, unermüd liche Arbeit und Ihre hohen Verdienste anerkannt worden sind, hat das Geschick eine Auszeichnung hinzugefügt, wie sie nur Wenigen zu Theil wird, gleichsam als wollte eS nun noch die Seite Ihres Lebens krönen, di« sich den Blicken der Oessentlichkeit entzieht. Es ist Ihnen vergönnt, mit Ihrer Frau Gemahlin im goldenen Hochzeitsschmucke Rückschau zu halten über ein gemeinsam verlebtes halbes Jahr- hundert, die Summe zu ziehen auS eiuer Rechnung, deren Ansätze Herz- liche Liebe und Treue, gemeinsame Sorge und gemeinsames Glück waren. Wir mußten abseits stehen, wenn die Wissenschaft ihre Rechte geltend machte, um die große Dankesschuld abzutragcn, die in daS Cchuldbuch der Geschichte eingezeichnet ist. Wir dürfen aber hoffen, da Zutritt zu haben, wo rein menschliche Empfindungen Ihr Herz bewegen, denn Sie selbst haben uns gelehrt, daß die politische Bundesgenossenschaft auf dem Grunde der Geistesverwandtschaft und der Freundschaft ruhen soll, weil für die erstrebten Ideale der ganze Mensch einzusetzen ist. So bitten wir Sir, unfern Herz- lichsten Glückwunsch entgegen zu nehmen, der auS treuestem Herzen kommt. Mögen Sie in der alten Frische Ihrer Familie und auch uns erhalten bleiben, Ihrer Familie zur Freude, uns zum Vorbild, dem deutschen Volke zum Zeugniß wahrhafter Ueber- zeuguugstreue. Die LandtagSfraction der Freisinnigen Bolkspartei. gez. Kittler-Thorn, vr. Krieger-Königsberg, Vorsitzender. Schriftführer. — Der wegen seiner Haltung zur Canalvorlage gemaß regelte Landrath z. D. Le Wald, Mitglied des Hauses der Abgeordneten, ist der „Kreuzztg." zufolge zum Oberregierungs rath bei der Regierung zu Breslau ernannt worden. Sein Ab geordnetenmandat erlischt dadurch. — Der Minister der öffentlichen Arbeiten hat angeordnet, daß, soweit dies bisher noch nicht geschehen ist, die Fern-, Durchgangs- und Orts-Güterzüge als solche in den Fahrplanbüchern bezeichnet werden. — Hinsichtlich der Sonntagsruhe im Apotheker gewerbe ist auf eine Eingabe folgender Bescheid auS dem CulluSniiuisterium unterm 19. d. M. ertheilt worden: „Auf die Anfrage vom 31. Juli d. I. erwidere ich, daß die wegen ev. Einführung der Sonntagsruhe beim Apothekergewerbe angestellten Ermittelungen noch nicht zum Abschluß gelangt sind, und daß deshalb eine Stellungnahme meinerseits bisher nicht er- solgeu konnte." e»'— Ueber die Nothwendigkeit der ärztlichen Unter suchung und Impfung ausländischer Arbeiter und die Tragung der Kosten hierfür sind vielfach Zweifel ent standen; die preußischen Minister deS Innern und deS CultuS haben deshalb nachstehende Entscheidungen getroffen: 1) Ausländisch-polnische Arbeiter sind binnen drei Tagen nach der Ankunft am Arbeitsorte auf ihren Gesundheitszustand ärzt lich zu untersuchen und — wenn sie nicht bereits mit Erfolg ge impft worden sind oder die Pocken überstanden haben — zu impfen; 2) ausländische, nicht polnische Arbeiter sind zu impfen, wenn die Gesuudheitsverhältnisse des HeimathS- oder Beschäftigungsortes einen PockenauSbruch befürchten lassen und die Arbeiter nicht die Pocken überstanden haben oder mit lobt sei. Wie konnte die in ihrer Redlichkeit und Einfalt fast kindliche Seele des Mannes einen Verrath, eine Gefahr fürchten? Lion, von dem Alten zur Rede gestellt, hatte im Bewußtsein der kläglichen Rolle, die er spielte, wohl etwas wie von einer Heirath gesprochen, war aber von Bator mit Entrüstung zurück gewiesen worden. Bator sagte ihm, ein Herr und ein« Bauern dirne, das pass« zusammen, wie Oel und Wasser, das wisse er selbst, denn er habe selbst nicht daran gedacht, die Angst und Scham der Minute habe es ihm eingegeben, er habe es gar nicht ausgesprochen, wie Einer, der weiß, was er will, sondern wie ein Mensch, der da» Wort selber nicht hören will, das er aus spricht, wie Einer, der über einen Graben setzt, und während er es thut, die Augen schließt, damit er das Grauen unter sich nicht sieht, er sagte ihm Dies und und noch Mehreres, und es war, als hätte er es dem jungen Manne von der Seele heruntergelesen. Der Entschluß war wirklich keine Ueberlegung früherer Tag«, keine Wirkung kurz vorhergegangener Stunden, er hatte nie an «inen solchen Ausgang gvdacht, wie er überhaupt nicht denken wollt«, wie das Liebesidyll end«n würde. Er liebte oder glaubte zu lieben, und das war für ihn Entschuldigung g«nug; er wollte genießen, nichts weiter; an das Später dachte er nicht, und so hatte ihm der Antrag nur die Scham vor dem Alten und die Furcht vor dem bleichen, drohenden Gesichte deS betrogenen Burschen entrissen; denn er bereut« di« Wort«, bevor sie noch ausgesprochen waren. Wo» sollte er, der durch Güburt, Bildung, Stand Hervorragende, mit dem Bauernmädchen beginnen, wie sie seinem Kreise heimisch und befreundet machen? Ueberhaupt hatte ihn der Auftritt gewaltig abgekühlt. SeinGe- müth war nicht für derartige aufregende Scenen gestimmt; sein leichtlebiges, genußsüchtige» Naturell war nur für die süßen, son nigen Stimmungen der Liebe eingenommen, und so war er im Innern glücklich, daß der Alt« so fest und energisch den Faden zerriß, den seine Leidenschaft und Leichtsinnigkeit um ihn ge sponnen. ... Zwar fühlte «r «twa» wi« Reue und Schmerz, al» sich da» Mädchen laut weinend an ihn hing und schwur, ohne ihn nicht leben zu können, zu wollen. Er hatte ein Gefühl von Beschämung bei dem Schmerz und Zorn de» alt«n Mannes, der den Tag verfluchte, an welchem er ihn gerettet und in sein Hau» gebracht; denn für ihn war «r der bös« Geist de» 'See» ge worden, er fühlte Schmerz, Reue und Beschämung; da er ader wußte, daß diese Eindrücke nicht lang« Stand halten würden, daß sie verfliegen würden mit dem ersten Schritte in da» alte Leben hinaus, so ertrug er diese momentan unangenehmen Em pfindungen gern, um den Prei» — frei zu s«in. Während die» in der Frscherhütt« vovging, bereiteten sich Kämpfe anderer Art im richterliche Hause vor. Marie Khxaltz hatte für Juran stets eine besondere Zuneigung gehabt, und wenn diese auch keiner rein«n, lautern Quelle entsprang, so hatte sie bei dieser wilden, sinnlichen Natur doch ein« gewisse Festigkeit und Zähigkeit, vielleicht auch nur darum. — Marie war wegen ihrer Schönheit und ihre» Reichthums ein vi«I gefeiertes und umworbenes Mädchen. Di« männlich« Jugend «des Dorfes lebte in fast ewigem Streite und Hader ihret wegen, aber auch in die nahen Dorfschaften erstreckte sich ihre Macht, und Freier kamen von allen Gegenden. Marie war gegen Alle — nicht kalt, dazu war sie zu kokett und sinnlich, si« war gegen Alle gleich freundlich und liebenswürdig, aber ihr Sinn blieb auf Juran gerichtet, und nur darum, weil er der Einzige war, der nie ein Lächeln, ein freundliches Wort für si« hatte, der nie mit ihr tanzte und ihr kälter und fremder begegnete al» jeder Andere. Ihre Neigung entsprang also au» keinem unabwendbaren Hinneigen zu ihm, sondern aus «inem ursprünglich egoistischen und erbitterten Gefühl«. Sie hätte ihn um jedem Preis an ihrem SirgeSwagen haben mögen. An dem kalten Widerstand aber, den sie fand, entbrannte immer heißer und heißer der Strahl, und bald wurde heißes Wünschen wildes Begehren, was an fangs kalte Berechnung gewesen. Der Schlag, d«r Juran'L Liebesglück und sein« Hoffnungen vernichtete, hob die ihrigen aus dem Grabe empor. . . Jetzt mußte er ihr «igen werden, mußte! . . Sie wollte nicht ruhen, nicht rasten, bis sie ihn erobert hatte, aber auch den Augenblick mußte si« nützen.. . Wenn si« ihm jetzt mit ihrer Li«be entgegen trat, wo noch di« Wunde so frisch, di« Erbitterung so groß sein mußt«, konnte «r ihr nicht widerstehen. Si« war schön, reich und die Jlonka gegen sie nur ein halbwüchsige», unreife» Ding. . . Mari« war nicht gewöhnt, ihren Wünschen Zügel anzulegen, wenn di« Erlangung im Bereiche der Möglichkeit lag, auch hatte si« ein zu heiße» Temperament, ihr« Eingebungen lang« hinau»- zuschieben; so bewog sie ihre Mutter, die ihr stet» und in Allem gefügig war, mit dem Antrag in da» richterliche Hau» zu gehen. Es war zwar nicht die rechte Art; denn die Brautwerbung ging nicht von dem männlichen Theil« auS, ober Marie, di« sich über Manche» himvegsetzte, nahm auch hierin keinen Anstano. Und dann — nach wem chatt« si« zu fragen, wa» »u fürchten? Selbst abgewiesen, konnte e» ihr an Freiern nicht fehlen. Sie wurde aber nicht abgewiesen, wenigsten» von dem Richter nicht, dieser fühlte sich im Gegentheil ganz glücklich und geehrt. Eine bessere Partie konnte «» gar nicht geben, nach Allem, wat geschehen war, gewiß nicht." Daß sich JanoS über die Ereignisse in der Fischerhütte freute, ja sich im Stillen Glück wünscht«, läßt sich denken. Der fremde Mann hatte zu seinen Gunsten gearbeitet, als wäre er mit all' seinen Plänen und Entschlüssen vertraut gewesen, und hätte sie zu den seinigen gemacht. . . . Und am Ende, er, Janos, hatte ja nichts dazu gethan! Er sah nur den verderblichen Funken in da» stille, friedliche Haus legen und wehrte nicht und warnte nicht.... Mochte es dsm Alten Schmach und Schande bringen, wenn e» nur ihm den erwünschten Vortheil brachte. . . Hätte sich das Verhältniß nicht auf diese unerwartet« Weis« gelöst, so hätte er zu etwas Anderem greifen müssen, und dem harten, gewalt- thätigen Manne wäre kein Mittel zu schlecht gewesen. Je nach sichtiger er sich die langen Jahre hindurch dem Sohne bewiesen, und er hatte es nur gethan, weil er das Ganze für eine Spielerei betrachtet hatte, desto mehr staut« sich sein ganzer Widerstand, seine Härte, all' seine bösen Leidenschaften in dem Momenre zu sammen, als es Ernst werden sollte. Janos war ganz glücklich über den Antrag, und da er di« Angelegenheit bald erledigr wissen wollte, um auf diese Weis« alle Brücken hinter Juran abzubrechen, so bestimmte er den Versprach schon auf den kommenden Sonntag und die Hochzeit auf drei Wochen später; bis dahin wollte er den Sohn seinen Wünschen geneigt machen. Di« ersten Tage war Janos zu sehr von seinen amtlichen Pflichten in Anspruch genommen; es war MilitärauShöbung, und der Richter mußte sogar auf einige Zeit nach Webprim, wo das Lomltatsgericht war, die Unterhandlungen mit Juran mußten noch unterbleiben, dadurch fand aber dieser Gelegenheit, di« Sache selbst zu erledigen; denn von seiner Stiefmutter er fuhr er Alles. Er ging an einem Nachmittag nach dem Weingarten, der am Abhang des Tyhany lag. Der Weg führte zwischen Mais felder und braches Land. Auf einem der Aecker stand Marie und pflügte ihn zum Winterbau. Das Pferd an der Leine führend, ging das schon«, kräftige Mädchen neben dem Pflug« her, Juran sah sie nicht, oder wollte sie nicht sehen, er ging ohne Gruß vorüber. Das war de» Mädchen» Absicht nicht. Die Aussicht auf ein trauliches Zwiegespräch war zu schön, als daß sie sich die Gelegenheit hätte entgehen lassen wollen. Direct anrufen wollt« sie ihn nicht, aber ihr rascher Witz ließ sie «in andere» Mittel finden. S« erhob den Peitschenstiel und schlug ihn dem Pferde so heftig in dre Weichen, daß sich da» gequälte Thier laut schnaubend austäumt«, hin und her sprang und wüthend mit den Hinterfüßen um sich schlug. Mari« rief laut um Hilfe. Juran blieb augenblicklich stehen und wandte sich um, dann sprang er über den Graben, faßte da» schäumend« Thier bei den Zügeln und riß so kräftig an den Halftern, daß eS augenblicklich stille stand und fast demüthig den Kopf vor dem starken Manne neigt«. Wie um es völlig zu beruhigen, streichelte ihm Juran das braune, glänzende Fell — dann gab er dem Mädchen die Zügel in die Hand. „Ich dank Dir, Juran", sagte Marie, sie stand da mit ge- rötheten Wangen und klopfendem Herzen. Es lag nichts von Blödigkeit oder Schüchternheit in ihrer Natur, «her das Gegen theil, aber Juran gegenüber fühlt« sie jetzt einen Anflug davon. Sie wußte nicht, wie sie 'sich gegen ihn verhalten sollte, da sie nicht benachrichtigt war, ob er zugesagt, oder nicht, ob er überhaupt von dem Antrag wußte?... „Ich dank' Dir", wieder holte Marie. „Ist nit nöthig, die Müh' war Nit so groß." Er machte einige Schritte, wie sich zu entfernen, dann aber kehrte er plötzlich um, trat vor das Mädchen hin, sah ihm eine Weile in das Gesicht und sagte dann: „Es ist immer besser, wenn Menschen offen sind und aus sprechen, was sie denken, Marie, Deine Mutter und mein Vater haben sich verständigt, daß ich Dich heirathe und in Euer Haus ziehe, ich sag' Dir aber hier offen und redlich, daß daraus nichts werden kann und wird und daß Du den Gedanken darauf auf geben sollst." Mariens blühendes Gesicht wurde so weiß, wie das Tuch, das sie auf der Brust trug. „Du weisest mich ab, Juran?" „Dich, wie jede Andere, wenn Dich das trösten kann." „Auch dann, wenn ich Dir sag', daß ich Dich möcht', daß ich Dich von Herzen lieb hab'. . .?" Ihre Stimme klang weich und bittend, und es lag etwas Mildes, fast Demüthiges in ihrem gan zen Wesen, wie sie jetzt dastand und ihm ängstlich in» Gesicht schaute. Juran war überrascht; ein seltsamer Ausdruck ging über sein Gesicht; es lag wie Mitleid und Erstaunen darauf; seine Stimme klang milder, als er jetzt erwiderte: „Auch dann, Marie, obwohl mir daS Letztere leid thut." Jetzt flammte die ganze Leidenschaft des Mädchen» auf. Sie hatte sich vor ihm gedemüthigt, sie, die Gefeierte, Gesuchte, und — war verschmäht worden. Die ganze Gluth ihres Wesens brach hervor. „Schau mich an, Bub!" rief sie, „schau mich an! Ich bin wohl häßlich, ich kann den Vergleich mit Deiner Jlonka nicht auS- halten? Die Dirn', die Dich so schmählich betrogen und ver- rathen hat, ist.wohl schöner und besser?" Es lag eine Art wilder, sinnlicher Schönheit in ihrer Er scheinung, in ihrem ganzen Wesen, die berücken mußte, wie sie jetzt dastand, die üppige Gestalt hoch aufgerichtet, die Augen flammend, die Wangen geröthet und die Arme über der wogen«, den Brust gekreuzt. (Fortsetzung folgt)
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