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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.08.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000830021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900083002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900083002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-08
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Gröbere Schriften laut unserem Preis verzeichnis!. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuog 60.—, mit Postbeförderung ^4 70.—. .Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen»Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition »» richte«. Druck uud Verlag von E. Polz in Leipzig ^2 ^41. Donnerstag den 30. August 1900. 81. Jahrgang. Die Wirren in China. -p. Die Richtigkeit der Meldungen englischer Blätter vorausgesetzt — bekanntlich hat ihre Glaubwürdigkeit seit dem berüchtigten Telegramme über die Ermordung der Ge sandten in Peking einen argen Stoß erhalten — machen die Japaner, die sich überhaupt durch schnelles und energisches Handeln bis jetzt hervorgelhan haben, rasche Arbeit. Danach hätten sie die Chinesen abermals geschlagen und zwar zwischen Peking und Tientsin. Die Meldungen lauten: * London, LV. Angust. (Telegramm.) „Tailti Telegraph" meldet ans Shanghai vom SV. d. Mts.: Die Chinese» erlitten am 23. d. M. bei Tetsch« eine graste Niederlage. Prinz Tnan nnd 1500 Mann seien gefallen, die übrigen seien von de» Japanern aus der Provinz Tschili hinansgctricbc» worden. * London, 3«. Augnst. (Telegramm.) „Standard" meldet ans Shanghai vom SV. d. M.: Aanschikai soll eine» graste» Steg über die Boxer nnd die Kaiserlichen Truppen von Pcitsang nnd Hosiwu davongctragen habe», 1500 Mann seien gefallen. Anscheinend beziehen sich beide Meldungen auf das gleiche Ereigniß, dock vermögen wir Tetscku auf den Karten nicht zu finden. Die Möglichkeit wäre, daß der Ort Tse »schon beißen soll. DaS liegt aber auf dem Wege von Peking nack Sinanfu, wohin die Kaiserin sich geflüchtet haben soll. Dann freilich müßte eS sich um zwei Schlachten handeln. Dem siebt aber entgegen, daß die Japaner die Chinesen bei Tse-schou nicht aus der Provinz Tschili hinauSgctrieben haben tonnen, da die Stadt in der Provinz Shensi liegt. Auch deutet die gleiche Zahl der Gefallenen auf daS gleiche Ereigniß hin. Hat die Schlacht stattgefunden, so erklärt sich auch, daß in den letzten acht Tagen keine Meldungen nach der Küste gelangten, da große chinesische Trnppenmassen sich zwischen Peking und Tientsin geschoben haben müssen, die nun vertrieben sind. Die Herstellung des Telegraphen kann aber immer noch nicht erfolgt sein, da derselbe seit dieser für die Ver bündeten siegreichen Schlacht immer noch schweigt. Dies Wird auch durch folgende Nachricht bestätigt: * London, 30. August. (Telegramm.) Die „Times" melden aus Shanghai vom 29. d. M.: Die Verbindung zwischen Tientsin und Peking ist nach wie vor fast gänzlich unterbrochen. Für die Läufer ist der Weg Lurch Boxer banden gefährdet. Das Land im Norden von Aungtsun soll überschwemmt sein. Eine völlige Säuberung der Provinz Tsckili kann also noch nicht erfolgt sein; die obigen SiegeSdepeschen müssen daher doch mit einiger Reserve ausgenommen werden. Ans Peking meldet daS „Reuter'sche Bureau" einem Londoner Telegramm der „Frkf. Ztg." zufolge vom 15. August: Peking bietet den Anblick völliger Zerstörung. Die Zerstörung ist einfach entsetzlich. Die ehemalige GesandtschaftS-Straße ist gar nicht mehr zu erkennen; alle Häuser der Ausländer sind verbrannt, mit Geschossen durchlöchert oder in die Luft gesprengt. Von der französischen Gesandt ¬ schaft, welche einen der schönsten Gebäude - Complexe, in Peking bildete, sind nur noch einige Mauer-1 reste stehen geblieben und auch diese sind wie Siebe durchlöchert. Die äußere Mauer dieser Gesandtschaft wurde erst unterminirt und rann in die Luft gesprengt. Die italienische Gesandtschaft ist nur noch an Resten der Grenzmauern, welche stehen geblieben sind, kenntlich. Hunderte von chinesischen Häusern sind niedergebrannt und wenige von denen, die stehen geblieben sind, zeigen keine Spuren von Flinten- nnd Kanonenkugeln. Man ersieht hieraus, welche gewaltige Mengen Munition die Chinesen verschossen haben. Die Zerstörung von Eigent hum geschah in ruchlosester Weise. Die Gebäude, die nicht ver brannt waren, wurden aus reiner ZerstörnngSlust nieder gerissen. Von der Stadtmauer aus hat man wirklich einen seltsamen Anblick: alle 20 Meter weit sieht man Barrikaden von Mauersteinen und Sandsäcken. Die Schutzgräben sind überstreut mit weggcworfenen Uniformen, Hunderten von Patronentaschen der Boxer und selbst Gewehren und Speeren, die die Chinesen zurückließen, als sie flohen. An einer Stelle dicht bei der amerikanischen Gesandtschaft wurde ein Ver such gemacht, dieselbe zu u n t e r m i n i r e n; ein 15 Fuß tiefer Schacht wurde hergestellt und dann wurde ein in scharfer Neigung zur Gesandtschaft führender Tunnel eine Strecke weit gegraben. Man weiß nicht, ob die Chinesen der Arbeit müde wurden oder ob sie sie aufgaben, weil die Verbündeten kamen. Der Schacht wurde erst entdeckt, als Ersatz angekommen war. Heute wurden verschiedene Stadtthore von den Verbündeten verbrannt und Brände loderten überall in der Stadt. Verschiedene Gebäude innerhalb der kaiserlichen Stadt wurden durch Geschosse der Verbündeten in Flam men gesetzt. Französische, amerikanische und japanische Artillerie bat heute den ganzen Tag von Zeit zu Zeit die kaiserliche Stadt beschösse». — Einer Meldung der „D. News" aus Peking vom 17. August zufolge sind überall an der ver botenen Stadt Wachen aufgestellt, die das Stehlen ver hindern sollen, aber die anderen Tbeile Pekings sind mit Erlaubniß der Behörden geplündert worden; dieselben retteten eine Million von den allgemeinen Fonds als Preisgeld. * London, 30. August. (Telegramm.) „Reuter'-« Bureau" meldet aus Tientsin vom 23. d. M.: 1000 Mann russische Truppen gingen heute nach Peking ab. Tas Land um Tientsin ist ruhig. * London, 30. August. (Telegramm.) Wie „Daily Mail" aus Hongkong vom 29. d. M. meldet, ist dort von General Gaselee die telegraphische Mittheilung eingegangen, daß es unnöthig sei, mehr Truppen nach dem Norden zu senden. Ter Abmarsch der vierten Brigade unterbleibt daher. Echt chinesisch. „Reuter'S Bureau" meldet aus Tschisi vom 29. d. M.: ES heißt, der Gouverneur von Sbcnsi, Au, habe vor etwa acht Tagen die Fremden aufgesordert, um sie zu schützen, in daS Damen zu kommen. Fünfzig Personen hätten die Aufforderung angenommen und seien alle nieder gemetzelt worden. Ans den Sndprovinze». AuS Hongkong berichtet „Reuter'S Bureau": 200 Banditen machten in der Nacht vom 27. d. M. einen Raubzug durch die Tartarische Stadt in Canton und plünderten vier Häuser. Man nimmt an, daß die Veranlassung hierzu in dem Hasse der Einwohner Cantons gegen die Bevölkerung des Nordens zu suchen sei. Im klebrigen ist in Canton Alles ruhig. — Wie aus Am oh gemeldet wird, ist der Kreuzer „Isis" dort eingetrosfen. — Wie verlautet, sind 12 000 Mann japanische Truppen von Formosa nach Am oh gekommen. — „Reuter'S Bureau" telegraphirt weiter aus Shanghai vom 28. dieses MonalS: General Creagh nahm eine Parade über 3000 Mann, einschließlich 800 Freiwilligen, ab. Unter den Truppen sind (Zum Leidwesen der Engländer. D. Red.) alle euro päischen Mächte, die Vereinigten Staaten und Japan ver treten. Admiral Seymour wohnte der Parade bei. Ein französisches Transportschiff ist mit Ver spätung am 29. in Sbanghai eingetroffen. Die Truppen werden am 29. auSgeschifft. Tic künftige Abrechnung. Der englische ParlamentS-Untersekretär deS Auswärtigen Brodrick hielt gestern vor seinen Wählern eine Rede, in der er anSführte, man müsse für den an den Gesandtschaften in Peking angerichteten Schaden Ersatz verlangen und alles Nolbwendige thun, den englischen Handel in China zu schützen, andernfalls könne die englische Regierung weder allein, noch mit anderen Mächten die Verantwortlichkeit für die Gestaltung der Verhältnisse in China übernehmen. Tcntschc Kämpfer von Taku auf der Heimreise. * Neapel, 25. August. Heute früh 4 Uhr langte der deutsche Postdampfcr „Stuttgart" aus Ostasien im Hafen von Neapel an. Er hatte außer zahlreichen Passagieren 128 Mann deutsches Militär an Bord, zumeist abgelöste Mannschaften der Marine-Infanterie an Bord der deutschen Kriegsschiffe in Ost asien. Außerdem hatte der Dampfer in Shanghai auch vier Ver wundete ausgenommen, die an Bord des „Iltis" die Beschießung der Forts von Taku mit durchgcmacht haben. Auf der Ueber- fahrt sind sie genesen. Das italienische „Rothe Kreuz" schickte ärztliche Hilfe, Tragbahren und dergleichen an Bord der „Stutt gart", aber die Genesung der Verwundeten machte diese dankens- werthe Fürsorge unnütz. Die Berichte der Heimkehrcnden über oic Kämpfc bei Tatu bieten des Neuen wenig. Bisher noch un bekannt war der Umstand, daß Capitän La ns nach seiner Verwundung mit Gewalt unter Deck verbracht werden mußte. Er wollte die Commandobriicke des „Iltis" durchaus nicht ver lassen. Als man ihn in Sicherheit brachte, rief er: „Ihr seid ver antwortlich für Eure Handlung! Ich verlasse das Commaudo nur in Folge Eurer Gewalt!" Als später vom „Iltis" eine Lan- dungsabthcilung ans Land gehen sollte, erschien Capitän Hans von Neuem, auf zwei Matrosen gestützt, auf dem Verdeck des Kanonenbootes, forderte die Landungsabtheilung zu treuer Pflichterfüllung auf und brachte ein „Hurrah!" auf den Kaiser aus. In den ersten Tagen der Kämpfe scheinen sich die Russen mehr an die Franzosen als an die Deutschen angeschlossen zu haben. Inzwischen hat sich ja, wie man weiß, auch zwischen Russen und Deutschen Waffenbrüderschaft herausgcbildet. Fürchterliche Dinge erzählen die Heimkehrenden von der Grau samkeit der Chinesen, doch sind auch diese im Wesentlichen be kannt. Die Officiere zeigten sich sehr begierig nach Nachrichten über den Feldmarschall Graf Walders«. Sie erklärten, daß der Feldmarschall in China noch sehr viel Arbeit vorfinden werde, denn mit der Befreiung der Gesandten sei ja erst das Vorspiel des chinesischen Dramas beendet. Vor allen Dingen habe sich ja noch Deutschland seine Genugthuung für die Ermordung des deutschen Gesandten zu holen. In China zittere man vor der deutschen Rache. Um lOUHr statteten der deutsche Consul und viele Mitglieder der deutschen Colonie dem Dampfer einen Besuch ab und beschenkten die heimkehrenden Soldaten. Kurz nach 2 Uhr Nachmittags fuhr der Dampfer nach Genua weiter. Am 4. Sep tember soll er in Bremen eintreffen. Der Krieg in Südafrika. <>. ES ist nicht möglich, sich über die Bedeutung der „Liege" Buller'S bet Machado-orp eine klare Vorstellung zu machen. Thatsache ist ja, daß die Boeren jetzt von der Delagoabahn abgedrängt sind, aber eS fragt sich, ob sie überbaupt die Absicht gehabt haben, dieselbe zu halten; weiter östlich, nach der portugiesischen Grenze zu, hätten die Engländer die Bahn doch auf einem für sie un gleich günstigerem Terrain occupiren und so den Boeren alle weitere Zufuhr auf diesem Wege abschneiden können. Man darf annehmen, daß Louis Botha's Truppen und die seiner Unterführer auf lange hinaus mit Proviant und Munition versehen sind; auch befinden sie sich ja im eigenen Lande, über dessen Produkte sie verfügen können. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß die Boeren planmäßig nur auf noch festere Stellungen zurückgeganzen sind, um dort ihren Haupt schlag zu führen. Dafür spricht, daß Buller auf der „Verfolgung" über Mackadodorp hinaus auf dem Wege nach Lhdcnburg nur bis Helvetia gekommen ist, wo daS Terrain ein weiteres Vordringen verbot und die Boeren eine starke Stellung eingenommen hatten. Wir haben nur erst das Vorspiel des EntscheidungSkampfes vor Augen, der Haupt kampf soll noch beginnen. Aus London wird uns zur Sache noch geschrieben: Jedenfalls bat das englische Hauptquartier bereits gesehen, daß diese Schlacht zwischen Botha und Roberts länger dauern wird, als irgend ein anderes Engagement, welches bisher im südafrikanischen Feldzuge ausgesochten wurde. Es steht zweifellos fest, Laß Botha seine Stellung so lange als möglich behaupten und erst den Rückzug antreten wird, sobald er einsieht, daß er durch die enveloppirenden Bewegungen der englischen Truppen ernsthaft im Rücken bedroht ist, was jedock bei der augenblicklichen Position beider Gegner nicht sobald eintreten dürste. Die Engländer werden daher schwerlich hinter Belfast jenen ununterbrochenen und fast automatischen Erfolg zu verzeichnen haben, der ihnen den „militärischen Spaziergang" von Kimberley nach Pretoria so außerordentlich erleichterte, selbst wenn die Boeren schneller als erwartet aus ihren jetzigen vortheilhasten Stellungen ü la MagerSfontein hinausgeworfen werden sollten. General Botha wird sich auf jeden Fall die RückzugS- linie auf der Straße von Machadodorp nach Lhdcnburg offen halten und dieselbe als ultima rstio benutzen, bevor er daS Nisico läuft, von seinen Gegnern thatsachlich umzingelt und sestgelegt zu werden. Wenn die Boeren gezwungen sind, ihre jetzigen Vertheidigungslinicn aufzugeben, so werden sie allerdings von der Delagoabay- Eisenbahn abgeschnitten werden, welches Factum von größerer militärischer Bedeutung sein wird, als selbst die Aufgabe von Johannesburg und Pretoria. Farrillaton. Jlonka. 7j Roman von C. Deutsch. Nachdruck verboten. Am Morgen hatte Bator einen aufregenden Auftritt mit seiner Tochter gehabt, und das war nicht der erste seit Lion's Verschwinden. Jlonka klagte den Vater der Härte und Lieb losigkeit an und setzte ihm einen kindischen Trotz entgegen, der oft den Charakter der Böswilligkeit annahm. „Mir ist jetzt mein eigen Haus verleidet!" sagte Bator an diesem Morgen, als er auf seinen Gruß keine Antwort erhielt. „Mir ist, als wohne ein Feind mit mir hier, und dieser ist mein Kind. So etwas sollt der Mensch gar nicht erleben. Ein Kind, das sich wegen eines fremden Mannes, der nit Werth ist, daß ihn die Sonne Gottes bescheint, in Trotz und Bosheit gegen den Vater kehrt, das keinen „Guten Morgen" und keinen „Guten Abend" für den Vater hat, das mit bösen, finsteren Blicken dem Vater das Essen hinreicht, verdient . . . doch bleib' Du nur weiter so, ich hab' ein paar Jahr noch zu leben, kannst mir die verkürzen", und ohne Gruß, ohne „Behüt' Gott" war er auS der Stube gegangen. An der Biegung des Weges, der nach dem See führte, be gegnete ihm ein Bauer. „Was sagt Ihr, Josi, zu dem Unglück?" fragte dieser, als er den Fischer mit seinen Netzen erblickte. „Jetzt kann sich Euer Mädel freuen, jetzt . . . ." „Was für ein Unglück?" unterbrach ihn Bator, der ohnehin schon aufgeregt war. „So, Ihr wißt nichts? Nun, der Juran hat sich Eures Mädels halber in den See gestürzt und ist ertrunken." Der Bauer sprach nicht weiter, er sah den alten Mann furchtbar bleich werden, wanken, dann lautlos zusammenbrechen. Er eilte auf ihn zu, es war zu spät, Bator lag still und bleich, wie ein Todter. Der Bauer rief um Hilfe, ein Anderer kam herbei, und mit dessen Hilfe trug er ihn in seine Wohnung zurück. Man machte alle möglichen Belebungsversuche, man holte den Arzt aus Füred, es war Alles, Alles umsonst. Bator kam nicht wieder zum Be wußtsein, und als man den Mittag eiitläutete, kniete Jlonka neben einer Leiche. Hatte schon das unglückliche Ende Juran's die Gemiither im Dorfe aufgeregt, denn Juran war der beliebteste Bursche, und Jedem ging sein früher Tod zu Herzen, so that dits der zweite Vorfall aufs Höchste. Die Erbitterung und Estkstftung gegen das Mädchen war «ine allgemeine. Man legte ihr die schändlichsten Namen bei und sie wäre vor Mißhand lungen in ihrem eigenen Hause nicht sicher gewesen, wenn die heilige Scheu vor dem Tobten, in dessen Nähe nichts Gewalt- thätiges oder nur im Entferntesten Störendes geschehen durfte, nicht die Leute zurückgehalten hätte. Doch Jlonka wußte von all diesem nichts, sie wußte über haupt gar nicht, was mit ihr vorging, sie sah und hörte, aber nicht mit dem klaren Bewußtsein, sie sah den Vater waschen, ankleiden und in den Sarg legen, sie saß vor ihm zwei Tage und zwei Nächte, starren, trockenen Auges, ohne etwas zu sich zu nehmen oder zu sprechen. Sie hatte keine Thränen, als sie hinter dem Sarge herging, als sie an der offenen Grube unter all' diesen Menschen kniete, die sie mit dem Ausdruck der Scheu, ja des Entsetzens betrachteten; denn ihr Benehmen, das dem furchtbarsten Schmerze entsprang, wurde als Härte und Herz losigkeit verurtheilt und erhöhte die allgemeine Verdammniß. Jlonka's Auge blieb starr und trocken, als habe die Gluth des unendlichen Wehes den Quell der Thränen aufgezehrt. Erst als sie in das leere Haus zurückkehrte und ihr die Ocde und Ver lassenheit aus jedem Winkel entgegenblickte, als sie des Vaters Rock sah, der wie gewöhnlich an dem Nagel bei der Thüre hing, als ihr Auge auf die Pfeife fiel, die so ruhig neben dem Tabaksbeutel lag und aus der er noch vor wenigen Tagen ge raucht, nicht mehr so heiter wie früher, aber doch frisch und gesund, als sie auf den leeren Platz neben dem Fenster blickte, wo er so gern zu sitzen pflegte, als sie sich bewußt war, daß sie ihn nimmer sehen werde, weder heut' noch morgen, weder da noch dort, daß das sanfte, ehrwürdige Antlitz tief unter der Erde lag, der gute Blick der Augen auf immer gebrochen, der Mund, der nur liebevolle Worte sprach, auf immer geschlossen, als sie sich alles dessen bewußt war: da überkam es sie mit furcht barer Gewalt. Mit einem Weheschreic, als risse sich ihr junges Leben los, sank sie vor dem Bette deS Vaters nieder und drückte ihr thränenübergossenes Gesicht in die Kissen. So lag sie stundenlang; was ihr junges Herz an Glück und Freude, an Frische und Lebendigkeit gehabt, ging unter in diesen Stunden bitterster Qual und Verzweiflung, kein freundliches Bild blieb, keine lichte Empfindung; tief im Innern des dumpfen Bewußt seins „todt, todt", und noch tiefer, am Quell des Lebens nagend und zehrend, die trostlose Empfindung: „Du wirst ihn nimmer sehen und durch Deine Schuld". Sie war die letzte Zeit keine gute Tochter gewesen. Seit der Fremde das HauS verlassen, hatte sie sich im bösen Trotz vom Vater gewendet, hatte sie keinen freundlichen Blick, kein freundliches Wort für ihn gehabt, hatte sie nicht bemerkt oder nicht bemerken wollen, wie immer ernster und trüber sein Auge wurde, wie immer schmerzlicher der Zug um den Mund, wie sich die sonst feste und grade Gestalt zu neigen begann; jetzt sah sie es mit erschrecklicher Klarheit, und der Gedanke daran fiel wie glühende Kohlen auf ihr Herz. Und der letzte Morgen! ... O Gott, der letzte Morgen! Ohne Gruß und Lächeln war er von ihr gegangen, ohne Gruß! . . . Reicher flössen ihre Thränen, tiefer wühlte sich der Kopf in die Kissen, heißer rang sie die Hände in unaussprechlichem Jammer. So gingen die Stunden hin. Sie merkte nicht, daß sich die Sonne neigte und unter ging, daß sich der Abend senkte, die Nacht heraufzog und tausend funkelnde Sternenaugen an dem dunklen Himmel empor stiegen; sie lag auf den Knien und weinte, bis sie keine Thränen mehr hatte, bis ihre Augen roth und brennend wurden, ihre Kraft erschöpft war und ihr sterbensmatt ums Herz wurde. — Jetzt erhob sie sich, um einen Trunk Wasser zu holen. Es war finstere Nacht um sie, vom Garten her rauschte der Wind und einzelne Sterne blickten durch daS Fenster. Ein Schauder überkam sie, allein im Hause, im weiten Gebirge allein! Hastig tastete sie sich fort, um hinaus zu kommen; sie hatte aber in drei Tagen fast nichts gegessen und war so schwach, daß die Kni«,, unter ihr wankten. Endlich war sie bei der Thür, hastig riß sie dieselbe auf und stand draußen. Es war eine unendlich milde Nacht, ein tiefer, fast heiliger Frieden lag über der ganzen Gegend und der Himmel mit seinen unzähligen Sternen spannte sich über sie. Die Ruhe und Stille der Natur theilte sich auch dem wunden Menschenhcrzen mit. Ein leiser Wind kühlte ihre heiße Stirn und ein leises, beruhigendes Etwas legte sich im Schweigen der Nacht auf ihr blutendes, zerrissenes Herz. Sie kniete nieder, faltete die Hände und betete. Was? Sie wußte es selbst nicht, fast unbewußt rangen sich die Worte aus ihrer Seele und traten über ihre Lippen, und als sie sich dann erhob, war ihr Herz stärker und fester; der Moment hatte sie über Jahre hinweg getragen. Am anderen Morgen verließ sie früh, ein Bündelchen unter dem Arme, daS HauS. Als sie die Ebene betrat, stand sie einen Augenblick still und sah noch einmal nach dem Hause zurück. Wie friedlich lag eS da, im Schatten der Bäume, vom grünen Epheu umrankt und vom goldenen Lichte umspielt! . . . Wie friedlich lag das Heimathhaus, daS ihr vor wenigen Wochen die Stätte des reinsten, heitersten Glücks gewesen! Hätte es nicht so bleiben können? Was war geschehen, daß ein solch' bitteres Verhängniß hereingebrochen, welches mit seinem giftigen Hauche alle Blüthen geknickt? . . . Sie sah hinauf, bis sie nichts mehr sah; ein Thränenschleier hatte sich über ihre Augen gelegt. XV. Es war noch früh am Morgen und der Thau lag auf den grünen Feldern und hing an den Blättern der Bäume, die auf blitzenden Sonnenstrahlen drangen in die Krystalltropfen und stäubten Millionen von Lichtfunken noch allen Richtungen.' Die jungen Saatfelder wogten in leisen Schwingungen, in den Bäumen an der Straße zwitscherten Helle Vogelstimmen, rechts und links zu beiden Seiten der Felder liefen niedrige, reben bekränzte Hügel, die sich bald hoben, bald senkten, bis sie sich fern in der Ebene, durch welche sich die Landstraße wand, verloren. Das Bündelchen unter dem Arme, schritt Jlonka dahin. Die frische, lachende Welt machte einen schmerzlichen Eindruck auf sie, die stille, friedliche Nacht hatte ihr wundes Gemllth beruhigt, der Sonnenglanz, das wogende Licht überall that ihren brennenden Augen und ihrem wunden Herzen Weh. Jlonka mochte zwei Stunden gegangen sein, da kam ihr ein leichtes Gefährt entgegen. Ein einzelner Mann saß darin, eS war ein Bauer in den sechziger Jahren, mit einem mageren, sonnverbrannten Gesichte, aus dem ein paar kluge, freundliche Augen blickten. Das Haar war noch pechschwarz, ebenso der lange, gewichste Schnurrbart, dessen zwei obere Enden der feinen Spitze eines geschliffenen Dolches glichen. „Wohin denn so früh, Du schmuckes Mädel?" rief er Jlonka zu, doch als er etwas näher kam und das bleiche, verweinte Ge sicht sah, hielt er betroffen den Wagen an. „Bist Du nicht die Jlonka Bator?" fragte er dann. Sie bejahte leise. „Und ist es wahr, daß man Dir gestern den Vater be graben Hot?" Sie vermochte nicht zu antworten; stumm nickte sie die Bejahung und bedeckte weinend ihr Angesicht. Der Bauer stieg vom Wagen und trat auf sie zu. Es war Ferencz Huszar, der unermüdliche Landfahrer, wie ihn die Leute nannten, der jahr aus, jahrein im Lande herum hausirte und eben jetzt von einer langen Reise nach Hause zurückkehrte. „ArmeS Kind", sagte er mitleidig, „noch so jung, und schon ein großes Herzeleid. Ich habe gestern in Lovos die ganze Geschichte gehört. Um den Juran ist's schad', einen besseren Burschen hat es nicht in der ganzen Welt gegeben; doch sprechen wir nicht davon, die Wunde ist noch zu frisch", fuhr er fort. „Sag' mir lieber, wohin Du gehst? Dein Bündelchen zeigt, daß Du einen weiten Weg vorhast." „Ich will nach VeSzprim oder Palota." „Und waS dort?" „Mir einen Dienst suchen." „Und das so rasch, gleich am anderen Lage schon, nachdem man Deinen Vater begraben hat? Hast nit warten können, bit Du Dir den Schmerz von der Seel' herunter geweint hättest? Daß Du in dem vereinsamten Haus im Gebirg' nit haft bleiben wollen, kann ich mir schon denken; aber hat sich denn Keiner im Dorf gefunden, der die Tochter Josi Bator'S auf einige Lage zu sich genommen? Oder hättest nit ganz und gar im Dorf bleiben können?" „Weder daS Eine, noch das Andere. Ich bin eine von Gott
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