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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.08.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000824011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900082401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900082401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-08
- Tag1900-08-24
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Auf der einen Seite macht das menschliche Mitleid mit den er mordeten oder ins tiefste Elend gejagten Missionaren seinen nicht gerade sachlich zu nennenden Einfluß zu Gunsten des unveränderten Forlbestebens des jetzigen Missionswesens geltend, auf der anderen Seite wirkt das Bedauern über die zweifellos nicht ohne Mitschuld von Missionen herbeigeführte Nothwendigkeit, in China deutsches Blut zu opfern, sowie über die tiefeinschneidende Störung deS Verkehrs nach dem östlichen Riesenreiche auf das Urtheil ein. Wird aber die Frage dennoch öffentlich erörtert, so sollte sich die Diskussion wenigstens von Frivolität fern halten. Diese Forderung er füllt eine Auslassung der „Kreuzztg", die wir folgen lassen, entschieden nicht. Das Blatt schreibt: „In einem langen Leitartikel des „Berl. Tagebl." behandelt der nach China entsandte Specialcorrejpondent dieser Zeitung das „chinesische Problem". Mit seinen sonstigen, zum Theil höchst sonderbaren Vorschlägen, dies „Problem" zu lösen, mögen andere, die es für nvthig finden, sich auseinandersetzen. Wir wollen hier nur folgenden Passus hervorheben: „Temporäre Aufhebung sämmtlicher Missionen (auf fünf Jahre), deren Eigen thum meistbietend auf fünf Jahre an europäische Kaufleute oder Händler vermiethet wird. Verbot jedweder religiösen Agitation durch Wort und Schrift." Glauben denn diese Herren wirklich, daß den Chinesen „europäische Kauf leute oder Händler" symvath,scher seien als die christlichen Missio nare? lind nun maic man sich das Bild einmal aus! Das „Eigen- thum" einer Mission, in dem bisher zahlreiche arme, «lende, verwaiste Chinesenkindcr Aufnahme und Pflege gefunden haben, wird meist bietend an einen jüdischen oder auch „christlichen" Händler vermiethet, der dort sein Geschäft, sei es nun mit Scknaps, Waffen, alten Kleidungsstücken oder was es sonst sei, gewiß allein zur „Hebung der Cutlur im Interesse wahrer Humanität", wie ja die übliche Phrase zu lauten pflegt, betreibt! Der fanatische Haß gegen die Mission, der doch im Grunde genommen bedingt ist durch die an geborene oder anerzogene Abneigung gegen das Chrisienthuni, macht sonst vielleicht ganz kluge Leute geradezu blind. Nicht den Christen im Missionar verabscheut der Chinese — dazu ist er in religiösen Dingen viel zu indifferent — sondern derFremde, und der Händler ist ihm als solcher noch verhaßter, denn der will sich, ganz natürlich, auf seine Kosten bereichern. Man mag einzelnen Ver tretern der Mission allerlei Vorwürfe, vielleicht mit Recht, gemacht haben, in den Verdacht „Geschäfte zu machen" sind sie ober wahrlich noch nicht gekommen. Sie setzen ihre Person, ohne großen Lohn, aufopferungsvoll für eine Idee ein, und dafür sollten, so meinen wir, auch die ein Verstündniß haben, die nicht gleich uns diese Idee sür die höchste halten. Wer ernsthaft den Chinesen Cultur und humane Gesinnung bringen will, der wird der Mission nicht entbehren können. Was die europäische Cultur ohne Christen- thum am Chinesen vermag, hat der Prinz Tuan als abschreckendes Beispiel bewiesen. Daß ein Herausdrängen der Missionare und die einseitige Begünstigung der Kaufleute und Händler zukünftigen AuS- brüchen chinesischen Fremdenhasses vorbeugt, — ereäat ckuckueus ^polla, und auch der nicht einmal! Dies Ziel würde, so wird der Chinese sagen, am sichersten erreicht werden, wenn ihr Europäer uns nicht sowohl mit der christlichen als vielmehr mit eurer ganzen Culturmission, mit all euren erwerbenden, ja auch nur besuchenden Persönlichkeiten vom Halse bleibt. Consequent chinesisch gedacht wäre das durchaus. Wir denken als Vertreter wirklicher, euro päischer Cultur anders, und zu dieser Cultur gehört eben, trotz Les „Verl. Tagebl ", nun auch einmal das Christenthum, und zu diesem wiederum als intcgrirende wesentliche Eigenschaft die Mission." Wenn die „Kreuzzeitung" die anderen Vorschläge des Specialcorrespondenten als höchst sonderbare geringschätzig behandeln zu dürfen glaubt, so hätte die Zeitung ihm auch hinsichtlich seiner Anregung in Bezug aus die Missionen die Unzurechnungsfähigkeit zubilligen können. Aber der „Kreuz zeitung" ist offenbar darum zu thun, den Streit auf — ihr allerdings woblvertraute — fremde Gebiete hinüberzuspielen. Die evangelischen Missionen sind zu dieser Art der Vertheidigung wahrlick nicht zu beglückwünschen und wir zweifeln nicht, wenn ein katholisches Blatt zu Gunsten der Missionen seines Glaubens einer solchen Methode sich bediente, so würde es von kirchlicher Seite sich Unannehmlichkeiten zuziehen. Die Frage der „Kreuzrtg.", ob den Chinesen europäische Kaufleute oder Händler „sympathischer" seien, als die christlichen Missionare, ist, so wie sie gestellt ist, kaum zu beantworten. „Sympathisch" sind „den" Chinesen, also der Masse, wohl die einen so wenig wie die anderen, aber so viel ist erwiesen, daß Missionen unv Missionare die Europäer bei chinesischen Be hörden und im Volke in einem Grade verhaßt gemacht haben, der mit ihrer Eigenschaft al» Europäer nicht ausreichend er klärt werden kann. Tie Klagen darüber sind weit älter als die jetzigen Wirren. Neuerdings hat sie unter vielen Anderen, die China kennen gelernt, ohne dort Handel getrieben zu haben, der frühere deutsche Gesandte v. Brandt — ein Evan gelischer — energisch vertreten, und noch nachdrücklicher ein agrarisches klerikales Blatt. Die Parität ist also in diesem Punkte gewahrt. Herr v. Brandt hat aber, waS gewiß für uns sehr wichtig ist, die deutschen und schweizerischen evange lischen Missionen von seinem herben Tadel »»«genommen. Im Uebrigrn hält der Diplomat wie der katholische Kenner de» Lande- e» für erwiesen, daß Missionen und Missionare die „Ausbreitung deS ChristentbumS" wie Sport betreiben, und daß der besonders gefährliche und verwerfliche Sport, einheimische Verbrecher, die sich taufen ließen, den Armen der Justiz zu entziehen, sehr beliebt ist. Solche« Treiben scheint doch noch schlimmer, al« „Geschäfte machen", eben falls ist e» für die europäischen Niederlassungen überhaupt 'ür die Mis ivn - ißigkrit deS Vorsch ageS, rin befristete» Verbot der Missionen ergehen und deren Eigrn- thum für die Dauer der Suspension von Europäern benutzen >u lasten, steht un» kein Urtheil zu. Jedenfalls wird man ihm Stichhaltigere» entgegensetzen müssen, al» eine Dar stellung, in der der europäische Handel mit Cbina al» nicht» Andere» erscheint wie «ine Copie de» Leben» doch noch schlimmer, al» „Geschäfte machen", und somit in letzter Linie aui sehr viel schädlicher. Ueber die Zwe auf dem früheren Mühlendamm zu Berlin. Wie wenig wählerisch die „Kreuzzeitung" in der Wahl ihrer Mittel ist, zeigt ganz besonders der Hinweis auf den Prinzen Tuan: „Was die europäische Cultur ohne Christen- thum am Chinesen vermag, hat der Prinz Tuan als ab schreckendes Beispiel bewiesen." Das ist dieselbe Methode, nach der die europäischen Volksschulen und die deutschen Universitäten für jeden anarchistischen Mord verantwortlich gemacht werden! Was weiß die „Kreuzzeilung" von der „europäischen Cultur" des Prinzen Tuan? Der Mann ver steht englisch, aber die zahlreichen Leser der „Kreuzzeilung", die ex osticio sich das Hebräische angeeignet haben, werden deshalb noch nickt zugebe», dadurch in der altjübischen Cultur aufgezogen zu sein. Tuan ist von allen Seilen als Stock mongole geschildert worden. Mit dem Gebrauch solcker Waffen nützt man der Sache der Mission nicht, von denen im Uebrigen auch wir glauben, daß sie, die Wiedcranknüpfung und Fortbildung des friedlichen Verkebrs mit Cbina voraus gesetzt, von dem großen ostasiatischen Wirkungsgebiet auf die Dauer weder ferngehalten werden können noch sollen. Aber daß eine zeitweilige Unterbrechung ihrer Thätigkeit zu den Voraussetzungen deS Forlbestebens der Missionen ge rechnet werden wird, ist nicht unmöglich. Englischer Menschenhandel in Zanzibar. Aus Zanzibar, 22. Juli, schreibt man der „Welt- Correspondenz": In der letzten Woche wurde Zanzibar durch ein eigenthüm- liches Vorkommniß überrascht. Während früher die Sultane bestrebt waren, die an und für sich mangelnden Arbeitskräfte in Zanzibar festzuhalten, scheint jetzt die englische Regierung eine Politik einzuschlagen, die in Kurzem Handel und Landwirthschaft lahmlegen wird. Am 15. Juli 1900 lag der von der englischen Regierung gecharterte große Dampfer „Maplemore" (Transport 65.), welcher hier Träger für die Ashanti-Expedition mitnehme^ sollte, in unserem Hafen. Die größte hiesige englische Firma war mit der Anwerbung der Träger betraut worden. Als dieselbe jedoch nur geringe Erfolge erzielte, wurde sie von der hiesigen Regierung auf diese Weise unterstützt, daß Leute, welche keine ständige Beschäftigung nachweisen konnten, von der Polizei der Firma zugeführt wurden. Da ein solcher Nachweis für den Schwarzen in den meisten Fällen sehr schwierig ist, gelang es, die Zahl der Träger zwar nicht auf die erwünschten 2000, wohl aber auf circa 1500 zu bringen, mit welchen die „Maplemore" am 21. d. M. den Hafen verließ. Unter der hiesigen Bevölkerung herrschte allgemeine Ent rüstung und Furcht. An den letzten Tagen vor Abgang des Dampfers wagten sich die Neger kaum auf die Straßen, welche Nachts und Abends schon wie ausgestorben erschienen. Trotz der außerordentlich weiten Entfernung, welche den Dampfer vom Lande trennte, versuchten einige der „Angewor benen" durch Schwimmen zu entkommen. Einige sollen dabei umgekommen sein. Besonders auffällig ist es, daß die so ver sandten Neger, einschließlich Derjenigen, die sich freiwillig gestellt hatten, in voller Unklarheit über ihr Reiseziel waren. Es war ihnen nur zur Kenntniß gekommen, daß sie nach dem „Nyasia- oder Tanganika-See oder Uganda" sollten; daß sie aber nach Ashanti gehen sollten, hatten sie nicht erfahren. Es wäre aber auch schwer geworden, Träger freiwillig für dieses Gebiet, und zumal im jetzigen Kriegszustände, zu erhalten. Wie sich dieses Verfahren mit den sonst proclamirten „humanen" Bestrebungen Englands in Einklang bringen läßt, vermag man hier nicht einzusehen. Insbesondere begreifen die Araber nicht, weshalb sie im Halten von Sclaven und in ihrem Erwerb beschränkt werden, während solche Mengen von frei willigen und wohl auch unfreiwilligen Trägern für die britische Regierung versandt werden. Der Unterschied wird auch hier Niemandem rinlcuchten. Freilich haben die früheren Sclaven- jagden Gegenden entvölkert, und der frühere Sclaventransport viele Grausamkeiten gezeitigt; dafür wurde aber der Sclave, wenn er erst in die Hände seines muhamedanischen Besitzers ge kommen war, fast immer gut und vielfach wie ein Familienmit glied behandelt. Noch heute giebt es viele Sclaven, die sich durch aus weigern, freigekauft zu werden, und viele aus den wilden Völkern Jnnerafrikas kommende Sclaven blicken zu ihrem Herrn auf, als zu einem Wesen, welches ihm erst zu einem besseren Leben und zu einer höheren Gesinnung verhalfen, ja sie selbst in ihrem Sinne zu einem gebildeten Menscheck gemacht hat. Damit vergleichen nun die Araber den ausgeführten Träger transport, bei welchem die Neger für Zwecke einer fremden Regierung nach einem fernen Lande, ohne Kenntniß ihrer Bestimmung, verschifft werden, nach Gegenden, wie die Araber wohl wissen, von welchen voraussichtlich nur ein sehr geringer Theil zurückkehren wird, und kommen selbstverständlich nicht zu einer Erklärung. Auch die Inder verstehen diesen Transport nicht; wenn sie sich auch nicht in der Presse vollständig auszusprechen wagen, so hat doch die hiesige indische Zeitung „Zanzibar Akhbar" auf die Nachtheile der englischen Handlungsweise deutlich hingewiesen. Einen schärferen Artikel bringt die indische Handelszeitung „Z'bar Vestar Samachar". Darin heißt es u. A.: „Es ist die Pflicht der Regierung, den Sachverhalt festzustellen, damit Ruhe unter den Leuten in der Stadt hergestellt werde." Das Vor kommniß wird dann ein tief beklagenswerthes Ereigniß genannt und das Verlangen ausgesprochen: „Der Generalkonsul der britischen Regierung, welcher angestellt ist, um für die Sicherheit der Leute zu sorgen, hat die Pflicht, auf diese Angelegenheit zu achten." In Mombasa sind trotz der spärlichen Bevölkerung in Britisch-Ostafrika gleichfalls Träger für Ashanti aufgebracht worden. Deutsch-Ostafrika ist bisher von diesem Menschenhandel verschont geblieben und wird es hoffentlich auch bleiben. Die sehr zahlreiche und über große Mittel verfügende englische Mission scheint von der ganzen Angelegenheit keine Notiz ge nommen zu haben, obwohl sie sonst die Freiheit und das Wohl ergehen der Schwarzen al» ihre Aufgabe bezeichnet. — Die Miß stimmung in Zanzibar wird noch dadurch erhöht, daß im nächsten Monat ein zweiter Transportdampfer erwartet wird und sich dann die bedauernSwerthen Vorgänge wiederholen werden. Die Wirren in China. * General Lenewitsch telegrapbirt dem russischen Kriegs minister ans Tschifu unter dem 21. August: In der Nacht vom 13. zum 14. August um 2 Uhr erstürmten unsere Soldaten das östliche Tbor von Peking am Canal, drangen als erste in die Stadt ein und hißten die russischen Flaggen auf der Stadtmauer. Die Beschießung des Thores dauerte 14 Stunden.DerCommandantderAvantgarde,General major Wasilewski und der Commandeur des Schützen-Regi ments Oberst Modl erstiegen die Mauer an der Spitze ihrer Leute, setzten sich dort fest und hißten die russische Flagge. Die Chinesen hielten aber noch daS Observatorium und andere Thürme besetzt und unterhielten ein starkes Kreuz feuer auf unsere Truppen, bis unsere Infanterie und Artillerie sie aus den letzten Stellungen verdrängte. General Wasilewski, Oberst Modl, 5 Ossiciere und 102 Mann sind verwundet, Oberst Aniiukoff und 20 Mann sind gefallen. Inzwischen batten die verbündeten Truppen die übrigen Tbore Pekings erstürmt und waren in die Stadl eingedrungen. Tie Mitglieder der chinesischen Regierung waren bereits auf der Flucht begriffen. TieGesandtschaflen wurden in einer sehr mißlichen Lage gefunden; sie hatten täglich mit- den Chinesen Schüsse gewechselt und waren namentlich in den letzten Tagen, auch am Tage der Er stürmung Pekings, heftig angegriffen worden. In allen Ge sandtschaften ist großer Schaden angerichtet worden. In der russischen Gesandtschaft sind 5 Personen getödtet und 20 ver wundet worden. Vormarsch deutscher Truppen. * Berlin» 23. August. Ter zweite Admiral des Kreuzer- geschwaders meldet aus Taku unter dem 20. August: Der erste Officier der „Hertha", Hecht, ist am 18. ds. Mts. früh mit dem Troß in Matou eingetrossen und Mittags weitergegangen; das Vorwärtskmmen wird durch starken Strom und niedrigen Wasserstand erschwert. Das Bataillon von Madai hat am 18. ds. Mts. Abends nach einem sehr anstrengenden Marsche Nantsuug erreicht. (Wiederholt.) Gescheiterte KriedcuSverhandlungcn. Ans einen Antrag Li-Hung-Tschang's, in welchem er die sofortige Zurückziehung der verbündeten Truppen und die Eröffnung der Friedensverhand lungen verlangt, bat, wie schon in einem Theil der Auf lage des gestrigen Abendblattes mitgelheilt, die deutsche Regierung erwidert, sie könne in Ermangelung ge höriger Vollmachten auf chinesischer Seite in Verhand lungen nicht eintreten. * „Daily Chronicle" berichtet aus Washington unter dem 22. d. M., die Regierung der Vereinigten Staaten werde dem chinesischen Gesandten folgende Antwort zustellen: „Es hat sich zu erweisen, daß in China eine Regierung besteht, die in der Lage ist, den gegenwärtigen Wirren ein Ende zu machen. Nach Einstellung der Feindseligkeiten wird auch die amerikanische Regierung gern mit Li - Hung - Tschang sich in Verbindung setzen, um einen ehrenhaften Frieden zu schließen. Bis dahin verbleiben die amerikanischen Truppen in Peking." Shanghai. Nachdem nunmehr auch Japan ein Kriegsschiff mit Landungstruppen nach Shanghai abgesandt hat, werden alle verbündeten Mächte an der Nangtsemündung militärisch ver treten sein, wie sie ja auch alle in Shanghai und im Aangtse- thal mehr oder minder große Interessen besitzen. Frank reich und England haben gleichzeitig zum Schutze ihrer dortigen Concesfionen Truppen gelandet, während Deutschland, das in Shanghai keine Concession besitzt, hiervon vorläufig absieht. Es steht zu hoffen, daß die Einwirkung der Ereignisse in Peking den Ausbruch von Unruhen im Aangtse- gebiet verhindern und es unnöthig machen wird, neven dem moralischen Druck durch die Anwesenheit von Kriegsschiffen aller Mächte auch noch zu weitergebenden Maßregeln zu greifen. Sollten solche wieder weiter in Shanghai und im Aangtsetbal nöthig werden, so würde für alle Nationen die Pflicht erwachsen, mit ihren eigenen Kräften für den Schutz ihrer Angehörigen einzutreten, ebenso, wie Franzosen und Engländer für die Sicherheit ihrer Concesfionen ein getreten sind. * Shanghai» 23. August. (Telegramm) In Hankau sind verschiedene Fälle von Brandstiftung vorgekommcn, die Ein wohnerschaft ist indessen nicht beunruhigt. Die in Shanghai und Wusung befindlichen Kriegsschiffe beziffern sich im Ganzen auf 27 Fahrzeug« mit einer Gesammtbrsatzung von 7000 Mann. Doch sollen noch mehr Kriegsschiffe «intreffrn. Am 28. August wird Shanghai zur Feier des Falles Peking» eine Festbeleuchtung ver anstalten. (Reutermeldung.) * Pari», 23. August. (Telegramm.) Der französische Consul in Shanghai telegraphirt unter dem 20. August: Die Stadt ist ruhig. Die Ausschiffung der französischen Truppen an unserer Concession ist ohne Schwierigkeiten aus- gesührt worden und hat einen vorzüglichen Eindruck hinterlassen. — Der französische Eonsul in Hankau telegraphirt unter dem 22. August: Am 20. August wurde «in Aufstand-vrrsuch gr- macht, in der Absicht, die Bank und das Zollamt in Brand zu stecken. Der Bicekönig ergriff sofort Maßregeln zur Unter- drückung der Bewegung. Der Haupträdrl-führer wurde verhaftet und zwei Schuldige enthauptet. Die beschlagnahmten Schriftstücke ergaben da« Borhandrnsrin von Verschwörungen und «in«r ge- Heimen Gesellschaft. Die Russen in der Mandschurei. General Grodckow hat am 20. d. M. telegraphirt: General Rennenkampf brach am 16. August vom Cbingan- Paß wieder auf, verfolgte den Feind bis Sajawani und drang den nächsten Tag unter beständigen Kämpfen bis Mansche vor, während e« der Cavallerie gelang, den Karol- tfchan zu überschreiten und unerwartet vor der Stadt Mergen aufzutauchen. Die Artillerie folgte sofort und nahm mit zwei Geschützen das Feuer gegen die nur von Infanterie besetzte Festung auf. Nach einem einstündigen Kampfe wurde Mergen fast ohne Verluste genommen. Der Feind, der bedeutende Verluste hatte, wurde verfolgt. Unsere drei Schwadronen erbeuteten zunächst drei uni> dann noch acht Geschütze, sowie 700 Gewehre, andere Waffen und viel Munition. Das chinesische Lager wurde genommen. Auf der Flucht batten die Chinesen noch über 100 Todte. Während die russische Infanterie und Artillerie nunmehr in Mergen eingerückl ist, ist die Cavallerie bereits wieder auf einer Recognoscirung längs des Nonni-Flusses begriffen. General Rennenkampf betrat am 6. August chinesisches Gebiet, rieb bereits nach 12 Tagen den Feind auf, nahm ibm 28 Geschütze und besetzte schließlich Mergen. Die Russen verloren in dieser Zeit an Todten zwei Ossiciere unv zwölf Kosaken und drei Ossiciere und 30 Mann Verwundete. Tas belgische Bataillon. Aus Berlin, 22. August, wird der „Köln. Ztg." an scheinend officiös berichtet: Zur Angelegenheit des belgischen freiwilligen Bataillons sür China ist von einigen belgischen Blättern behauptet worden, daß mehrere Regierungen auf das Gesuch, das belgische Corps anzuerkennen, nicht geantwortet hätten. Dem gegenüber bemerkt der Brüsseler „Soir", daß überhaupt von keiner Regierung eine Antwort erfolgt sei, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die Ankündigung der Organisation einer Expedition durch die belgische Regierung keine Bitte um An erkennung enthalten und daher auch keine Antwort erfordert habe. Wir halten diese Angaben für unzutreffend und glauben vielmehr mit Bestimmtheit, daß die eine oder die andere der Großmächte die Bedenken nicht verhehlt haben wird, die aus verschiedenen Gründen gegen die Absendung einer belgischen Expedition bestehen. Der hauptsächliche Grund ist der, daß die Großmächte stark genug sind, die Interessen der übrigen Europäer ausreichend zu vertreten, ohne daß diese sich an an den militärischen Maßnahmen zu betheiligen brauchen. Ein deutscher Unterofficier, der die Expedition nach Tientsin mitmachte, erzählt: „In den Dörfern längs der ganzen Strecke stand kein Stein mehr aus -em anderen. Alles lag voller Leichen, Greise, Frauen, Kinder, nichts war verschont geblieben. Bei der Einnahme Tientsins hatten wir einen sehr schweren Stand; die Russen, die überhaupt schwere Verluste erlitten, kamen beim Vorgehen auf eine Mine, die viel Schaden unter ihnen anrichtete. Wir Deutsche kämen gerade rechtzeitig, um einem Schurken, der eine zweite Mine anzünden wollte, die schwarze Seele auszublasen, und dann ging's, nachdem die Eng länder eine Art Pulverichuppcn in die Luft gesprengt hatten, mir Marsch-Marsch aus die beiden Arsenale zu, die dann auch im Sturm genommen wurden. Ehe wir hineinkamen, hatten wir überhaupt keinen Chinesen sehen können. Jeder von ihnen hatte sich hinter den Wällen in ein Loch eingebuddelt, in dem ec neben seiner Patronenkisre saß, und dann wurde mit dem übri gens ganz vorzüglichen österreichischen Manlicherkarabiner ein fach losgeknallt, ohne zu zielen. Tie Chinesen hatten es sich sehr bequem gemacht, indem sie ringsherum die Entfernungen auf 100, 200 m abgesteckt hatten, ihre Visire also nur daraus einzustellen brauchten. In den Arsenalen fanden wir eine große Menge moderner Schnellfeuergeschütze, auch viel Krupp'sche Kanonen, theilweise noch unausgepackt in Kisten. Unsere Ver lustliste meldet bekanntlich ca. 16 Proc. Todte und Verwundete; die Todten, denen die Chinesen die Köpfe «bgeschnitten hatten, konnten wir erst nach sieben Tagen beerdigen, da das Terrain auch nach der Räumung Tientsins noch immer mit Feuer be strichen wurde. — Daß am Peiho jetzt eine Epidemie auSbrechen muß, ist fast als sicher anzunehmen; der ganze Fluß treibt noch immer voller Menschenleichen, Pferde- und Hundecadaver, doch hatten wir uns bei dem großen Mangel an Trinkwasser an diesen Anblick schon so gewöhnt, daß wir ohne Eckel die Leichen bei Seite schoben, um uns Wasser aus dem Fluß zu schöpfen." .... Nach anderen Berichten waren entlang der Ufer deS Flusses Tausende von Chinesenleichen zu sehen, weitere Hunderte trieben auf dem Strom. Der Geruch wird als geradezu betäubend beschrieben; an einzelnen Stellen sah man herrenlose Hunde die Leichen anfressen. Mit den Gefangenen wurde kurzer Proceß gemacht; sie wurden einfach sofort erschossen. Kiautschau und die Unruhen. Die allgemeine Geschäftslage in Kiautschau hat, so lesen wir in der soeben eingetroffenen Nummer der „Tsingtauer Warte" vom 8. Juli, unter den Unruhen, wenn auch nicht direct, so doch indirect, dauernd zu leiden. Wohl bereits die Hälfte der hiesigen Bauhandwerker, Kulis und Boys ist ausgerückt, an geblich, und wohl nicht ganz ohne berechtigten Grund, um in ihrer Heimath nach dem Rechten zu sehen und ihre Familie erforder lichen Falles z> schützen, in der Hauptsache aber, weil sie fürchten, daß die Boxer auch hierher kommen könnten, und sie dann gleichzeitig mit uns Europäern tödten würden. — In der Colonie wird inzwischen weiter gerüstet, um dem Feinde, wenn er cs wagen sollte, auch uns anzugreifen, einen warmen Empfang zu bereiten. Außer einem Theil der Besatzung S. M. S. „Kaiserin Augusta" ist auch von S. M. S. „Irene" ein Landungscorps zur Verstärkung der Garnison hier zurück gelassen- Sämmtliche Positionen auf den Höhen unserer Colonie werden stark befestigt, die Anmeldung von Personen des Beurlaubtenstandes ist durch erneuten Gouvernrment»-Erlaß in Erinnerung gebracht worden, die Waffenübungen der Eivil- gemeinde werden fortgesetzt und wa» dergleichen Vorbereitungen mehr sind. — Im Hinterlande geht eS unruhig zu. In Masze waren die Angestellten der Bergwerke, sowie eine Anzahl Missionare von Chinesen eingeschlossen und so wurde von Tsingtau eine Ex pedition aukgesandt, um sie zu befreien. Die Expedition bestand au» Director Schmidt, Ingenieur Vorschulte, Missionar Bergen und den Herren Ebener und Freitag, sowie einem Unterofficier mit neun Mann; die Zahl der Europäer, die zu befreien waren, betrug zwanzig. Unterwegs wurde die Expedition in Kaumi vom Pöbel angegriffen und, um Blutvergießen zu vermeiden, zog sie sich zurück, um dann in einem Umgehungimarsch auf Masze vorzugehen. Unterwegs erfuhr man, daß die Eingrschlossenen sich bereits unter chinesischer Gscort« auf dem Wege nach Kiautschau befänden, und so kehrte man um. Der Rückmarsch gestaltete sich weniger friedlich. Die Expedition verlor durch die Strapazen drei Pferde und war gezwungen, langsam zu r«is«n.
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