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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.09.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000903023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900090302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900090302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-09
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Ti» Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vonn. v. Klemm'» Sortim. Un'yersitätsstrabe 3 (Panlinum» Loni» Lösche, AnthartvrnSr. I«. mal- med KSnigsplatz L Abend-Ausgabe. Anzeiger. Änrtsvlatt des LSnigkichen Land- «nd Ämtsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Motizei-Ämles der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter demRedactionSstrich (4g- spalten) 50^Z, vor Len Familiennachrichte» (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernlatz nach höherem Tarif. Extra-Veilaaen (gefalzt), nur mit dkl Morgen«Ausgabe, ohne Postbrfördrrung -sl 60.—, mit Postbesörderuug 70.—. .Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end «Ausgabe: Vormittag- 10 Uhrc Margen.Au-gabe: Nachmittags - Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die vrpedttio» »» richten. Druck und Verlag von L. Pol» in Leipzig 9t. Jahrgang. Montag den 3. September 1900. Die Wirren in China. -p. Wie wir schon mittheilten, verhält sich die englische Presse dem russisch amerikanischen Vorschlag gegenüber ablehnend. Die „Times" sagten neuerdings, der Zurückziehung der Truppen der Mächte aus Peking müßte unvermeidlich die Rückkehr der Kaiserin und der reaktionären Partei zur höchsten Gewalt in der Haupt stadt folgen und dies würde in ganz China sicherlich als ein Beweis dafür gedeutet werden, daß die „fremden Teufel" wirklich zertrümmert wurden, als sie versuchten, Hand anzulegen an den heiligen Mittelpunkt deS chinesischen Reiches. Mit Li - H u n g-Tschan g oder einem anderen Mandarinen, der mit der reaktionären Politik der Kaiserin verknüpft gewesen sei«, zu unterhandeln, würde heißen, das Verbrechen zu verzeihen, dessen sich die chinesische Regierung schuldig gemacht habe, und alle Bortbeile wegzu werfen, die durch die Zurückweisung des Angriffes auf die Legationen und durch die Besetzung der Hauptstadt gewonnen worden seien. Es sei möglich, daß einige Mächte sich zurück ziehen, wozu sie völlig befugt seien, aber das bedeute keines wegs, daß die übrigen verpflichtet seien, Peking zu verlassen und die Wiedereinsetzung einer Negierung gutznbeißen, die sich eines groben internationalen Ver brechens schuldig gemacht habe. England jedenfalls könne nicht wünschen, Li-Huug-Chang einen gebieterischen Einfluß zu sichern oder die Kaiserin und ihre reaktionäre Clique nach Peking zurückzubringen. Eine gründliche Reform des Regierungssystems sei die erste Bedingung für die Sicherheit der chinesischen Negierung und die beste Hoffnung darauf, daß China der sonst unvermeidlichen Zerstückelung entgeht. „Globe" schreibt am Schlüsse eines heftigen ruffenfeind lichen Leitartikels: „Wir können nickt glauben, daß der deutsche Kaiser sich mit dem von Rußland vorgeschlagenen ohnmächtigen Abschlüsse des Vorgehens der Mächte zufrieden geben werde. Oesterreich und Italien werden als Glieder des Dreibundes nicht geneigt sein, sich von Deutschland auf Geheiß Rußlands zu trennen. Frankreich allein dürfte Petersburg blindlings folgen. Was un« betrifft, so ist unsere Politik klar. Es wird unsere Pflicht sein, Peking besetzt zu halten, bis eine verantwortliche Negierung ein gesetzt worden ist, mit der wir unterhandeln können." Zweifel walten noch ob, über die Haltung der englischen Reglern««, aber eS verlautet, auch in Londoner Regierungskreisen werde betont, daß das Zurückziehen der Truppen von Peking im gegenwärtigen Augenblick ohne bestimmte Verständigung mit der chinesiichen Regierung nur die Wiederkehr der jüngsten Ereignisse veranlassen würde. Kein Versprechen Li-Hung- Tschang'S könnte entschädigen für die großen Schwierigkeiten weiterer Unterhandlungen von der Küste auS. So lange die Mächte nicht direkte Zusicherungen von der chinesischen Regierung empfangen, wäre England nicht bereit, seine Truppen aus Peking zurückzuzieben. „Daily Chronicle" meldet aus Washington, daß Englands Antwort unentschieden laute; sie sage nur, daß Lord Salisbury aus Urlaub in Deutschland sei; sie be stätige den Empfang der Note und bitte um Zeit zur Ueberlegung. Es habe auch noch keine andere Macht in irgend welcher bestimmten Weise auf die Note geant wortet, ausgenommen Japan, welches versichere, ganz mit dem russisch - amerikan schen Programm einverstanden zu sein, Mac Kinley glaube jedoch, daß alle Nationen, Deutschland vielleicht ausgenommen, dem Vorschläge des ZurückziehenS der Truppen zustimmen werden. Nur unter einer Bedingung werden die amerikanischen Truppen in Peking bleiben: wenn nämlich Rußland, durch andere Mächte beeinflußt, seinen gegenwärtigen Entschluß ändere und be schließe, seine Truppen nicht zurückzuzieben. Doch diese Mög lichkeit erwarte man nicht. General Chaffee habe schon die Mittheilung erhalten, daß ein baldiges Zurückzichen von Peking wahrscheinlich sei, und er sei instruirt worden, sich dazu bereit zu kalten. Die amerikanische Regierung war von Anfang an so ängstlich darauf bedacht, von der chinesischen Verwickelung loszukommen, daß es Rußlands Initiative mit beinahe komischer Eile Folge geleistet hat. Stellung Frankreichs. Nach einer der officösen Wiener „Pol. Corr." aus Paris zugehenden Mitlbeilung beobachtet man an dortigen kompe tenten Stellen in Bezug auf die Vorschläge, die inter nationalen Truppen aus Peking zurückznzichen, Li-Hung- Tschang ohne jegliches Bedenken als berufenen Vertreter der chinesischen Regierung anzuerkenncn und ohne Säumen FriedenS- verbandlungen einzuleiten, Zurückhaltung. AuS allen Aeußerungen, die bisher von zuständigen Persönlichkeiten über die Abwickelung der chinesischen Angelegenheiten gemacht wurden, müsse jedoch der Schluß gezogen werden, daß die bezeichnete Anregung in Paris unerwartet gekommen ist. Es sei jedenfalls feststehend, Laß man französischerseits in den letzten Tagen, als die Frage, ob der genannte Staats mann als wirklicher Bevollmächtigter der chinesischen Regie rung zu betrachten sei, bereits den Gegenstand allseitiger Erwägung bildete, den Standpunkt einnahm, eS wäre ein sehr schwankendes Unternehmen, mit dem Vicckönig Verhandlungen zu pflegen, so lange die augenblickliche gleichsam legendär gewordene Kaiserin, in deren Namen Li Hung Tichang doch das Wort zu führen batte, nicht auf einem zugänglichen Schauplatz die oberste Gewalt des Reiches sichtbar macht. Ein japanisches Urthcil. Aus London, 1. September, wird uns berichtet: Ein Mitglied der hiesigen japanischen Gesandtschaft äußerte sich mit Bezug auf die neueste diplomatische Wendung der China frage folgendermaßen: „Ans den ersten Bsick scheint das plötzliche Zusammengehen Rußlands mit Nordamerika als eine für Japan recht bedenkliche Wendung. In Japan nahm man immer an, die Mächte würden sich derart grup- piren, daß England, Nordamerika und Japan einem etwaigen geschloffenen Zusammengehen der europäischen Fcstlantsmäcktc daS Gleichgewicht halten würden. Tritt nun aber Nordamerika zu Rußland, so könnte daraus eine Jsolirung Englands entstehen, da Japan gezwungen sein würde, ebenfalls in einigen ihm wichtigen Fragen eine Verständigung mit Rußland zu suchen. — Bei genauerer Prüfung der Sachlage verliert jedoch die jetzige Wendung gar sehr an Bedeutung, denn im Grunde genommen sind die Vorschläge der Regierungen zu Petersburg und Washington rein akademischer Natur. Die Erwartung, daß die Kaiserin-Wittwe nach Peking zurück kehren oder daß sie auch nur eine verbindliche Zusage hinsichtlich der FriedenSverhandlungen machen werde, in ganz hinfällig. Mac Kinley wird seinen Wählern sagen können, daß er sich redlich bemüht habe, eine schnelle friedliche Lösung zustande zu bringen. Ist er aber inzwischen wieder gewählt, so wird er sich voraussichtlich durch die „Macht der Tbatsachen" überzeugen lassen, daß auch die Vereinigten Staaten noch einige Regimenter nach China schicken müssen. Jedenfalls wird, nachdem einige Wochen mit den Vorerörte rungen zu den angeblichen FriedenSverhandlungen ergebnißlos verstrichen sein werden, Graf Walder fee noch viel zu thun bekommen." Ter Eindruck in Teutschland. Aus Berlin wird der „Köln. Ztg." ossiciös mitgetbeilt: Begreiflicherweise steht heute in den Erörterungen der Presse die neue Lage im Vordergründe, die durch die russisch-ameri kanischen Anregungen geschaffen worden ist, und zumeist wird die Frage erörtert, ob bei diesem Anlaß die Einigkeit der Mächte in die Brücke gegangen sei. Mit unverkennbarer Freude wird sie vom Vorwärts bejaht. Es ist aber festzustellen, daß in der ganzen übrigen Presse die Frage sehr viel kühler be sprochen wird, und daß man sich von solchen Uebertrcibungen im Allgemeinen ganz fern hält. Tbatsäcklich handelt es sich bei der russischen Note nur um einen Vorschlag, zu dem man zunächst die Meinungsäußerungen der andern Mächte ein geholt bat, und es ist sicher, daß keineswegs alle Mächte in der russischen Anregung denjenigen Weg sehen, der am raschesten und sichersten zum Ziele führt, denn gegen Len russischen Vorschlag sind schwerwiegende Einwände zu er beben. ES liegt auf der Hand, daß jetzt über riese Frage, über das Für und Wider zwischen den Mächten ver bandelt wird, und so lange diese Verhandlungen, wie es thatsäcklich der Fall ist, in durchaus freundschaftlichem Sinne geführt werden, hat man kein Recht, zu behaupten, daß der Bruch vollzogen sei. Das eben ist die Aufgabe der Diplo matie, Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten aus zugleichen und Gegensätze in der Auffassung abzuschwächen. Tie Grundlagen für eine solche Thätigkeit scheinen insofern nicht ungünstig zu liegen, als es heute wobl keinen einzigen Staat giebt, der leichten Herzens in eine Politik hincintreiben möchte, die zu ernsten Spaltungen und Zerwürfnissen führen könnte. Wenn aber die politische Richtung bei allen Völkern beute eine maßvolle und rubige ist, so ist auch unter den die Negierung-gewalt einnehmenden Faktoren keine einzige Persön lichkeit, der man auch nur entfernt die Absicht zutrauen könnte, aus selbstischen oder ehrgeizigen Beweggründen von der friedlichen Grundlinie abzuweichen, die seit Jahrzehnten im Verkehr zwischen den Großmächten maßgebend gewesen ist. WaS die Beurtheilung des russischen Vorschlags in der deutschen Presse anlangt, so ist cs bei der militärischen Schulung aller deutschen Bevölkerungsclassen nur begreiflich, daß man zunächst die militärische Frage in den Vordergrund stellt und vom militärischen Standpunkte aus Vortheile und Nachtheile abwägt. Auf diese Weise kommt die deutsche Presse dann zu dem Schluffe, daß eine Räumung Pekings eigentlich nur Nachtheile nach sich ziehen würde. Insbesondere wird die Befürchtung in den Vordergrund gerückt, daß die Räumung Pekings nur zur Erhöhung des chinesischen Fanatismus beitragen und unS wohl zwingen könnte, in nicht ferner Zeit das jetzt freiwillig aufzngebende Peking mit doppelten und dreifachen Verlusten von Neuem zu erobern. Nicht mit Unrecht wird auch darauf hingewiesen, daß die Besetzung Pekings durch fremde Truppen kein Hinderniß für die Rückkehr deS Hofes bilde, der sich unter dem Schutze dieser Truppen wahrschein lich in größerer Sicherheit befinden würde als unter den wilden, undisciplinirten und plünderungslustigen Horden, die jetzt seine Bedeckung bilden. Auch die Tbat- sache, daß die verbündeten Truppen in Peking den Kaiser palast geschont haben, könnte bei den chinesischen Macht habern, wenn sie ehrlich die Förderung deß WobleS ibres Landes erstreben, die Abneigung vor einer Rückkehr nach Peking bis zu einem gewissen Grade zerstreuen. Dazu ge kört freilich eine gewisse Ueberwindung, aber die Verhältnisse in China haben sich durch die Schuld der chinesischen Re gierung derart verschoben, daß die chinesische Regierung nicht das allein thun kann, was ihr angenehm erscheint, sondern, daß sie das thun muß, WaS nützlich und nöthig ist. Die neuesten Nachrichten aus China, besonders die Mel dungen des Capitäns zur See Pohl sind dazu angetban, die Schwierigkeit und Bedenklichkeit einer Räumung in sehr be zeichnende Beleuchtung zu setzen. Nach Pobl'S Berichten ist die Ordnung in Pekmg auch jetzt nur in sehr beschränktem Maße wiederhergcstcllt, denn „des NachtS wird innerhalb und außerhalb der Chinesenstadt dauernd geschossen". Weiter meldet Capitän Pobl, daß die Umgebung von Peking nur auf rund 20 Kilometer von chinesischen Truppen frei ist, daß aber dahinter nicht unbeträchtliche Truppen ansammlungen stehen. Wenn jetzt die verbündeten Truppen in dieser Nähe der chinesischen Abtkeilungen und unter dem Feuer von noch in Peking befindlichen Marodeuren und Plünderern die Stadt räumen sollten, so wird dies ein äußeres Bild geben, das unter Zuhilfenahme der auösckrcitenden chinesischen Phantasie und der nicht minder ausschreitenden chinesischen Verlogenheit sehr wohl als eine regelrechte Niederlage der verbündeten Truppen ausgcmalt werden könnte. Man müßte damit rechnen, daß dem Abzüge unserer Soldaten sofort ein Nachdrängen der chinesischen Truppen folgen und daß wir in die Lage versetzt werden würden, zu ihrer Abwehr Rückzugsgefechte zu liefern. Damit aber würde ein Bild gegeben werden, das auch in den Augen von selbst verständigen Chinesen den Glauben an die Macht europäischer Waffen erschüttern würde. Diesen Glauben aber aufrecht zu erkalten ist eine dringende"Noth- wendigkeit. Denn wenn in Tientsin und in Peking unsere Waffen siegten, so ist es in allen anderen Tbeilen des chinesischen Reiches nur die Furcht vor ihnen, die die Ver übung ärgster Ausschreitungen noch niederhält. Bei einem Volke wie dem chinesischen kommt eS nickt nur darauf an, daß unsere Waffen stark seien, sondern ebenso und fast noch mehr darauf, daß die Chinesen sie auch für stark halten. Aus den osficiösen Verlautbarungen der „Kölnischen Ztg." geht schon hervor, daß die deutsche RcichSregierung dem russisch-amerikanischen Vorschlag unmöglich zustimmen kann. Einer Meldung der „Morning Post" auS Washington zufolge theilte der deutsche Gesandte dem Staats departement mit, Deutschland glaube, der Rückzug der Verbündeten auS Peking werde von den Chinesen als Schwäche gedeutet werden und würde die Chinesen ge radezu ausfordern, ibren Feldzug gegen die Ausländer zu wiederholen. Deutschland halte eS für einen Act der Selbsterhaltung, daß die internationale Truppe in Peking bleibe, bis eine neue chinesische Regierung eingesetzt ist; dock werde,falls die Zurückziehung der Truppen durck Militär is cke und nicht durck politische Nothwendigkeit veranlaßt werde, dann Deutschland bereit sein, mit den anderen Mächten gemeinsam zu handeln. Eine solche militärische Nothwendigkeit liegt aber augen blicklich nicht vor; sie könnte, so weit man die Lage jetzt zu überblicken vermag, nur eintreten, wenn mehrere Mächte gleichzeitig ihre Truppen abberiesen; in diesem Falle bliebe Feuilleton. Jlonka. los Roman von C. Deutsch. Nachdruck verbvtln. Der Richter fühlte sich dadurch im Innersten beglückt; denn er sah, wie sich die ernsten Züge des schönen Gesichts aufheiterten und sie wieder jung zu werden anfing, wie er bei sich dachte. Wie gesagt, Jlonka war der Gegenstand allgemeiner Aufmerk samkeit, nur Einer bekümmerte sich nicht um sie: Juran Molnar. Er hatte sie kaum begrüßt, sie nicht zum Tanze aufgefordert, ja mied sic absichtlich; denn als sich beim Czardas die verschlungenen Paare lösten und die Tänzer mit jedem beliebigen Mädchen tanzten, das in ihre Nähe kam, wich er ihr aus, wenn sie durch Zufall wie dicht immer an ihn herankam, und eilte lieber einer Anderen nach. „Er zahlt es ihr heim", dachten die Einen. „Er wird es ihr nie vergeben", flüsterten die Anderen. Eine Pause trat ein, Jlonka wurde in den Kreis der Mädchen gezogen, und Juran trat mit einem Glase Wein an einen der Tische heran, wo die verheiratheten Bauern zechend saßen. War es Zufall oder Berechnung? es war der, an dem Richter Ferencz saß. - „Ich weiß nit, ob ich Dich begrüßen und willkommen heißen darf, Juran Molnar", sagte der Alte, nachdem der junge Mann Platz genommen, und sah ihm mit seinen klaren, klugen Augen ins Gesicht. „Warum fragt Ihr erst? Ferencz Huszar? Ich glaub', wir waren von jeher gute Freunde." „Wir waren", versetzte der Richter mit Bedeutung, „sind eS aber nicht mehr, denn Du suchst mich zu meiden." „Ich Euch?" „Du mich." „Aber warum denn? WaS habt Ihr mir gethan?" fragte Juran, und doch lag ein Anflug von Verlegenheit auf seinem offenen, ehrlichen Gesicht. „Der Grund ist leicht zu finden. Du glaubst, Du mußt Deinen Groll auch auf mich erstrecken, weil ich mich der Jlonka an genommen hab', glaubst, wenn Du freundlich gegen mich bist, so vergiebst Du Dir schon in Deiner Ehr' ihr gegenüber, weil sie rn meinem Hause ist." „Ihr seid ein kluger Mann, Ferencz Huszar, aber hier irrt Ihr in dem Einen wie in dem Anderen", sagte Juran mit ruhiger, fester Stimme. „So schlecht bin ich nicht, daß ich Euch deswegen grollen sollt; ich müßt' mich ja in der innersten Seel' schämen, wenn ich an den braven Alten, den Jozi Bator, denk', und was das Andere betrifft, will ich Euch gleich anfangs reinen Wein einschenken. Ich Haff' das Mädel nicht, ich groll ihr nicht, sie ist mir so fremd und gleichgiltig, so fremd wie jeder andere Mensch, der mich nichts angeht", setzte er in eisigem Tone hinzu. Das Gespräch wurde durch Lajos und Marie unterbrochen, die herantraten. Marie war als Mädchen eine der begehrtesten Tänzerinnen gewesen! Jetzt war sie es nicht weniger, denn sie war ein nicht minder schönes Weib — aber Lajos, eifersüchtig wie er war, that alles Mögliche, die Tänzer fern zu halten, indem er selbst keinen Tanz ausließ, und das Recht des Ehemannes ging natürlich dem jedes Anderen vor. Marie fühlte nur in den ersten Stunden eine Art Verlegen heit Juran gegenüber; jetzt, in der Lebendigkeit des TanzeS, der ihren Augen einen doppelten Glanz und ihren Wangen ein höheres Roth verlieh, legte sie jede Scheu und Blödigkeit ab. „Ah, da bist Du ja, Juran", rief sie und setzte sich neben ihn nieder. „Laß mich von Deinem Weine trinken, ich habe Durst." „Aber Marie", sagte Lajos entrüstet. „Kann ich Dir keinen Wein bringen?" „Was ist dabei? es ist ja der Schwager." Sie nahm Juran das GlaS auS der Hand und trank ihm zu. „Ach, da seid Ihr ja auch, Richter Ferencz", wendete sie sich zu diesem. „Wo habt Ihr Eure Jlonka?" „Ihr müßt sie ja gesehen haben, Molnarin; sie hat so gut wie Ihr getanzt!" erwiderte Ferencz. „Und wann ist Hochzeit, Richter?" „Hochzeit?! welche Hochzeit, wer soll denn heirathen?" „Wer? Ihr, die Jlonka Bator. Es weiß ja Jedermann, daß Ihr noch bei Lebzeiten Eures Weibes dem Mädel nach gegangen seid, und daß Ihr kaum den Tod Betka's erwarten konntet, um Euer Vorhaben auszufllhren." „Wer sagt das?" fragte Ferencz entrüstet. „Jeder, das ganze Dorf." „Da lügt Ihr, kein Mensch sagt so etwas; nur Eure böse Zunge." „Ihr irrt Euch, Richter,, fiel jetzt Lajos ein. „DaS ganze Dorf weiß, warum Ihr all' die Jahre so oft nach Dcszprim ge fahren seid, weiß, warum Ihr die letzte Zeit grab' so ein böses Eheleben gehabt habt. Eure Betka hat Euch darum das Leben so sauer gemacht, denn sie war nit die sanfteste und ihre Zung' nit die glatteste." Wie man sah, spielten sich hier Mann und Frau in die Hände, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Ma rien» Absicht war, Jlonka in Juran » Augen zu erniedrigen, um den letzten Rest von Zuneigung, der vielleicht noch vorhanden war, in ihm zu ersticken, Lajos wollte im Gcgentheil durch das Gefühl der Eifersucht das erstorbene Interesse für Jlonka in ihm wecken, um auf diese Weise seine Aufmertsamleu von Marien abzulenken. Ferencz aber sagte, und sein Gesicht röthete sich vor Entrüstung: „Was habt Ihr von meiner Betka zu reden, Lajos Molnar? Weder Ihr noch Euer Weib seid Werth, ihren Namen zu nennen. Und dann, Lajos . . . wer, wie Ihr, so viel vor seiner eigenen Thüre wegzufegen hat, soll sich um anderer Leute Sach gar nit kümmern." „Und was wäre, wenn Ihr wirklich die Absicht hättet, Jlonka Bator zu heirathen?" sprach Juran, sich plötzlich zu dem Richter kehrend; er hatte bis jetzt still und theilnahmlos dagcsessen und scheinbar mit großer Aufmerksamkeit zum Fenster hinausgeblickt. „Es wäre kein Unrecht und kein Unglück; es haben schon ältere Männer junge Frauen genommen und sind dabei gut weg gekommen." „Da hast Du recht, Juran, und was nicht ist, kann noch wer den," versetzte Ferencz äußerlich ruhig, aber im Innersten über diese Aeußerung geärgert; sie verdroß ihn noch mehr, als der boshafte Angriff der beiden Ersten. „Was nit ist, kann noch werden. Was meinst Du dazu, Jlonka?" wendete er sich zu dem Mädchen, das eben herantrat. „Diese Drei da wollen Dich mit Gewalt mit mir verheirathen, würdest Du Dich weigern, wenn ich's haben wollt?" Ein tiefes Erbleichen ging über ihr Gesicht, sie faßte sich aber bald und versetzte mit ruhigem, festen Ausdruck: „Wenn Ihrs haben wolltet, würd ich nit nein sagen, Vater Ferencz. Ich würd es nicht, denn außer Gott hab ich keinen bessern Freund als Euch, außer Gott hat mir seit des Vaters Heimgang kein Mensch so viel Liebes und Gutes erwiesen. Daß ich jetzt mit reinem, leichtem Gemüth zum lieben Herrgott hinaufblickcn und an den theuren Tobten denken kann, ist Euer Werk, drum giebt es nichts auf Erden, was ich für Euch nicht thun würd, Ferencz", fügte sie unter Thränen hinzu. Eine Stille trat nach diesen Worten ein. In dem sonst so heiteren Gesicht des alten Mannes lag eine tiefe Rührung. „Gott segne Dich, mein gutes Kind", sagte er und fuhr ihr mit der Hand zärtlich über das Haupt. „Glaub mir, Du hast ein reines Herz, ein reineres als all die, die nie gefehlt und nie ein Unrecht begangen haben." „Lajos bring mir ein Glas Wein", unterbrach Marie plötzlich die Rede des Richters; das Gespräch hatte eine Wendung ge nommen, die ihr durchaus nicht behagte. Lajo» beeilte sich, dem Wunsche seiner Frau nachzukommen, und entfernte sich. Kaum war er fort, so sagte Marie: „Juran, Du mußt mit mir tanzen, wenigstens einmal; es ist eine Schänd vor den Leuten; ich bin doch Deine Schwägerin." Sie brauchte gar nicht so in ihn zu dringen, schon bei den ersten Worten erhob er sich und reichte ihr den Arm. Was ihn ärgerte, daß er ihr so bereitwillig folgte . . . wer konnte es wissen? . . . Als sie in den Kreis traten, hörten die Tanzenden auf und umstanden die Beiden, und die Bauern standen von ihren Sitzen auf und näherten sich. Es war auch ein merkwürdig passendes Paar und des An blickens Werth. Er mit mächtig breiter Brust und Schultern, Alle an Größe überragend, sie groß und üppig, ihm fast an das Kinn reichend, das verkörperte Bild heißen, sinnlichen Lebens, jeder Zug Feuer, Gluth an ihr. Und in diesem Augenblicke be seelte sie auch eine Gluth, wie sie sie noch nie empfunden. Er tanzte mit ihr, er, der ihr noch nie ein freundliches Wort ge gönnt, der sie noch nie mit einem Finger berührt hatte . . . Fest und fester drückte sie sich ihm in die Arme, in wilden Schlägen pochte ihr Herz an dem seinen, immer brennender wurden ihre Wangen, immer flammender ihre Augen . . . auch Juran wurde durch den Tanz lebhafter. Nicht umsonst war ihm das in diesem Augenblicke berückend schöne Weib so nahe, nicht um sonst flammte ihm ihr dunkles Augenpaar so leidenschaftlich, so heiß begehrend entgegen, streifte ihn der heiße Athem ihres Mundes. Er war nur ein Mensch, auch seine Pulse fingen an, höher zu klopfen, sein Blut rascher zu fließen, fast unwillkürlich schloß sich sein Arm fester um sie. Einzelne Ausrufe wie: „Is- tenam, ist das ein Paar, der paßt besser zu ihr wie der Lajos, der ihr kaum an das Kinn reicht", schlugen an sein Ohr; er flog, wie im Wirbel, wie ein Berauschter mit ihr dahin; einmal glaubte er, Jlonka's Gesicht zu sehen und das war so seltsam bleich und hatte solch erstaunten Ausdruck ... Da plötzlich ein Schlag, als fiele etwas zur Erde, ein schriller Mißten, als rissen die Saiten eines Instruments, dann eine plötzliche Stille in dem heißesten, wildesten Wirbel der Musik. Juran stand still; trotz des tollen Drehens wankte seine mächtige Gestalt keinen Augen blick, Marie aber, wie um sich zu halten, lehnte ihr Haupt fest an seine Brust. Eine rauhe Hand riß sie zurück, eine heisere Stimme sprach zu ihr, sie sah in da» vor Wuth entstellte Gesicht ihres Manne». Lajos war mit dem Glase Wein zurückgekehrt, al» schon Juran und Marie im Kreise der Tanzenden standen, und traute seinen Augen kaum. Marie hatte ihn nur entfernt, um mit Juran tanzen zu können, und al» er sah, wie fest ste sich an ihn schmiegte, al» er ihr Gesicht beobachtete und bemerkt«, wie sich die»
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