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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.09.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000905026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900090502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900090502
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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7024 Wettere Meldungen: * Wie», 4. September. Die Wiener „Abendpvst" stellt fest, daß die jüngste Nachricht über das Einrücke» von 200 Mann österreichischer Marinetruppen in Peking am 23. August brieflich in Peking aufgegeben worden fei, daß sie am 28. August in Taka telrgraphijch weitergegrbrn worden und am 3. September in Wien eingetrosfc» sei. ES folge daraus, daß bis zum 28. August eine ungestörte Verbindung von Taku mit Peking be standen habe. (Wdhlt.) l?. Frankfurt a. M, 4. September. (Privattelegramm.) Der „Frkf. Ztg." wird aus Shanghai unter dem heutigen Tage berichtet: Der deutsche Gefandte Mumm v. Schwarzenstein hat gestern mit einigen Herren ohne militärische Begleitung die Chiuesenstadt in Shanghai besucht und bei seiner Nückkehr dem Taotai einen Besuch abgrstattet. Sie wurden gar nicht belästigt, das beweist «inrtfeils den Muth der deutschen Herren und deutet andererseits daraus hin, dost die Bevölkerung friedlich gesinnt ist und nicht mehr an Unruhen und Beschädigungen denkt. Als der Taotai horte, daß deutsche Truppen landen würden, war er sehr bestürzt, er beruhigte sich aber wieder, als ihm gesagt wurde, die Truppen würden nicht aus chinesischem Gebiete landen. — Li-Hung-Tschang reist wahrscheinlich heute noch nach dem Norden. lWLrhlt.) Der Arieg in Südafrika. —Wenn nicht Alles täuscht, beginnt der Vormarsch Buller's bei Lydenbnrg endlich zu stocken, weil das Terrain hier ungeahnte Schwierig keiten macht. Man berichtet uns darüber: * London, 4. September. Eine Depesche de- Feldmarjchalls Roberts aus Belfast vom 3. September besagt: Da Buller bei seinem Borinarjch aus Lydenburg den Feind direkt vor der Front in einer starken Stellung vorsand, die er nicht nmgehen konnte, sandte ich heute eine Colonne ab, um ihn zu unterstützen. Am 2. September wurde von den Boeren auf der PctruLburg-Linie ein Eisenbahnzug, mit dem Truppen befördert wurden, zum Entgleisen gebracht. (Wiederholt.) Der Correspondent der „Daily Mail" in Pietermaritz burg meidet von dort unter dem 2. September: „Die Boeren sollen, verläßlichen Nachrichten zufolge, sich in drei Abtheilungen getrennt haben. Die eine rückte nach Lydenburg, wahrscheinlich, um die große Menge dort befindlicher Vorräthe zu bewachen; eine andere nach Bar berton zum Schutz der Frauen und Kinder, während die dritte eine Stellung an der Bahn eingenommen hat. Bei der letzteren Abtbeilung befinden sich die Präsidenten Krüger und Steijn und die Generäle Botha und Viljoen. Nach der Einnahme von Bergen Daal wollte sich Präsident Krüger, wie berichtet wird, ergeben (?), doch wurde ihm vom Präsidenten Steijn, der jetzt anscheinend die Seele des Ganzen ist, davon abgerathen. Lebensmittel sollen die Boeren in Menge haben. Der Rückzug der «Boeren nach Einnahme von Bergen Daal artete in wilde Flucht (?) aus und sie ließen ihre Torten zurück. General Buller ver brennt weiter alle als Hinterhalte benutzten Farmen. Die Annexion Transvaal». Unser Londoner Korrespondent schreibt, mit unserer Auf fassung in Uebereinstimmung, unterm 3. September: „Obwohl eine ossicielle Bestätigung der betreffenden Nachricht noch nicht vorliegt, so wird eS doch in der ganzen englischen Morgenpresse als Tbatsache hingestellt, daß Feldmarschall Lord Roberts am letzten Sonnabend die Transvaal-Republik im Namen der Königin von England annectirt haben soll, waS allerdings vollständig mit dem britischen Vorgehen der letzten Wochen in Südafrika im Einklänge stehen würde. Falls sich diese Action des britischen Oberfeldherrn, die natürlich »ur auf Weisung von London vorgenommen worden sein könnte, bewahrheiten sollte, so würde denn doch die Frage erlaubt sein, auf welche Weise Lord Robert» oder vielmehr Mr. Chamberlain ein derartige- Vorgeben mit den einfachsten Regeln deS internationalen VölkerrechtS in Vereinbarung bringen will. Die Engländer beherrschen genau genommen noch nicht den vierten Theil deS LantgebietS der Südafrikanischen Republik und selbst in den bereits eroberten oder occupirten Theilen des TranSvaal-StaateS wird ihnen die Herrschaft noch fortwährend von den verschiedenen Boerengeneralen streitig gemacht. Wenn Roberts also mit feiner großen Armee nur einen so verhältnißmäßig kleinen Theil deS feindlichen Landes beherrscht, so setzt er sich und die Regierung der Königin von England zum Mindesten wieder einmal dem Fluche der Lächerlichkeit au-, wenn er jetzt in übergroßer Eile die ganze Transvaal-Republik ver schlucken will, ohne sie überhaupt erst gänzlich in der Hand zu haben. Bei der Annexion des Oranje-Freistaates lag di« Sache ganz anders, weil der Stand der Operationen es erlauben konnte, nicht mehr mit einem durchgreifenden Wider stande der Freistaatler zu rechnen, obwohl bekanntlich auch diese Calculation durch Männer wie De Wet und Olivier in mancher Hinsicht nock gründlich zu Schanden gemacht wurde. — Es ist selbstverständlich den Engländern auch nur darum zu thun, den verhaßten Oom Krüger zum Ex- Präsidenten zu mache», seine Regierung nicht mehr anzu erkennen und den so tapfer aushaltenden BurgherS das Prädicat „Rebellen" zu verleihen. Da- Londoner AriegSamt veröffentlicht heute Nachmittag eine Depesche von Feldmarschall Lord Robert-, wonach der selbe am Sonnabend thatsächlich von seinem Hauptquartier in Belfast aus eine Proklamation veröffentlichte,, in welcher er erklärt, daß der TranSvaal-Staat vom 1. September an einen Tbeil Ihrer Majestät Domänen bildet. Diese imma- ginäre Bereicherung Großbritanniens um eine neue Colonie erregt natürlich hier in England große Freude und wird als ein sichere- Anzeichen der baldigen Beendigung des Krieges auS- gelegt. Gleichzeitig kommen von verschiedenen Seiten die angeblich authentischen Meldungen, daß „Krügrr'S Anhänger", wie die Boeren jetzt nur noch genannt werden, in Heller Verzweiflung und vollständiger Demoralisation keinen anderen Wunsch mehr baden, als den „Ex-Präsidenten" so schnell als möglich los zu werden, um sich den großartigen Segnungen de» Frieden- unter der britischen Herrschaft erfreuen zu können. Hiermit stehen aber gewisse Nachrichten in gelindem Wider spruch, wonach die Boeren an vielen Stellen zu gleicher Zeit eine ganz außergewöhnliche Aktivität, wenn auch nur in kleineren Commandos, entwickeln und sich in einer für die Engländer höchst unangenehmen Weise bemerklich machen. Ob Lord Roberts die Farce der Annexion vollzieht oder nicht, der Guerilla-Krieg nimmt seinen Fortgang, und die Boeren denken nicht an Uebergabe oder Einstellung der Feind seligkeiten." * Huddersfield, 4. September. Der Congreß der Trabes UnionS nahm mit knapper Mehrheit einen Beschlußantrag an, in dem erklärt wird, daß der Krieg mit Transvaal im kosmo politischen Interesse der Capitaliste» unternommen fei und daß die Folgen do« Wohl der Arbeiter schädigen müßten. Politische Tagesschau. * Leivrt», 5. September. Eine Streitfrage, die vor einem halben Jahre in Deutsch land berechtigten Unwillen hervorgerufen und eine Zeit lang sogar einen Verlauf zu nehmen schien, der mit einer ernst haften Trübung der Beziehungen zwischen Deutschland und England rechnen ließ, ist jetzt endlich, wenn auch nicht gerade völlig befriedigend, erledigt. ES war die Beschlag nahme deutscher Schisse an der südwestafrikanischen Küste Ende deS verflossenen und zu Anfang dieses ZabreS. Nach Ausbruch de- Kriege- zwischen England und Transvaal waren bekanntlich die englischen Seebehörden, insbesondere an der afrikanischen Küste, eifrig darauf bedacht, im Schiffsverkehr nach KriegScontrebande für Transvaal zu fahnden. Obwohl die Deutsch-Ostafrika-Linie in Rücksicht darauf, daß ibre Schiffe Reichspostdampfer sind, von vornherein bekannt gegeben hatte, daß sie keine Waarensendungen annehme, die auch nur im Entferntesten in den Verdacht kommen könnten,KriegScontrebande zu sein, und obwohl die Linie nach Ausbruch des Krieges während der Fahrt aus Schiffen Güter hatte au-laden lassen, die als Contrebande hätten aufgefaßt werden können, kamen Schlag auf Schlag nach Deutschland die Meldungen: daß am 29. December der Pvstbampfer „Bundesrath" vor der Delagoabai aus gebracht und nach dem Hasen von Durban überaeführt worden sei; daß am 4. Zanuar der Postdampfer „General" in Aken zur Löschung seiner Ladung gezwungen worden sei; daß am 7. Zanuar der Dampfer „Herzog" angehalten sei und ebenfalls nach Durban gebracht werde. Zugleich war die Hamburger Bark „HanS Wagner" in Port Elisabeth angehalten worden und ferner die Bark „Marie". Die Das letzte Schlachtfeld des Voerenvolkes. Entrüstung über diese- Vorgehen der englischen Local behörden führte zu einer eindruck-vollen Kundgebung im Reichstage. Gestützt auf mehr al- 300 Mitglieder deS Neich«tag» brachte am 16. Zanuar der nationalliberale Abgeordnete Möller eine Znterpellation ein, die an die ver bündeten Regierungen die Frage richtete, welche Schritte sie diesen Vorkommnissen gegenüber getban hätten. Drei Tage später wurde die Znterpellation im Reichstag durch den Antrag steller eingehend begründet und dargethan, daß daS Vorgeben sachlich unberechtigt war und im Widerspruch mit den see rechtlichen Gepflogenheiten und sogar den Znstruclionen stand, die England selbst für seine Seeossiciere für die Aufbringung von Schiffen erlassen. Die Antwort, die der Staatssekretär deS Auswärtigen, Graf v. Bülow, ertheilte, dämpfte den Unwillen einigermaßen, weil einerseits sie berichtete, daß Eng land sein Bebauern über die Vorfälle ausgesprochen und volle materielle Genugthuung zugesichert habe, und weil sie anderer seits das nachdrückliche Eintreten unseres an-wärtlgen Amtes für die weitere Erledigung verhieß. Mehrere Monate gingen dann darüber hin, bis die Schadenersatzansprüche festgestellt, begründet und in London vorgelegt werden konnten. Dann sind sie in einem Verfahren erledigt worden, über besten Verlauf und Ergebnisse in unserer heutige» Morgenausgabe nach der „Nordd. Allgem. Ztg." berichtet worden ist. Die „Nat.-Lib. Corr." weiß ferner mitzutheilen, oaß die einstimmig gefaßten Beschlüsse der gemischten Commission die geschädigten Rhedereien zufriedengestellt haben. Davon freilich, daß für diese und andere deutsche Rhedereien eine Sicherung gegen ähnliche Schädigungen erwirkt worden sei, weiß weder die „Nordd. Allgem. Ztg.", noch die „Nat.-Lib. Corr." etwa- zu berichten. Eine solche Sicherung zu schaffen, war freilich nicht die Aufgabe der gemischten Commission; nachdem diese aber mit der EntschädigungSpflicht Englands auch das von englischen Seeofficieren begangene Unrecht festgestellt hat, wird eS die Aufgabe unseres Auswärtigen Amtes sein, auf eine solche Sicherstellung zu dringen. Erst wenn sie erreicht ist, kann von einer völligen Befriedigung Deutschlands die Rede sein. Auf da» Verbältniß Deutschlands zu Frankreich fällt ein nicht ungünstiges Licht durch die Nachricht, daß die Republik bei den diesjährigen großen Kaisermanövern durch drei Ofsiciere vertreten sein wird. Diese Entsendung ist um so bemerkenswerther, je weniger sie zu erwarten war, nachdem die beiderseitigen Militärbevollmächtigten abberusen worden waren. Zst nun auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die Entsendung eben so sehr dem Wunsche unserer westlichen Nachbarn nach Beseitigung der Spannung, die zu jener Abberufung geführt hatte, wie einer unruhigen Wißbegier entspringt, so beweist die Entsendung doch, daß zur Zeit in Frankreich Gewicht darauf gelegt wird, nicht als ausgeschlossen von dem großen militärischen Schauspiele zu erscheinen, bei dem in der Provinz Pommern alle anderen mit Deutschland auf freundlichem Fuße stehenden Mächte vertreten sein werden. Ob nach den Manöver» die Wieder einsetzung der Militärbevollmächtigten erfolgen wird, muß dahingestellt bleiben, da Oesterreich und Ztalien den gleichen Schritt wie Deutschland gethan hatten und die Mächte de» Dreibundes voraussichtlich auch weiter in dieser Frage in Uebereinstimmviz handeln. Es muß jedoch daran erinnert werden, daß die Abberufung der Militärbevollmäch tigten nicht für immer in» Auge gefaßt war. Ob die in Glasgow vorgekommene» verdächtigen Krank heitsfälle thatsächlich orientalische Beulenpestfälle sind oder nicht, darüber sind sich die englischen Zeitungen noch nicht einig. Zmmerhin ist jetzt, auch wenn die in England selbst getroffenen Vorsichtsmaßregeln eine Weiterverbreitung der Krankheit unwahrscheinlich machen, zum ersten Male seit dem Erlasse des Gesetzes über die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten die Möglichkeit der Einschleppung einer gefähr lichen Krankheit nach Deutschland vorhanden. Für diesen Fall bat da- Gesetz bestimmte Vorkehrungen getroffen. Einmal kann der Einlaß der Seeschiffe von der Erfüllung gesundheit-polizei licher Vorschriften abhängig gemacht werden, eS kann aber auch der Einlaß anderer dem Personen- und Frachtverkehr dienenden Fahrzeuge, die Ein- und Durchfuhr von Maaren und Ge brauch-gegenständen, der Eintritt und die Beförderung von Personen, welche aus dem von der Krankheit befallenen Lande kommen, verboten oder beschränkt werden. Dem BundeSrath ist die Ermächtigung ertheilt, Vorschriften über die hiernach zu treffenden Maßregeln zu beschließen. Solche Vorschriften sind ebenso wie die über dir Ausstellung von Gesundheitspässen für die aus deutschen Häfen ausgehenden Seeschiffe vom BundeSrathe bisher noch nicht beschlossen worden, weil da- Gesetz über die Bekämpfung gemeingefährlicher Krank heiten erst im Zuli d. Z. verkündigt ist. E- darf aber al- sicher angesehen werden, daß eine der ersten Aufgaben de« feine Plenarsitzungen in naher Zeit wieder ausnehmenden Bundes- rath-.die Beschlußfassung über die Ausführungsanweisungen zu diesem Gesetze sein und daß sich unter den letzteren auch die auf die Verhütung der Einschleppung gemeingefährlicher Krankheiten mit dem AuSlande bezügliche Vorschrift befinden wird. Sollte übrigen- au» der Einschleppung» Möglichkeit eine Einschleppungögefahr entstehen, wa» vor der Hand Augen entstürzte. „Ich bin ein elende», unglückselige» Weib, da», wo es haßt, mit Liebkosungen verfolgt wird, und wo eS liebt, gehaßt und zurückgestoßen wird. O Juran, Juran!" fuhr sie fort und umschlang ihn plötzlich mit beiden Armen, „nur einmal drück mich an Dich und sag, daß Du mich lieb hast, und ich will gern sterben, denn ich vergeh' in Sehnsucht nach Dir. Du weißt nit, wie ich Dich lieb hab', Dich geliebt hab' seit den Mädchen jahren. Wenn Du mich zu Deinem Weibe gemacht hättest, wäre ich anders geworden; Dir zu Lieb hätt' ich Alles gethan, wär' ich zu Allem fähig gewesen. Doch Du stoßest mich zurück, wie Du mich vor Jahren zurückgestoßen, und so gewinnen die bösen Geister immer mehr Macht über mich. Juran, erbarm' Dich und schenk mir nur ein Bissel Lieb, nur ein Bissel, Juran, und ich will Dich segnen mein Leben lang, will glücklich und zufrieden sein und Dir so dankbar, wie ein Hund seinem Herrn." Erst wollte er sie in wildem Zorn von sich abschütteln, als er aber in ihr Gesicht sah, das ganz zerwühlt von Schmerz war, als ihn der flehende Ausdruck ihrer Augen traf, al» ihre Stimme immer weicher wurde, bis sie sich ganz in Thränrn verlor, schwand die wilde Entrüstung und eine Regung von Mitleid überkam ihn. WaS war ihr ganzes Verbrechen? Daß sie ihn liebte. Durfte er sie darum hassen? War ihre Neigung nicht echt? Hatje sie ihn nicht schon in ihren Mädchenjahren geliebt? Ihr ganzes Unrecht war, daß sie sich nicht b ezwang, daß sie sich ganz widerstandslos ihren Empfindungen überließ. Doch nicht Jeder hatte einen starken Willen, sich zu bezwingen, und so war sie mehr zu bedauern als zu verdammen. Es machte sich vielleicht auch eine andere Regung geltend, die ihn milder stimmte. Er war ein Mann; die Nacht, die Umgebung, die glühende Leidenschaft diese» Weibe», Alles trug dazu bei, ihn aufzuregen und sein Blut rascher rollen zu machen. Doch er bezwang sich bald und unterdrückte in seinem braven festen Herzen die Versuchung, die an ihn herantrat; hatte er Macht über sie, wie sie sagte, so wollte er sie zum Guten nützen, sanft machte er sich von ihr lo» und trat zurück. Der finstere Ausdruck in seinem Gesichte war verschwun den, und e» lag ein solcher Zug biederer Männlichkeit darauf, daß Marie unwillkürlich die Augen senkte. „Marie", sagte -r, „Du weißt selbst nicht, wa» Du sprichst. Du bist krank; denn so redet kein Mensch, der seine fünf Sinne beisammen hat. Du, «ine verheirathete Frau, dir Frau meine» Bruder», kommst und verlangst Liebe von mir? Weißt Du denn nicht, daß Dein Wunsch Sünde und verbrechen ist, und daß e» schmachvoll ist, Deine Worte anzuhören? Du hast ein wildes Herz, Marie, und daS ist Dein Unglück. Lern Dich bezwingen, denn der Wille ist stärker alt da» Herz und kräftigt und festigt «» wie der Schmied das Eisen, da» er im Feuer glüht. Du hast Deinem Manne Treu vor Gottes Angesicht geschworen und mußt sie halten, Du mußt den Weg weiter gehen, den Du einmal ge wählt, das Zurückläufen hilft Dir nicht, Du kommst doch nicht mehr auf den Punct zurück, von dem Du autgegangen, Marie." Marie gab keine Antwort, sie saß still; nur von Zeit zu Zeit erschütterte ein lautes Schluchzen ihren ganzen Körper. „Hast Du mich gehört, Marie? Geh hinein zu Deinem Mann und sei ihm ein braves Weib, und Gott wird Dich unter stützen und wird Ruh' Deinen: Herzen geben." „Ich will aber nit", rief Marie aufspringend. „Von ihm will ich nichts wissen. Eine Kröt' ist mir nicht so verhaßt wie er. Ich geh nit mit ihm, ich will nicht» von ihm wissen." „Er kann Dich zwingen, Du bist sein Weib, und das Weib muß dem Manne folgen." Marie sah ihn eine Weile an, dann sagte sie, und ein selt samer Ausdruck ging über ihr Gesicht: „Eine Frage will ich an Dich richten, und wenn Du mir die gut beantworten wirst, dann wird vielleicht Ruh' in mein Herz kommen. Thuft Du mich hassen, Juran?" „Wozu soll da» führen, Marie?" „Red', red'! im Namen Gottes! Es wird mich beruhigen", flehte sie, „ich werd' mich vielleicht zufrieden geben, wenn ich weiß, daß Du mich nit mehr hassest, und mich am End' in mein Schick sal fügen." Juran hörte nur ihre Worte, den Ton ihrer Stimme; den Ausdruck, den ihr Gesicht trug, sah er nicht; denn eine Wolke hatte sich über den Mond gelegt und sein Licht verhüllt. „Ich hass' Dich nicht, Marie, jetzt nicht, wa» ich für Dich fühl', ist Mitleid, geh' jetzt hinein!" „Nur noch das Sine, Juran, da» Eine, dann will ich geh'n und nie mehr solch' Wort zu Dir reden. Wenn Du mich frei gefunden, wenn ich treu auigeharrt, und ich hätt's, wenn ich ge wußt, daß Du lebst, so hieß cs aber, Du seist todt, und ich Netz mich überreden." . . . Sie hielt einen Augenblick inne, dann rief sie in heißer, glühender Erregung und in beschwörendem Tone: „Juran, wenn ich frei gewesen, al» Du heimkehrtest, hättest Du mich zurückgestoßen, wie vor Jahren?" ... Sie sah in sein Gesicht mit zuckenden Mienen, al» erwarte sie Tod und Leben von seinen Lippen. Wenn Juran aewußt, welch' fürchterliche Bedeutung in jener Frage lag, welch' entsetzliche Tragweite tn jeder Silbe, die seine Lippen sprechen sollten, so hätte er da» verbrecherische, sün dige Weib von sich gestoßen, so aber fühlte er Mitleid mit ihr. und wenn dies Gefühl im Herzen aufstcigt, so kann der Mund nicht solche harte, strenge Worte sprechen, wie e» Wahrheit und Gerechtigkeit fordern, und er wußte ja nicht, welche entsetzlichen Gedanken dieser Moment in dem Gehirn dieser Frau gebar, wie sie aufstiegen, die Ungeheuer der Menschenseele, wie giftige Nebel über einen schaurig tiefen Abgrund; er wußte es nicht, und so wich er zum ersten Mal von der strengen Wahrheit ab, die sein Wesen kennzeichnete, und sagte, um sie zu beruhigen: „Ich weiß nit, wa» geschehen wär', Marie, wie kann ich Dir das jetzt sagen? Kann sein, daß Deine Treu und Beständigkeit mich gerührt, daß Deine ausdauernde Lieb' die meinige erregt hätte. Das Menschenherz ist ein seltsam Ding und widerspricht sich oft genug. Doch beenden wir die Red', Marie, sie führt zu nichts. Befolg' meinen Rath, er kommt jetzt aus gutem Herzen, geh' hinein zu Deinem Mann, dem Du angchörst bis an» Ende Deiner Tage, sei ihm ein treue», gutes Weib, und Gott wird Ruh' und Frieden Deinem Herzen geben. Zusammen dürfen wir länger nit sein, denn wenn Lajos Dich vermißt und Dich hier findet, giebt's ein Unglück. Gute Nacht, Marie." Damit ent fernte sich Juran eilig. XXIV. Am anderen Morgen herrschte Schrecken und Berwirrung im Hause. Wie eine Wahnsinnige, mit bleichen, entstellten Zügen, mit verwirrtem Haar und halb angekleidet war Marie zur frühen Stunde au» ihrer Kammer gestürzt, da» ganze Haus mit Geschrei erfüllend. Sie hatte Lajo» todt im Bette gefunden. Sie war gegen fünf Uhr aufgestanden, um nach dem Vieh zu sehen und da» Frühstück zu bereiten und hatte sich gewundert, daß Lajos nicht früher aufgestanden, wie e» seine Gewohnheit war, sie war an sein Bett getreten, um ihn zu wecken, seine Starrheit und Unbeweglichkeit fiel ihr auf, und als sie ihn berührte, sah sie, daß er kalt und todt war. . . Der alte Molnar trat an der Hand Juran'» in die Stube und an da» Bett de» Sohne». Er betastete den Körper, er war eiskalt und hatte «ine gekrümmte Lage; der Lod mußt« also schon vor Stunden erfolgt sein. — Merkwürdig erschien, daß seine Fäuste geballt waren, al» wenn er in heißem Kampfe gerungen. „Wie sieht sein Gesicht aut?" fragte der vlinde leis«. „Blau und verzehrt", versetzte der junge Mann, mit Ent setz:» da» todte, entstellte Gesicht betrachtend. „Sieh nach seinem Hal»!" „Der hat einen breiten, blauen Streifen." Jans» sagte kein Dort und auch Juran schwieg; sie scheuten sich Beide, die Gedanken auszusprechen, die in ihnen aufstiegen. Mit Hilf« Juran'» und Aufbietung aller seiner Kraft« sucht« d«r Blind« d«n vrrkrümmtrn Gliedern «tn« -rrad«, natürlich« Haltung zu geben, dann band er dem Tobten ein Tuch um den Hals und bedeckte ihn mit einem Bettlaken. Unterdessen hatte sich das halbe Dorf im Hof und vor den Straßenfenstern versammelt; auch Ferencz war erschienen, er rieth, den Arzt aus Füred zu holen. „Was soll da noch ein Doctor", sagte Janos. „Ihm wird kein Gott mehr helfen, viel weniger ein Mensch." „Habt Ihr keinen Verdacht, fragte der Richter, Janos bei Seite nehmend. „Verdacht, auf wen soll ich Verdacht haben?" versetzte der Blinde fast entrüstet. „In wessen Absicht kann's gelegen haben, ihn umzubringen? Wie kann Euch nur so etwas «infallen, Richter Ferencz!" „Er starb so jäh, so plötzlich", sagte der Richter, dem un willkürlich der Verdacht aufgestiegen war, und der wankend wurde bei der völligen Unbefangenheit und sicheren Festigkeit des eigenen VaterS; wenn dem kein Zweifel aufstieg, wenn der keinen Verdacht hatte, wie konnte cs ein Fremder? In wessen Ab sicht konnte es wirklich gelegen haben, einen Mord an ihm zu begehen? Marie hielt er für leichtfertig, aber so etwa» traute er ibr doch nicht zu. Und Juran? Juran streifte nicht einmal ein Gedanke de» braven ManneS. „WaS ist da» Leben eines Menschen?" sagte Janos auf die Worte de» Richters, „eine Minute reicht oft aus, es zu ver nichten. Er hat sich Abends ein bissel aufgeregt, hat sich in dieser Heftigkeit zu Bett gelegt und da hat ihn im Schlaf der Schlag gerührt." Al» sich Alle» entfernt, und er nur mit Juran und Martha allein im Zimmer war, sagte Janos: „Juran, Du bist gestern nicht gleich zu Bett gegangen, hast Du Lajos nit mehr gesprochen?" Juran verneint« und Martha «rzählte, sie habe gegen elf Uhr em Geräusch gehört, habe durchs Fenster geblickt und Marie nach dem Garten gehen sehen. „Sie war dort", sagte Juran, „und auch ich." Der Blinde horchte auf. „Ich war aufgeregt und bin nach dem Garten gegangen, bin gerade dazu gekommen, sie von dem Brunnen wegzureißen, in den sie sich hat stürzen wollen.", (Fortsrtzung folgt.)
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