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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.10.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001002016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900100201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900100201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- unvollständig, S. 7773 - 7776 (1. Beilage) fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-10
- Tag1900-10-02
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Jahrgang. 5V1 Dienstag den 2. October 1900. Die neue Militärrechtspflege. N. Der 1. October 1900 ist für das ganze deutsche Heer in sofern von epochemachender Bedeutung, als an diesem Tage durch das Inkrafttreten der ReichS-Militärstrafgerichtsordnung vom 1. December 1898 ein einheitliches Rechtsverfahren zur Ein führung gelangt ist. Hiermit wird ein neues einheitliche» Band um das deutsche Heer wie weiterhin um daS deutsche Volk geschlungen und das alte Wltargerichtsverfahren zur wohlverdienten Ruhe bestattet, um einem Verfahren nach modernen Nechtsanschauungen Platz zu machen. Durch die neue Militärstrafgerichtsordnung werden die älteren Gerichtsordnungen für Preußen und diejeni gen Bundesstaaten, in denen die preußischen Militär-Straf gesetze eingeführt wurden, vom 3. April 1845, für Bayern vom 29. April 1869 und für Württemberg vom 20. Juli 1818 auf gehoben. Von diesen Gerichtsordnungen war allein die bayerische von einem modernen Geiste durchweht, während die anderen mit ihrem schriftlichen und geheimen Verfahren an die Zeiten des Jn- quisitionsprozesies erinnerten. Durch die Zugeständnisse von den betheiligten Seiten wurde auch die Klippe der bayrischen Re servatrechte glücklich umschifft und das Gesetz vom 9. März 1899 brachte die Einrichtung eines bayrischen Senats beim Reichs militärgericht zu Stande, womit die neue Militärstrafgerichts- ordnung zu einer Thatfache wurde, die sich nun am 1. October dieses Jahres vollendet hat. Die Errungenschaften der neuen Gerichtsordnung seien kurz hier angeführt. VorAllem trat rineTrennung zwischen denThätig- keitrn eines Untersuchungsrichters, eines Anklägers und eines Ver- theidigers ein, die bisher in der einen Person des Auditeurs ver einigt waren. In Zukunft tritt rin besonderer Ankläger auf, der mit dem Angeklagten vor dem Richter verhandelt. Der An geklagte braucht sich über seine Schuld nicht auszulassen und kann ruhig abwarten, bi» sie ihm von dem Ankläger bewiesen wird. Der von früher beibehaltene Gerichtsherr tritt an die Stelle der Staatsanwaltschaft und beauftragt einen Vertreter der Anklage für die Hauptverhandlung, die bei allen Spruchgerichten stets mündlich und öffentlich ist; für die Ausschließung der Öffent lichkeit sind vom Kaiser bestimmte Vorschriften erlassen. veim ReichSmititiirgertchte besteht eine eigen« Militäranwaltschaft. Lei allen Gerichtsverhandlungen kann sich der Angeklagte eines Ver- theidigers bedienen; als solche werden zugelassen: Offtciere des activen Dienststandes oder des Beurlaubtenstandes (Reserve und Landwehr), Kriegsgerichtsräthe und die bei den Militärgerichten beschäftigten Assessoren und Referendare, nicht richterliche obere Militärbeamte und Rechtsanwälte, die von der obersten Militär justizverwaltung ernannt sind. Von größter Bedeutung ist auch die Ständrgkeit der Militär gerichte, die im bisherigen Strafverfahren nicht gekannt war. Von jetzt ab werden sämmtliche juristisch gebildeten Beamten, also die richterlichen Militärjustizbeamten, ständig einem bestimmten Ge richte zugewiesen, ferner werden der Vorsitzende und die Beisitzer der Standgerichte alljährlich vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer, der Gerichtsofficier, der hier die Stelle des richter lichen Beamten vertritt, gewöhnlich auf noch längere Zeit bestellt. Die Oberkriegsgerichte und das Reichsmilitärgericht sind ständige Gerichte; bei den Kriegsgerichten ist dagegen ein« wechselnde Be setzung der militärischen Mitglieder nicht zu vermeiden gewesen. Das richterliche Mitglied ist aber auch hier ständig beigeordnet und die militärischen Mitglieder werden im Voraus für das ganze Geschäftsjahr bestellt, so daß für einen einzelnen Fall jede Will kür ausgeschlossen ist. Das Generalauditoriat hat ebenso zu bestehen aufgehört, wie die Amtsbezeichnung Auditeur, an deren Stelle die Grund bezeichnung Gerichtsrath getreten ist, so daß es Reichsmilitär- gerichtsräthe, OberkriegsgerichtSräthe und Kriegsgerichtsräthe giebt. An die Stelle der Actuare sind Militärgerichtsschreiber ge treten; Militärgerichtsboten sind neu hinzugekommen. Auch die Uniformirung der richterlichen Militärjustizbeamten wurde einer geringen Acnderung unterworfen, so daß mit dem 1. October 1900 eine völlige Umgestaltung eingetreten ist, der auch der bis her an die älteren Auditeure verliehene Titel Justizrath zum Opfer gefallen ist, der von den damit Beliehenen bei ihrer Ueber- nahme als Kriegsgerichtsrath u. s. w. nicht mehr geführt werden darf, auch fernerhin nicht verliehen wird. Scharfer Wind. iVl. Scharfer Wind weht jetzt durch Oesterreich; er möchte die Deutschen, und zumal die, die da evangelisch werden wollen, in den Winkel treiben; der ultramontane BlastuS strengt sich nach Kräften an, die Protestanten vor sich herzufegen; die Regierung hilft ihm dabei, sie öffnet die Schläuche dieses römischen Aeolus. Da» ist eine ernste Thatfache, daß sie sich in den Dienst des katholischen Klerus stellt; in dessen Sinn und Auftrag sucht sie die evangelische Bewegung ZU hemmen. Sie verzögert oder ver weigert die Naturalisation protestantischer Kandidaten, die sich um kirchliche Aemter beworben haben; sie macht es dadurch den Gemeinden unmöglich, in geordneter Weise für ihr religiöses Be- dürfniß zu sorgen, obaleich sie das Recht haben, frei ihre Prediger zu wählen, auch Ausländer zu wählen, wenn kein Inländer vor handen sind. Dies Recht wird nicht respectirt; man verlegt den Ausländern den Weg zum kirchlichen Dienst in Oesterreich. Aber auch gegen inländische Pfarrer tritt man scharf auf. Die evan gelische Gemeinde in E. hatte einen jungen tüchtigen Oesterreicher zu ihrem Geistlichen gewählt; er ist deutsch gesinnt, hat aber nie agitatorisch gewirkt. Aber daß er auf sein Deutschthum gehalten hat, daS ist Grund genug, seine Bestätigung zu verweigern. Der Statthalter in Prag, der rückhaltlos fitr den UltranrontaniSmuS eintritt, hat verordnet, daß die Statthalterei .gegen die Wahl de» N. N. zum Pfarrer don N. N. in politischer Hinsicht darum Einsprache erhebt, weil von demselben als Pfarrer nach seiner bisherigen Haltung eine friedliche, auf die Angehörigen der eigenen Neligionlgesellschaft beschränkte Seelsorgethatigkett nicht zu gewärtigen ist". Scharfer Windl Aber er weht nicht aus der Ecke der Gerechtigkeit. El kann nichts gegen dir bisherige Thätigkeit des Manne» Vorgebracht werde; aber man fürchtet, daß er fein Deutschthum nicht verleugnen werde; man fürchtet, daß er nicht Diejenigen abweist, welche evangelisch werden wollen; man fürchtet, daß durch seine Arbeit di« protestantische Gemeinde in N. N. erstarke; da» paßt nicht in den Plan der Klerikalen; darum wird gegen seine Wahl .in politisch«! Hinsicht Ein sprache erhoben". Gut gesagt, Herr Statthalter! Aber hoffent lich ist dessen Wort nicht das letzte Wort. Das Presbyterum in N. wird sein Recht energisch wahren, wird das Falsche heim licher wie hämischer Denunciationen nachweisen und dadurch im Interesse der ganzen evangelischen Kirch« Oesterreichs den Ver such zurückschlagen, die protestantischen Geistlichen von Staats wegen einzuschüchtern, wenn sie etwa energischer das Recht ihrer Sach« und ihrer Gemeinde verfechten wollen Wie wenig versteht doch die Regierung das deutsche Volks- thum! Das könnte sie doch allmählich wissen, daß der Deutsche am wenigsten die Hand der Staatsgewalt verträgt, die in das innere, geistige, religiös« Leben brutal eingreift. Die Staats männer an der Donau werden es vor allem dem Statthalter in Prag zuschreiben müssen, wenn in den bevorstehenden Wahl kämpfen die Erbitterung gegen die im Dienste des Klerikalismus stehende Regierung das führende Wort nimmt. Und auch wir im deutschen Reiche können nicht ohne Besorgniß das Verhalten der leitenden Staatsmänner in Oesterreich betrachten. Unsere Politik ist auf das Bündniß mit Oester reich eingerichtet; Oesterreich ist aber lebensfähig und kräftig nur, wenn es auf das deutsche Volksthum und die deutsche Kultur sich stützt; trennt man sich von diesen, so lockert und löst man das Band, das den Staat drüben zusammen hält. Die rücksichtslose Behandlung der Deutschen und der Evange lischen im Staate dec Habsburger vermindert von Woche zu Woche die Theilnahme der Reichsdeutschen für den österreichischen Staat. Fährt man drüben fort, so weiter zu regieren, wie es dem Statt halter in Prag beliebt, so bereitet man und begründet man bei uns eine Stimmung, die der dereinstigen Katastrophe mit Gleich- muth zusieht. Der scharfe Wind, der jetzt drüben gegen die Deutschen und die Protestanten weht, droht bei uns die letzten Sympathien für Oesterreich hinweg zu blasen. Die Wirren in China. Die Vorgänge in Peking am 21. Jnnt. Die in Tsingtau erscheinende „Deutsch-Asiatische Warte" bringt nach dem Lagebuch eine» chinesischen Be«, amteninPeking Mtttheilungen über die bekannten dortkatH Vorgänge im Juni d. I., denen wir zur Ergänzung früherer Be richte u. A. Folgendes Uber die Plünderungen der chinesischen Regierungstruppen entnehmen: Heute Morgen 9 Uhr, gerade als wir beim Frühstück waren, hörten wir, wie man in unsere westlichen Nachbarhäuser ein brach, Gewehrschüsse und das Jammern und Schreien von Männern, Frauen und Kindern. In diesem Augenblick kam unser Diener bleich und erschreckt hereingestürzt und berichtete, daß Regierungstruppen in den Nachbarhäusern beim Plündern seien. Nachdem ich mich schnell mit meinem eben falls anwesenden Vetter verständigt hatte, befahlen wir dem Diener, sofort zu öffnen, sobald an die Thüre geklopft würde, und nicht zu warten, bis Soldaten sie aufbrechen würden, auch sonst Alles zu vermeiden, was ihre Wuth erregen könnte. Kurz darauf stürmten die Soldaten auch schon unser Haus, ungefähr 20 an der Zahl, Jeder mit einem Gewehr bewaffnet. Wir traten ihnen außerhalb des Empfangszimmers, ich mit meinem Amts siegel in der Hand, entgegen und bedeuteten ihnen, daß sie im Hause eines städtischen Beamten seien. Ferner sagte ich, falls sie zum Plündern gekommen seien, so stände Alles für sie offen, nur möchten sie meine Kinder nicht mißhandeln. Niemand ant wortete, sie schleppten einfach Alles, was im Hause war, in den Hofraum, erbrachen alle Kisten und Kasten, streuten den Inhalt umher und nahmen das Beste davon, werthvolle Pelzkleider, Schmucksachen und Geld, dann zogen sie wieder ab. Kaum waren sie fort, als ein anderer Trupp Soldaten erschien, der von dem, was noch da war, wieder das Beste aussuchte, uns aber unbe helligt ließ. Nach diesem kam ein dritter Trupp und hielt Nach lese, bis schließlich bei dem siebenten oder achten Besuch über haupt nichts mehr übrig blieb. Unser ganzes Zeug wurde fort genommen, selbst einige Banknoten, die ich an meinem Körper versteckt hatte, wurden gefunden. Nachdem bei uns zur Genüge aufgeräumt war, klopften die Soldaten an die Thür meines Nachbarn, der aber gesonnen schien, Widerstand zu leisten. Dies brachte die Soldaten in Wuth und sie begannen die Mauern und das Dach zu erklettern und in das Haus zu schießen. Während diese» Trubels gelang es mir mit meinem kleinen Sohne, in das Haus meines Hauswirthes zu fliehen. Das Schreien Und Rufen wurde immer heftiger, der Kugel regen immer stärker, das Haus war von allen Seiten dicht von Soldaten umzingelt, wurde angezündet und brannte bald lich terloh. Bis tn unser Zimmer flogen die Kugeln und wir muß ten unS platt auf den Boden werfen, um nicht getroffen zu wer den; an ein Herausgehen war nicht zu denken, gerade vor unserer Thür lagen schon drei Tobte. Ein Soldat erschien plötzlich an unserem Fenster und forderte Geld, widrigenffalls er Alle nieder schießen würde, doch zog er schließlich wieder ab, als wir ihm versicherten, daß wir bereits ausgeraubt seien. Nach einiger Zeit wurde es draußen ruhiger und ich versuchte nach dem Hause des Großsekretärs Sun Chia nai zu kom men, doch wurden wir schon nach einigen Schritten von Sol daten angehalten, wir floben schnell in eine offen stehende Haus- thür, wo wir uns eine Zeit lang aufhielten, und wagten uns erst weiter, als es draußen wieder ruhig schien. Wir wurden aber von Neuem angehalten und flohen diesmal in da» HauS einer Familie Li. Vater und Sohn trafen wir jammernd an. Sie klagten, daß ihnen Antiquitäten, Juwelen und Geld im Ge- sammtwrrthe von 160 000 TaelS geraubt seien. Während wir noch berathschlagten, was zu thun sei, sprang der Wind plötzlich um und da» Feuer bedroht« jetzt auch da» Hau», in dem wir uns befanden, und versetzte un» tn ein schreck liches Dilemma. An Flucht war nicht zu denken, da die Straße gedrängt voll Soldaten war, das Feuer kam immer näher. Plötz lich hörten wir Rufe, daß ein« Abtheilung Kavallerie heranrücke, und benutzten die allgemeine Verwirrung, um nach unserem Hause am Ostende der Straße zurückzueilen. Das Rufen und Schreien wurde lauter, dazwischen hört« man den Galopp' der heransprengenden Kavallerie. Anscheinend hatte die Regierung soeben erst Nachricht von d«r Brandstiftung und Plünderung er halten und die Soldaten kamen jetzt, um die Ordnung wieder her- zustellen. Mir gelang r», mich, wir schon vorher grplant, nach d«m Hause des Großsekretärs durchzuschlagen. Ich kam dort gerade in dem Augenblick an, als er zu dem Äcoßsekretär HsiiT ' ung wollte. Excellenz Sun war sehr aufgeregt, denn sein Haus war während der vergangenen Nacht ebenfalls ausgeraubt wor den. Die Soldaten'bedrohten ihn mit ihren Waffen und ließen sich alles nur Mitnehmenswerthe ausliefern, selbst Möbel, zwei Karren und einige Maulthiere, die er für seine Ueberlandreisen benutzte. Die Fuhrwerke mußten jetzt zur Fortschaffung der Beute dienen. Nachmittags verlautete, daß die Regierung befohlen hatte, Jeden, der beim Plündern betroffen wurde, sofort hinzurichten und seinen Kopf an der Stätte des Verbrechens aufzuhängen. In wenigen Minuten erschienen auch schon Kavalleristen mit einigen Köpfen, die sie an dem Hause Seiner Excellenz zur allgemeinen Warnung aufhängten. Die Wirkung war schnell, denn sofort verschwanden die plündernden Kansu- soldaten. Da es jetzt sicher schien, machte ich mich auf den Nachhause weg. Ich hörte, daß fast alle meine Nachbarn einige ihrer Familienglieder durch die Kugeln der Plünderer verloren hatten. So erfuhr ich auch, daß die Mutter von Wen, dem Censor, durch das Schwert eines Soldaten getödtet war. In dem Hause von Herrn Ma, dessen Einwohner den Soldaten zuerst Widerstand leisteten, waren zwei Personen ermordet. In dem Hause westlich von dem meinen lagen drei Leichen, der Sohn des Besitzers und zwei Diener. Wir waren daher froh, daß wir wenigstens das Leben gerettet hatten; auch war Niemand von uns verwundet, was wir nur dem Umstande zu verdanken haben, daß wir keinen Widerstand leisteten und Alles hergaben, was man verlangte. Wie ich höre, ist auch die Wohnung des Großsekretärs HsU T'ung und der Palast des Prinzen S u ausgeplündert und eingeäschert worden. Die Soldaten schienen gar nichts zu fürch ten und vor nichts zurückzuschrecken. Den Anfang machten Truppen von Tung Fuhsiang; dann kamen Soldaten von Aung Lu, um die Ordnung wieder herzustellen, schlossen sich statt dessen aber den Plünderern an und machten eS schließlich noch schlimmer als diese. Die deutsche gftld-oft. Oberpostastistent Messer, in unserer Kolonie Kiautschau eine sehr bekannte Persönlichkeit, da er Dorsteher de» Postamtes in Tsingtau war, ist, wie aus Berlin mitgethetlt wird, dem Feldpost dien st e in Nordchina zugethellt worden. Post director Schell Horn in Shanghai hat die Leitung des Feld postwesens im Norden Chinas übernommen; für «inen ent sprechenden Ersah hat Staatssekretär v. Podbielski gesorgt; ehe unser ostasiatischcs Expeditionscorps eintraf, hatte Herr v. Pod bielski schon in der weisen Voraussicht, daß die deutschen Post anstalten in Ostasien viel stärker benutzt werden würden, sine An zahl Beamten hinausgesandt. Soweit! sich übevsehen läßt, klappt der Feldpostdien st, wenn man die enormen Schwierigkeiten in Betracht zieht, ganz vorzüglich; kurze Zeit noch, und er wird tadellos functioniren, so daß die Briefe mit derselben Regel mäßigkeit und Pünktlichkeit eintreffen werden, als seien sie in unserem Vaterlande auf die Post gegeben. Tie wahren Schuldigen. Me nicht anders zu erwarten war, kommt jetzt allmählich eine ganze Menge Schriftwerk zu Tage, das über die Stellung, welche die chinesische Regierung, insbesondere die Kaiserin- Wittwe persönlich der Boxerbewegung gegenüber dauernd eingenommen hat, einiges Licht verbreitet. So ist die in Shang hai erscheinende englische Zeitung „Nord Chine Daily News", wie uns von dort unter dem 25. August mitgetheilt wird, in der Lage, aus dem Briefe, den ein eingeborener Pastor aus Tientsin an chinesische Freunde in Shanghai schreibt, folgende auffälligen Stellen zu citiren: „Am 6. Juli (das Datum ist bemerkenswerth; d. Red.) kam hier (Tientsin) ein kaiserlicher Obercommissar, der in außer ordentlicher Mission der Kaiser! n-Wittwe functionirte, von Peking an und nahm im Directionsgebäude der kaiserlichen Telegraphenanstalt innerhalb des Ostthores del Eingeborencn-Stadt Wohnung. Dieser Kommissar nannte sich Liu-En-pu und sandte sofort nach seiner 'Ankunft Läufer mit seiner officiellen Visitenkarte an die verschiedenen Boxer führer und ersuchte sie, zu einer Konferenz mit ihm zusammen zutreffen. Er rrklärte, daß «r in persönlichem Auf trage der Kaiserin-Wittwe nach Tientsin gekommen sei, um den Boxerführern die Zufriedenheit der Kaiserin über ihre Führung auszudrücken, und ihnen Belohnungen dafür zu bringen. Das Decret der Kaiserin, welches Liu-En-pu von der Kaiserin mit auf den Weg bekommen hatte, lautete un- gefähr folgendermaßen: „Es kommt mir als eine Ueberraschung, zu erfahren, daß sich in China doch noch eine so oinmüthige und patriotische Menge ergebener Männer gefunden hat, die sich jetzt vereinigt, um für ihre Regierung zu kämpfen, und die Fremden zu vertreiben. Ich bin wahrhaft erfreut über ihr» Führung und befehle deshalb hiermit, daß aus der Privatschatulle 100 000 Taels als besondere Belohnung an die Boxer gezahlt werden sollen. Die Dertheilung de» Gelder soll durch Gur-Lu ge schehen."" Der als persönlicher Bote der Kaiserin in diesem Briefe er wähnte Liu-pu ist ein Privatbeamter deS kaiserlichen Hofes, und zwar verwaltet er die kaiserlichen Kornkammern in Peking und Tung, in denen der Dictualien-Tribut der Provinzen auf gespeichert wird, er nimmt also eine Vertrauensstellung als Eon- troleur der kaiserlichen Finanzen «in. Daß er zu einer vertrau lichen Mission verwendet wird, erscheint durchaus logisch; Aue - Lu ist bekanntlich der Dicekönig vonTschili, und inseinem Archiv wurden nach der Besetzung von Tientsin di« Quittungen über an Boxer gezahlte Summen gefunden, von denen die „Kabel-Korrespondenz", und später der Berichterstatter der „Times" in Tientsin, bereits vor einigen Wochen detailirte Mit- theilungen machten. Diese Quittungen waren von Mitte und Ende Juli datirt, die Zahlungen an die Boxer waren also an scheinend von den 100 000 Taels, die Liu-En-pu am 6. Jul nach Tientsin brachte, gemacht. Zu erinnern bleibt noch, daß der Besuch Liu-En-pu'S und die Behändigung der 100 000 Taels an Aue - Lu zu einer Zeit erfolgt ist, zu der Baron von Ketteler bereits ermordet war, und die Gesandtschaften nahe daran waren, zu unterliegen. * Vertin, 1. Octobrr. Dir -weite Division de» ersten Ge schwader» ist am L8. September vor Tak« «tagetroffen. (Wdhlt.) * Berlin, 1. October. „W. T. B." berichtet au» Tientsin unter dem 29. September: Der deutsche Gesandte Frhr. Mumm v. Schwarzrostein ist hier eingrtroffen und provisorisch im deutschen Konsulat abgestiegen. Die Wittwe des Gesandten Freiherr« v. Ketteler fährt auf dein deutschen Dampfer „Hall«" nach Japan. ' Petersburg, 1. Oktober. Wie der Admiralstab bekaunt giebt, hat der Biceadmiral Skrydlow am 20.September den Ob«rbafehl über da» Stille-Ocean-Geschwader angrtr«t«u »ud seine Flagg« ans dem Kreuzer „Rossija" vor Taku gehißt. Der bisherig« Chef d«t Stillen-Ocean-GeschwaderS, Biceadmiral Hildebrandt, ist in Petersburg eingetrofse». (Wdhlt.) * London, 1. October. „Standard" berichtet aus Shanghai unter dem 30. September: In einem hier veröffentlicht«« katsrr» lichrn Decret wird dem tiesra Bedauern (I) über denTod d«» deutschen Gesandten Frhr. v. Ketteler Ausdruck gegeben uud an» geordnet, daß in Peking und von der chinesischen Gesandtschaft »» Berlin eine Trauersrier zum Gedächtnisse des Ermordete« ver anstaltet werde. (!) * New Pork, 1. Lctober. (..Reuter's Bureau".) Ein Telegramm au» Taku vom 28. September berichtet, daß eia« combtuirt« Land- und Schisssexpedition nach Schaakaikwa«, di« am 1. November in Taku abzeht, aus 4000 Laudtrnppen bestehe« soll. Die Stärke der Flotte ist uoch nicht bestimmt. Di« Trappe« ollen südlich von Schankaikman lande», um mit einem bitriicht- lichen, auf dem Wege dorthin befindlichen russische» Eoatiagent zusamnien zu operiren. * Peking, 27. September. Der amerikanische diplomatisch« Vertreter Rock Hili hat sich unter E»cortr von Kavallerie nach Tientsin begeben. Er wird später nach Nanking gehr» und da» Gangtjethal besuchen, um die Sachlage dort zu prüfe«. Er will auch den Viceköntgen den Rath rrtheilen, in einem Schreiben an die kaiserliche Regierung nachdrücklichst zur Rückkehr de» Hof«» nach Peking aufzusordern. Der Krieg tu Südafrika. Ueder die Aussichten »er vsercn, trotz der Zerstreuung ihrer militärischen Kräfte ihre Nationalität und ihre Rechte aus Südafrika den Engländern gegenüber zu behaupten, veröffentlicht Robert de Katz im „Journal des Dvbats" einen ausführlichen und interessanten Artikel, dem folgende charakteristische Stellen zu entnehmen sind: „Südafrika ist kein Welttheil, der eine besonders starke An ziehungskraft auf Auswanderermassen aus einem reichen Land« und einer complicirten Gesellschaft auszuüben vermag. Der fast überall dürre Boden eignet sich nur für Hirten und Ackerbauer, wie es die Boeren sind; nur die tm Schooßr der Erde ruhendrn Schätze ziehen die Auswanderer an. Und da muß man sich Noch Angesichts der Handarbeit der Neger fragen, ob der Bergwerks betrieb große europäische Arbeitercadres erfordert. Schon vor dem Krieg stimmten Sachverständige, wie Paul Lewy, Beaulieu, Raphasl, Georges Lövy, in der Behauptung überein, daß die Zahl der Uitlanders nicht mehr stark anwachsen könne. Das wird auch jetzt nicht viel anders werden und daS Bergwerkslager von Johannesburg wird seinen Charakter bewahren. All« nicht metallreichen Gegenden Südafrikas locken nur wenig« Auswan derer an, wie ziffernmäßig oft nachgewiesen worden ist. Die Vereinigten Staaten, Kanada und selbst Australien bteteki dem Landwirthe bedeutend bessere Aussichten, andererseits scheint di« englische Gesellschaft immer weniger Leute auszusenden, di« g«- neigt sind, ein hartes und mittelmäßiges Bauernleben zu führen. Sie ist im höchsten Grade von jenem Jndividuali»muS betroffen, den man das west ländische Fieber nennen könnt« und der in dem Wunsche besteht, seine Lebensstellung zu ändern und nur Leiterfunctionen zu Übernehmen. Das England de» L0. Jahrhunderts scheint also kaum in der Lage zu sein, Mit seinen Auswanderermassen die ziemlich unwirthlichen Gesild« Süd afrikas zu bevölkern. . . . Die Boeren haben daher nicht allzuschwer«sSpiel,ihreNationalitLtUnter der englischen Herrschaft zu bewahren. E» ist nur die Frage, ob diese Nationalität für sie ebenso in ihren Ueberlieferungen, ihren Hoffnungen und besonders tn der hart näckig bewahrten Sprache als in einer gewissen Lebensweise be stehen, die sie nothgedrungen allmählich ändern müssen. Im Laufe der letzten Jahre zeigten die Orangisten wenigsten» «ine gewisse Neigung, nicht energisch genug ihre holländische Sprache zu Vertheidigen. Das ist eine Nachlässigkeit, die sich Besiegt« nicht gestatten dürfen, und wenn sie einem steifnackigen Nationalismus Platz macht, kann Südafrika doch in Zukunft ein holländisches Land bleiben. Das Mutterland wird dabei mit seiner Literatur und seinen Professoren den Boeren beistehen, denen auch die tat kräftigen Sympathien der anderen Länder bleiben." Vor wenigen Tagen versuchte, wie erinnerlich, «in Boerencom- mando unter Erasmus die Bahnstation Elandsrivrr östlich von Pretoria zu überrumpeln. Das Manöver mißlang; während der Abwesenheit der Boeren glückte es dagegen dem General Paget, der in Eilmärschen von Pretoria herbeigeeilt war, das nur von 20 Mann bewachte Lager der Boeren zu nehmen. Dieses Mißgeschick scheint den Boeren recht unangenehm zu sein. Erasmus erbat und erlangte von Paget, der am Mor gen deS 26. nach Pretoria zurückgekehrt ist, einen fünftägi gen Waffenstillstand, um fünf Bürger nach KomatiS- poort senden zu können, die feststellen sollten, ob die Konische Hauptarm« unter Botha wirklich zusammenaebrochen sei. Wenn diese die Thatfache bestätigten, wolle er mit seinem ganzen Eom- mando capitultren. Im Süden von Johannesburg treiben auf dem Sat»rande und zwischen Potchefstroom und KlerkSdorp fortgesetzt mehrere DoerencommandoS ihr Wesen, und General Hart ,st bi-her vergeblich bemüht, mit ihnen in Fühlung zu kommen. Der Auszug de» Obersten DeLi » le, dem auch der von DewetSdorp her bekannte Oberst Dalgerty zugetheil« ist, hat auch nach den Berichterstattern der „Mortiinn Po?'und de» Standard" De Wet zum Ziele. Dieser soll sich tbatsachltch im Vranjefreistaate südwestlich von der Bahnstation Köpft» Station am Rhrnosterflusse befinden und 800 Mann, sowie 3 Geschütze bei sich haben. De LtSle hat vollkommen frei Hand, zu handeln, wie er e» für gut und zweckentsprechend hält. Ob rhm wohl gelingen wird, wa» dem großen Kitch«ner fehl» Bezugs-Preis t» d«r Hauptexpedition oder den tat Stadt bezirk uud den Vororte« errichteten Auti aavestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« H°«I -* bÄ. Durch dt« Post bezogen für Deutschland und Orsterreich: viertel,äbrlich 6.—. Direct« tü»l!ch« Kreuzbandiendung iv« Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentag- um 5 Uhr. Ne-actiou und Expedition: Aohanntsgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag» unonterbrochr» geösfaet von früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. Filiale«: Alfred Hahn vorm. V. Klemm'« Surti». Universitüt-straß« 3 (Paulimuv), Laut» Lßsche, »atdariarustr 14, «art. «ch avutg»vlatz 7. Morgen- KiMer TaMatt Anzeiger. Amtsvlatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Pr-tS , dle e gespaltene Petitzeile KO Pfg. Nrclame« unter demRedactionSstrich (4g«» spalten) 50^. vor d«« Famili«m»achrtchk» (6 gespalten) 40 >4- Größere Schrift«« laut unserem Pr*G- verzeichniß. Tabellarischer «ud Zifftrnsatz nach höherem Tarif. Extra-veilaae« (gefalzt), »ur mit der Morgen-AuSaab«, ohne PostbefSrdermeg VO.—, mit Postbesörderuug 7L—. Annahmeschluß fir Atyeige«: Ab«»d-AuSgab«: vormittag» 10 Uh«. Morgeu-Au-gab«: Nachmittag» »Uhr. vrl de« Filiale« uud Annahmestelle» ft «kB halbe Stund« frAtze*. Anzeigen find stet» a« die GxdedtttaL . zu richt««. Druck und Verlag von E. Pol» i» Leipzig
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