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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 23.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189909234
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18990923
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18990923
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-09
- Tag1899-09-23
- Monat1899-09
- Jahr1899
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 23.09.1899
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— 160 — Haar in seidigen, üppigen Wellen; sie war wunderbar schön und die Blicke Hatzfelds verriethen eS ihr deutlich. .Sie sehen wie die Poesie aus, dir zu den armen Sterblichen herabgestirgrn ist," entschlüpfte rS ihm bewundernd. Sie bemerkte eS erst jetzt, daß sie in ihrem Kranken, Negligee war und daß sie ihr Haar gelöst hatte. In holder Verwirrung schlug sie die Augen nieder und ries hastig, in dem sie enteilen wollte: .Ich geh« mich umkleiden, dieser Anzug patzt nicht für die Gesellschaft." Hatzfeld hiett sie an der Hand zurück. .Sie kommen doch wieder?" flehte er. »Nicht wahr, Sie leisten mir freund lich Gesellschaft?" .Ich mutz wohl," entgegnete sie scherzend, .eS wäre auch zu alber», wenn wir getrennt speisen sollten. Ich glaub« übrigens, ich hätte höchsten- eine Tafle The« erlangt, wenn Sie nicht für deS Leibes Nahrung und Nothdurst gesorgt hätten, Herr von Hatzfeld." »So ist mein Kommen doch zu etwa- gut gewesen," scherzte er, auf ihren To» eingehend. »Um sechs Uhr ist daS Diner fertig." .Dann muß ich mich beeilen," rief sie, .da schlägt rS eben schon halb sechs, und die Herren der Schöpfung lieben nicht zu warten." Sie streifte in ihrem Zimmer daS weitze Gewand ab, daS noch ein Urbrrbleibsel auS der alten, guten Zeil war, und legte ein leichtes, schwarzes Kleid an, daS Hals >md Arm mit einem lustigen Spitzenstoff bedeckte. Dann befestigte sie eine weiße Rose und halberbllihte Knospe im Gürtel. Ihre kleinen Schülerinnen hatten sie ihr heute morgen gebracht, eh« sie fortfuhr««. »Bitt«, tragen Sie sie, Fräulein Gertrud," bat die zehnjährige Anna, »ich liebe eS so sehr, wenn Sie Blumen anstecken, rS kleidet Sie so wunderhübsch." Sie lächelte, als sie daran dachte. .Ich muß der Kleinen Wunsch erfüllen," sagte sie sich, denn sie wollte «S sich nicht «ingestehrn, daß eS ihr lieb war, sich sür daS Diner »zu Zweien" zu schmücken. DaS Haar wurde in einen losen Knoten gefesselt und am Hinterkopf befestigt, dann schritt sie die Treppe hinunter. Sie wußte, daß sie sich meisterhaft zu beherrschen verstand, und sie fühlte ein blindes Vertrauen zu HaßfrlLS Ehrenhaftigkeit als Kavalier, die ihr mit keinem Wort zu nahe treten konnte. Er bot ihr den Arm, und sie gingen in daS Speise zimmer und saßen allein an dem runden Tisch, rS fiel ihnen Beiden ein, daß fie einst geglaubt, sich so als Mann und Frau bei den täglichen Mahlzeiten gegenüber zu fitzen. Aber sie bemühten sich, diesen Gedanken schnell hinwrgzuscherzen. Gertrud sah noch sehr angegriffen aus, Hatzfeld be merkte eS und sagte: .Ihre Migräne scheint doch noch nicht ganz verschwunden zu sein, trinken Sie, bitte, ein Gla» Wein. Darf ich Ihnen elnschenken?" Er füllte ihr GlaS und sein eigenes. »Ich weiß nicht, ob daS gerade daS beste Mittel ist!" scherzte fie. »Bei moralischen und seelischen Schmerzen hilft eS, ich habe eS erprobt," erwiderte er dumpf. .ES bringt Ver gessen, das scheint mir oft daS beste Glück." Sie bedienten sich der französischen Sprache, die sie Beide vollkommen beherrschten. Gertrud nahm hastig daS GlaS; ihre Hand zitterte, und fie vergoß einige Tropfen seines Inhalts. Wenn er so zu ihr sprach, fühlte fie ein namen lose« Mitleid mit ihm, die Thränen steckten ihr lm Halse und eben deshalb ließ sie ihrer Heiterkeit, ihrem Humor freien Lauf, daß er in bunten Farben sprühte und den Mann ihr gegenüber mit sich fortriß; er mußte in ihr Helles Lachen einstimmen. Sie fühlten eS Beide, eS war ein künstliche- und der Scherz kam nicht auS einem wirklich frohen Gemüth, da- Herz hatte keinen Thell daran. Schon während sie bei Tisch saßen, zog ein böseS Unwetter auf, eS blitzte, und der Donner rollte in der Ferne. Gertrud fuhr ängstlich zu sammen. .Fürchte» Sie sich vor dem Gewitter?" fragte er, als er eS bemerke. .Fürchten ist »icht der rechte Ausdruck, mir ist aber sehr unbehaglich zu Muthe, ich bin froh, daß Sie hier sind, Herr von Haßfeld." Sie erhoben sich und traten in die offene Thür der Veranda. Der Himmel hing bleischwer hernieder; wenn rin flammender Blitz die dunkln Wolken zerriß, war eS, al- öffne er sich dahinter. Der Diener brachte den Kaffee, Gertrud goß ihn rin, fie fühlte, wie Hatzfelds Blick auf ihren weißen Händen ruhte. Sie reichte ihm eine Taffe, dabei sahen sie sich flüchtig an und lasen in ihre» Augen denselben Gedanken: «Wenn dieses unser Heim wäre und wir «in glückliches Paar, was bliebe dann noch zu wünschen übrig?" Sie fing an, sehr schnell zu sprechen, fie erzählte ihm von Axel, von den übrigen Geschwistern, von den Jahren, die vergangen, seit sie Holmstein verlaffen, Hatzfeld hörte auf merksam zu und fragte nach Einigem. .Sie hoben Alle ihr Brot verdienen müssen und haben eS doch nicht gelernt; Sie wuchsen unter andern Verhält nissen heran. Wie schwer muß eS Ihnen gefallen sein l" .Die Noth hat eS unS gelehrt, und eS liegt eine große Befriedigung in dem Schaffen für daS, was wir lieben," antwortete sie fest. .Und doch wäre rS Ihnen leicht gewesen, in Glanz und Rrichthum zu leben." Sie verstand ihn nicht gleich. .Wie meinen Sie daS?" fragte fie verwundert. „Wenn sie die Werbung deS Kaufherrn Westerholz nicht au-gesLlagen hätten," entgegnete er leise. .WaS wissen Sie davon, Herr von Hatzfeld?" .Die Cousine meiner Frau, die in D. lebt, schrieb eS ihr, Sie bildeten daS Gesprächsthema der guten Stadt zu jener Zeit." »DaS ist mir sehr gleichgiltig," erwiderte fie schroff. „Ich werde mich nie um deS Geldes willen verkaufen, ich müßte mich selbst verachten und arbeite lieber um daS täg liche Brot." — Ihre Worte klangen scharf und schneidend, Hatzfelds schienen eS ebensoviel Dolchstiche, die ihn trafen. Er hatte als Mann nicht so groß gedacht und da- gethan, was sie tadelte; schweigsam starrte er in de» strömenden Regen hinaus, der die Macht deS Gewitter- gebrochen hatte. .Ehe wir unS trennen, möchte ich mit Ihnen über etwas sprechen, daS mir am Herzen liegt. Wolle» Sie mich anhören, gnädiges Fräulein?" Sie neigte zustimmend daS Haupt und sah in da- Un wetter hinein, sie konnte den traurigen Ausdruck seines Ge sichts nicht ertragen und mußte um jeden Preis gefaßt und ruhig bleiben. .Als wir unS in Italien trennten," begann er mit der müden Stimme, die ihr daS Herz schwer machte, .wollte ich bald rach Deutschland zurück. Da wurde meine Schwester sehr krank, ich blieb auf Wunsch meiner Mutter bet Ihnen. ES war für Cilly eine Lebensfrage, den Süden nicht zu verlaffen, ihre Lungen hätten daS nordische Klima nicht ver tragen, sie konnte nur leben, wenn fie ihren Aufenthaltsort nicht wechselte." 151 »Ich weiß eS," unterbrach Gertrud, .Axel erzählte eS mir, ehe wir Holmstein Lebewohl sagten." .Ich hörte in Italien von dem Tode Ihre« Vaters und von der traurige» Lage —" .Und da zogen Sie eS natürlich vor, der Hrimath fern zu bleiben," rief fie bitter, um sich gleich darauf über die unbedachte Aeußerung zu ärgern. .Seien Sie nicht ungerecht," bat er aufgeregt. .Sie können eS nicht wissen, was ich durchkämpst, wie ich grillten! Ich konnte daS Leben meiner einzigen Schwester retten, wenn ich die reiche Heirath ringing, zu der meine Mutter mich fast knleend überredete." .Konnte» Sie die nöthigrn Mittel sür die Ihrigen nicht durch Arbeit und eigene Kraft erwerben?" ries fie ärgerlich auS, .Axel hat rS bewiesen, daß auch der reich erzogene Ka valier seinen Platz im Leben, wie ein ganzer Mann, auS- zusüllen vermag." .Axel ist eine Ausnahme; mit seiner Energie ist er fähig, eine Welt auS den Angeln ru heben, bitte, vergleichen Sie mich mit ihm, ich verlier« dabei zu sehr." .Ich weiß eS," entgegnete sie herb. Er senkte den Kopf vor diesem harten Urtheil. .Wozu überhaupt diese Rechtfertigung, Herr von Haß feld," fuhr sie eisig fort, „ich verlange und erwarte sie nicht von Ihnen." Sie stand auf und wollte sich entfernen, auch er war aufgesprungen und trat dicht an fie heran. .Wir gehen in wenig Togen auseinander, gnädige« Fräulein, und werden unS wahrscheinlich nicht mehr im Leben begegne», lassen Sie unS als Freunde scheiden. Sie sagten damals d, Stuttgart ein harte« Wort, daS mich seitdem oft quälte." Der schmerzliche Borwurf in seiner Stimme traf fie. .Sie sagte», ich sei Ihnen zu fremd, um an Ihrem und der Ihren Wohl und Weh theilnehmen zu dürfen." .Ihr Benehme» rechtfertigte diesen Glauben," erwiderte sie kühl, .man schließt nach Thate» und nicht nach leeren Redensarten." > Er legte die Hand beschwörend auf ihren Arm, das ganze Elend seine- Leben- lag in seinen krampfhaft zuckenden Zügen. .Wissen Sie denn nicht, daß ich jeden Blutstropfen mit tausend Freuden für Sie verspritzen möchte? Sehen Sie denn nicht, daß ich selbst für Ihre Verachtung zu unglücklich bin?" rief er auS. »Tragen Sie männlich, wa- Sie selbst gewollt," ver setzte sie, iHv fest ansehend. .O glauben Sie mir, eS geht, wenn man rS muß und ernstlich will." .Ich suche ja auch mit meinem Schicksal fertig zu werden, i ich hoffe, Niemand sieht, wie schwer e- uckch drückt." .Ich habe eS vom ersten Augenblick an gemerkt," ent- ; fuhr eS ihr unbedacht, während «S tu ihren Augen feucht » emporquoll und sie in do- Innere teS Zimmers zurücktrat, j Er folgte ihr. »Sagen Sie mir, daß Sie freundlich an j mich denken werden," flehte er noch einmal. »Ich muß wenigstens einen Gedanken haben, der hell und rein in mein Leben htnrinleuchtet." Sie antwortete nicht«, sanft zog sie die Hand auS der seinen, die sich krampfhaft um ihre Finger schloß und lächelte leise. Dann schritt fie in daS Nebenzimmer. Gleich darauf zogen weiche Melodiken zu ihm hinüber, fie spielte statt aller Antwort, r» war ihr leichter, ihm so zu sagen, wovor ihr bangte, was sie sich nicht in Worte zu kleiden getraute. Er war in einen Sessel gesunken, da« AntlH mit den Händen bedeckt, lauschte er dem Liede ohne Worte, da- ihre Seele der seinen sang. Wohl eine halbe Stunde hatte Gertrud gespielt, da hörten sie da- Geräusch brranrollender Räder, der Zauber war gebrochen! Sie erhob sich und schloß den Deckel de- Flügel-, Haßfrld war in daS Zimmer getreten, fie hielt ihm freimüthkg die Hand hin, er beugte sich über dieselbe und küßte fie lauge. .Ich dank« Ihnen, — und ich habe Sie verstanden." Die laute, rufend« Stimme seiner Frau keß sich höre»: .Waldemar, Waldemar!" schrie sie, suchend durch alle Zimmer laufend, .wo steckst Du denn? Friedrich sagte. Da seist zurück gekommen. Ah! Da bist Du endlich!" Sie flog ihm um de» HalS »ad küßte ihn schallend. .Bist Du froh, mich wiedcrzusehe» ? Ich bin e- furcht bar! ES war ganz schauderhaft langwellig, ohne Dich, mein Mer!" Sie stand auf den Fußspitzen und klopfte ihm zärt lich die Wange. »Dir ist wohl die Zett recht lang geworden? So viele Stunden bist Du allein gewesen, Du armer Kerl." Er trat etwa- zurück und machte sich ungÄuldig au- ihren Armen frei, die sie um seinen HalS gelegt hatte. .Fräulein von Brenken war hier," entgegnete er kühl, .wir haben zusammen diuirt und die Zell so gut e« ging totdgeschlage». Nicht wahr, gnädige- Fräulein?" ES lag ei» wlldrr Galgenhumor in seinen Worten. .Warum nennst Du sie immer gnädige- Fräulein," fragte seine Frau in so lautem Flüsterton, daß Gertrud e« hörte. .Sie ist doch nur eine Gouvernante! Doch komm," fuhr sie fort, »die Meißner« und Braun- haben «u- be gleitet, e« soll heute Abend getanzt werdeu, ich freue «ich kindisch daraus! Können Sie hübsche Tänze spielen?" wandte fie sich lebhaft an Gertrud. .Besonder- Walzer? Waldemar walzt nämlich himmlisch und muß viel mit mir tanzen, nicht wahr, mein Alterchen?" Er machte eine verdrießlich abwehrende Bewegung. „Wa-, Du willst nicht? rief sie empfindlich, .und damals, wie Du mir den Hof machtest, hast Du immer mit mir tanzen wollen, weißt Du eS nicht mehr?" Haßfeld ergriff ihren Arm und zog fie mll sich fort, recht unsanft, wie man deutlich sehe» konnte. — Auch die Jäger waren unterdessen hrtmgekehrt, und e- wurde ein Ball improvisirt, zu dem Gertrud spielen mutzte. Ihre Kopfschmerzen, die noch nicht vergangen waren, kehrten durch den Lärm und die Musik wieder, e- hämmerte und pochte in ihren Schläfen. Rücksichtslos tanzte «an weiter, eS fiel Niemand ei», sie abzulösrn. Niemand? Nein, Hatzfeld hatte eS nicht vergessen. Er trat auf sie zu. .Bitte lassen Sie mich Ihre Stelle einuehurea," sagt« er leise und dringend. .Sie sehen so bleich au-, e- kau« für Ihren Kopf nicht zuträglich sein." Sie erhob sich dankbar, glücklich, von der Pein erlöst zu werden. Er nahm sofort ihren Stuhl ein. .Wenn ick auch sonst nicht musikalisch bin, einige Tänze kann ich zum Besten geben," meinte er. Gertrud wollte sich in ihr Zimmer zurückziehen. »Gute Nacht," sagte fie, .ich halte e« wtrkllch »icht länger auS und thue besser daran, die Ruhe aufzusuchen. Sie wissen nicht, welchen Dienst Sie mir leiste», Herr von Haßfrld." Franz Gärtner hörte ihre Worte. .Nicht- da,' ries er, .kommen Sie tanzen, heute müssen Alle daran." Sie wich mit Abscheu vor ihm zurück, denn er war in ziemlich zweifelhafter Verfassung.
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