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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190010077
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19001007
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19001007
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-10
- Tag1900-10-07
- Monat1900-10
- Jahr1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1900
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Tabellarischer und Ziffirnjatz nach höherem Taris. Vrtra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderunz 80 —, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 511. Sonntag den 7. October 1900. 94. Jahrgang. Äus der Woche. Der Streit darüber, ob in der deutschen Chinapolitik durch das kaiserliche Telegramm an den Kaiser von China und das neueste Rundschreiben deS Grafen v. Bülow eine Wendung sich vollzogen habe, ist müßig. Jene- Telegramm war das Echo einer chinesisch-amtlichen Sprache und von chinesisch- amtlichen Zusagen, wie sie bis dabin nicht gehört worden waren, und diese- Rundschreiben knüpft an die Meldung von chinesisch-amtlichen Handlungen an, wie sie vorher nicht be richtet worden waren. Es ist das Gegentheil eine- Vor wurfes, wenn man von StaatSlenkern sagt, sie paßten ihr Verhalten dem des Widerparts an. Als Vorwurf präsentirt sich diese Feststellung auch nur in der Presse, die ihrerseits Anlaß zu einer Schwenkung hat: in der socialveiuokralischen und der radicalvemokratischen, deren Lescpublicum der öden PlaidoyerS für die Mandarinen nachgerade überdrüssig zu werden begann; Resolutionen im entgegengesetzten Sinne, die kürzlich von socialdemokratischen Congressen gefaßt worden sind, bewiesen nichts weiter, als da-, was man schon vorher wußte, daß nämlich die officielle Socialdemo kratie und die Arbeiterschaft nicht eins und dasselbe sind. Der „erste Schritt" ist also gethan. Es bleibt erstens abzuwarten, ob er sich nicht als Spiegelfechterei hcrausslellt, zweitens, ob die anderen Mächte inSgesammt den Entschluß der deutschen Regierung, sich nicht dupiren zu lassen, auf richtig theilen. Die Meldung, daß eine Anzahl Prinzen „ihrer Aemter enthoben" und „streng bestraft" werden sollen, ist jedenfalls für diejenigen Mächte berechnet, von denen man in China annehmen zu dürfen glaubt, daß sie sich dnpiren lassen möchten. Durch bas Rundschreiben des Grasen v. Bülow und seinen Anlaß ist der Telegrammwechsel zwischen dem deutschen Kaiser und dem StaatSoberhaupte von China überholt. Gerade deshalb aber erscheint es gestattet, auf gewisse Einzelheiten dieser Zwischenaction zurück',ukommen. ES ist und bleibt eine Merkwürdigkeit, Laß daS Telegramm deS Kaisers deutschamtlich nicht als amtlich behandelt worden ist. DaS Rundschreiben Bülow'S wurde in der ofsiciellen Presse in der für solche wichtige Staat-Handlungen üblicken Form zur allgemeinen Kcnntniß gebracht; von dem Telegramm wechsel der b?'d:.'. Kaiser hingegen hatte der „Reicvüauzeiger" weder im amtlichen nock im nichtamtlichen Tbeile Notiz ge nommen, er hatte beide wichtige Depeschen mit Berufung auf das Wolff'sche Telegraphenbureau unter der Rubrik „Asien" gebracht. Kein Wunder, baß in der Presse gefragt wird, ob Graf v. Bülow von dem Telegramm des Kaisers wohl Kenntniß gehabt haben möge, bevor cS abgegangen war. Jedenfalls liegt eine Ungewöhnlichkeit vor. Sollten der Reichskanzler und Graf v. Bülow die Depesche gekannt und geflissentlich nicht pnblicirt haben, so könnten sie sich wenigstens aus Beurtheilungen berufen, die sich in der nationalen Presse fanden. Es mag nachträglich hervorgehoben werden, daß nationalliberale Blätter sich ziemlich entschieden gegen das kaiserliche Telegramm wandten, weil dieses der Expedition nach China den Stempel eines Kreuzzuges aufdrücke und ein deutsches Proteclorat über die Christen im Orient beanspruche. Unzutreffend war eS jedenfalls nicht, wenn gesagt wurde, die starke Hervorhebung der christlichen Untertbaneu des „Sohnes des Himmels" müsse in China den Eindruck erwecken, die militärischen Anstrengungen bedeuteten einen Rachezug wegen Ermordung chinesischer Cbristen, und wenn in diesem Zu sammenhang auf die Armenier und vaS Verhalten gegenüber den Beschwerden dieser europäischen und westasiatischen Christen hingewiesen wurde. „Diese politische Frage, weiche eine Reichsangclegenheit ist", so schrieb ein nationales Blatt, „sollte nickt vermengt werden mit der berechtigten Empörung über die Niedermetzlung von chinesischen Christen. . . Denn die Wirren sind gerade durch den Haß veranlaßt, den der unbedingte Schutz Europas, der hinter jedem Cbristen stand, unter den Cbinese» heroorgerufen hat." Daran ist etwas Wahres und wahr ist jedensallS im Allgemeinen, daß solche Actenstückeam besten von Persönlichkeiten verfaßt werden, die an geschäftsmäßige Behandlung selbst seelisch erregender politischer Vorkommnisse gewohnt und dazu verpflichtet sind. Mit dem ersten Telegramm deö Kaisers von China an Kaiser Wilhelm II. wurde so verfahren, ohne daß die- der Sache schädlich und der guten heimischen Stimmung abträglich gewesen wäre. Der BundcSrath hat seine erste Sitzung nach den Ferien abgehalten und damit sind wir in die innerpvli tische Wintercampagnc eingetreten. Wann der Reichstag zusammenberufcn werden wird, weiß aber zur Zeit noch Niemand. Von China sehen wir ab, aber eS wäre wünschens- wertb, daß da- Reich-Parlament so früh zusamilienträte, daß es, bei gutem Willen, de» größten Tbeil der übrigen Arbeit in dem Augenblicke geleistet haben könnte, wo ihm die schwie rige Materie deS Zolltarif- zugeht. Einiges auS dem neuen Zollgesetz, daö nicht mit dem Zolltarif verwechselt werden darf, ist dieser Tage durch ein süddeutsches Blatt veröffent licht worden, und verschiedene Blätter glaubten dem, per nekas, wie eS scheint, Veröffentlichten die ihnen erfreuliche Gewißheit entnehmen zu dürfen, daß der BundeSrath der Auf stellung eines Maximal- und eines MinimaltarisS entgegen sei. Wir können daö nicht sinken und glauben vielmehr, der Verfasser der Begründung deS veröffentlichten Stückes Gesetz wolle den Lesern da- Verlangen nach einem Höchst- und einem Mindesttarif recht nahe legen. Weil er dabei bemerkt, bei Ausstellung eines Mindesttarifs müßte dem BundeSrath die Befugniß gegeben werden, unter diesen Tarif hcrabzugrben, ist ein solcher Tarif von linker Seite als „bedeutungslos" bezeichnet worden. DaS wäre er denn doch nicht. Tie Existenz eines Mindest tarifs würde besagen, daß bei den nächsten Handelsvertrags verhandlungen die Unterhändler sich au ihn zu halten hätten und daß überhaupt dieser Tarif die Regel bilde, von der Ausnahmen zu beschließen, der BundeSrath nur Gelegenheit nehmen könne, wenn es gelte, für ganz besondere Zugeständ nisse fremder Staaten entsprechende Gegenleistungen zu bieten. Wir bleiben dabei, einen Höchst- und einen Mindesttaris für wünsckenSwerth zu ballen, weil sic geeignet sind, den deutschen Unterhändlern den Nacken zu stärken, falls aus sie im Sinne unnöthiger Nachgiebigkeit von Seiten gedrückt werden sollte, die die Handelsverträge weniger als ein Geschäft, denn als eine „Tbat" anzusehen schon einmal geneigt waren. Natürlich müßten die Höchst- und die Mindestsätze vernünftig sein, eine Anschauung, die die Presse deS Bundes der Land- wirtbe sicher nicht theilt, Venn sie verlangt für Getreide einen Maximalsatz von wenigstens 10 und einen Minimalsatz von 7>/z DaS geschieht wahrscheinlich, 'um der Landwirthschaft die Sympathien der in dieser Frage Indifferenten zuzuwenden, wozu die Herren vom national-socialen Vereine aber nickt gebören. Diese haben sich auf ihrem Vcrtrrtertage in ihrer großen Mehrheit aufrichtig „antiagrarisch" vernehmen lassen. Jeder, wie er denkt, natürlich! Aber in einem Vereine, der sich national-social nennt, braucht man doch nicht nach dem Acheron des PartikulariömuS zu schielen, indem man die agrarische Bewegung als eine nordöstliche „brand markt". Wir glauben in Sachsen, wo die Junker nicht dominircn, ein autochtboneS Agrarierthum zu bemerken und gar erst in Bayern I Wenn dem national-socialen Vereine Zeit zur Besserung bleibt, bekehrt er sich vielleicht noch in dieser Hinsicht; bat dock schon jetzt die agrarische Woge recht kräftig an sein Zelt geschlagen. Ueber die Versammlung des Evangelischen Bundes ist die klerikale Presse, wie herkömmlich, sehr un gehalten. Sie stellt aberderMäßiguna derRedner ein ausgezeich netes Zengniß auS, indem sie, vorläufig wenigstens, nur Weniges zu bekritteln findet. Daß eine Vereinigung zum Schutze des evangelischen Glaubens dem NltrainontaniSmus und seiner kirchlichen wie politischen Wirksamkeit den Spiegel vorbält, sollte sogar für „katholische" Organe selbstverständlich sein. Der neue Berliner Bürgermeister, Herr Brink mann, hat scklecht angeschnitten. In seiner Antrittsrede zeigte er sich in einem Grade von der deutschen Zcitkrankheit der Redefreudigkeit befallen, daß er durch Zuruse auf daS Unnöthigr seiner Darlegungen aufmerksam gemacht wurde. Und diese waren in der Thal nicht sonderlich tief. Einigen Inhalt ckeinen sie aber doch gebabt zu haben, denn in der „Nativ: rlztg." c äbrl der neugekommene Mann eine.» ziemlich scharfe'. Angriff, »essen Berechtigung wir nicht zu controlliren vermöge.. Da gerade eine reichShauptstädtiscke Gemeinde sache gestreift worden ist, sei noch erwähnt, daß die ,Kreuz- z-it-rng" mit weit mehr Gelassenheit die Nachricht )r>iev-r- giebt, die Berliner Stadtverordneten hätten beschlossen, diesmal eine Beglückwünschung der Kaiserin zu deren Geburtstage zu unterlassen. Im vorigen Jahre war auf den Glückwunsch eine Antwort des Obcrhofmarschalls v. Mirbach eingrlroffen, die auch die zahlreichen Nichlverehrer der Berliner Stadtverordnetenmebrheit höchst befremdlich fanden. Inzwischen ist übrigens, zu Neujahr, eine Beglückwünschung erfolgt. Die Wirren in China. Die »rutsche Note. Der Berliner Correspondent der „Morning Post" erfährt, die englische Antwort auf die deutsche Note sei dem Botschafter Graf Hatzfeld, am 3. October mündlich (?) er- theilt worden. Salisbury habe den Botschafter davon ver ständigt, daß die Vorschläge Bülow'S seine volle Billigung hätten und daß er den englischen Gesandten in Peking bereits instruirt habe, im Einklänge mit den Forderungen der deutschen Note zu handeln. Ueber den Dcprschcnwechsel zwischen dem deutschen Kaiser und dem Kaiser von China äußern sich mehrere russische Blätter. „Rossija" nimmt an, daß man in Deutschland nicht nach Blut dürste, die Degradation sei schon ein Schritt zur Erfüllung der deutschen Regierung und der andern Mächte, die im Grund satz die Billigkeit der Forderungen der deutschen Negierung anerkannt hätten. „Birshewija Wedomosti" halten den Schritt des Kaiser- von China für völlig genügend. Die Antwort deö deutschen Kaisers beleuchte Deutschland- Politik der Rache. Grausame Bestrafung sei mit der Welt anschauung christlicher Völker nicht zu vereinigen. Die Ant wort vermindere die Ansichten auf friedliche Beilegung der Krisis. DaS Blatt wirft Vie Frage auf, ob eS nickt an der Zeit sei, an selbstständige Verhandlungen mit Cbina zu denken. „Nowosti" dagegen billigen die deutsche Forderung und sprechen sich aufs Schärfste gegen die zweideutige Politik China- auS; sie glauben, daß da- Telegramm des Kaiser- von China gefälscht sei, und führen an, daß der Depeschen- auStausch keine Aenderung in der Sachlage bewirken werde. Die französischen Vorschläge. Die meisten Pariser Blätter besprechen, wie schon in einem Tbeil der gestrigen Abendausgabe gemeldet, die Note deS Ministers deS Au«wärtigen Delcassö in günstigem Sinne und betonen, daß sie den Vorzug habe, klar und energisch zu sein und ein erreichbares Ziel verfolge. Mehrere Zeitungen beben hervor, daß vie Note im Wesentlichen mit dem deutschen Vorschlag in Einklang stehe. Wie eS heißt, lauten Vie ein gelaufenen Antworten der Mächte durchaus zustimmend. AuS New Jork, 6. Octobcr, wird un« jedoch telegraphirt: In diesigen politischen Kreisen glaubt man, daß in der Note deS französisch.» Minister« de- Auswärtigen Delcassö sich ver schieden« Punkte befinden, denen die Bereinigten Staaten nicht würden zustimmen können. Der Ernst ver Lage. Dem Londoner „Daily Expreß" wird aus Sbanghai unten« 5. Octvber gemeldet: Die Nachrichten aus dem Norden lauten sehr ernst. Während die Mächte immer noch niit diplomatischen Verhandlungen über den nächsten entscheidenden Sckrilt bescheinigt siud, hat der chinesische Hof seine Streitkräfte rcorganisirt und sich jetzt, nachdem er sich für stark genug hält, um Widerstand zu leisten, gänzlich nach Singanfu zurückgezogen. Die jüngsten gleißneriscken Edikte deö Kaisers, vurch welche die Mächte getäuscht wurden, be zweckten lediglich, wie so viele frühere, Zeit zu gewinnen, um den verbündeten Mächten desto wirksamer Trotz bieten zu können. Mit dem Kaiser und der Kaiserin machten sich auch die hohen Beamten, die angeblich getadelt und degra- dirt worden sind, aus dem Staube. Die Lösung vcr chinesischen Frage ist jetzt schwieriger als je. * Berlin, 6. October. (Telegramm.) DaS Krieg-Ministerium theilt mit: Der Dampfer „Hannover" ist am 5. Oktober in Singapore eingetroffen. Tschingwantao, englischer Winterhafen. Dem „Reuler'schen Bureau" wird aus Tientsin vom 3. d. M. berichtet: Eine Landungstruppe von dem britischen Kreuze: „Aurora" hat Tschingwantao besetzt; nach Shanghai ist Befehl ergangen, sofort Material zu senden, um eine Zweigbahn von dem Fluß Tangho nach Tschingwantao zu bauen und eine provisorische Landungsbrücke, an der Schiffe festgemacht werden können, anzulegen. Man hofft, diese Arbeit binnen zwei Mo naten beenden zu können, wo auch alle Maßnahmen, die zu einem bequemeren UeberwinternderSchiffein diesem Hafen erforderlich sind, getroffen sein werden. Es verlautet, daß die Russen von Schanhaikuan auf Kintschou (nördlich von Schan- haikuan an der Bahn nach Niutschwang) marschiren. Diese Nachricht ist von beträchtlicher Bedeutung, weil sie nrittheilt, daß Tschingwantao zur Winterstation für das britische Geschwader im Golf von Petschili umgeschaffen werden soll. Die Oertlich- keit, um die es sich handelt, dürfte auf keiner Karte zu finden sein, denn Tschingwantao ist nicht etwa eine Stadt oder ein aus gebauter Hafen, sondern eine kleine Felseninsel am äußersten Ostende einer Bucht, etwa 20 Kilometer von Schanhaikuan und 15 Kilometer von dem Punct gelegen, der auf den Karten als Rocky Point bezeichnet ist. Tschingwantao soll fast ganz eisfrei sein, nur für einige Tage pflegt das Meer in der Nachbarschaft zu gefrieren. Der Ort ist eine Entdeckung des bekannten, im chinesischen Zolldicnst angestellten Deutschen Herrn Detring, der Li-Hung-Tschang auf seiner Reise nach Deutschland begleitete. Herr Detring ist auch im vorigen Jahre zum Zollinspector von Tschingwantao ernannt worden; die Ernennung hatte jedoch keinerlei praktische Bedeutung, weil Tlchingwantao kein Zoll hafen ist, sie sollte vielmehr die weitausholenden Pläne Detring's in Bezug auf die Bucht fördern. Diese Pläne gingen dahin, Tschingwantao zu dem größten, sichersten und bedeutendsten Hafen Nordchinas umzubauen. In dieser Gegend der Provinz Tschili, besonders bei den schon erschlossenen Kohlenfeldern von Kaiping und in der Nähe von Schanhaikuan, haben nämlich Bohrungen deutscher Bergkundiger gewaltige Kohlen- und Mineralschätze, vor Allem an Kupfer und Eisen, entdeckt, deren Erschließung die wirthschaftliche Zukunft Tschingwantaos sichern sollte. Herr Detring hat angeblich schon im vorigen Jahre Lon doner Geschäftshäuser zur Finanzirung des gewaltigen Unter nehmens gewonnen, und eines dieser Häuser hatte schon damals einen Ingenieur hinausgesandt, um die Bucht auf ihre Taug lichkeit -zu prüfen und Pläne und Borschläge zur Ausgestaltung des Hafens auszuarbeiten. Wie weit seitdem das Unternehmen gediehen ist, entzieht sich, schreibt die „Köln. Ztg.", unserer Kennt niß, immerhin aber ist es angesichts dieser Vorgeschichte Tsching wantaos von Interesse, zu vernehmen, daß England laut jener Reutermeldung den Ort als Winterstation für sein Geschwader ausgesucht haben soll. Die ComplicttSt der chinesischen Regierung. Aus London berichtet man uns: Wiederum sind wichtige Schriftstücke ans Tageslicht gekommen, die, wenn sie echt sind, was in diesem Falle nicht mit derselben Bestimmtheit behauptet werden kann, wie bei den in Tientsin gefundenen Beweisstücken, eine recht nette Illustration zu der Ernennung Vunglu'sals Friedensunterhändler werfen. Don dieser Er nennung hat der Telegraph erst vor Tagen Kunde gegeben, die Schriftstücke, es sind ein Brief Dunglu's an Tung-Fuhsiang und dessen Antwort darauf, datiren indessen bereits mehrere Monate zurück. Sie wurden in einem Damen „gefunden", und gelangten in den Besitz des Herausgebers der chinesischen ZHtung „Chee Sun Po", die in Shanghai erscheint. Der Brief Dunglu's an Tung-Fuhsiang lautet: „Dein Bruder Shing-Wu hat Deinen Brief erhalten und ist mit dessen Inhalt einverstanden. Er ist sich bewußt, daß die Fremden der vereinigten Nationen China inZlltirtcn und dessen Bevölkerung in einer Weise behandelten, die unseren gerechten Zorn herausforderte, und uns in der Durchführung unserer inneren Politik ernstlich störte. Alle, die etwa? von den Ange legenheiten der Fremden wissen, fürchten sic wie die Tiger, aber dieselben verlassen sich nur auf ihre Kriegsschiffe und Geschütze, um uns zu schrecken. Ihre Länder sind nur klein und die Ein wohnerzahl derselben ist gering. Sie berauben uns unseres Landes und unseres Besitzes. Aber außer ihren starken Schiffen und ihren grimmigen Geschützen haben sie nichts, womit sie uns erschrecken können. Nun haben wir aber ihre eigenen Geschütze von ihnen erhalten, und da unsere Soldaten gewandt und gut gedrillt sind, haben wir keine Ursache, uns vor Jenen zu fürchten. Als im vorigen Jahre Italien unsere San- Mu n « B a y haben wollte, setzte ich mich ihnen energisch ent gegen, und sie konnten nichts ausrichten. Jetzt nun haben wir auf unserer Seite den Prinzen Tuan als Hauptstütze, ferner den neuen Gouverneur und einige Millionen J-Ho-Chuan (Boxer), die Alle die Fremden ebenso intensiv hassen, wie die Christen überhaupt. Sie mit ihren magischen Kräften sind eine Hilfe, die Gott selbst uns schickt. Die Fremden, die hier leben, sind nur wenige, und es ist leicht, sie zu verjagen. Ich schwöre, daß ich ihr ganzes Geschlecht tödten will, um endlich zu verhindern, daß st« uns weiterhin mißbrauchen. Ich habe die Fähigkeiten eines Generals und commandire eine vorzügliche Truppe, deshalb fürchten die fremden Barbaren mich. Wir haben immer geplant, sie Alle zu vernichten, und jetzt, wo wir die Hilfe der Borer haben, denen wir Waffen und Munition liefern werden, wird es uns gelingen, ihnen gegenüberzutreten und uns ewigen Ruhm in der ganzen Welt zu erobern. Ich hoffe, Du wirst Dich meinem Plane anschließen." Die AntwortTung-Fuhsiang's lautete folgender maßen: „Ich habe die Instructionen Ew. Excellenz gestern erhalten und danke Ew. Excellenz für dieselben. Ew. Excellenz sagen, daß die Fremden unS über jedes Maß hinaus beleidigt haben, und daß Sie geschworen haben, dieselben zu vernichten, um weitere Vergewaltigungen durch sie zu verhindern. Ich schließe mich dem vollkommen an. Mit der Hilfe der J-Ho-Chuan (Boxer) wird es uns schon gelingen, sie zu bekämpfen. Da Ew. Excellenz selbst solche loyale Entrüstung an den Tag legen, will ich mit meinen armseligen Fähigkeiten nicht zurückstehen, denn wie könnte ich es wagen, den Befehlen Ew. Excellenz zu widerstreben? Es ist ein besonderes Glück, daß wir die J-Ho- Chuan (Boxer) haben, die im Besitze mystischer Gaben sind und übernatürliche Fähigkeiten besitzen, die außerdem ebenso ergeben und patriotisch wie tapfer sind. Sie fürchten keinen Tod und sind bereit, ihr Leben für ihr Vaterland zu wagen, um die Fremden zu vernichten und sich Ruhm für die kommenden Zeiten zu gewinnen. Ew. Excellenz aber sind, davon bin ich vollkommen überzeugt, im Stande, das Wert zu vollbringen. Ew. Excellenz befinden sich in hoher Stellung, und ich erlaube mir keinen Zweifel an Ew. Excellenz Geschicklichkeit, Klarheit des Urtheils und großen Verdiensten. Und da ich nun solche Befehle von Ew. Excellenz erhalten habe, ist es meine Pflicht, die nölhigen militärischen Vorbereitungen zu treffen und eine Gelegenheit zur Erhebung abzuwarten. Ich werde mein Bestes thun, um gute Dienste zu leisten und bin bereit, auch mein Leben herzu geben, um die Gnade Ew. Excellenz zu erwidern. Ich hoffe, Ew. Excellenz werden mir die Ehre anthun, mir weitere Be fehle zukommen zu lassen, und ich werde Ihnen über den Stand meiner Armee fortlaufend berichten." Die beiden Briefe sind undatirt, wenigstens in der Wieder gabe in der chinesischen Zeitung, auch sind sie von so gravirendem Charakter, daß es fast unmöglich scheint, daß sie in die Hände des Herausgebers jener Zeitung kommen konnten. Da nun in Shanghai erfahrungsgemäß gelogen wird, daß sich die Balken biegen, wenn auch in journalistischer Beziehung mehr von Euro päern, als von den bezopften Collegen, so empfiehlt der Corre spondent der „Kabelcorrespondenz", der die Uebersetzung dieser beiden Briefe schickt, dieselben vorläufig mit Reserve aufzu nehmen. Es kann zunächst auch noch nicht als Beweis für die Authenticität dieser Briefe gelten, daß die chinesischen Blätter in Canton, die sie nachdruckten, plötzlich unterdrückt wurden. Das Erscheinungsverbot für die Zeitungen ist vielmehr darauf zurückzuführen, daß sie thöricht genug waren, über chinesische Niederlagen zu berichten. Darauf wurden ihnen erst vom Pöbel die Scheiben eingeworfen und die Druckereien demolirt, und schließlich überhaupt das Weitererscheinen einfach untersagt. Und wenn man bedenkt, daß nicht einmal die Zeitungen des guten England die Wahrheit über die südafrikanischen Niederlagen veröffentlichen dürfen, kann man es vom chinesischen Standpunct aus als außerordentliche Milde ansehen, daß die Preßsünder in Canton nicht gleich ein wenig geköpft worden sind. Der Krieg in Südafrika. AuS London, 4. October, schreibt man unS: Mit Bezug auf die letzten, im Großen und Ganzen wenig erfreulichen Depeschen VcS Lord Roberts sagt der „Morning Leader" in ebenso cynischer wie treffender Weise: „31 Worte von Roberts per Tele graph, um mitzutbeilen, daß e i n Boere getödtet wurde, 38 Worte, um zu sagen, daß ein zweiter Boere ge fallen ist, 18 Worte, um zu melden, daß Niemand getödlet wurde, und 28 Worte, um zu rapportiren, daß einige Boeren cntmuthigt sind, keine Pferde und keine Munition mehr haben, rc." Dies ist allerdings der Tenor in den Mel dungen der letzten Tage, und das erwähnte Blatt fragt mit vollem Neckte, ob es wirklich der Mühe Werth ist, auf Kosten der Staatscasse derartigen „Quatsck" nach Hause zu telegrapbiren. Lord Roberts weiß sogar noch einige weitere interessante Einzelheiten zu vermelden, wie z. B. die Inspektion der nach Eng land zurückkehrenden „City of8ondon-VolunteerS",Tödtung eines Corporals durch Blitz, zweier Hochländer durch Explosion in Komati Poort und zweier anderer in der Nähe von Rusten- burg, Fluckt kleiner Boeren-Commando- n. s. w., und alle diese Kleinigkeiten nehmen de» Hauptplatz in den Depeschen des Feldmarschalls ein, während zwei ernste Eisenbahn-Un fälle, von denen der eine durch die bösen „marokirenden Boeren" verursacht wurde und den Engländern sieben lobte Gardisten und 17 Verwundete kostete, mit kurzen Worten abgerhan werden. — Es ist natürlich nur wieder die alte Sorglosigkeit der britischen Lfficiere, wenn sie Eisenbabnzüge in der Nacht durch Landstrecken, die sporadisch noch vom Feinde heimgesuchl und unsicker gemacht werden, fahren lassen, ohne die alltäglichsten Vor sichtsmaßregeln zu treffen. — Gestern Abend hieß r« noch in einem Telegramm, daß Wcncral De Wet bei Heilbronn „endlich" gestellt nnd umzingelt worden sei, und daß cS dem Obersten De Liölo gelungen sei, den größeren Tbeil der De Wet'schen Truppe gefangen zu nehmen, was sich aber beute insofern Alles als Dunst herauöstellt, als in Wirklich keit nur einige 20 Boeren in der Nachbarschaft von Heil bronn die Waffen gestreckt haben. De Wet aber bleibt nach wie vor unsichtbar. Tie Haltung der Voercn. Auf der Transvaalgesandtschaft in Brüssel hat man sehr bestimmte Nachrichten erhalten, welche in Abrede stellen, daß Präsident Krüger in irgend einer Form der Fortsetzung des Kampfes widcrrathcn habe. Krüger und Steijn schieden im vollsten Einvernehmen, und Krüger hofft zuversichtlich, daß der Kampf solange fortgeführt werden kann, bis er in Europa auf diplomatischem Wege eine günstige Lösung für die Boeren er reicht habe. Außerdem setzl man große Hoffnungen auf die Be mühungen Hofmeyr'S, des Begründers und Führers des Afrikandcrbonds; derselbe ist vor wenigen Tagen von Südafrika kommend in Holland eingetroffen und gedenkt eine Audienz bei der Königin Victoria nachzusuchen.
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