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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010805025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901080502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901080502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-05
- Monat1901-08
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Anzeige«-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SS H, Reklamen unter dem Redactionsstrich («gespalten) 7b vor d« Famtlianna^ richten (S gespalt«) 50 Dabellarischer und Htfferusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisung« und Offtrtrnannahme 8L (rxcl. Porto). Lrtra-Beilag« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgab«, ohne Postbefürdernng -4 «C—, mit Postbesörderuag 70.-^ ^»nahmeschluß fiir Anzeige«: Abend-Ausgab«: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags L Uhr. Bet d« FUtal« mrd Annahmestell« je ein« halb« Stunde fniher. Anzeigen stad stet« au die Expedition zu richt«. Di« Expedition ist WocheutagS ununterbroch« geöffnet vou früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Pol- in Leipz^. 383. Montag den 5. August 1901. SS. Jahrgang. Der Zustand der Kaiserin Friedrich. S Lronbcrg, 5. August. (Telegramm.) Bulletin von 6*/, Uhr früh. Der Tchwächcznstand der Kaiserin Friedrich nimmt stündlich zu. Die Herzkraft ist nur noch gering. Schloß FriedrichShof, den b. August, (gez.) ReoverS, Spielhagen. (-) Eronberg, 5. August. (Telegramm.) Der Kaiser traf heute morgen um 3'/« Uhr in Homburg ein, begab sich nach dem Schlosse und fuhr dann mit der Kaiserin und dem Kronprinzen »ach FriedrichShof, wo sie um 5V« Uhr ein trafen. * Ueber die Art des Leidens der Kaiserin ist naturgemäß bisher wenig an die Oeffentlichkeit gedrungen, und auch jetzt noch muß man sich mit Andeutungen begnügen. Nach dem „Berl. Tagebl." hatte sich schon mit Anfang des vorigen Monats bei der Kaiserin ein so bedrohlicher Schwächezustand eingestellt, daß sie ihre Zimmer seitdem nicht mehr verlassen konnte. „Bei ihren früheren Ausfahrten wollen alle Die jenigen, die ihr begegnet sind, die Wahrnehmung gemacht haben, daß sie in gebückter Haltung in ihrem Wagen gesessen und daß sich körperlicher Schmerz auf ihrem Gesicht aus geprägt habe. Wiederholt soll eS vorgekommen sein, daß sie sich bei ihren Fahrten in die Umgebung CronbergS einer Morphiumeinspritzung unterziehen mußte. Es ist natürlich, daß unter solchen Umständen die Ernährung der hohen Patientin leiden und ihre Kräfte zurückgehen mußten." — Die „Hamb. Nachr." theilen noch mit: „Wie eS heißt, ist das Leiden außerordentlich schwer und Aussicht auf Genesung dürfte leider so gut wie ausgeschlossen sein. Dazu kommt, daß die Krankheit der hohen Frau ähnlicher Natur sein soll wie die ihres dahingeschicdenen erlauchten Gemahls, des Kaiser- Friedrich; ein Umstand, der, wie man sich denken kann, das Gemüth deS Kaisers noch mehr bedrücken und mit Sorge erfüllen muß." Der Krieg in Südafrika. Krüger sagte in seiner Unterredung mit dem Berichterstatter deS „Figaro" noch, was die von Kitchener berichteten Grausamkeiten der Boeren gegen die Engländer betreffe, so könne er die Wahr haftigkeit der Angaben nicht prüfen, aber eS sei sonderbar, daß solche Anschuldigungen seit 21 Monaten zum ersten Male er hoben werden, und er selbst würde an der Sache seines Volkes verzweifeln, wenn sie richtig wären. Möglich, daß Einer oder der Andere sich zu tadelnswerthen Handlungen habe hinreißen lassen, jedenfalls erkennen selbst die Engländer an, daß die Boerenofficiere die Mißbräuche abzustellen gesucht hätten. Was den vom Staatssekretär Reitz an den Präsidenten Steijn gerichteten, von der Entmuthigung gewisser Boeren berichtenden Brief anlange, so stehe die Echtheit nicht fest. Uebrigens gehe aus dem Schreiben, das eine sehr erklärliche Thatsache mit theile, nicht hervor, daß Reitz jene Entmuthigung billige und eine Wendung der Dinge habe herbeiführen wollen. Vielmehr haben die Generale der beiden Republiken darauf sofort die Fortsetzung des Kriegs bis aufs Aeußer sie beschlossen. Er glaube nicht, daß Botha schon ins Capland eingedrunyen sei, aber er werde es thun, sobald es nöthig sei. Der Krieg habe schon längst aufgehört, sich aus das Gebiet der zwei Republiken zu beschränken. Er habe ganz Südafrika ergriffen, und wenn England so viele Soldaten nach Süd afrika schicke, daß man jeden Zoll Erde der beiden Republiken damit bedecken könne, so werde der Krieg mit gleicher Leiden schaft in den englischen Colonien fortgeführt werden. „Ueberall, wo einer unserer Stammesgenossen lebt", fuhr der Präsident fort, „ist ein Soldat bereit, die Waffen für unsere Freiheit zu ergreifen. Die Grausamkeiten der Engländer, deren Schilderung hinter der Wirklichkeit zurllckblieben, empörten die Südafrikaner und nützten nur den Boeren." Krüger ist der Ueberzeugung, daß die Stunde kommen wird, wo die Eng länder das Recht der Boeren anerkennen müssen. Die erste Be dingung des Friedens sei, daß Transvaal seine nationale Flagge erhalte und daß den Afrikandern in Capland und Natal volle Amnestie gewährt werde. Ein Protektorat sei unannehmbar, weil Transvaal, um seine Wunden zu heilen, freier Bewegung bedarf. Das Protektorat würde bedeuten, daß man der Republik eine Schlinge um den HalS lege, um dann zu sagen: Gehe und arbeite, denn Füße und Hände sind frei. „Alles", so schloß Krüger, „was wir für den Frieden gewähren können, ist Geld, wir können unsere Unabhängig keit nie zu theuer erkaufen." Capcolonie. Der „Daily Mail" wird aus Cap stadt gemeldet: Die im Unterhause gemachte Mittheilung, daß in der Capcolonie den Engländern nur tausend Boeren gegenüberstehen, hat einige Ueberraschung hervorgerufen. Wenn man die Zahl um das Sieben- oder Achtfache multiplicirt, ist man der Wahrheit näher. Während der letzten drei Monate hat sich die Zahl der Aufständischen sehr erheblich vermehrt. Die Regierung hat soeben von einem Rebellen, der sich ergeben hat, eine beschworene Mit theilung erhalten, worin ganze CommandoS aufgezählt sind, die nur aus Rebellen bestehen. Männer, die vor einem Jahre noch ruhig ihre Farm bewirthschafteten, sind Commandanten geworden, und ein Mann Namens de DillierL sogar ein General. In manchen Theilen deS Landes bildet ein loyaler Mann eher die Ausnahme als die Regel. — In Britisch- Betschuanaland sollen z. B. 90 Procent der Farmer in Waffen gegen die Engländer sein und die CommandoS, welche während der letzten drei Monate in den östlichen und mittleren Theilen der Capcolonie operirten, haben freiwillige Rekruten in sehr großer Zahl ausgenommen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. August. In die Angelegenheit der „Verhökerung" des Zol- tarlfS sind von Journalisten Herr Martin Hildebrandt, der Leiter eines parlamentarischen Nachrichtenbureaus Or. Hamburger und der Correspondent deS „Frankfurter Generalanz." Bahr verwickelt. DaS für die „Londoner Finanzchronik" bestimmte Exemplar deS Zolltarifentwurfs soll hier in Berlin noch beschlagnahmt worden sein. Nach einer anderen Version soll nicht der Entwurf selbst, sondern die Begründung zum Entwurf mit Beschlag helegt worden sein. In der „Post" verwahrt sich aber Herr Bahr dagegen, direkt an der Sache bethriligt zu sein. Er habe nur zwischen vr. Hamburger und der „Londoner Finanz- chrcnik" vermittelt, ohne über die Herkunft deS Materials etwas zu wissen. Auch Herr MartinHildebrandt erläßt in den Zeitungen Erklärungen, die sich aber weniger durch Deutlich keit als durch scharfe Angriffe auf di« Redaktion deS „Berl. Lvcal-Anz." auSzrichnen, der übrigens wirklich eine etwas merkwürdige Nolle gespielt zu haben scheint, die von Herrn Hildebrandt folgendermaßen dargestellt wird: „Es ist unrichtig, daß sich mein» Erklärung im „Vorwärts" gegen den „PolizeiofficiosuS" deS „Berliner Local-Anzeiger" wrndet. ES ist darin nur behauptet, daß durch diesen, da- heißt durch den mit der Recherche bei der Criminal- polizei betrauten Berichterstatter mein Name in der An gelegenheit der Zolltarif-„Verhökerung" in die Oeffentlichkeit gebracht worden ist, also in Absichten, welche di« Criminal- Polizei damit verfolgte. Daß eS dieses Umstandes nicht bedurft hätte, um der Redaktion de» „Berliner Local-Anzeiger»" zu vrrrathen, daß ich von der Sache eine gewisse Keuntoiß hatte, setzt mich allerdings in das maßloseste Erstaunen, da mir von den bei deo College» in der Redaction des „Berliner Local-Anzeiger»", denen ich privatim von meiner Kenntniß zu dem Zwecke Mittheilung machte, sie eventuell im Nutzen ihres BlatteS zu verwerthen, in Bezug auf die Nennung meines Namen der Redaktion deS „Berliner Local-AnzeigerS" gegenüber in aller Form volle Verschwiegenheit zugesichert worden ist. Von einem An gebot an den „Berliner Local-Anzriger" meinerseits kann daher nicht die Rede sein. Bon den ziffernmäßigen Angaben, die ich ge- macht haben soll, ist nur richtig, daß ich tausend Mark als den Betrag bezeichnet habe, den die Beschaffung de» Material» — da» mir nicht zur Verfügung stehe — erfordere." Wenn sich Herr Hildebrandt durch diese Erklärung auch nicht entlasten kann, so verdirbt er dem „Berl. Loc.-Anz." doch die Pos« des vornehmen Organ», in der sich das Blatt zum größten Erstaunen der Mitwelt dieser Tage mit der Erzählung gefiel, ihm sei der Tarif von Hildebrandt angeboten worden, aber „die Geschichte, mit dem Hintermann" habe ihm nicht gefallen. WaS auS der ganzen Geschichte noch herauS- kommen wird, ist vorläufig noch ganz unklar. Der „Post" wird zwar geschrieben: „In allen Regierungskreisen zeigt sich die feste Entschlossenheit, dem aufgedeckten Piraten- Unwesen ein für all« Mal de» Garaus zu machen. Die Haussuchungen und die sich daran knüpfenden Nachforschungen dürften die sichere Handhabe für einen gründlichen ReinigungSproceß abgeben. Die Integrität unseres BeamtenthumS steht zu stark in Frage, als daß gezögert werden soll, den Augiasstall aufzuräumen." DaS oder AehnlicheS ist aber schon häufig gesagt worden, ohne daß eS gelungen wäre, alle Indiskretionen zu verhindern. Wie man diese „Indiskretionen" selbst einzuschätzen hat, darüber ist ja wohl nicht nöthig, ein Wort zu sagen. Ueber das famose Luftballon-Abenteuer Tcntschcr in Frank reich wird au» Augsburg noch gemeldet: Kürzlich wurde hier ein Luftschifferverein gegründet, der bezweckt, dem Luftschifferwesen in weiteren Kreisen Freunde zu gewinnen und die Luftschifffahrt praktisch zu bethätigen. Am 30. Juli, AbendS 9 Uhr, stiegen drei Mitglieder, Ingenieur Scherle, Maschinen fabrikant Holzhäuer und Möbelfabrikant Ziegler, in einem Riedinger'schen Ballon hier auf und landeten am folgenden Tage Vormittags 9 Uhr nach zwölfstündiger Fahrt, nachdem sie zuerst über den Bodensee und Basel geflogen waren, bei Arbois (an der Linie Besonl-Besangon). Die Fahrt und Landung ging glücklich von Statten. Bei der letzteren aber begegnete den Herren ein originelles Abenteuer, worüber die „AugSb. Abrndztg." Fol gendes berichtet: Die Landung erfolgte um 9 Uhr glatt auf einer kleinen Wiese unweit der Straße und 3 Kilometer von ArboiS. Ein in der Nähe mit seinem Fuhrwerk daherkommender Bauer erklärte sich sofort bereit, den Transport deS Ballon- zum Bahnhofe zu übernehmen, aber das alsbald zahlreich hinzu gekommene übrige Publicum zeigte wenig Geneigtheit, zum Zu sammenlegen und Ausladen deS Ballons mitzuhclfen, es verbarg sich meist unter großen Regenschirmen und schaute nur neugierig und behaglich zu. Es fanden sich schließlich doch noch einige hilfreiche Hände, der Ballon wurde aufgeladen und in großer Proccssion ging es dem Städtchen Arbois zu. Bei ihrem Einzug in Arbois folgte den Reisenden eine immer größer werdende Menschenmenge, aber auch die heilige Hermandad in der Stärk« von vier Ssrgcmots äs villo nahmen sich ihrer liebevoll an und folgte ihnen zwar discret und unaufdringlich, aber um so beharr licher. Unsere Reisenden wollten sofort den Ballon am Bahnhofe aufgebcn und ebenfalls sofort zurückreisen, aber das ging nicht so ohne Weiteres. Vor Allem wurden am Bahnhof die deutschen Goldstücke nicht respectirt, und die Augsburger Herren waren genöthigt, sich in der Stadt französisches Geld zu verschaffen, wobei ihnen übrigens die Leute liebenswürdig entgegenkamen. Aber der Hotelwagen, dem sie ihre meteorologischen Instrumente anvertraut hatten, war von der Polizei mit Beschlag belegt wor den, wobei es besonders auf den mitgeführten photographischen Apparat abgesehen war. Dann wurden die Reisenden höflich veranlaßt, vor dem Procureur (S t a a t s a n walt) zu er scheinen, der sie in großer Uniform empfing und sie etwa IVr Stunden lang ausfragte (zuletzt unter Beiziehung eines vereideten Dolmetschers). Er wollte hauptsächlich wissen, wie sie dazu gekommen seien, nach Frankreich zu fahren und ob sie pho tographische Aufnahmen gemacht hätten. Man hielt nämlich ihren Ballon für einen deutschen Militärballon und sie selbst für deutsche Officiere, und es mußte in den Augen der Franzosen höchst gravirend erscheinen, daß sie in ihrer von Arbois nach Augsburg gerichteten Depefche erwähnt hatten, über Belfort ge fahren zu sein. Der Wahrheit gemäß erwiderten sie, daß sie ganz ohne ihren Willen über Belfort und in den französischen Jura gekommen seien und keine einzige photographische Auf nahme gemacht haben, aber der pflichteifrige Beamte gab sich damit mcht zufrieden, sondern er entwickelte höchst eigenhändig in seiner eigenen Dunkelkammer di« erste und zwölfte (letzte) Platte ihrer Camera, wobei er sich allerdings überzeugte, daß die Herren wirklich keine Aufnahme gemacht und la dsllo d'rnne« nicht ausgekundschaftet hatten. Der Procureur ist nämlich selbst ein, wie es scheint, sehr bewanderter Amateurphotograph und war daher zu dieser entscheidenden Probe vorzugsweise befähigt. Nachdem er deren Ergebniß festgestellt hatte, wurde er dem als Ballonführer bis zuletzt zurückgebliebenen Ingenieur Scherle gegenüber aufgeknöpft und mittheilsam und zeigte ihm seine ver schiedenen eigenen photographischen Aufnahmen. Die Herren Ziegler und Holzhäuer waren nämlich schon etwas früher „außer Verfolgung" gesetzt worden. Im Uebrigen hat der französische Beamte den Augsburger Luftreisenden gegenüber sich durchaus verbindlicher Formen beflissen und auch seine Unterorgane hatten sich sehr anständig und discret benommen. Das Publicum ebenfalls; besonders einige deutsch radebrechende Herren und ebensolche Damen zeigten sich auskunftS- und hilfsbereit, soweit eine Hilfe in Anspruch genommen werden konnte. Unter den auskunftsbereiten Herren waren aber auch einige, die mit fran zösischen Zeitungen Verbindung haben und das große Ereigniß, daß ein Ballon mit deutschen Officieren in Arbois gepackt wurde, sofort telegraphisch an ihre Blätter meldeten. Die Herren sind allerdings, als sie Namen, Stand und Wohnort der bei ihnen gelandeten deutschen Luftschiffer und deren Harmlosigkeit Fererlleton» 10) Am Geld. Roman von F. Ilex. Nachdruck derb»»«. Paul, noch zu sehr erfüllt von den Erlebnissen der letzten Stunden, war nicht im Stande, dem Freunde eine sofortige Ant wort zu geben. Widerstrebte es einerseits seinem Zartgefühl und seiner Achtung vor dem weiblichen Geschlecht, sich mit der ausgesprochenen Absicht der Brautschau einer jungen Dame zu nähern, noch dazu in ganz fremdem Kreise, so lasteten anderer seits die Verhältnisse so schwer auf ihm, daß er den Gedanken, hier neben einer Persönlichkeit, die er achten und vielleicht auch später lieben lernen konnte, auch die Möglichkeit zu gewinnen, ein für alle Mal für sich und die Seinen diesen Druck lo» zu werden, nicht so ohne Weiteres von der Hand weisen wollte. Die Freundlichkeit und das Entgegenkommen des Freunde erleichterten ihm den Schritt so ungemein, daß er kaum hoffen konnte, unter ähnlich günstigen Nebenumständen eine gleiche, von so vielen mit Vergnügen ergriffene Gelegenheit wieder zu finden. Zudem war er sicher, an Solchen einen ebenso taktvollen, wie dis kreten Beschützer zu haben, wie es anderseits auch für ihn selbst keine anderen Folgen zu haben brauchte, als im ungünstigsten Falle einen vielleicht etwas langweiligen Abend, sowie nach einigen Tagen einen kurzen, förmlichen Dankesbesuch. Trotz dem behielt er sich die Entscheidung bis zum folgenden Tage vor und verabschiedete sich von Sodhen, unter nochmaliger Versicherung seines Dankes für die mehr als freundschaftliche Auffassung der bewußten Geldangelegenheit. Sodhen, der von Dank nichts wissen wollte, da er ja noch gar nicht- dafür ge leistet, hatte seinen Besuch bi» an die Hausthür begleitet, in der Absicht, seinen Weg ,n der entgegengesetzt« Richtung fortzu setzen. Schon im Weggehen begriffen, sagte er ganz wie im Borsiberaehen: „Noch einet, erinnerst Du Dich nicht, daß Du mich am ersten Tage, wo wir un» hier fanden, in etwa« auffälliger Weise von dem Betreten eines gewissen HauseS in der . . . straße abgehalten hast? Ich hatte und habe Dich noch im Verdacht, daß dies mit einer gewissen Absicht geschehen ist, und da ich in dieser Beziehung — ich vrrmuthete natürlich ein weiblicher Wesen dahinter — et was neugierig, aber auch sehr discret bin, besonders wenn man mich inS Vertrauen zieht, so habe ich öfter meinen Weg durch diese Straße genommen und zu mehreren Malen einer jungen Dame — mittelgroß und blond — begegnet, die manchmal, mit Heften in der Hand, gerade in diesem Hause verschwand. Da Du dort — oder irre ich mich? — irgend welche Beziehungen zu haben scheinst, so wirst Du auch vielleicht wissen, wer die schöne Un bekannte ist? Daß ich Dir dabei selbst inS Gehege kommen könnte, halte ich für ausgeschlossen, denn den Eindruck machte die junge Dame entschieden nicht, so gern ich auch sonst Deine Ueber- legenheit in dieser Beziehung'anerkennen will — nach einem „Verhältniß" sah das junge Mäden nicht aus, und auch meine Verehrung ist eine rein platonische ganz L la Toggenburg ge blieben." Für Steinberg! war es nicht schwer gewesen, in der Ge schilderten seine Schwester Elisabeth wieder zu erkennen. Nach dem heute erhaltenen Beweis einer offenbaren Zuneigung— denn anders konnte er trotz des Freundes sonstiger leichter Auf fassung von Geldsachen, die mehr als brüderliche Art der Er ledigung nicht nennen — sowie nach den Andeutungen, die er nothgedrungen über die Verhältnisse der Eltern hatte machen müssen; endlich bei der Wahrscheinlichkeit, daß Seligmann bei nächster Gelegenheit doch Alles, was er über seine Familie er fahren hatte, ausplaudern würde, konnte ek Paul nicht über da» Herz bringen, mit der Wahrheit hintan zu halten. Er drehte daher wieder um, und schüttete nun dem Freunde sein ganzer Herz au«, indem er allerdings verschwieg, daß er über den Aufenthalt des Vaters absichtlich im Dunklen gelassen worden war. Sohden hatte ihm aufmerksam, mit allen Zeichen rücksichts voller Theilnahme zugehört, und ibm schließlich in herzlichster Weise die Hand gedrückt, indem er sagte: „Sei versichert, lieber Freund, daß mich Dein Vertrauen nach jeder Richtung ehrt; ebenso wie Du überzeugt sein kannst, daß ich Deiner Fräulein Schwester auch nicht mit einem dreisten Blicke zu nah« getreten bin. Wenn e» jedoch nicht zu unbescheiden ist, o würde ich eß als ein ganz besondere» Zeichen Deiner Freund- chaft auffassen, wenn Du mir erlaubtest, mich den Deinigen Vor teilen zu dürfen." Auf eine in solchem Tone vorgetragene Bitte konnte nur eine freudia zusagende Antwort ertheilt werden. Mit dankbarem Händedruck und sichtlich erleichterten Herzen trennte sich Steinbergk von dem lindenwärtS eilenden Freunde und schlug den Weg nach Hause ein, wo er an den verstörten Mienen von Mutter und Schwestern sah, daß irgend etwa» vor gefallen sein mußte, wa» man ihm jedoch entschieden vorenthalt« wollte, da er auf seine Fragen zwar freundliche, ober aus- weichend« Antworten erhielt. Sein erst» Gedanke richtete sich unwillkürlich auf den Vai», und offmbar »st auf seine direkte Frage nach diesem entschloß sich die Mutter, ihn mit der Veranlassung zu ihrer Nieder geschlagenheit bekannt zu machen. Der „möblirte Zimmerherr", wie der Berliner Volksmund derartige Miethsverhaltnisse zu benennen Pflegt, ein junger, an geblich in einem größeren Geschäftshaus angestellter Commis, hatte sich schon wiederholt durch vertragswidrige Anforderungen, die er an die ihn speciell bedienende Stundenfrau gestellt, un bequem bemerkbar gemacht. Während bis jetzt die ältere Schwester mit Erfolg die Vermittlerin gespielt hatte, war es heute wieder zu einer Scene gekommen, die in ihrem lärmenden Verlaufe nicht nur die ganze Familie in Mitleidenschaft, sondern auch die Flur nachbarn als Augen- und Ohrenzeugen herangezogen hatte, wobei eS natürlich an schnöden Bemerkungen über die „vor nehmen Hungerleider" nicht gefehlt hatte. Der Schlußerfolg war — trotz her versuchten Vermittlung Elisabeth'-, die sich des WertheS der Miethe als Zubuße zur Haushaltung voll bewußt war — die sofortige Kündigung der Wohnung. Damit aber nicht genug, war der Miether, unter Mitnahme seiner wenigen Habseligkeiten, unmittelbar darauf verschwunden, ohne natürlich die Miethe für den laufenden Monat entrichtet zu haben. Dieses „Rücken" konnte nur unter Zustimmung und thätiaer Beihilfe der Mitbewohner des HauseS von Statten gegangen sein, da man erst durch das höhnische An rufen, „daß der Vogel ausgeflogen sei", auf diese — unter den obwaltenden Umständen doppelt unangenehme — Thatsache aufmerksam gemacht worden war. Diese Mmheilungen kamen Paul in der gehobenen Stimmung, in der er sich befand — ganz im Gegensatz zu der Auffassung der Seinen — durchaus nicht unerwünscht. Don allen Einschränkungen, die sich seine Angehörigen auferlegten, hatte ihn dieses Vermiethen an einen wildfremden Menschen am empfindlichsten berührt. Damit hatte man dem Feinde — in diesem Falle die Außenwelt — die Thür das Hauses geöffnet. Ganz abgesehen von dem, durch die Lage der Zimmer zu ein ander bedingten, beinahe unerträglichen Zustande, hatte eS Daul erst neulich, beim Besuche von Fräulein Docking, aufs Peinlichste berührt, daß auch kein kleinster Empfang-raum vorhanden war. Und heut«, trotz der im bescheidensten Tone vorgetragenen Bitte Sodhen'-, war e- ihm sofort schwer auf» Herz gefallen, wie und wo — schon um der Seinen willen — ein solcher Besuch ohne gegenseitige Verlegenheit empfangen werd« konnte? Mochte da» Zimmer de» Vater» noch so einfach auSgestattet sein, e» war jedenfalls ein Raum, der auch von Fremden betreten werden konnte, ohne gleich die ganze Dürftigkeit der Verhältnisse preis zugeben. Diesem Gedankengange folgend und in seiner nach Hebung der nervösen Spannung, in die ihn der Uebersall de» alten Selig mann versetzt, gehobener« Stimmung, suchte Paul die Seinen über den Äorfall an sich, sowie über den Ausfall der Miethe zu trösten, und siehe da — sein frischerer Muth blieb auch nicht ohne Einfluß auf Mutter und Schwestern, so daß der Tag viel ruhiger und befriedigter schloß, als es nach dem stürmischen Dor- und Nachmittage möglich erschienen war. Um diesen lichteren Ton nicht zu trüben, unterließ Paul jede Frage nach dem Vater, ebenso, wie er über seine Absicht, der Auf forderung Sodhen's Folge zu leisten — die jetzt so ziemlich fest bei ihm stand —, völlig reinen Mund hielt; war ihm doch durch die Andeutungen des Freundes, die ihn keinen Augenblick! ruhen ließen und seine Phantasie aufs Lebhafteste beschäftigten, jede Un befangenheit zur Mittheiluna genommen. Dazu kam, und ent scheidend für seinen Entschluß, daß sich auch bei ihm der mühsam zürückgedränate Jugendsinn regte, und daß er es geradezu als Be- dürfniß empfand, sich aus dem trüben Einerlei des häuslichen Elends einmal wieder in freierer Umgebung bewegen zu können. Am folgenden Morgen theilte er Sodhen seinen Entschluß mit, die Einladung anzunehmen, was ihm von diesem ein zu stimmendes Kopfnicken, begleitet von einem verständnißvollen Lächeln, eintrug. Als er sich dann bald nach dem Essen auS der elterlichen Wohnung entfernte, gab er al- Grund für sein un gewohntes Wegbleiben vom Abendbrod — ohne dem Wortsinne nach eine Unwahrheit sagen zu müssen — an, daß er sich mit Sodhen verabredet habe, und daher den Abend mit diesem ver leben werde. Von den herzlichsten Wünschen von Mutter und Schwestern begleitet, die sich aufrichtig freuten, dem Sohn und Bruder diese kleine Zerstreuung geboten zu sehen, verließ er das Hau» und begab sich in seine Wohnung, um seine Vorbereitungen für den ereignißvollen Abend rechtzeitig zu treffen, da er ver abredetermaßen Sodhen abholen und mit diesem gemeinsam zu Wagen den Weg in» Westend zurücklegen wollte. Neunter Capitek. Al» die beiden Freunde bald nach acht Uhr Abends an dem stattlichen Hause der Victoriastraße vorfuhren, erglänzten bereit» sämmtliche Fenster deS Parterre und der ersten Etage in einem weithin die dunkle Novembernacht erleuchtenden Lichtmeere. Die Ausstattung von Hausflur und Treppenhau» zeugte von dem Wohlstände deS Besitzers, aber ebensowohl von gutem Geschmack. Oben wurden sie von einem Lohndiener und einem bescheiden gekleideten Hausmädchen empfangen, welche- twzu bestimmt schien, den ankommenden Damen seine Hilfe anzubieten. In der Nähe der sich nun öffnenden Doppelthür stand der Hausherr, ein mittelgroßer, beleibter Vierziger, mit bereit» start ergrautem Haupthaar, aber frischen, nicht unschönen Gesicht«.
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