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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.10.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001009012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900100901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900100901
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Der kürzlich in Tokio vor sich gegangene Ministerwechsel hat denn auch die Aufmerksamkeit in vollem Maße erweckt, und vielfach wurde die Frage gestellt, ob der Rücktritt des Cabinets eine Aenderung der Politik, be sonders der auswärtigen Politik des Jnselreiches, mit sich dringe. Erklärlich ist das namentlich im Hinblick auf die Wirren, die gegenwärtig China durchtoben und deren Abschluß vorläufig noch nicht abzusehen ist. Japan hat sich bisher als zuverlässiger Bundesgenosse erwiesen, der gegen den Willen der Verbündeten Mächte keinerlei Sonderziele verfolgt. Seine Haltung war nach jeder Richtung durchaus loyal. Aber immerhin ist eine Schwenkung bei einem Volke nicht ausgeschlossen, welches trotz alles modernen Firnisses die Rohheit der Asiaten im Grunde behielt und welches danach strebt, einen Zusammenschluß der gelben Rasse doch noch ein Mal zu Stande zu bringen. Um Klarheit über diese Frage zu gewinnen, ist es erforder lich, auf die Vergangenheit des zurückgetr«t«nen Grafen Aamagata und des gegenwärtigen Ministerpräsi denten Marquis Ito Hierohumi mit einigen Worten einzugehen. Aamagata hat sich bekanntlich im Kriege mit China im Jahre 1894 in hervorragen der Weise ausgezeichnet. Man nannte ihn den ostasiatischen Moltke und rühmte sein großes strategisches Geschick. Er ist Soldat, der auf dem Schlachtfelde sein eigentliches Gebiet sieht, wurde aber trotzdem, durch das Vertrauen seines Kaisers, schon früher einmal an die Spitze der Regierung ge stellt und entsprach den Erwartungen, die man in ihn setzte. Der zurückgetretene Chef des Cabinets ist ein Vertreter der neuen Richtung, die der modernen Cultur den Eintritt erleichtern und alle Errungen schaften der Ervilisation dem Bolte und Lande zuwenden will. Unter Aamagata war es unwahrscheinlich, daß der Mikado eine andere, als die bisherige Politik den Mächten und China gegen über zur Anwendung brächte. Was die Persönlichkeit des gegenwärtigen Minister präsidenten, Marquis Ito, anbetrifft, so gehört der selbe gleichfalls den japanischen Reformern an. Dabei hat er eine vorzügliche 'Bildung und ist während einer ganzen Reihe von Jahren in liberalem Sinne in der Staatsverwal tung, auch als Ministerpräsident, thätig gewesen. Seine Be deutung wird von Niemandem geleugnet. Während sich Aamagata im Felde einen Namen schuf, entfaltete Ito eine rege Thätigkeit als reformirender Staatsmann und als um sichtiger Diplomat. Schon 1863 trat er an die Öffentlichkeit und vermittelte den Frieden zwischen seiner eigentlichen Heimath, der Provinz Chäfu, und mehreren fremden Mächten, die die Freigabe der Meerenge von Shimonosöki forderten. Ito hat sich später bei der Reform des Münzwesens, beim Bau der Eisen bahn von Tokio nach Aokohama und endlich bei der Einführung der japanischen Verfassung hervorgethan. Er gilt als der geistige Urheber derselben. Als Minister des Auswärtigen hat der Marquis den Frieden von Shimonoseki mit China geschlossen und später wiederholt mit Rußland und Korea wichtige politische Verhandlungen gepflogen. Sein Ansehen in Japan ist das denkbar größte, ja es heißt, daß er, selbst, wenn er officiell kein Ministeramt bekleidete, doch immer der leitende Staatsmann war. Der Kaiser trägt ihm ein uneingeschränktes Vertrauen entgegen und hat seinen Rath während der gegenwärtigen Wirren im Reiche der Mitte fast jeden Tag vernommen. Er empfing ihn mit und ohne den Ministerpräsidenten, und immer sollen seine Vorschläge beim Monarchen durchgedrungen sein. Selbst Graf Aamagata hat, wie verlautet, sich dem größeren Geschick und der reicheren Erfahrung seines jetzigen Nachfolgers stets gebeugt. Aus dem Allen darf gefolgert werden, daß ein Wechsel in der auswärtigen Politik, wie er von mancher Seite befürchtet wurde, doch wohl kaum in Aussicht steht. Der wirkliche Grund des Rücktritts des Grafen Aamagata ist überhaupt nicht in einer auswärtigen Frage, sondern lediglich in inneren Angelegen heiten zu suchen. Die Stellung des Cabinets war längst er schüttert; man erwartete bereits vor mehreren Monaten den Aus bruch der Krisis, als die chinesischen Wirren das vorläufige Verbleiben des Grafen Aamagata's Wünschenswerth machten. Jetzt aber ist die chinesische Frage in ein neues Stadium ge treten und erfordert in den Verhandlungen mit der Pekinger Regierung und in den Beziehungen zu den europäischen Mächten das volle Geschick eines erfahrenen Diplomaten; es ist erklärlich, wenn Aamagata diesen Anlaß benutzt, um sein Portefeuille in die Hände des Mikado zurückzulegen. Er soll selbst Marquis Ito als seinen Nachfolger in Vorschlag gebracht haben. Für Europa ist es von geringerem Werthe, wie sich die inneren Schwierigkeiten in Japan regeln, welche Entwickelung die parlamentarischen Parteiverhältnisse nehmen und ob Marquis Ito mit seinen Plänen durchdringen wird. Was die auswärtige Politik des neuen Ministerpräsidenten anbetrifft, so haben wir gesagt, daß sie im Wesentlichen Vie gleiche bleibt. Aber die Taktik, die Ito als leitender Staatsmann einschlägt, kann doch von derjenigen, die er als unverantwortlicher Rathgeber empfahl, verschieden sein. Aus seiner Vergangenheit kann man folgern, daß der Marquis nicht so ausgesprochen englandfreundlich ist, wie es im Allgemeinen von den Staatsmännern Japans heißt. Ito gilt für einen Mann des Friedens. Schon 1873 hatte er den Kriegsdrang seiner Landsleute gegen Korea zu zügeln gewußt. Er hat dann den Mikado zur Nachgiebigkeit veranlaßt, als Deutschland, Rußland und Frankreich im Jahre 1895 in Tckkio wegen China interpellirten. Er war es auch, der Rußland gegenüber in der koreanischen Frage Zurückhaltung empfahl und den Wünschen des Zarenreiches so weit entgegenkam, daß die öffentliche Meinung irre wurde und ihn der mangelnden Energie zieh. Er trat deshalb damals von der Leitung der Geschäfte zurück. Das Entgegenkommen gegen Rußland war aber sicher weniger aus Schwäche, als aus der richtigen Erwägung veran laßt, daß England trotz seiner bestimmten Versicherungen in einem Kriege zwischen Rußland und Japan dem letzteren nicht zur Seite stehen würde. Diese Annahme, die im Verhalten der Briten ihren Freunden gegenüber Bestätigung findet, hat Marquis Ito dazu bewogen, «ine Verständigung mit dem Zarenreiche zu suchen. Sollte sich Japan in einen großen Krieg mit Rußland stürzen? Es würde dann iqir die Geschäfte der Briten besorgen. Die Absonderung von England-war während der letzten Jahre ein charakteristisches Kennzeichen der aus wärtigen Politik Japans. Eine Freundschaft mit Rußland wird allerdings kaum jemals ernstlich bestehen, und das wäre schließlich auch nicht zu wünschen. Aber je ferner sich Japan von England hält, um so besser für Europa und um so Vortheilhafter für eine gesunde und friedliche Entwickelung der asiatischen Angelegen heiten. Von diesem Gesichtspunkte aus kann man das Mini sterium Ito nur sympathisch begrüßen. Die Wirren in China. Tie Noten der Mächte. In den letzten Tagen haben sich die Kundgebungen und Noten der Mächte derart gehäuft, daß es angezeigt er scheint, sie einen Augenblick in ihrer zeitlichen und logischen Folge festzuhalten. Die Antwort des Kaisers Wil helm auf die Ankündigung deS Kaisers von China, daß er Ehrbezeigungen für die Leiche deS ermordeten deutschen Ge sandten angeordnet habe, gab, so recapitulirt die „Köln. Ztg.", in einer allgemein als klar und würdig anerkannten Form dem Entschlüsse des deutschen Kaisers Ausdruck, auf einer wirksamen Sühn« für die verübten Schandthaten zu bestehen und nicht zu zulassen, daß die Chinesen sich durch Spiegelfechtereien dieser Forderung entzögen. Die Antwort datirte vom 30. September. Inzwischen war den Mächten ein vor Eingang der Antwort Kaiser Wilhelm's veröffentlichter Erlaß deS Kaisers von China zugegangen, der die Strafen für die angeblich Schuldigen mit- theilte. Aus diesen Erlaß bezog sich die deutsche Rundnote vom 1. October, die den Mächten vorschlägt, sich darüber zu einigen, 1) ob die in jenem Erlaß aufgestellte Liste von straf baren Personen genügend und richtig ist, 2) ob die in Aussicht gestellten Strafen angemessen sind, 3) in welcher Weise die Ausführung der Bestrafung von den Mächten zu controliren ist. So weit bis jetzt bekannt, haben alle Mächte diesen deutschen Vor schlag zustimmend beantwortet, und die Regierung der Ver einigten Staatensoll in ihrer Antwort laut einer Laffan- meldung mitgetheilt haben, sie habe dem chinesischen Gesandten wissen lassen, daß sie die für Tuan, Kcrngyi und Tschaotschutschiao vorgesehene Strafe nicht für genügend halte. Diese Antwort geht über den deutschen Vorschlag und seine Absicht noch hinaus, denn er sieht ausdrücklich vor, daß die diplomatischen Vertreter der Mächte in China mit der Prüfung und Begutachtung jener drei Puncte, also auch des Strafmaßes, beauftragt werden. Soweit war also die Einigkeit der Mächte auf Grund des deutschen Vor schlages hergestellt und erhalten, als am 4. October eine fran zösische, angeblich von Rußland befürwortete, neue Rundnote überreicht wurde, die den Mächten als Grundlage zu den Ver handlungen die folgenden sechs Puncte unterbreitet: 1) Be strafung der Hauptschuldigen, die von den Vertretern der Mächte in Peking zu bezeichnen wären; 2) Aufrechterhaltung des Verbots der Waffeneinfuhr; 3) angemessene Entschädigungen für die Staaten, die Gesellschaften und die einzelnen Personen; 4) Er richtung einer ständigen Schuhwache in Peking für die Gesandt schaften; 5) Schleifung der Befestigung-Werke Takus; 6) mili tärische Besetzung von zwei oder drei Puncten auf dem Wege von Tientsin nach Peking. Diese französische Note beginnt in ihrer ersten Nummer mit der Zustimmung zu dem deutschen Vorschläge und behandelt den zweiten Punct des internationalen Programms, die Sühne der verübten Verbrechen, in Anerkennung jenes Vorschlages dem Grundsätze nach als erledigt, indem sie alsbald zu weiteren Vor schlägen für die Erfüllung des dritten Programmpunctes, der Errichtung wirksamer Bürgschaften für die Zukunft, übergeht. Man wird die Antworten der Machte auf diese französische Note nicht so bald erwarten dürfen, denn so annehmbar die Vorschläge der französischen Regierung erscheinen, so ist es doch bedenklich, sich schon jetzt, wo die Dinge in China noch in vollem Fluß sind, auf all« Einzelheiten zu verpflichten. Frankreich befürwortet nichts weniger als «ine tiefgreifende militärische Controle Chinas, wobei freilich vorausgesetzt wird,, daß Hof und Regierung nach Peking zurückkehren und dort wieder ihren ständigen Sitz nehmen. Es ist aus vielerlei Gründen wahrscheinlich, daß das geschehen wird, aber unbedingt sicher ist auch diese stillschweigende Voraus setzung nicht. Vorläufig macht der chinesische Hof dazu nicht die geringsten Anstalten; wie den „Times" vielmehr gemeldet wird, kündigt ein vom 29. September datirter Erlaß die Abreise des kaiserlichen Hofes von Taiyuenfu nach Singanfu an. Mit der Uebersiedelung nach Singanfu, der Hauptstadt Schrnsis (deren Lage und Bedeutung wir bereits nach der Einnahme Pekings dargestellt haben) würden der Verkehr und die Unterhandlungen mit der chinesischen Regierung zum Mindesten aufs Neue er schwert werden. Bemerkenswerth ist, daß die französische Kund gebung sich jedweder Einmischung in die inneren Verhältnisse Chinas enthält. Dieser Grundsatz entspricht der Ansicht der Mehrzahl der Mächte, aber es bleibt immerhin abzuwarten, ob nicht di« Erledigung der im dritten Puncte der französischen Note erwähnten Entschädigungssbage auch sie zwecks Regelung der chinesischen Finanzen wider ihren Willen zu einem Eingreifen in die Verwaltungsorganisation Chinas zwingen wird. Unbe dingte Zustimmung verdient es, daß Frankreich die Mächte keinerlei Einfluß auf die politische Gestaltung und Zusammen setzung der chinesischen Regierung nehmen lassen will, aber es ist zu befürchten, daß auch in dieser Beziehung abweichende Meinungen zum Ausdruck kommen werden. So will ein Tele gramm des „Daily Chronicle" aus Washington vom 5. October wissen, die Regierung der Vereinig'ten Staaten habe den Mächten den Vorschlag unterbreitet, der Kaiser von China möge bewogen werden, nach Peking zurückzukehren und sich mit einem Cabinet zu umgeben, das aus Reformern und Fortschritt lern zusammengesetzt sei. Der Kaiser solle dann ein Edict er lassen, daß die Kaiserin-Wittwe aller ihrer Würden verlustig er kläre. Dor den Umtrieben der Kaiserin-Wittwe solle der Kaiser durch die Bajonette der Truppen der civilisirten Welt geschützt werden. Die Regierung der Vereinigten Staaten bestehe darauf, daß den Prinzen Tuan die Todesstrafe treffen müsse. Eine solche schneidige Haltung Amerikas ließe sich schlechterdings nicht in Einklang bringen mit der bisherigen Politik, die den Rückzug der amerikanischen Truppen aus China angezeigt erachtet. Uebri- gens hat inzwischen eine Versammlung «amrrikanischer Bürger in Tientsin am 1. Octoder der Regierung in Washington einen Deschlußantrag übermittelt, der es bedauert daß die amerikani schen Truppen zurückgezogen würden, da oie Arbeit der Ver bündeten noch lange nicht beendet sei. Diese Haltung Amerikas werde von den übrigen Verbündeten als unwürdig verurtheilt und die Chinesen säh«n darin ein Zeichen der Gleichgiltigkeit; deshalb beschwören jene amerikanischen Bürger die Negierung, eine genügende Truppenzahl zum Schutze des amerikanischen Handels und der Interessen der amerikanischen Missionare in China zu belassen, bis die Unruhen beendet sind. Chinesische Lngenberichtc. Welch' lügnerische Nachrichten die chinesischen Zeitungen ver breiten, um ihre Leser glauben zu machen, daß die chine sischen Truppen in den Kämpfen mit den Fremden bei Tientsin und Peking siegreich gewesen, davon ist der fol gende Artikel des in Canton erscheinenden „Hoppo" ein lehr reiches Beispiel: Wir haben, heißt es da, wiederholt berichtet, daß unser Heer in der Umgegend von Peking und Tientsin mit den fremden Truppen gegen 20—30 Mal zusammengestoßen ist und wieder holt gesiegt hat. Diese Nachricht ist zuverlässig. Eine auslän dische Depesche meldet, daß die Truppen der Verbündeten bei Aang-tsun mehrere Tausend Mann durch Ertrinken verloren haben, indem Li-Ping-Heng und Ma-Aukun einen Damm im Flusse anlegten und dann das Wasser ausströmen ließen. Wir haben jetzt das folgende Telegramm von unserem Shanghaier Correspondenten erhalten: „Am 7. August verloren die Fran zosen gegen 20 000 Mann durch Ertrinken und 8—9000 Mann im Kampfe mit unseren Truppen. Der Kampfesmuth der frem den Soldaten hat sehr nachgelassen. Die Nationen würden jetzt sehr gern Frieden schließen. Zu dem Zwecke wurde Amerika aus gewählt, 2000 unbewaffnete Soldaten neun Meilen von Peking vorzuschieben, und es wurde diesen gestattet, den fremden Ge sandten, die von chinesischen Truppen aus der Hauptstadt geführt wurden, nach Tientsin das Geleit zu geben. Wenn es in Zukunft zum Kriege kommt, werden wir kämpfen und Frieden machen, wenn es gewünscht wird. Wird aber Frieden geschlossen, so muß es im Einklänge mit Nr. 25 der chinesischen Bedingungen geschehen. Sowie ich erfahren habe, worin diese Bedingungen bestehen, werde ich telegraphiren." Diese Botschaft erhielten wir am 21. August und erfahren, daß am 20. eine amtliche Botschaft desselben Inhalts eingelaufen ist. Der Unterschied tn der Zahl der ertrunkenen Soldaten in den beiden Depeschen ist dahin zu erklären, daß die Fremden nicht die ganze Wahrheit zu sagen wagen. Nach dieser schweren Niederlage, wie können da die Fremden erwarten, mit dem kleinen ihnen gebliebenen Reste von Soldaten unsere Hauptstadt zu erstürmen? Gestern veröffent lichten wir eine ausländische Depesche, wonach die Fremden in Peking eingezogen seien. Wir glauben, daß in Folge der schweren Verluste Alle sich nach Frieden sehnen. Daher ist mit Chinas Einwilligung eine kleine Anzahl von Fremden nach Peking ge zogen, um die fremden Gesandten zu schützen. Wir hören ferner, daß trotz dieses großen Sieges unserer Truppen die beiden Höfe (d. h. des Kaisers und der Kaiserin-Wittwe), um sie vor Be lästigungen zu schützen, am 10. August aus der Hauptstadt nach Wu-Tai-Schan abgereist sind. Gegen Gebietserwerbungen in China. Unter den mancherlei politischen Problemen, die aus den chinesischen Wirren erwachsen werden, ist vermuthlich das schwie rigste die schließliche Regelung der Entschädigungsfrage. Wenn die intervenirenden Mächte den vollen Ersatz der aufgewendeten Kosten verlangen, so wird es sich um ganz kolossale Summen handeln, die aufzubringen China schwerlich im Stande sein wird. Es besteht unter solchen Umständen die Gefahr, daß schließlich territoriale Entschädigungen an die Stelle von Geld entschädigungen treten könnten. Einer derartigen Eventualität gegenüber erhebt der frühere deutsche Gesandte in Peking, Herr v. Brandt, in der neuesten Nummer der „Nation" in sehr nach drücklicher Weise seine warnende Stimme. „WaS die Idee von Landerwerbungen in China anbetrifft, sei es, daß dieselben mißverstandenen kolonisatorischen Bestre bungen dienen, oder als Aequivalent für Entschädigungs forderungen in Frage kommen würden, so kann nicht ost und nicht entschieden genug wiederholt werden, daß das größte Un glück, das Deutschland treffen könnte, das sein würde, wenn die chinesischen Wirren zu einer Ausdehnung des deutschen Landbesitzes in China führten. Die erste Folge eines solchen Schrittes würde die sich aus demselben ergebende Nothwendigkeit der Vermehrung der deutschen Armee um ein bis zwei Armeecorps sein, denn wir würden nicht allem das neu erworbene Territorium besetzen und sichern, sondern uns auch darauf einrichten müssen, dasselbe gegen einen unausbleiblichen chinesischen Gegenstoß halten zu können. Dabei dürfte cs immer eine schwer im Voraus zu entscheidende Frage bleiben, ob wir uns bei einer solchen Eventualität China allein oder nicht auch der einen oder der anderen der Mächte gegenüber befinden wür den, die die Zufälligkeiten der Politik heute zu unseren mehr oder minder unwilligen Genossen gemacht haben. Wir sollten Menschen und Geld kortwerfen für eine Erwerbung, die, weit entfernt, etwas einzubringen, uns nur neue Lasten auferlegen und den ganzen Schwerpunct unserer Politik verwirren würde, indem sie einen verwundbaren Punct unserer Interessen an einer Stelle und in einem Umfange schüfe, daß wir ihn nicht aufgeben und ihn auch nicht Vertheidigen könnten, und so der Gefahr aus gesetzt würden, uns an ihm zu verbluten! Denn auch der An nahme, daß Deutschland aus einer solchen Erwerbung in dustrielle und kommerzielle Vortheile ziehen könne, muß auf das Bestimmteste entgegengetreten werden. Die Erwerbung eines maritimen Stützpunktes in Ostasien war eine Nothwendigkeit; wir konnten uns bei dem steten Wachsen unserer kommerziellen, finanziellen und industriellen Interessen in jenen Gegenden und bei der stets zunehmenden politischen Bedeutung des Beckens des Stillen Oceans nicht der Gefahr aussetzen, daß unsere guten Freunde unseren Kriegsschiffen eines Tages unter Berufung auf die Bestimmungen des Völkerrechts ihre Häfen schlossen und wir unseren Handel und unsere Schifffahrt schutzlos einem viel leicht viel schwächeren Feinde ausliefern mußten. Auch darüber kann kein Zweifel bestehen, daß die Erwerbung eines solchen Stützpunktes uns weitere Pflichten für die Nutzbarmachung des selben, und damit weitere Kosten auferlegt, sowie daß e» im wohlverstandenen Interesse Deutschlands liegt, zu versuchen, wenigstens einen Theil dieser Kosten durch einen vermehrten An- theil seines Handels und seiner Industrie an dem Verkehr mit China, wie an der inneren Entwickelung dieses Reiches wieder einzubringen. Aber diese Hoffnung kann nicht dadurch ihre Er füllung finden, daß wir die Kosten für die Estwickelung der neuen Erwerbung durch eine Vergrößerung derselben immer mehr steigern und in ihr einen Wunden Punct für unst.e äußere Politik wie für unsere Finanzen schaffen, sondern nur, indem wir Ruhe und Frieden im ganzen China wieder Herstellen und zu erhalten suchen." Der eingehende Artikel schließt mit den Worten: „Dem deut schen Volke wie den fremden Mächten gegenüber wirv eine offene Aussprache der Regierung — wozu haben wir denn einen Reichs tag — das beste Mittel sein, allen Entstellungen und Insinua tionen vorzubeugen oder ihnen die Spitze abzubrechen. Hoffen wir, daß man bald zu diesem Mittel greifen wird; denn daß man in der Lage sein sollte, mit der Rechnung für die Kosten auch zugleich die Bescheinigung über den Erfolg vorlegen zu können, scheint doch kaum recht wahrscheinlich." Weitere Meldungen. * London, 8. October. (Tel. d. Mgdb. Ztg.) Der „Standard" meldet au» Tientsin vom 5. October: Die deutsche Streit kraft erlitt wenigeMeilen südlich von hier eineNieder- läge. Die Truppen stießen mit 8000 als Boxer bezeichneten Chinesen zusammen und wurden genölhigt, sich nach Tientsin znrückziiziehen. Es sei Grund sür den Argwohn vorhanden, daß diese CH »escn nicht Boxer, sondern L'i's Kerntruppen waren, die den Befehl halten, in der Nähe von Tientsin zu warten mit Rück- sicht auf die Möglichkeit, daß Lc's Reise nach der Hauptstadt Hinder- niste bereitet werden dürften. (Die Nachricht ist mit Borsicht auf zunehmen. D. Red.) * Berlin, 8. October. (Telegramm.) Nach Miitheilung einer hiesigen Zeitung soll die Baronin v. Ketteler, die Ge- mahlin deS ermordeten deutschen Gesandten, die nach dem Entsatz der in Peking eingeschlossenen Fremden nach Yokohama abgereist war, dort nicht angekommen und seitdem verschollen sein. Di sensationelle Meldung bedarf wohl der Bestätigung. * Petersburg, 8. October. (Telgramm.) Der „Nowoj« Wremja" wird au-Wladiwostok unter dem 4. October gemeldet: Die russischen Truppen werden wahrscheinlich nicht nach Bodune und Mukdenaschi vorrücken, sondern sich auf den Schutz der mandschurischen Eisenbahn beschränken. Der General gouverneur Grodekow leite persönlich die Vorbereitungen für die Ueberwinterung der Truppen in der Provinz Girin. Ans der Rhede von Schan-hai-kwan liegen folgende russischen Schiffe: „Petropaw'.owsk,', „Rossija", „Rjurik", „Korni- low", „Giljak", „Sabijoka", „Ssiwutsch", „Moskwa", „Orel" und „Mandschur". Ein Theil der russischen Truppen rücke nach Norden vor. — Aus Port Arthur meldet der „Regierungs bote" unt-r dem 5. October: Alle chinesischen Schisse befinden sich in Shanghai; sie laufen nirgends hin aus und werden von den ausländischen Schiffen bewacht. Tie Fahrt ist gefahrlos. Fremde Begleitschiffe werden nicht ausgeschickt. * Shanghai, 6 Oktober. (Reuter's Bureau.) Nach Meldungen aus authentischer Quelle ist das britische Kanonenboot „Woodcock" heute nach Han kau abgegangen, um den Han-Fluß zu überwachen. Man bringt diesen Auftrag mit der Eventualität der etwaigen Gefangennahme des chinesischen Hofes in Zusammenhang. Der britische Flußdampfer „Woodlark" kommt hierher, um die Ankünfte in der Nähe der Kiangsin-Forts zu untersuchen und zu überwachen. * Hotlgkong, 7. October. (Telegramm.) Gestern griffen etwa tausend Aufrührer den Marktflecken Eaiwan, der acht Meilen nordöstlich von Saintschun an der Grenze des britischen Kaulnng - Gebietes liegt, an; sie wurden indessen zurückgeschlagen. Hundert reguläre Soldaten sollen auf Saintschun marjckiren. Ter Angriff auf diesen Ort wird heute erwartet. Tie Polizei ist an der Grenze verstärkt und mit Maxims au-gerüslet worden. Außerdem werden die Truppen sür alle Fälle sich bereit halten. Man glaubt, daß die oben erwähnten Ausrührer Mitglieder ge heimer Gesellschaften sind. — Nach Nachrichten auS Saint schun von heute früh ist dort noch Alles ruhig, wenngleich die Laden geschlossen sind. Der Lrieg in Südafrika. * Lord Roberts hat wieder ein paar Proclamationcil erlassen, von denen die «ine den General Maxwell mit ausgedehnten Verwaltungsvollmachten für Transvaal versieht, während die andere eine gleichmäßige Behandlung der Einwohner von Transvaal und des Oranje-Frei staates sichern soll. Darnach sollen diejenigen Boeren, die sich freiwillig ergeben, nicht verbannt werden, mit Ausnahme der Fremden, hervorragenden politischen und militärischen Persön lichkeiten, sowie derjenigen, welche ihren Treueid gebrochen haben. Wenn ein Führer sich zu ergeben wünscht, muß die Frage dem Hauptquartier zur Entscheidung vorgelegt werden. DaS Eigenthum der Commandanten und Eidbrecher wird confiScirt. Wenn einige Mitglieder einer Familie den Eid gebrochen haben, wird den Zurückbleibenden Confiscation ihres Vermögens angedroht,, falls die Anderen nicht in einer be stimmten Zeit zurückkehren. Den Burghers soll mitgetheilt wer den, daß, wenn ihre Führer sich ergeben und alle Geschütze aus geliefert werden, der Friede erklärt werden soll und alle Kriegs gefangenen zurückkehren dürfen, mit AuSnahm« der für den Krieg verantwortlichen Personen, sowie Derjenigen, welche für die ver- hängnißvollc Berlängerung desselben haftbar sind, und die den Krieg gegen die üblichen Regeln geführt haben. ES liegt auf der Land, daß diese Bestimmungen der ärgsten Willkür Thür und Thor öffnen. Dem Bureau Lassan wird auS Pretoria gemeldet: Als Krüger Transvaal verließ, hielten di: zurückbleibenden
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