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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.08.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010806012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901080601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901080601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-06
- Monat1901-08
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Ämtsölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ruthes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. 3S8. Dienstag den 6. August 1901. Anzeigen-Preis die -gespaltene Petitzeile 2S Reklamen unter dem RedaeilouSstriq (-gespalten) 75 Lp vor den yamtltenaach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer nud Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen »nd Offertenannahme L5 H («xrl. PÄto). Ertra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgea-Au-gabe, ohne Postbefördenmg 50.—, mit Postbesärderuag uT 70.—. Äuvahmeschluß für Alyeigm: Abend-Ln-gabe: vormittag- 10 Uhr. Morgeu-AaSgab«: Nachmittags - Uhr. Bet den Filialen und Annahmestelle» s« ein« halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richte». Di« Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh S bi- Lbend- 7 Uhr. Druck «nd Verlag von E. Volz t» Leipzig 95. Jahrgang Laiserin Friedrich f. V Cronberg, S. August. (Telegramm.) Die Kaiserin Friedrich ist heute Abend ü Uhr IS Min entschlafe«. Der Tod ist der hohen Frau ein Erlöser von schwerem qualvollen Siechthum geworden. Die tückische Krankheit, die ihren Gemahl hinweggerafft, hatte auch von der Kaiserin Friedrich Besitz genommen und der Sechzig jährigen ein grausames Ende bereitet. Und gleich dem Dulder von San Remo -hat die nun Verblichene gelitten, ohne zu klagen. Der von ihr am härtesten empfundene Schmerz ihrer letzten LeidenSzeit ist die Unmög lichkeit gewesen, am Sterbebette der Mutter, deren ältester Kind sie gewesen, zu verweilen. Sie hat die Hochbetagte nur kurze Zeit überlebt. Das deutsche Volk betrauert in der Heimgegangenen Fürstin die Lebensgefährtin seines unvergeßliche» Helden und zweiten Kaisers und die Mutter seines jetzigen Oberhauptes. Dreißig Jahre hat die einstmalige Prinzessin Victoria an der Seite des Gatten verlebt, der mit ausgezeichnete» Eigen schaften des Geistes und deS Herzens den Besitz einer herr lich schönen Mannesgestalt verband und ihr in treuer Liebe zugethan war. Das Glück dieser Ehe war, ehe der Tod seine Hand auf Kaiser Friedrich legte, nur durch den Verlust zweier von acht Kindern getrübt. Während der zwölfjährigen Wittwenschaft sah die Verstorbene ihre fünf Töchter glück liche Verbindungen eingehen und zahlreiche Enkel geboren werden und heranblühen. So ist der Frau und Mutter, die in FriedrichShof die Augen schloß, ein nicht Vielen beschiedeneS freundliches Loos geworden und der Kronprinzessin hat das Schicksal unverhofft große Gaben in den Schooß geworfen. Als die Königin Victoria im Jahre 1863 in Coburg weilte und dort außerordentliche Huldigungen von allen deutschen Fürsten entgegennebmen durfte, führte sie eine besondere Unterredung mit dem Kaiser Franz Josef herbei. Der Zweck war, dem Beherrscher des damals für die deutsche Vormacht geltenden Staates di« Bitte zu unterbreiten, er möge, wenn, woran die Königin nicht zweifelte, die Berliner Politik Preußen ins Unglück gestürzt habe, „ihre Kinder", den Kronprinzen Friedrich Wilhelm und die Prinzessin Victoria, die Tollkühnheit Bismarck's nickt allzuschwer entgelten lasten. Zwei Jahre später war die Tochter dieser Mutter die Gattin deS sieggekrönten Erben eines an Größe, Macht und Ansehen unendlich gewachsenen Preußen, und nach einem weiteren Jahrfünft wurde sie Anwärterin auf einen deutschen Kaiser thron. Victoria ist mit der Familie, die sie gegen das Eltern haus vertauschte, emporgestiegen, wie in ihrem Jahrhunderte keine andere Fürstentochter der Welt. Mit ihr erfuhren ihre Kinder, erfuhr insbesondere der älteste Sohn eine ungeahnte, fast märchenhafte Erhöhung. Schon aus diesem Grunde ist die Annahme weit abzuweisen, die Kronprinzessin habe die Erfolge deS Schwiegervaters und seines BerutherS nicht mit unbegrenzter Genugthunng be gleitet. Zweifel dieser Art konnten nur entstehen, weil — und dies braucht am offene» Sarge nickt verschwiegen zu werden — die Verstorbene englische Auffassungen und Vor stellungen niemals völlig zu bannen vermochte. Aber weit entfernt, aus dieser Thatsache eine» Vorwurf zu erheben, sehen wir unS durch sie nur mit Neid erfüllt, darüber, daß den Sprößlingen des britischen Königshauses da- Nationalgefühl sich so tief in die Seel« einsenkt, daß cS durch Nichts völlig verwischt werden kann, auch nicht bei dem Kinde einer halbdeutschen Mutter und eines Vaters von rein deutschem Geblüte. Nicht minder ver ständlich ist eS, wenn die von dem Bewußtsein ihre- gegen wärtigen und künftigen Ranges erfüllte königliche Frau über die ihr überragend erscheinende Stellung des Fürsten Bis marck gelegentlich vergessen konnte, wa- dieser Große für Gatten und Sohn gewirkt. Fürst Bismarck war übrigens bekanntlich in diesem Puncte von hohen Damen deutscher Abkunft nicht verwöhnt worden. Don Versuchen, di« Politik im eigentlichen Sinne des Worte» zu beeinflussen, hat sich die Kronprinzessin Victoria peinlich ferngehalten, und in der kurzen Spanne Zeit, da sie Gemahl eine» Kaiser- gewesen, unter dem sprachberaubt dem Tode entgrgensiecheuden Kaiser Friedrich, waren di« Regierung-Verhältnisse »aturnothwendig so abnorm, der BerantwortlichkeitSzustand so unvermeidlich gestört, daß Niemand die Folgerungen der ordnung-mäßen Competenzen hätte ziehen können. Man hat in jenen 99 Tagen mancherlei vorwurfsvolle Behauptungen gehört. Begründet ist keine einzig« von ihnen worden, dagegen hat sich in einem Falle die Unrichtigkeit einer Veit verbreiteten Annahme herau-gestellt. Die Kaiserin Friedrich, sowurde vielfach geglaubt, habe dir Abkrh r von einer bewährte, Poleopolitik inaugurirt, al« sie, vom Kranken lager ihre- kaiserlich«» Gatten in rin von Waffersnoth heim- gesuchte- doppelsprachige- Gebiet geeilt, von polnischen Adeligen Huldigungsreden in französischer Sprache entzegennahm und erwidert». Die nächste Zukunft zeigte, daß diesem Vorfall aum die Bedeutung einer politischen Episode zukam, die Wandlung in der Polenpolitik erfolgte erst zwei Jahre später und ohne jeden Antheil der inzwischen längst zur Wittwe gewordenen Kaiserin Friedrich. Das deutsche Volk darf die Trauer, die im Hause seines Kaisers eingekehrt, als eine ungemischte Empfindung theilen und mit Gefühlen der Dankbarkeit für die Entschlafene. Ind nicht nur dafür, daß sie dem Kaiser Friedrich eine liebende Genossin und Wilhelm II. eine treubesorgtc Mutter gewesen: die Kronprinzessin und Kaiserin Victoria >at vieles Gute und bleibendes Gute gewirkt. Sie ist eine Meisterin jenes socialen ThunS gewesen, daS durch keine staatliche sociale Fürsorge entbehrlich werden wird. Ins besondere danken Anstalten für die Fort- und Fachbildung von Mädchen der Verblichenen ihr Entstehen. Die Kunst, die deutsche Kunst, hat durch sie, die selbst nicht ohne künst lerische Veranlagung, eine warme und eifrige Förderung er fahren, und daS Berliner Kunstgewerbemuseum, das nach einem englischen Vorbild entstanden und so überaus segens reich wirkt, dankt der Kaiserin Friedrich nicht in letzter Reihe sein Entstehen. So hinterläßt die kaiserliche Frau, obwohl sie den Thron nur Monde und unter den traurigsten Umständen innezehabt, Spuren hohen Wirkens an hohen Stellen. Ein gutes Ge denken des deutschen Volkes wird ihr über das Grab hinaus bewahrt bleiben. Der Todesbotschaft gingen folgende mit ihr im Zusammen hang« stehende Nachrichten voraus: (-) Eronberg, 5. August, II Uhr 30 Min. Vormittags. (Telegramm.) Das Befinden der Kaiserin Friedrich ist unverändert. Die Kaiserin ist bei vollem Bewußtsein und verlangte heute früh nach dem englischen Pfarrer auS Homburg v. d. Höhe, der eine Stunde bei der Kaiserin ver weilte. Alle Kinder, außer dem Prinzen Heinrich, sind jetzt im Krankenzimmer versammelt. Zum Nachtdienste im Schlosse ist die 11. Compagnie des 80. Infanterie- Regiments, dessen Chef die Kaiserin Friedrich ist, hierher befohlen worden und hat Privatquartier bezogen. (-) Kronberg. 5. August, Nachmittags 4 Uhr. (Tele gramm.) Das Befinden der Kaiserin Friedrich ist unverändert. Die Majestäten weilen im Kranken zimmer. V Homburg v. -. Höhe, 5. August. (Telegramm.) In Begleitung des Kaisers und der Kaiserin sind hier anwesend: Reichskanzler Graf v. Bülow, Gesandter v. Tsckirschky und Bögendorff, Palastdame Gräfin Keller, Vice-Oberceremonienmeister von dem Knese beck, Ober-Hof- und HauSmarschall Graf zu Eulen burg, Hausmarsckall Freiherr v. Lyncker, die Generaladjutanten General der Infanterie v. Plessen, Generalleutnant v. Scholl, Generalmajor v. Mackensen, Flüzeladjutant Oberst v. Pritzelwitz; ferner der Chef des Militärcabinets Graf Hülsen-Häfeler und der Geheime RegierungSralh v. Valentin! in Vertretung des Chefs deS Civilcabinets. Der Krieg in Südafrika. Krüger. * London, 5. August. (Telegramm.) Eine Amsterdamer Drahtmeldung d«r „Daily Mail" besagt, Krüger werde den Winter an der Riviera zubringen. Die geplante Amerikareise wurde wegen der augenscheinlich unfreundlichen Haltung Mac Kinley'S a us- gr geben. (Voss. Ztg.) Chamberlain als Rachecngel. Aus London, 2. August, wird uns in Ergänzung unserer telegraphischen Meldung geschrieben: Der britische Colomalminister Joseph Chamberlain straft« beute die Gerüchte, welche in den letzten Togen Uber seine an geblich schwer erschütterte Gesundheit umliefen, in einer Art und Weis« Lügen, als ob er urbi vt ordi hätte verkünden wollen, daß er von seiner schneidigen Kampffähigkeit und von seinem brutal- rücksichtslosen Wagcmuthe noch nichts verloren habe. Einem Manne vom Schlag« Chamberlain's liegt es viel bester, wenn er nichts mit zarteren und sanfteren Dingen zu thun hat, und statt dessen mit Blut und Eisen, obwohl ganz und gar nicht etwa L I» Bisn-arck, nur so um sich werfen kann. Dazu bot sich ihm heut« die hochwillkommene Gelegenheit, als im Unterhause bei dem Etat des Gehaltes deS Lolonialmirnster» der Führer der Liberalen, Sir Henry Campbell Bannermann sich in längerer Red« Uber den südafrikanischen Krieg ausließ und verschiedene Fragen an die Regierung richtet«, zu deren Beantwortung Mr. Cbamberlain mehr als bereit war. Mit der ihm eigenen, ge radezu glänzenden Redegewandtheit, 'die absolut kein« Schwierig keiten oder Verlegenheiten zu kennen scheint und die durch nicht» erschüttert werden kann, ging der Colonialsekretär auf eine der schärfsten Mensuren, die «r jemal» im britischen Parlamente auSgefochien hat, und war dabei, wie gewöhnlich, in der Wahl seiner Waffen ganz und gar nicht scrupelhaft. SMn Erst«» war, dm Führer der liberalen Partei abzu- kanzekn, al» s<i er selbst Rn Feind deS Vaterlandes, so daß kampbrll Bannermann ihn darauf aufmerksam machen mußte, er sei Mitglied des englischen Parlament» und nicht de» Dolkr- rackd» der Boeren. Sodann erging sich Herr Chamberlain in längeren Argu menten über die Notwendigkeit der berüchtigten LoncentrationS- lager, die in der bequemen Behauptung gipfelten, daß «S unbe dingt nothwtndig gewesen sei, die Frauen und Kinder der im Felde stehenden Boeren zu ihrem eigenen Besten in dieser Weis« zu sammeln und unterzubringen, da sie sonst hilflos hätten zu Grunde gehen müssen. Dies brachte ihm den vollständig gerecht fertigten Einwurf von der linken Seite des Hauses ein, daß diese grausamen Maßregeln gegen die Familien der Burghers voll- tändig unnöthig gewesen sein würden, wenn nicht die britischen Militärbehörden in Südafrika auf Anweisung oder unter Zu- timmung d«r Negierung vorher das Land verwüstet und die Heimstätten dieser unglücklichen Frauen und Kinder melder gebrannt hätten. Es schien außerdem Herrn Chamberlain voll ständig zu entgehen, daß diese Politik der Mordbrennerei im Großen in der Hauptsache dafür verantwortlich ist, daß die Boeren sich seit langen Monaten in der englischen Capcolonie festgesetzt haben und 'dort für Mensch und Thier in Masse finden und nehmen, was sie im Norden des Kriegsschauplatzes, speciell im Oranje-Freistaat nicht mehr erhalten können, nämlich Rüh rung und Futter. Bezüglich des immer unerträglicher werdenden Stand- recht es in der Capcolonie und der daselbst ausge hobenen Verfassung stützte sich Herr Chamberlain ebenfalls in sehr bequemer, aber wenig stichhaltiger Weise darauf, daß diese rigorosen Maßregeln die Zustimmung des Ministeriums in Cap stadt gefunden hätten, wobei man ihm wiederum von der Linken des Hauses mit der sarkastischen Bemerkung in die Parade fuhr, daß das Cabinet des Herrn Gordvn-Sprigg sich absolut nicht des Vertrauens und der Zustimmung der ganzen Colonie erfreue, und daß selbst die loyalsten Bürger des Caplandes im schroffsten Gegensätze zu der Politik der Capregierunz ständen. Alle diese Puncte traten jedoch fast vollständig in den Hinter grund vor de: großen und ernsten Bedeutung des Hauptgegen- stan'ves der Chamberlain'schen Rede: „Wir treten jetzt in die dritte Phase des Krieges ein, nachdem die zweite, nämlich der Guerilla-Feldzug vorüber ist, und wir nur noch mitBrigandag« und Verbrechen auf Seiten des Feindes zu rechnen haben." Das sind Herrn Chamberlain's eigene Worte, und auf Grundlage dersellnn gab er dann die weitere Erklärung ab, daß die Regierung rcspective das britische Hauptquartier in Südafrika von nun an zu anderen, schärferen Maßregeln greifen müsse, die der verbrecherischen Kriegführung 'v«s Feindes entsprächen. Es würde, so meinte Herr Chamber lain, ein direktes Zeichen von Schwäche auf Seiten Englands sein, wenn nicht ohne Verzug den Boeren verständlich gemacht würde, daß sie sich selbst außerhalb des Kriegsrechts stellten, und daß sie selbst die Schuld daran tragen, wenn die ganze Kriegführung jetzt eine aiioere Wendung nimmt. Während Chamberlain diese Erklärung abgab, wurde in der Opposition und speciell von den Bänken der irischen Nationalisten der lebhafteste und schärfste Widerspruch laut, 'was den Colonial sekretär denn doch etwas aus dem Gleichgewichte brachte und ihm Gelegenheit gab, in einigen brutalen Ausfällen seinem erbitterten Hasse gegen die Iren Luft zu machen. Er belegte sogar die Letzteren mit verschiedenen unparlamentarischen Schimpfworten, wie „Pack" u. s. w., vorauf er von dem jugendlichen Feuerbrand auf der Linken, Mr. Lloyd-George, die elegante und treffende Repriman'd« erhielt, daß er, Herr Chamberlain, ja seiner Zeit selbst zum opponirenden „Pack" gehört habe und damals tüchtig gegen Lord Roberts und die unmenschliche Barbarei der Truppen dieses Generals in Afghanistan mitgebellt habe. Diese unlieb same Erinnerung schien denn doch einen gewissen Eindruck auf „Joe" zu machen, denn er schaute noch viel bleicher drein, als ge wöhnlich, und ließ in der Erregung sogar sein historisches Monocle fallen, ein Ereigniß, welches selbst die ältesten Parla mentarier nur selten haben stattfinden sehen. Ein« Antwort auf die Aeußerung Lloyd-Georges hielt Chamberlain in be quemer Ueberhebung natürlich unter seiner Würde, und ließ den minutenlang andauernden Beifallssturm auf 'Seiten der Oppo sition in gemachter Ruhe über sich ergehen. Im klebrigen erscheint der neue Operationsplan, wie ihn Herr Chamberlain auseinandersetzte, zum Mindesten sehr unklar und gewagt. Eine größere Anzahl von Fußtruppen sollen bis Ende September aus Südafrika zurückgezogen werden, so daß also di« Fortführung des Krieges in seiner dritten Phase hauptsächlich oder ganz allein den be rittenen britischen Corps zufallen würde. Diesen Ausfall an Streitkräften hofft Chamberlain dadurch gut machen zu können, daß gewisse Districte des Kriegsschauplatzes als „ge heiligter Grund" den Boeren gegenüber erklärt werden sollen, deren Betreten für die Feinde „die strengsten Gegenmaßregeln" zur Folge haben würde. Das meint natürlich nur Togesstrafe für alle gefangenen Boeren, und so wäre England endlich aus dem ersehnten Standpuncte der Jingos angekommen; es wird seine Blutschuld in Südafrika ins Ungeheure vergrößern und die Boeren zu grausamen Rreprestalien treiben, an Hand deren die ganze Kriegführung dann schließlich in ein gegenseitiges Hin morden ausarten wird, und das Alles von „Chamberlain wegen." Die Wirren in China. Die „Gera" auf -er Heimreise. * Höhe von Vtserta, 28. Juli. Die „Gera" ist nun schon wieder vier Tage in See, noch eine Nacht, und Algier wird vor unS liegen. Der Feldmarschall hat sich entschlossen, Algier an zulaufen. Sein Besuch ist natürlich ganz privat, daher sollte auch nichts von der Absicht des Marschalls, dort zu landen, vor her verlauten, um alle Feierlichkeiten zu vermeiden. Seit dem Eintritt der „Gera" in- Mittelmeer, m, schon seit Port Said hat der Marschall, den die lange Seereise etwas angegriffen hatte, sich Prächtig erholt. Morgens und am Spätnachmittag wird eifrig gearbeitet. Ueberall auf Deck steht man die Herren vom Stabe sitzen, di« Berichte ausarbeiten oder sonstige laufende Ar beiten erledigen. Die Räume, die der Marschall bewohnt, liegen auf dem Promenadendeck, vorn über der Officieri-Messe. Sie bestehen aus Speisesalon, Empfangszimmer, Arbeits- und Schlafgemach. Abends beaiebt sich der Marschall früb zur Ruhe. Außer den Officieren des Armee-Obercommando» sind noch fünf Herren vom Feldlazareth Nr. 3 an Bord, da- unter Leitung deS Oberstabsärzte» vr. vollbrecht steht. Da» Lazareth zählt zur Zeit noch etwa 70 Kranke, auch einige Mann der Schiff»-1 bemannung sind darunter. Sind auch einzeln« Fälle, wie Blind« I darmentzündung, gefährlich, so hofft man trotzdem, sämmtlichc Kranke gesund oder auf dem Wege der Heilung begriffen nack Deutschland zu bringen. Das Expeditionskorps ist durch fünf Ofsiciere unter Führung des Hauptmanns Schneider vertreten. Sodann sind noch einige Zeitungsberichterstatter und die Maler Obst und Breßler an Bord, welch letztere Beide im Auftrage des Kiiegsministeriums die Expedition mitgemacht haben. Wenn kein Dienst ist — meist ist nur Morgens Parole mit daran an schließendem Vortrag — geht man auf Deck spazieren, arbeitet oder liest. Einige Herren schlafen noch auf Deck. Die meiste» Ojficiere sind auf dem Promenadendeck oder in der Nähe der Messe untergebracht. General Freiherr v. Gayl hat seine Woh nung neben der des Marschalls. Wer von den Herren vorn keinen Platz gefunden, ist auf dem Hauptdeck achtern untergekommen. Hier sind breite Verschlüge, nach den Seiten durch Holzwände, nach Mittschiffs durch Vorhänge getrennt, geschaffen, die groß und luftig, auch den Verhältnissen nach kühl find. Bett, Com- mode und Wasch-Einrichtungen genügen vollkommen, um es sich behaglich zu machen. Jeder Officier hat seine eigene Cabinc. Die Unterofficiere, wenigstens die älteren, haben gleichfalls eigene Kammern. Ueberhaupt ist ihnen die ganze zweite Cajiite, Deck und Gesellschaftsräume zur Verfügung gestellt worden. Die jüngeren Unterofficiere und Mannschaften sind im Haupt- und Zwischendeck vertheilt. Vorn im Schiff ist das Feldlazareth untergebracht, Mittschiffs das Expeditionscorps, achtern die Unterofficiere und Mannschaften des Armee-Obercommandos. Da sich nur etwa 400 Mann an Bord befinden, hat jeder Manu sein Bett. Der Dienst ist auf Unterricht, Reinigung der Sachen und Appells beschränkt, an gewissen Tagesstunden ist den Mannschaften das ganze Deck, außer dem oberen Promenaden deck, das für die Officiere Vorbehalten ist, freigegeben; sie plau dern, spielen Karten oder andere Spiele, und freuen sich der bal digen Rückkehr in die Heimath. Schon werden die Tag: gezählt, die uns noch vom Vaterlande trennen. Die Verpflegung ist reichlich unv pur. Der Norddeutsche Lloyd läßt jedem Monn täg lich eine Cigarre und ein Glas Bier überreichen, wie er sich über? Haupt in jidcr Weise äußerst entgegenkommend zeigt. Hat eck doch z. B. in Port Said 100 Fässer Bier an Bord genommen, um Officieren und Mannschaften den langentbehrten Genuß von frischem Faßbier zu verschaffen. Der Capitän hat auch eine Ricfenbadewanne an Deck aufrichten lassen, die bis 8 Uhr Morgens jedem Officier ermöglicht, ein Schwimmbad zu nehmen. In Port Said nahm die „Gera" wohl über 1000 Tonnen Kohlen, zunächst, um für alle Fälle bis Hamburg ausreichen zu können, sodann auch, um das Schiff, das keine Ladung hat, stabiler zu machen. Dem Marschall waren schon früh am Morgen Blumen und Palmen vom Lloyd und der Hamburg-Amerika-Linie ge sandt worden. Der erstere, durch Consul Bronn vertreten, hatte es sich nicht nehmen lassen, das im Speisesaal des Marschalls hängende Bild des Kaisers zu bekränzen und den ganzen Salon des Marschalls zu schmücken. Mitten im Kohlenstaub und im Gegensatz zum bäum- und strauchlosen Port Said für Alle ein doppelter Genuß. Als man Abends in See ging, grüßten die in Port Said ausgestiegenenen italienischen Officiere, Oberst leutnant de Chaurand und Hauptmann Ferigo, die mit einem Boote wieder längsseit der „Gera" gekommen waren, zum Ab schied. Sie wurden mit drei Hurrahs von der Bemannung be grüßt, die von dem italienischen Postdampfer lebhaft erwidert wurden. Freitag, den 26., Vormittags, tauchte unsere Panzer division am Horizont auf, die uns manövrirend erwartete. Es war ein prächtiger Anblick, an diesen in Rauch gehüllten Kolossen vorbeizufahren. Das vorzügliche Aussehen der Schiffe und Mannschaften, das ausgezeichnete Manövriren erregte allgemeine Begeisterung und Stolz auf unsere Marine. Seit gestern giebt es Liebescigarren nach Frühstück und Mittag, sogar echte darunter. Sie stammen von Director Ballin, der damit große Freude bereitet hat. Da auch in Port Said Schlachtvieh an Bord genommen worden war, das gestern sein Leben lassen mußte, so entbehren Officiere wie Mannschaften nichts an Bord. Gestern Abend 4 Uhr passirten wir Malta. Unser Capitän fuhr ziemlich nahe an La Valette, den Hafen, heran, so daß wir die ganze Insel allmählich an unseren Augen vorbeiziehen lassen konnten. Viel Häuser, noch mehr Kirchen und Thürme, auch Burgen, kein Baum und Strauch, doch Weinberge und bebaute Felder neben Fels- und Steingeröll, Berge und Thäler, Schluchten und Klippen gaben ein sehr malerisches Bild. Fünf armige Windmühlen erinnerten lebhaft an die Heimath, während Befestigungen und Zeltlager uns wieder einmal die gewaltige Colonialmacht Englands vor Augen führten. Heute Morgen hatten wir die nordafrikanische Küste in der Nähe Carthaaos passirt. Dann kam Biserta, der neue französische Kriegshafen, in Sicht. Der Capitän fuhr ganz in die Bucht hinein und deut lich sahen wir die Häuser und die hohe eiserne Schwebebahn, das Wahrzeichen Bisertas von See aus; Forts, Leuchtthiirme, Signalstationen kündeten die Bedeutung des Platzes, nackte Sandberge wechselten mit fruchtbaren Thälern. (Köln. Ztg.) * Hongkong, 5. August. (Telegramm.) Da» englische Kriegsschiff „Glovh" ist mit einem britischen Admiral an Bord au» Amoy hier eingetroffen. In Amoy ist Alle» ruhig. Die Kriegsschiffe „Tclipse" und „Daphne" bleiben noch dort. * London, 5. August. Den „Timet" wird au» Peking vom 2. August gemeldet: Di« Wirkung der Entsendung der tibe tanischen Mission nach Petersburg macht sich berett« bemerkbar in der Bereitwilligkeit, ja tu d«m «tfrigrn Bestreb«« China», die Verhandlungen hinsichtlich der Mandschurei wieder aufzunehmen. Maa befürchtet, daß, wenn die Verhandlungen wieder eröffnet werden, der ursprünglich vom Fürsten Nchtom-ki Li-tzung- Tschang gegenüber gemachte Vorschlag, Rußland «nd China sollten gemeinsam alle Minen der Mandschurei au-beuten, angenommen wird. Wie e» heißt, wird der Sohn Li-Hung-Tichang'S, Licheafong, zum chinesischen Ge sandten in Rußland ernannt werden, um di» vom Vater begonnene Politik fortzose-en. Demselben Blatte wird ferner bertchtet: Frankreich» Vertreter in Peking ging eine Mittheilung zu, »o- noch Frankreich beabsichtige, «in« direkt« Eisenbahn von Paotingfu nach Tientsin zu baue», mit oder ohne Zu stimmung ChioaS.
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